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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 5 K 358/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG 2002 § 10 Abs. 1
EStG § 10 Abs. 3
Ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. Urteil vom 26.06.1996 X R 73/94, BFH E 181, 144, BStBl. II 1996, 646; Urteil vom 07.07.2004 XI R 10/04, BFH E 207, 28, BStBl II 2004, 1058) bei jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben die Verrechnung erstatteter Sonderausgaben mit gleichartigen Sonderausgaben im Jahr der Erstattung im Grundsatz zugelassen, so bedeutet "Gleichartigkeit" bei erstatteten Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002, dass eine Verrechnung grundsätzlich nur innerhalb der jeweiligen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 genannten Arten der Versicherung zulässig ist.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

5 K 358/04

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 10. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 02. September 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. November 2004 wird abgeändert. Dem Finanzamt wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den geänderten Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang im Streitjahr (2002) an den Kläger erstattete Vorsorgeaufwendungen, die die Rückgewähr in den Jahren 1993 bis 2002 geleisteter Aufwendungen für eine Krankentagegeldversicherung betreffen, von den im Streitjahr von dem Kläger und seiner Ehefrau verausgabten und als Sonderausgaben geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen abziehbar sind.

Der Kläger, ein selbstständig tätiger Arzt, wurde im Streitjahr zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Er bezog Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit sowie aus Kapitalvermögen und sonstige Einkünfte; seine Ehefrau erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen.

Seit 1984 unterhielt der Kläger eine Krankentagegeldversicherung. In dem Zeitraum vom 01. August 1993 bis 30. September 2002 zahlte er für die Krankentagegeldversicherung (umgerechnet in EUR) jeweils folgende Beiträge:

 1993:689,50 EUR
1994:1654,80 EUR
1995:1648,92 EUR
1996:1637,16 EUR
1997:1637,16 EUR
1998:1637,16 EUR
1999:1637,16 EUR
2000:1681,20 EUR
2001:1087,09 EUR
2002:782,80 EUR

Diese Beitragszahlungen machte er in den Jahren 1993 bis 2001 jeweils als Sonderausgaben geltend. Steuerlich wirkten sich diese Beiträge jedoch nicht aus, da in diesen Jahren die Höchstbeträge für Vorsorgeaufwendungen des Klägers bereits durch andere abziehbare Vorsorgeaufwendungen überschritten waren.

Am 16. September 2002 hob die Krankentagegeldversicherung den Krankentagegeldversicherungsvertrag mit dem Kläger rückwirkend zum 01. August 1993 auf und erstattete dem Kläger alle von ihm im Zeitraum vom 01. August 1993 bis 30. September 2002 geleisteten Beiträge in einer Gesamthöhe von 14.092,95 EUR. Hintergrund der Aufhebung des Versicherungsvertrags und der Erstattung der Versicherungsbeiträge war der Umstand, dass der Kläger ab 01. Juli 1993 zwei Berufsunfähigkeitsrenten bezogen hatte, was er nicht - wie es im Rahmen des Krankentagegeldschutzes seiner Obliegenheit entsprochen hätte - der Versicherung mitgeteilt hatte. Dies eröffnete der Versicherung die Möglichkeit, gegen Erstattung der Beiträge rückwirkend den Versicherungsvertrag aufzuheben.

In der am 30. Oktober 2003 bei dem Beklagten eingegangenen ESt-Erklärung für den Veranlagungszeitraum 2002 gaben der Kläger und seine Ehefrau u.a. folgende Sonderausgaben an:

 Arbeitnehmeranteil Sozialversicherung Ehefrau898 EUR
freiwillige Höherversicherung5.157 EUR
Kranken- und Pflegeversicherung4.697 EUR
Lebensversicherung5.308 EUR
Haftpflichtversicherung18 EUR
insgesamt:16.078 EUR

Den im Jahre 2002 erstatteten Betrag aus der Krankentagegeldversicherung in Höhe von 14.092 EUR zog der Kläger im Rahmen der ESt-Erklärung bei den im Jahre 2002 verausgabten Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung bis zu deren Höhe von 4.697 EUR ab. Demnach verblieben von den im Jahre 2002 aufgewendeten 16.078 EUR an Vorsorgeaufwendungen insgesamt 11.381 EUR grundsätzlich abzugsfähige Sonderausgaben.

