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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 29.09.2005
Aktenzeichen: 5 K 172/03
Rechtsgebiete: EStDV, EStG


Vorschriften:

EStG § 4a Abs. 1 Nr. 2
EStG § 4a Abs. 2 Nr. 2
EStDV § 8b Satz 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die näheren Modalitäten der Umstellung eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres auf die Gewinnermittlung nach dem Kalenderjahr bei einer "Scheingewerbetreibenden".

Die Klägerin betreibt seit April 1979 die Vermietung von Apartments an Kurgäste auf einem zuvor landwirtschaftlich genutzten Grundstück. Sie ließ sich in das Handelsregister des Amtsgerichts unter der Firma "Appartment-Hotel ..." als gewerblich tätige Kauffrau eintragen und erklärte gegenüber dem Beklagten - dem Finanzamt (FA) - vom Beginn ihrer Tätigkeit an bis zum Veranlagungszeitraum 1999 stets gewerbliche Einkünfte. Ihre Einkünfte ermittelte sie im Wege der Bilanzierung, wobei sie mit Zustimmung des FA ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. April bis 31. März des Folgejahres wählte. Auf den Inhalt der zu den Akten gereichten Jahresabschlüsse wird verwiesen.

Im Anschluss an einen Beraterwechsel machte die Klägerin im Jahre 2001 geltend, dass die bisherigen Veranlagungen unzutreffend seien. Sie sei in Wirklichkeit zu keiner Zeit gewerblich tätig gewesen. Hoteltypische Nebenleistungen seien von ihr nicht erbracht worden. Ihre Einkünfte aus der Apartmentvermietung seien deshalb richtigerweise den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen. Am 9. Februar 2001 erhob sie Einspruch gegen den Einkommensteuer(ESt-)Bescheid 1999. Mit Schreiben vom 5. April 2001 beantragte sie auch die entsprechende Änderung der ESt-Bescheide 1997 und 1998, welche unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Parallel dazu wandte sie sich mit Schreiben vom 9. April 2001 an das Amtsgericht und regte eine amtswegige Löschung ihrer Registereintragung an. Die Löschung wurde am 12. Juni 2001 gemäß § 142 Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) von Amts wegen eingetragen.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens zur ESt 1999 erzielten die Beteiligten Einigkeit darüber, dass die Klägerin von Beginn ihrer Tätigkeit an lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt habe. Das FA erließ sodann gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte ESt-Bescheide 1998 und 1999, in welchen es die Einkünfte antragsgemäß umqualifizierte und auf das jeweilige Kalenderjahr umstellte.

Zwischen den Beteiligten besteht weiterhin Einigkeit darüber, dass eine Änderung der bisherigen ESt-Festsetzungen nur bis zur ESt 1997 erfolgen kann, weil der ESt-Bescheid 1996 vom 9. Juli 1996 nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht und im Übrigen bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Umstritten ist, wie die Umstellung der Einkünfte im Streitjahr 1997 vorzunehmen ist. Das FA veranlagte die Klägerin entsprechend den Umstellungsvorgaben der § 4a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 8b Abs. 2 Nr. 2 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) in der Weise, dass es auch die Einkünfte aus dem letzten abweichenden Wirtschaftsjahr (1. April 1996 bis 31. März 1997) in Höhe von 122.979 DM in die Veranlagung zur ESt 1997 einbezog. Am 31. Oktober 2002 erging ein gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderter ESt-Bescheid 1997 mit der folgenden Begründung:

"Der Gewinn des letzten abweichenden Wirtschaftsjahres (01.04.1996 - 31.03.1997) ist bei der Veranlagung 1997 zu erfassen, weil der Einkommensteuerbescheid 1996 bestandskräftig und damit nicht mehr abänderbar ist. Die Einkünfte aus Vermietung an Saisongäste werden ab dem 01.04.1997 als "Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung" erfaßt. Für das Kalenderjahr 1997 ist das Ergebnis aus dem Rumpfgeschäftsjahr 01.04.1997 - 31.12.1997 mit 118.870 DM gem. dem Schreiben vom 05.09.2002 ihres steuerlichen Beraters in Ansatz gebracht worden. Die Einkünfte stellen sich danach wie folgt dar:

 Einkünfte aus Gewerbebetrieb122.979 DM
Einkünfte aus VuV118.870 DM".

Den Einspruch der Klägerin vom 11. November 2002 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2003 zurück.

Mit der am 17. Juni 2003 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

Die ursprüngliche Gewinnermittlung zum 31. März 1997 sei unzulässig gewesen, weil sie kein Gewerbe betrieben habe. Die von ihr im Jahre 1996 erzielten Einkünfte seien des-halb von der Besteuerung zur ESt 1997 auszunehmen. Dies ergebe sich aus den Vorgaben des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 23. September 1999 IV R 41/98, BStBl II 2000, 24. Die vom FA praktizierte analoge Anwendung der Vorschriften der § 4 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 8 b EStDV sei unzulässig, weil die hierfür maßgeblichen rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Das Auftreten einer Besteuerungslücke könne nicht als hinreichender Grund für eine Analogie zu Lasten des Steuerpflichtigen angesehen werden.

