Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: 3 K 348/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG § 4 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein 1995 mit einem Doppelhaus bebautes Grundstück zum Umlauf- oder zum Anlagevermögen eines gewerblichen Grundstückshandels gehört.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Jahr 1994 erwarb die Klägerin ein unbebautes Grundstück von 11.800 qm und parzellierte es. Die einzelnen Parzellen verkaufte sie - bis auf ein Grundstück mit einer Größe von 2.029 qm - noch im gleichen Jahr. Die Klägerin ging davon aus, dass durch ihre Tätigkeit 1994 ein gewerblicher Grundstückshandel begründet worden sei. Sie ermittelte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1994 gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG), hierbei berücksichtigte sie die Anschaffungskosten für das unparzellierte Grundstück in Höhe von 2.437.563,77 DM als Betriebsausgaben und ermittelte einen Gewinn in Höhe von 275.638,29 DM.

Das nicht veräußerte Grundstück bebaute die Klägerin 1995 mit einem Doppelhaus, welches nach ihren Angaben am 15. Dezember 1995 fertig gestellt wurde. Die beiden Haushälften wurden mit Vertrag vom 22. beziehungsweise 26. September 1995 für die Zeit ab dem 1. Dezember 1995 vermietet. Die Mietverträge enthielten keine Befristung, in § 29 der Mietverträge war die Kündigung des Mietverhältnisses vor Ablauf von drei beziehungsweise fünf Jahren ausgeschlossen. Den Mietern wurde eine bis zum 1. Dezember 1998 befristete Kaufoption eingeräumt. Eine der Doppelhaushälften wurde mit Vertrag vom 12. Dezember 1998 verkauft, der Kaufpreis betrug 725.000 DM.

Für 1995 erklärte die Klägerin hinsichtlich der beiden vermieteten Doppelhaushälften Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 75.535 DM. Als Werbungskosten machte sie u.a. Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 56.818 DM geltend. Einkünfte aus Gewerbebetrieb - betreffend den gewerblichen Grundstückshandel - erklärte die Klägerin für 1995 nicht. Das beklagte Finanzamt setzte nach mehreren (hier nicht streitigen) Änderungen mit im Bescheid vom 4. August 1999 die Einkommensteuer in Höhe von 0 DM fest, dabei wurden negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend das o.g. Grundstück in Höhe von 71.940 DM berücksichtigt. Der gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) angeordnete Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Auch für die Jahre 1996 bis 1998 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung betreffend die beiden Doppelhaushälften, für 1999 wurde zunächst kein Gewinn aus der Veräußerung der Doppelhaushälfte erklärt.

Im Zuge einer im Jahr 2000 begonnenen Außenprüfung gelangte das Finanzamt zu der Ansicht, dass das vermietete Grundstück nach wie vor zum Betriebsvermögen des gewerblichen Grundstückshandels gehöre, allerdings 1995 zu Anlagevermögen geworden sei. Die Klägerin legte während der Außenprüfung eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung für 1999 vor, in der sie den durch die Veräußerung entstandenen Gewinn aus dem gewerblichen Grundstückhandel ermittelte. Dabei berücksichtigte sie als Betriebsausgabe zunächst auch die anteiligen Anschaffungskosten für das Grundstück, korrigierte die Gewinnermittlung später jedoch dahingehend, dass die Anschaffungskosten für das Grundstück bereits 1994 zu Recht als Betriebsausgabe in Ansatz gebracht und daher 1999 nicht erneut zu berücksichtigen seien.

Da das beklagte Finanzamt davon ausging, dass das Grundstück 1995 zu Anlagevermögen geworden sei, ermittelte es - ausgehend von einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG - aus dem Übergang vom Umlaufvermögen zum Anlagevermögen für 1995 eine Gewinnauswirkung in Höhe der auf das Grundstück entfallenden anteiligen Anschaffungskosten (355.075 DM). Gleichzeitig wurden die als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärten Beträge als Einkünfte aus dem gewerblichen Grundstückshandel berücksichtigt und insgesamt ein Gewinn aus Gewerbebetrieb der Klägerin in Höhe von 283.135 DM in Ansatz gebracht. Mit gemäß § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 15. Juli 2002 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer für 1995 in Höhe von 106.076 DM = 54.235,80 EUR fest.