Im ESt-Bescheid für das Jahr 2002 vom 02. September 2004 wich der Beklagte von der Erklärung des Klägers insoweit ab, als er den erstatteten Betrag von 14.092 EUR von den insgesamt als Sonderausgaben geltend gemachten Versicherungsbeiträgen abzog und vor diesem Hintergrund lediglich noch einen Betrag von 1.985 EUR für Versicherungsbeiträge als abzugsfähige Sonderausgaben berücksichtigte. Der Beklagte begründete dies damit, dass erstattete Sonderausgaben im Erstattungsjahr mit gleichartigen Sonderausgaben (hier: Beiträge zu Versicherungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG ) zu verrechnen seien. Die geltend gemachten Versicherungsbeiträge seien daher um 9.396 EUR gekürzt worden.

Gegen den ESt-Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 07. September 2004 Einspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass der Beklagte erstattete private Krankenversicherungsbeiträge nicht nur mit Aufwendungen gleicher Art, sondern auch mit gesetzlichen Sozialbeiträgen, Rentenversicherungsbeiträgen, Lebensversicherungsbeiträgen und Haftpflichtversicherungsbeiträgen verrechnet habe. Eine derartige Verrechnung sei nicht zulässig. Auch in der Literatur, beispielsweise in Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 Einkommensteuergesetz (EStG), Anm. 97, Stichwort "Durchführung der Kürzung", werde hinsichtlich der Frage der Verrechnung von Erstattungsbeträgen mit gleichartigen Sonderausgaben zwischen einzelnen Versicherungsarten unterschieden. Die von dem Beklagten vorgenommene Unterscheidung nach Hauptziffern innerhalb des § 10 Abs. 1 EStG erscheine nicht überzeugend. Die Gesetzgeber haben den verschiedenen Arten von Versicherungsaufwendungen im Alterseinkünftegesetz ab dem Jahre 2005 unterschiedliche Höchstbeträge zugeordnet. Angesichts dieser gesetzlichen Neuregelung erscheine die vom Finanzamt vorgesehene Verrechnung nicht mehr handhabbar. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die Neuregelung die Frage der Verrechenbarkeit mit der Erstattung ab 2005 anders habe regeln wollen als in den Jahren zuvor.

Mit Einspruchsentscheidung vom 02. November 2004 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die getätigten Sonderausgaben, die in einem späteren Veranlagungszeitraum erstattet würden, aus Praktikabilitätsgründen im Erstattungsjahr mit gleichartigen Sonderausgaben zu verrechnen seien. Dabei seien gleichartige Aufwendungen in diesem Sinne nicht nur Aufwendungen der gleichen Versicherungsart, also der jeweiligen Kennzahl im Einkommensteuererklärungsvorduck, sondern alle Sonderausgaben der jeweiligen Nr. des § 10 Abs. 1 EStG. Dies ergebe sich auch analog aus dem Urteil des BFH vom 28. Mai 1998 (Az: X R 7/96), dem zu entnehmen sei, dass eine Erstattung von gesetzlichen Sozialversicherungen mit anderen Vorsorgeaufwendungen im Jahr der Erstattung zu verrechnen sei. Die von dem Beklagten durchgeführte Verrechnung sei daher zu Recht erfolgt.

Der Kläger hat am 29. November 2004 beim Finanzgericht Klage erhoben.

