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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: 5 K 143/05
Rechtsgebiete: FGO, EStG, AO


Vorschriften:

FGO § 100 Abs. 1
EStG § 3 Nr. 32
EStG § 8 Abs. 2 S. 2
EStG § 8 Abs. 2 S. 3
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 3
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 5 S. 6
AO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

5 K 143/05

Lohnsteuer 01-09/2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 29. November 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Lohnsteuernachforderungsbescheid des Beklagten vom 16. März 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten des Klägers zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Mitnahme von anderen Arbeitnehmern zur Arbeitsstätte durch den Kläger als Geschäftsführer einer GmbH mittels eines ihm von der GmbH - u.a. auch für diesen Zweck - zur Verfügung gestellten PKW eine steuerbefreite unentgeltliche oder verbilligte Sammelbeförderung von Arbeitnehmern im Sinne des § 3 Nr. 32 EStG darstellt.

Der Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der ... GmbH mit Sitz in X (nachfolgend GmbH). Geschäftsgegenstand der GmbH ist die .... Die GmbH übt ihre operative Geschäftstätigkeit im Schlachthofzentrum in Y aus, welches 80 km von X entfernt ist. Dem Kläger wurde von der GmbH ein Dienstwagen auch für private Nutzungszwecke zur Verfügung gestellt. Er fährt mit dem Dienstwagen regelmäßig zur Arbeitsstätte im Schlachthofzentrum Y, wobei er weitere Mitarbeiter der GmbH, welche teilweise auch in seinem Haus in X - dem Verwaltungssitz der GmbH - bzw. in dem Kläger dort gehörenden Räumlichkeiten wohnen, mitnimmt. Die GmbH und der Kläger trafen am 30. November 2001 die folgende Vereinbarung:

"Die Gesellschaft stellt Ihnen einen firmeneigenen PKW zur Verfügung.

Sie sind verpflichtet, mit diesem PKW weitere Arbeitnehmer der Gesellschaft für den betrieblichen Einsatz, soweit es notwendig ist, zu den jeweiligen Arbeitsorten mitzunehmen".

Die GmbH führte wegen der Überlassung des Dienstwagens an den Kläger Lohnsteuer auf der Grundlage der 1%-Regelung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ab. Die Nutzungsmöglichkeit des PKW auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte blieb unversteuert. Die GmbH ging insoweit von einer gemäß § 3 Nr. 32 EStG steuerfreien Sammelbeförderung des Arbeitgebers aus, so dass § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht anzuwenden sei. Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH gelangte der Beklagte - das Finanzamt - zu der Überzeugung, dass der Befreiungstatbestand des § 3 Nr. 32 EStG nicht einschlägig sei und erließ gegenüber dem Kläger wegen des geldwerten Vorteils der Nutzung des Fahrzeugs auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte am 16. März 2005 einen Lohnsteuernachforderungsbescheid für den Zeitraum Januar bis einschließlich September 2004 über insgesamt 2.872,06 EUR (Lohnsteuer 2.508, 31 EUR; Solidaritätszuschlag 138,03 EUR; evangel. Kirchensteuer 225,72 EUR).

Hiergegen erhob der Kläger am 21. März 2005 Einspruch. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 32 EStG erfüllt seien. Die Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer sei schon wegen der ungünstigen Arbeitszeiten im Schlachthofzentrum (Beginn 6:00 Uhr morgens) betriebsnotwendig. Darüber hinaus sei ein einheitlicher Arbeitsbeginn unerlässlich. Die GmbH beschäftige auch ausländische Mitarbeiter, welche an ihrem Verwaltungssitz Unterkunft erhielten und weder Auto noch Führerschein hätten. Die Mitnahme der Arbeitnehmer erfolge auch nicht aus eigenem Antrieb des Klägers heraus, sondern im Interesse und im Auftrage der GmbH.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass steuerbefreit eine Sammelbeförderung nur dann sei, wenn sie mit einem vom Arbeitgeber gestellten Fahrzeug erfolge, wobei das Fahrzeug dem betreffenden Personenkreis gleichermaßen zur Verfügung stehen müsse. Das sei hier wegen der vorrangigen Überlassung des Fahrzeuges an den Kläger nicht der Fall.