Mit ihrem dagegen erhobenen Einspruch machten die Kläger geltend, dass das zurückbehaltene Grundstück nach wie vor zum Umlaufvermögen des gewerblichen Grundstückshandels zähle, da die Verkaufsabsicht ständig bestanden habe und auch durch die zwischenzeitliche - stets befristete - Vermietung nie aufgegeben worden sei. Auch über das Jahr 1995 hinaus hätten sich die Kläger stets um eine Veräußerung des Grundstücks bemüht. Zum Beleg für die Verkaufsbemühungen 1995 und 1996 hatten die Kläger bereits während der Außenprüfung diverse Unterlagen vorgelegt, die sie während des Rechtsbehelfsverfahrens ergänzten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 7. November 2003 wies das beklagte Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück. Zwar seien bei einem gewerblichen Grundstückshandel die zur Veräußerung bestimmten Grundstücke grundsätzlich dem Umlaufvermögen zuzurechnen. Besondere Umstände könnten jedoch im Einzelfall dazu führen, dass Anlagevermögen vorliege. Indizien für das Vorliegen von Anlagevermögen könnten sich aus einer bedingten Vermietungsabsicht sowie aus der buchmäßigen Behandlung durch die Steuerpflichtigen ergeben. Die Klägerin habe ab dem Zeitpunkt der Vermietung nicht nur eine Veräußerungsabsicht gehabt, sondern auch die Möglichkeit einer längerfristigen Substanzausnutzung in Betracht gezogen. Für die Herstellungskosten der Gebäude sei AfA geltend gemacht worden. Daraus ergebe sich, dass auch die Klägerin von dem Vorliegen von Anlagevermögen ausgegangen sei, da für Umlaufvermögen das Zu- und Abflussprinzip uneingeschränkt gelte. Grund und Boden sowie das aufstehende Gebäude könnten nur einheitlich als Umlauf- oder Anlagevermögen beurteilt werden.

Am 9. Dezember 2003 haben die Kläger Klage erhoben. Sie machen geltend, dass das mit den beiden Doppelhaushälften bebaute Grundstück nicht zwangsläufig Anlagevermögen geworden sei. Entscheidend sei, dass die Klägerin an der ursprünglichen Veräußerungsabsicht festgehalten und diese zu keinem Zeitpunkt aufgegeben habe. Die Klägerin sei sich aufgrund steuerrechtlicher Beratung über die Bedeutung eines gewerblichen Grundstückshandels bewusst gewesen. Sie habe sich im Rahmen der eingereichten Einkommensteuererklärung 1994 völlig zutreffend für eine Gewinnermittlung durch Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG entschieden. Für die Folgejahre habe die Klägerin an dieser einmal gewählten Gewinnermittlungsart festgehalten. Eine Verpflichtung zur Buchführung habe angesichts des geringen Umfanges der gewerblichen Betätigung nicht bestanden, eine Aufforderung zur Buchführung und Bilanzierung sei durch das beklagte Finanzamt nicht erfolgt. Die in der Einkommensteuererklärung erfolgte Bezeichnung der Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung sei nicht durch eine Willensentscheidung der Klägerin entstanden. Diese Bezeichnung und die Ermittlung der Einkünfte sei durch ein Missverständnis im Büro des steuerlichen Beraters zu Stande gekommen. Aus den vom vorigen steuerlichen Berater übergebenen Unterlagen sei nicht ersichtlich gewesen, dass der gewerbliche Grundstückshandel noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Das bedeute jedoch nicht, dass die Klägerin zu Beginn des Jahres 1995 und zu Beginn der folgenden Jahre hinsichtlich der Gewinnermittlungsart eine andere Entscheidung getroffen habe, sie habe vielmehr immer an der Einnahmen-Überschuss-Rechnung festgehalten.

Die Kläger haben zunächst beantragt,

die Einkommensteuer 1995 um 54.235,80 EUR niedriger als bisher und die Einkommensteuer 1994 um 16.064,98 EUR niedriger als bisher festzusetzen.

Sie beantragen nunmehr,

den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 15. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2003 zu ändern und die Einkommensteuer um 54.235,80 EUR niedriger auf 0 EUR festzusetzen.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den Inhalt der beigezogenen Steuerakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid, mit dem die Einkommensteuer 1995 auf 54.235,80 EUR festgesetzt worden ist, ist nicht rechtswidrig. Dabei kann dahinstehen, ob die Einschätzung, dass das bebaute Grundstück 1995 zu Anlagevermögen des gewerblichen Grundstückshandels geworden ist, zutreffend ist. Denn auch wenn das Grundstück - wie die Kläger meinen - 1995 (und in den Folgejahren) zum Umlaufvermögen des gewerblichen Grundstückshandels gehört haben sollte, ergäbe sich für 1995 keine niedrigere Einkommensteuer, da wegen eines Wechsels der Gewinnermittlungsart ein Übergangsgewinn in Höhe von 355.075 DM in Ansatz zu bringen und AfA nicht zu berücksichtigen wäre.

Der Gewinn aus dem gewerblichen Grundstückshandel ist für 1995 gemäß § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Zwar stand der Klägerin ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlungsmethode zu. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass sie dieses Wahlrecht zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraumes 1995 zu Gunsten einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgeübt hat. Der Umstand, dass die Gewinnermittlung 1994 nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommen worden ist, lässt nicht den Schluss zu, dass das bestehende Wahlrecht 1995 in gleicher Weise ausgeübt worden ist.

Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ist der Gewinn durch Bestandsvergleich zu ermitteln. Abweichend von dieser Grundregel können gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen (Wahlrecht zu Gunsten einer Einnahmen-Überschuss-Rechnung).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der der Senat folgt, kann das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach Einnahmen-Überschuss-Grundsätzen nur zu Beginn des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraumes ausgeübt werden, und zwar - regelmäßig durch schlüssiges Verhalten - dadurch, dass der Steuerpflichtige keine Eröffnungsbilanz erstellt und keine Buchführung einrichtet, sondern die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufgezeichnet. Die maßgebliche Wahlentscheidung des Steuerpflichtigen setzt das Bewusstsein voraus, dass Einkünfte - und zwar Gewinneinkünfte - erzielt werden (vergl. BFH, Urteil vom 1. Oktober 1996, VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403; Urteil vom 9. Februar 1999, VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195). Es reicht daher für eine Ausübung des Wahlrechtes nicht aus, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines Irrtums davon ausgeht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - also Überschusseinkünfte - zu erzielen und die Einnahmen und Werbungskosten aufzeichnet.

Nach den vorliegenden Unterlagen, welche die Klägerin auch auf den Hinweis des Berichterstatters vom 23. November 2004 und die Verfügung vom 12. Januar 2005 nicht ergänzt hat, lässt sich nicht feststellen, dass die Klägerin zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraumes 1995 das Bewusstsein hatte, (weiterhin) Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erzielen. Die Angaben in der Einkommensteuererklärung lassen den Schluss zu, dass die Klägerin - ebenso wie ihr steuerlicher Berater - davon ausging, dass der gewerbliche Grundstückshandel 1994 abgeschlossen worden war. Dementsprechend sind hinsichtlich der beiden Doppelhaushälften Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt worden, dabei ist auch AfA in Ansatz gebracht worden. Wäre die Klägerin davon ausgegangen, dass die Grundstücke zum Umlaufvermögen des fortbestehenden gewerblichen Grundstückshandels gehörten und hätte sie die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln wollen, so hätten die Herstellungskosten für die beiden Doppelhaushälften im Zeitpunkt des Abflusses zu Betriebsausgaben geführt. Auch die Einkommensteuererklärungen der Jahre 1996 bis 1999 deuten nicht darauf hin, dass der Klägerin bewusst war, dass sie weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Ansonsten hätte sie bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für 1999 den ihr aus dem Verkauf der einen Doppelhaushälfte zugeflossenen Kaufpreis als Betriebseinnahme erfassen müssen.

Da die Klägerin zu Beginn des Gewinnermittlungszeitraumes 1995 das Wahlrecht für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht ausgeübt hat, ist der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Dem steht nicht entgegen, dass dies zu einem Wechsel der Gewinnermittlungsart führt. Zwar müssen nach der neueren Rechtsprechung des BFH besondere wirtschaftliche bestimmte Gründe vorliegen, wenn innerhalb von drei Jahren die Gewinnermittlungsart gewechselt werden soll (Urteil vom 9. November 2000, IV R 18/00, BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102). Dies gilt jedoch nur für einen erneuten Wechsel der Gewinnermittlungsart, wenn zuvor bereits freiwillig ein Wechsel vorgenommen worden war.

Bei einem Übergang zum Bestandsvergleich ist das Umlaufvermögen mit dem Buchwert zu bilanzieren. Zur Neutralisierung der durch den Betriebsausgabenabzug 1994 eingetretenen Gewinnminderung ist ein Zuschlag in Höhe des Buchwertes vorzunehmen (vgl. zu Zu- und Abschlägen bei einem Wechsel der Gewinnermittlungsart z.B. Heinicke in Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 23. Auflage 2004, Rn 659 zu § 4), so dass sich für 1995 ein Übergangsgewinn in Höhe von 355.075 DM ergibt. Der aus der laufenden gewerblichen Tätigkeit 1995 resultierende Gewinn/Verlust wäre - ausgehend von dem Vorliegen von Umlaufvermögen - ohne die Berücksichtigung von AfA zu ermitteln, so dass sich insgesamt ein höherer als der bisher von dem Finanzamt berücksichtigte Gewinn ergäbe. Die Einordnung als Anlagevermögen erweist sich bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG als für die Klägerin günstiger als eine Einordnung als Umlaufvermögen.

Soweit der Klageantrag gegenüber der ursprünglichen Ankündigung beschränkt worden ist, liegt eine konkludente Rücknahme der Klage vor, insoweit beruht die Kostenentscheidung auf § 136 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO), im Übrigen ergibt sie sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

Revision zugelassen durch BFH Beschluss XI B 39/05 vom 25. 1. 2006

Ende der Entscheidung

Zurück