Er macht geltend, dass nach dem Urteil des BFH vom 07.Juli 2004 (Az: XI R 10/04) aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" in § 10 Abs. 1 S. 1 EStG folge, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürften, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sei. Im Falle einer Erstattung fehle es an einer endgültigen wirtschaftlichen Belastung. Dies gelte auch dann, wenn dieser Umstand erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geklärt werde. Danach seien aber die später erstatteten Versicherungsbeiträge vorliegend in den Zahlungsjahren 1993 bis 2001 zu kürzen; für eine zusätzliche Kürzung im Erstattungsjahr 2002 sei kein Raum. Eine Änderung der früheren Veranlagungen sei auch aufgrund des rückwirkenden Ereignisses der Erstattung möglich. Zwar bezeichne der BFH in der genannten Entscheidung die Verwaltungspraxis einer Verrechnung des Erstattungsbetrages mit gleichartigen Sonderausgaben im Jahr der Erstattung als "im Grundsatz zugelassen" und rechtfertige dies mit Gründen der Rechtskontinuität und Praktikabilität. Die Grundsätze der Rechtskontinuität und Praktikabilität könnten jedoch nur dann eine Rolle spielen, wenn zwei nahezu gleichwertige Entscheidungsmöglichkeiten nebeneinander stünden. Erkenne man aber in der Erstattungsleistung ein rückwirkendes Ereignis, so stelle sich die Verrechnung im Zahlungsjahr als systematisch richtige Vorgehensweise dar; die Verrechnung im Erstattungsjahr stelle mithin keine gleichwertige Alternative dar. Allenfalls könnte aus Praktikabilitätsgründen eine Verrechnung im Erstattungsjahr in Betracht kommen, wenn der Steuerpflichtige dem nicht widerspreche oder sein Nachteil im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand gering sei. Wenn aber - wie im Streitfalle - die Verrechnungen in den Zahlungsjahren sich überhaupt nicht ausgewirkt hätten und bei einer Verrechnung im Erstattungsjahr dem Kläger der Sonderausgabenabzug nahezu vollständig abgeschnitten würde, könnten Gründe der Rechtskontinuität und Praktikabilität eine solche Handhabung nicht mehr rechtfertigen. Soweit eine Verrechnung im Erstattungsjahr vom BFH "im Grundsatz" zugelassen werde, seien auch danach Ausnahmen möglich. Ein solcher Ausnahmefall müsse dann gegeben sein, wenn sich - wie hier - die später erstatteten Sonderausgaben im Zahlungsjahr überhaupt nicht ausgewirkt hätten. Der Beklagte habe auch den Begriff der Gleichartigkeit bei der Verrechnung der Erstattungsbeträge falsch ausgelegt. Wie der Begriff der Gleichartigkeit im Rahmen der Verrechnung von erstatteten Sonderausgaben auszulegen sei, sei in Rechtsprechung, Verwaltungsanweisungen und Fachschrifttum umstritten. Der Kläger vertrete hier die Auffassung, dass nur eine Verrechnung mit Versicherungen gleicher Art zulässig sei. Eine Verrechnung sei daher im Streitfalle nur mit den getätigten Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung im Jahre 2002 zulässig. Bei den anderen Vorsorgeaufwendungen handele es sich dagegen nicht um gleichartige Sonderausgaben. Für diese Auslegung spreche zum einen der Wortsinn von gleichartigen Sonderausgaben, zum anderen der Umstand, dass der BFH in seiner jüngsten Rechtsprechung Zweifel an der Zulässigkeit der Verrechnung im Erstattungsjahr geäußert habe und diese nur mit Praktikabilitätsgründen überwunden habe. Dann müsse aber auch der Begriff der Gleichartigkeit vor diesem Hintergrund eng ausgelegt werden. Die von dem Finanzamt vorgenommene Auslegung, wonach gleichartige Ausgaben immer solche seien, die der jeweiligen Nummer des § 10 Abs. 1 EStG zuzuordnen seien, sei nicht überzeugend. Dagegen spreche bereits die Unterscheidung bei den Vorsorgeaufwendungen in der ab 01. Januar 2005 geltenden Fassung des § 10 EStG, bei der in § 10 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG zwischen Rentenversicherungsbeiträgen einerseits und Krankenversicherungs- und anderen Versicherungsbeiträgen andererseits unterschieden werde. Hier könne es nicht richtig sein, dass die vorgenommene Handhabung des Beklagten im Jahr 2002 zutreffend sei, während im Jahr 2005 unter sonst gleichen Umständen der Klage stattzugeben wäre.