Mit der am 18. August 2005 erhobenen Klage macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Die Beurteilung des Finanzamts sei unzutreffend. Die Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer erfolge nicht freiwillig, sondern aufgrund der Auflage des Arbeitgebers in der Vereinbarung vom 30. November 2001. Im Übrigen komme es entscheidend auf die betriebliche Notwendigkeit der Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer an, welche hier gegeben sei. Der frühe Arbeitsbeginn sowie die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Arbeitsaufnahme ließen eine Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht in jedem Fall zu. Zwar würden einige Arbeitnehmer der GmbH - insbesondere auch aus Y und Umgebung - mit dem eigenen Fahrzeug zur Arbeitsstätte gelangen. Vielfach hätten aber vor allem auch ausländische Arbeitnehmer, die auch im hier streitigen Zeitraum beschäftigt worden seien, kein eigenes Fahrzeug zur Verfügung. Der Kläger habe - wie bereits bei der vorangegangenen Lohnsteuer-Außenprüfung festgestellt - auch vor der getroffenen Vereinbarung aus dem Jahr 2001 bereits Arbeitnehmer in seinem Fahrzeug zur Arbeitsstätte mitgenommen. Im hier streitigen Zeitraum sei der Kläger auch nicht erkrankt gewesen oder habe Urlaub gehabt, so dass durchgängig von ihm Arbeitnehmer zur Arbeitsstätte transportiert worden seien.

Der Kläger beantragt,

den Lohnsteuernachforderungsbescheid des Beklagten vom 16. März 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 aufzuheben,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005.

Am 10. August 2006 hat der erkennende Senat einen Gerichtsbescheid erlassen, mit dem der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung aufgehoben wurde.

Hiergegen hat der Beklagte mit am 15. September 2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz mündliche Verhandlung beantragt. Zur Begründung dieses Rechtsmittels hat er ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen im Wesentlichen geltend gemacht:

Vorliegend sei bereits fraglich, ob die Sammelbeförderung überhaupt betriebsnotwendig sei. Jedenfalls liege aber - wovon auch die mehrheitliche Literaturauffassung ausgehe - in der vorliegenden Konstellation eines einem Arbeitnehmer unentgeltlich/verbilligt überlassenen Fahrzeugs kein vom Arbeitgeber gestelltes Beförderungsmittel vor. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass bei der klassischen unentgeltlichen oder verbilligten Sammelbeförderung der Arbeitgeber sämtliche Kosten trage und der Arbeitnehmer allenfalls eine Zuzahlung in bar leiste, während bei der Überlassung eines Fahrzeugs auch zur privaten Nutzung - wie hier - der Arbeitnehmer zumindest die laufenden Kosten für Treibstoff, Öl etc. trage. Zudem sei der vorliegende Fall dem Fall vergleichbar, in dem ein Arbeitgeber ein Fahrzeug des Arbeitnehmers anmiete, um es ihm dann wieder für die Sammelbeförderung zur Verfügung zu stellen. Hierin sei aber ein Gestaltungsmissbrauch zu sehen. Zudem seien die unterschiedlichen Bedeutungen von "Überlassen" und "Gestellen" zu beachten. Ein bereits "überlassenes" Fahrzeug könne nicht noch einmal "gestellt" werden. Der PKW könne auch nicht teilweise "überlassen" und teilweise "gestellt" werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der beigezogenen Steuerakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 16. März 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten ( § 100 Abs. 1 FGO).

Zwar konnte grundsätzlich gegen den Kläger auch nach Ablauf des Kalenderjahres ein Lohnsteuernachforderungsbescheid ergehen (vgl. Drensack in Schmidt, EStG, 26. Aufl. § 42 d Rn 22) Die hier streitgegenständliche Lohnsteuernachforderung für den Zeitraum 1/04 bis 9/04 ist jedoch zu Unrecht erhoben worden. Denn die hier zu beurteilende PKW-Überlassung auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte stellt keinen geldwerten Vorteil des Klägers im Sinne des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG dar, weil das Fahrzeug für eine gemäß § 3 Nr. 32 EStG steuerlich privilegierte Sammelbeförderung von Arbeitnehmern genutzt wurde. Die hiergegen vom FA vorgebrachten Einwände rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Gemäß § 3 Nr. 32 EStG ist die unentgeltliche oder verbilligte Sammelbeförderung eines Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einem vom Arbeitgeber gestellten Beförderungsmittel steuerfrei, soweit die Sammelbeförderung für den betrieblichen Einsatz des Arbeitnehmers notwendig ist. Die Voraussetzungen dieses Steuerbefreiungstatbestandes sind im Streitfall erfüllt.