Die Klägerin beantragt,

den geänderten ESt-Bescheid 1997 vom 31. Oktober 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2003 mit der Maßgabe zu ändern, dass gewerbliche Einkünfte nicht in Ansatz zu bringen sind, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf 89.826 DM (Überschuss vom 31. März 1997 bis 31. Dezember 1997 in Höhe von 118.870 DM abzüglich Verlust in Höhe von 29.044 DM im Zeit-raum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. März 1997) zu reduzieren und die ESt 1997 entsprechend niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die angesprochene Entscheidung BFH, BStBl II 2000, 24 sei nicht einschlägig, weil nach damaliger Rechtsauffassung zu Recht gewerbliche Einkünfte veranlagt worden seien. Demzufolge sei die Klägerin auch ursprünglich befugt gewesen, ihre Einkünfte nach einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr zu ermitteln. Vor diesem Hintergrund sei die Umstellung des Wirtschaftsjahres rechtmäßig auf der Grundlage des § 4 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 8 b EStDV erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die steuerlichen Vorgänge sind beigezogen worden.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten., § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FA hat den Gewinn der Klägerin aus dem letzten abweichenden Wirtschaftsjahr 1996/1997 zu Recht im Veranlagungszeitraum 1997 der Besteuerung unterzogen und hinsichtlich der im Zeitraum vom 1. April 1997 bis zum 31. Dezember 1997 erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein Rumpfwirtschaftsjahr gebildet. Diese Vorgehensweise findet ihre Rechtfertigung in einer entsprechenden Anwendung der Vorgaben der §§ 4 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1 b EStG i.V.m. § 8 b Satz 2 Nr. 2 EStDV.

Allerdings kommen die vorgenannten Vorschriften nicht direkt zur Anwendung, weil die Klägerin unstreitig nicht gewerblich tätig und deshalb auch nicht zu einer vom Kalenderjahr abweichenden Gewinnermittlung befugt war (vgl. BFH, Urteil vom 18. Mai 2000 IV R 26/99, BStBl II 2000, 498 zur Scheinkommanditgesellschaft). In der Rechtsprechung ist geklärt, dass in derartigen Fällen eine Umrechnung des Gewinns auf das Kalenderjahr zu erfolgen hat, was ggf. im Wege der Schätzung nach Zeitanteilen erfolgen kann (BFH, Urteil vom 23. September 1999 IV R 41/98, BStBl II 2000, 24). Ungeklärt geblieben ist jedoch die Frage, wie die Gewinnumstellung zu erfolgen hat, wenn - wie hier - eine durchgängige Korrektur verfahrensrechtlich nicht möglich ist, weil einzelne Veranlagungszeiträume bereits bestandskräftig veranlagt sind. Der BFH hat die Zulässigkeit einer entsprechenden Anwendung der Umstellungsvorschriften der §§ 4 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1 b EStG i.V.m. § 8 b Satz 2 Nr. 2 EStDV mangels Entscheidungserheblichkeit ausdrücklich offen gelassen (BFH, BStBl II 2000, 24, 25 unter Ziffer 3 b der Entscheidungsgründe).

Nach Auffassung des Senats ist unter den vorliegenden Umständen eine entsprechende Anwendung der §§ 4 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2, 51 Abs. 1 Nr. 1 b EStG i.V.m. § 8 b Satz 2 Nr. 2 EStDV mit der Maßgabe geboten, dass in der letzten noch änderbaren Veranlagung - hier im Streitjahr 1997 - ein Rumpfwirtschaftsjahr (1. April 1997 bis 31. Dezember 1997) zu bilden ist, wobei die abweichende Gewinnermittlung des vorangegangenen Geschäftsjahres vom 1. April 1996 bis 31. März 1997 unberührt bleibt und ent-sprechend § 4 a Abs. 2 Nr. 2 EStG als im Jahre 1997 bezogener Gewinn gilt.

Dies beruht auf folgenden Erwägungen: Die Frage, wie die Wahlrechte auf eine vom Kalenderjahr abweichende Gewinnermittlung erstmalig auszuüben sind und wie die einmal getroffene Entscheidung geändert werden kann, ist vom Gesetz- und Verordnungsgeber selbst für den berechtigten Personenkreis nur lückenhaft geregelt (vgl. dazu die Ausführungen in der Entscheidung BFH, Urteil vom 23. September 1999 IV R 4/98, BStBl II 2000, 5, 6). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber ausgerechnet in den Fällen einer unerkannt unberechtigten Wahlrechtsausübung eine geordnete, systemgerechte Rückabwicklung nicht gewollt hat. Es ist deshalb von einer planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen, welche nach den für die Fälle einer berechtigten Wahlrechtsausübung geltenden (Rückabwicklungs-) Vorschriften zu schließen ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das FA die unberechtigte Wahlrechtsausübung nicht ohne weiteres erkennen konnte, weil der Steuerpflichtige in zurechenbarer Weise den Rechtsschein der Berechtigung zur Wahlrechtsausübung gesetzt hat. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Klägerin hat durch ihre Firmierung als Inhaberin eines Apartment-Hotels, ihre entsprechende Eintragung im Handelsregister und die Abgabe von Gewerbesteuererklärungen den Rechtsschein einer typischen Gewerbe-treibenden erweckt. Dass die Klägerin in Wirklichkeit nur eine Scheingewerbetreibende war, weil sie entgegen ihrer eigenen Firmierung keine hoteltypischen Nebenleistungen erbracht hat, war für das FA nach Aktenlage nicht erkennbar.

Die analoge Anwendung der Umstellungsvorschriften eröffnet dem FA auch keine willkürlichen Besteuerungsspielräume. Denn die Korrekturumstellung hat - wie hier geschehen - in der Weise zu erfolgen, dass das Rumpfwirtschaftsjahr zwingend in der letzten noch änderbaren Veranlagung zu bilden ist (vgl. hierzu die Anmerkungen zur Entscheidung BFH, Urteil vom 23. September 1999 IV R 41/98 von MK in DStR 2000, 146 f. und Kempermann in FR 2000, 203).

Dass der vom FA in Ansatz gebrachte Gewinn der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden wäre, ist weder vorgetragen noch sonst den Akten zu entnehmen. Die Klage ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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