Der Kläger beantragt,

den ESt-Bescheid für 2002 vom 02. September 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. November 2004 dahingehend zu ändern, dass Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 11.381 EUR bis zu dem Höchstbetrag gemäß § 10 Abs. 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung berücksichtigt werden und die Steuer entsprechend neu festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ferner führt er aus, dass seine Rechtsauffassung auch im Einklang mit den ab dem Jahre 2005 geltenden Gesetzesänderungen des EStG stehe. Zwar würden die Vorsorgeaufwendungen in Nr. 2 und 3 des § 10 Abs. 1 EStG nunmehr in zwei Bereiche unterteilt. Dennoch würden diese Aufwendungen insgesamt weiterhin unter dem Oberbegriff "Vorsorgeaufwendungen" zusammengefasst. Dies zeige, dass es sich auch trotz der Unterscheidung weiterhin um gleichartige Aufwendungen handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach - und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Vorgänge des Beklagten (1 Band Einkommensteuerakten) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2002 vom 02. September 2004 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02. November 2004 ist rechtswidrig, soweit der Beklagte eine Verrechnung des Erstattungsbetrages aus der Krankentagegeldversicherung über die von dem Kläger und seiner Ehefrau geltend gemachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (in Höhe von 4.697, - DM) hinaus vorgenommen hat. Insoweit verletzen die angefochtenen Bescheide den Kläger auch in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Nach § 10 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- in der hier im Streitjahr geltenden Fassung sind bestimmte, im Einzelnen in der Vorschrift aufgeführte Aufwendungen als Sonderausgaben abziehbar. Dazu zählen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 a) EStG auch Beiträge zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen, zu den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie an die Bundesanstalt für Arbeit. Ferner zählen hierzu nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 b) EStG auch im Einzelnen dort aufgelistete Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall. Grundsätzlich sind angesichts dieser gesetzlichen Regelung die von dem Kläger und seiner Ehefrau zum Sonderausgabenabzug geltend gemachten Beiträge zur Sozialversicherung der Ehefrau, die Beiträge zu einer freiwilligen Höherversicherung, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die Beiträge zu Lebensversicherungen und zur Haftpflichtversicherung als Sonderausgaben abziehbar. Hiergegen werden auch von dem Beklagten weder dem Grunde noch der Höhe nach Einwendungen erhoben, was auch dadurch dokumentiert wird, dass der Beklagte die Verrechnung des Erstattungsbetrages mit den gesamten von dem Kläger und seiner Ehefrau für den Sonderausgabenabzug geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen vorgenommen hat. Insbesondere zählen auch die Beiträge zu einer Krankentagegeldversicherung zu Krankenversicherungsbeiträgen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 a) EStG und damit zu den grundsätzlich abziehbaren Sonderausgaben (vgl. BFH, Urteil vom 22. Mai 1969 - IV R 144/68, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1969,489).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) folgt jedoch aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" in § 10 Abs. 1 S. 1 EStG, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 1996, X R 73/94, BFHE 181, 144, BStBl II 1996,646; vom 28. Mai 1998, X R 7/96, BFHE 186, 521; BStBl II 1999, 95; vom 23. Februar 2005, XI R 68/03, BFH/NV 2005, 1304; Beschluss vom 28. Juni 2006, XI B 163/05, BFH/NV 2006, 1836). An einer endgültigen Belastung fehlt es, wenn Sonderausgaben erstattet werden. Dies gilt auch dann, wenn erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geklärt wird, ob Sonderausgaben erstattet werden (vgl. BFH, BStBl II 1996, 646; BFH/NV 2005, 1304).

Bei jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben, wie beispielsweise der Kirchensteuer oder Versicherungsbeiträgen, hat der BFH aus Gründen der Praktikabilität und Rechtskontinuität eine Verrechnung erstatteter Sonderausgaben mit gleichartigen Sonderausgaben im Jahr der Erstattung jedoch im Grundsatz zugelassen. Gegen eine solche Verrechnung mit der im Jahr der Erstattung verausgabten Sonderausgaben bestünden - so der BFH - zwar aus systematischen Gründen Bedenken. Denn als Sonderausgaben seien nur solche Aufwendungen abziehbar, durch die der Steuerpflichtige endgültig wirtschaftlich belastet werde. Würden die Aufwendungen in einem späteren Jahr erstattet, liege keine endgültige wirtschaftliche Belastung und in Höhe der Erstattung somit keine Aufwendung im Sinne des § 10 Abs. 1 S. 1 EStG vor. Die Erstattung wäre daher an sich durch die Kürzung des Sonderausgabenabzugs im Zahlungsjahr zu berücksichtigen. Da dies aber bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben wie Kirchensteuer und Versicherungsbeiträgen zahllose Veranlagungen mit zum Teil nur geringfügigen Erstattungen zur Folge hätte, sei aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtskontinuität an der bisherigen Rechtsprechung und Verwaltungspraxis festzuhalten, im Grundsatz eine Verrechnung im Erstattungsjahr zuzulassen (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1996, BStBl II 1996 S. 646, 648).