Die Klägerseite hat zunächst einmal in plausibler Weise dargelegt, dass eine Sammelbeförderung des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im streitgegenständlichen Zeitraum vorlag und diese für den betrieblichen Einsatz notwendig war. Sammelbeförderung meint die durch den Arbeitgeber organisierte oder zumindest veranlasste Beförderung mehrerer (mindestens zweier) Arbeitnehmer (vgl. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, Komm., § 3 Nr. 32, B 32/31; Paus, StWa 1989, 193, 194). Der Kläger hat substantiiert dargelegt, dass im maßgeblichen Zeitraum - wie auch in den vorherigen Jahren - jeweils Arbeitnehmer von seinem Wohnort in X, der zugleich der Verwaltungssitz der GmbH ist, bzw. in der Nähe befindlichen Orten zu der Arbeitsstätte im Schlachtbetrieb in Y von ihm befördert wurden. Angesichts der in der Vereinbarung über die Überlassung des PKW an den Kläger vom 30. November 2001 diesem hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemachten Auflage ist auch zumindest von einer Veranlassung der Beförderung mehrerer Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber - hier der GmbH - auszugehen. Insoweit unterscheidet sich der hier vorliegende Fall auch von dem Fall einer freiwilligen Bildung von Fahrgemeinschaften, die auch dann nicht steuerlich begünstigt wäre, wenn ein Teilnehmer der Beförderungsgemeinschaft ein ihm zur privaten Nutzung überlassenes Fahrzeug des Arbeitgebers zu gemeinsamen Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einsetzte.

Diese Sammelbeförderung war auch für den betrieblichen Einsatz des Arbeitnehmers im Sinne des § 3 Nr. 32 EStG notwendig. Dieses Tatbestandsmerkmal ist erfüllt, wenn gerade die gemeinsame Beförderung zweier oder mehrerer Arbeitnehmer an den besonderen Betriebsgegebenheiten ausgerichtet ist (vgl.v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Komm. § 3 Nr. 32, B 32/38). Dies wird - teilweise im Anschluss an eine Rechtsprechung des BFH im Umsatzsteuerrecht (vgl. Urt. vom 9. Juli 1998 V R 105/92, BStBl II 1998, 635) - nach R 21 LStR 2007 zutreffend z.B. in den Fällen bejaht, in denen

die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Zeitaufwand durchgeführt werden könnte,

die Arbeitnehmer an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder verschiedenen Stellen eines weiträumigen Arbeitsgeländes eingesetzt werden oder

der Arbeitsablauf eine gleichzeitge Arbeitsaufnahme der beförderten Arbeitnehmer erfordert.

Ausgehend hiervon kann im Streitfall angenommen werden, dass gerade die gemeinsame Beförderung an den betrieblichen Gegebenheiten der GmbH ausgerichtet ist. Der Kläger hat nachvollziehbar dargelegt, dass der regelmäßige Arbeitsbeginn im Schlachthofzentrum in Y um 6:00 Uhr sei. Seine Anwesenheit sowie der gleichzeitige Arbeitsbeginn seiner Arbeitnehmer seien dann zwingend erforderlich, da er die Aufträge des Schlachthofzentrums zu dieser Zeit entgegennehme und sodann die durchzuführenden Arbeiten von ihm eingeteilt würden. Der Kläger hat ferner in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass bereits ab ca. 5.10 Uhr seine Anwesenheit sowie die Anwesenheit eines "Teams" von mindestens 13 Mitarbeitern erforderlich sei, um Vorbereitungen für den von dem Auftraggeber, dem Schlachthofzentrum Y, geforderten pünktlichen Arbeitsbeginn um 6:00 Uhr zu treffen und insbesondere bereits die Maschinen zu starten. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Sammelbeförderung der weiter entfernt - etwa in X und Umgebung - wohnenden Arbeitnehmer betriebsnotwendig. Dies gilt zum einen deshalb, weil ihre Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu den einzuhaltenden Arbeitszeiten unter Berücksichtigung der Entfernung zur Arbeitsstätte und der bestehenden Verkehrsverbindungen in diesem eher ländlich geprägten Bereich nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Zeitaufwand durchführbar ist. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargestellt, dass es zu den maßgeblichen Zeiten von X und näherer Umgebung keine Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Y gibt, die ein rechtzeitiges Eintreffen an der Arbeitsstätte gewährleisten würden. Dies stimmt auch mit den vom Gericht vorgenommenen Recherchen im Internet überein. Zum anderen liegt eine betriebliche Notwendigkeit der Sammelbeförderung aber auch vor, da wegen der Besonderheiten des Schlachtbetriebes und des von dem Kläger geschilderten organisatorischen Ablaufs eine gleichzeitige Arbeitsaufnahme der Arbeitnehmer im Schlachthofzentrum Y erforderlich ist.

Die Sammelbeförderung wurde zudem mit einem vom Arbeitgeber gestellten Beförderungsmittel durchgeführt. Das Fahrzeug wird vom Arbeitgeber gestellt, wenn es von ihm oder in dessen Auftrag von einem Dritten eingesetzt wird (vgl. v. Beckerath in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, Komm., § 3 Nr. 32, B 32/36), wobei das Fahrzug im Eigentum des Arbeitgebers stehen oder von diesem angemietet sein soll (vgl. Paus, StWa 1989, 193, 194). Die Zahlung von Kostenersatz für die Benutzung des privaten Personenkraftwagens reicht dagegen nach einhelliger Auffassung nicht aus (vgl. v. Beckerath in Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, Komm. § 3 Nr. 32 B 32/36; Wagner in Heuermann/ Wagner, Lohnsteuer, E 305; Paus, StWa 1989, 193, 194; Bergkemper in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG und KStG, § 3 Nr. 32 EstG, Anm 2). Ausgehend von diesen Voraussetzungen trifft es zwar zu, dass dieses Tatbestandsmerkmal auch dann regelmäßig nicht erfüllt ist, wenn der Dienstwagen lediglich einem Arbeitnehmer zur exklusiven Nutzung zur Verfügung gestellt wird und dieser bei ihm passender Gelegenheit auch andere Mitarbeiter auf dem Weg von und zur Arbeit mitnimmt. Es fehlt dann an dem erforderlichen Einsatz des Beförderungsmittels durch den Arbeitgeber. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Denn zum einen ist die Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer durch schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitgeber geregelt, so dass der - nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers im Eigentum der GmbH stehende - PKW für den Bereich Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr exklusiv und ohne Einschränkung dem Kläger für dessen private Nutzung im Sinne des § 8 Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG zur Verfügung gestellt ist. Das Fahrzeug wird vielmehr angesichts der vorliegenden Vereinbarung im Auftrag des Arbeitgebers - der GmbH - von dem Kläger zur Sammelbeförderung eingesetzt. Unerheblich ist dabei - wenn (wie vorliegend) die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind -, dass es sich bei dem Kläger selbst um einen Arbeitnehmer handelt. Zum anderen erfolgt die Mitnahme der weiteren Arbeitnehmer im Streitfall wegen der besonderen betrieblichen Strukturen auch nicht nur gelegentlich, sondern regelmäßig. Die Mitnahme mit seinem Fahrzeug wird nach der Einlassung des Klägers im Wesentlichen auch von diesem - gerade auch in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH - organisiert. Nach den Angaben des Klägers werden dabei auch betriebliche Notwendigkeiten berücksichtigt. So muss zur Vorbereitung des pünktlichen Arbeitsbeginns ein "Team" zusammengestellt werden, das mit den jeweils zu bedienenden Maschinen vertraut ist.

Die weiteren vom Finanzamt vorgetragenen Voraussetzungen für die Privilegierung gemäß § 3 Nr. 32 EStG finden keine hinreichende Stütze im Gesetzestext. Dieser stellt entsprechend dem Gesetzeszweck (vgl. dazu eingehend v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 32 Rn. B 32/1 - B32/5 und B32/19) entscheidend auf die betriebliche Notwendigkeit der Sammelbeförderung ab. Ist diese nachgewiesen, dann sind die näheren Modalitäten der Durchführung der Sammelbeförderung nur von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend für die Gestellung kann allein sein, dass sie vom Arbeitgeber organisiert ist und eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte für den Arbeitnehmer mit dem ihm bereitgestellten PKW nicht besteht. Das ist hier im Hinblick auf die in der Vereinbarung enthaltene Auflage der Fall. Darauf, dass der Kläger den Dienstwagen außerhalb des Bereichs "Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte" exklusiv privat nutzen kann, kommt es nicht an, weil dieser Sachverhalt bereits als geldwerter Vorteil gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG besteuert wurde (So auch Paus, StWa 1989, 193, 194; a. A. Wagner in Heuermann/ Wagner, Lohnsteuer, E 305).

Ein Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 AO, der in der Literatur etwa dann angenommen wird, wenn ein dem Arbeitnehmer gehörendes Fahrzeug dem Arbeitgeber vermietet wird und dieser dem Arbeitnehmer das Fahrzeug unmittelbar zur Sammelbeförderung wieder zur Verfügung stellt (vgl. Paus, StWa 1989, 193, 194; v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, Komm. § 3 Nr. 32, B 32/36), ist hier nicht ersichtlich. Das Fahrzeug steht nach dem unstreitigen Vortrag des Klägers im Eigentum der GmbH. Die Privilegierung scheitert vor diesem Hintergrund auch nicht - wie der Beklagte meint - an der mangelnden Verfügungsgewalt des Arbeitgebers über das Fahrzeug, zumal der Kläger als Geschäftsführer zugleich auch die GmbH nach außen vertritt. Auch eine Notwendigkeit, dass das Fahrzeug (ausschließlich) zur Sammelbeförderung eingesetzt werden müsse, lässt sich entgegen der Annahme des Beklagten dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Schließlich ergibt sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffs "Überlassen (zur Nutzung)" in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 und Nr. 5 Satz 6 EStG in den im maßgeblichen Zeitraum geltenden Fassungen gegenüber der Verwendung des Begriffs "Gestellen" in § 3 Nr. 32 EStG, dass ein gleichzeitiges "Überlassen" und "Gestellen" eines PKW durch den Arbeitgeber ausgeschlossen wäre. Denn zum einen zeigt bereits § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG, der die Nichtgeltung der Entfernungspauschale für Strecken mit steuerfreier Sammelbeförderung nach § 3 Nr. 32 EStG für alle Fälle des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG anordnet, dass der Gesetzgeber nicht notwendigerweise davon ausging, dass ein "Überlassen (zur Nutzung)" und ein "Gestellen" nach § 3 Nr. 32 EStG sich ausschließen. Zum anderen spricht auch die in § 8 Abs. 2 Satz 2 und 3 EStG vorgenommene Differenzierung zwischen der allgemeinen privaten Nutzung und den Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte hinsichtlich des geldwerten Vorteils dafür, dass in diesen beiden Bereichen unterschiedliche gesetzliche Regelungen greifen können, so dass vor diesem Hintergrund nach Auffassung des Senats auch bei einer "Überlassung eines PKW zur grundsätzlich privaten Nutzung" durchaus auch für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine steuerbefreite Sammelbeförderung in Betracht kommen kann, wenn - wie hier durch die Auflage der GmbH - gesichert ist, dass die Durchführung der Sammelbeförderung nicht in das Belieben des Arbeitnehmers gestellt ist.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Vereinbarung vom 30. November 2001 um einen Scheinvertrag und/oder eine tatsächlich nicht ernstlich durchgeführte Abrede handelt, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Hiergegen spricht indiziell auch die in der mündlichen Verhandlung noch einmal glaubhaft dargestellte betriebliche Notwendigkeit der Sammelbeförderung.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs.1 FGO. Die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß 139 Abs. 3 Satz 3 FGO im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage auszusprechen.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob eine Überlassung eines PKW an den Arbeitnehmer auch zur privaten Nutzung generell eine "Gestellung" dieses Fahrzeugs durch den Arbeitgeber zur unentgeltliche oder verbilligten Sammelbeförderung im Sinne des § 3 Nr. 32 EStG ausschließt, ist in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden. In der Literatur werden hierzu - wie oben dargestellt - unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Ende der Entscheidung

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