Eine Verrechnung erstatteter mit gezahlten Sonderausgaben ist nach der Rechtsprechung des BFH aber im Jahr der Zahlung insoweit geboten, als anderenfalls nicht mehr zu rechtfertigende Steuervorteile eintreten würden. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH beispielsweise der Fall, wenn im Erstattungsjahr keine gleichartigen Sonderausgaben angefallen sind (vgl. BFH, BStBl II 1996, 646; BFH/NV 2005, 1304). Dasselbe gilt, wenn im Erstattungsjahr die gezahlten (gleichartigen) Sonderausgaben niedriger sind als die Erstattung. Auch in diesen Fällen fehlt es an einer endgültigen wirtschaftlichen Belastung im Zahlungsjahr (vgl. BFH/ NV 2005, 1304; BFH/NV 2006, 1836).

Ausgehend von dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, war der Beklagte grundsätzlich berechtigt, im Streitjahr, dem Jahr der Erstattung, in Höhe der erstatteten Beiträge aus der Krankentagegeldversicherung eine Verrechnung mit gleichartigen Sonderausgaben vorzunehmen. Bei den hier in Rede stehenden Versicherungsbeiträgen für die Krankentagegeldversicherung handelt es sich um jährlich wiederkehrende Sonderausgaben, bei denen die Rechtsprechung des BFH grundsätzlich eine Verrechnung im Erstattungsjahr zugelassen hat. Allein die vom BFH geäußerten rechtssystematischen Bedenken gegen eine Verrechnung im Erstattungsjahr führen - ausgehend von dessen oben skizzierter Rechtsprechung - auch nicht dazu, etwa bei steuerlichen Nachteilen für den Steuerpflichtigen - wie sie vorliegend dadurch entstünden, dass bei einer Verrechnung der Erstattung in den jeweiligen Zahlungsjahren dies im Hinblick auf die bereits erreichten Höchstbeträge keine steuerlichen Auswirkungen hätte, während sie im Erstattungsjahr zu einer erheblichen Kürzung der Sonderausgaben führte - ausschließlich eine Verrechnung der Erstattung in den jeweiligen Zahlungsjahren zuzulassen. Der BFH hat in den oben genannten Urteilen lediglich die Verrechnung erstatteter mit gezahlten Sonderausgaben im Jahr der Zahlung zur Vermeidung von ungerechtfertigten Steuervorteilen in den beiden dort ausdrücklich genannten Ausnahmefällen für geboten erachtet. Dies sind die Fälle einer mangelnden Kompensation im Erstattungsjahr wegen fehlender gleichartiger Sonderausgaben sowie eines Erstattungsüberhangs im Erstattungsjahr. Zumindest insoweit hat der BFH auch ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO angenommen (vgl. BFH, BStBl II 1999, 95; BStBl II 2004, 1058; BFH/NV 2005, 1304; BFH/NV 2006, 1836). Ansonsten wurde jedoch der Grundsatz der Verrechnung von Erstattungen jährlich wiederkehrender Sonderausgaben mit gleichartigen Sonderausgaben im Erstattungsjahr beibehalten.

Soweit der Beklagte jedoch über die von dem Kläger und seiner Ehefrau bereits vorgenommene Verrechnung des Erstattungsbetrages mit den im Jahr 2002 gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen hinaus auch eine Verrechnung mit den übrigen Vorsorgeaufwendungen vorgenommen hat, erweist sich diese als unzulässig. Denn insofern handelt es sich nicht um eine Verrechnung im Erstattungsjahr allein zugänglicher gleichartiger Sonderausgaben.

Wie der Begriff der "gleichartigen" Sonderausgaben auszulegen ist, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, alle Aufwendungen der jeweiligen Nr. des § 10 EStG stellten gleichartige Sonderausgaben dar (so beispielsweise 3. Leitsatz im Urt. des BFH vom 27. Februar 1970, VI R 314/67, BStBl II S. 422; Kulosa in: Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer und Körperschaftsteuergesetz, 224. Lieferung, § 10, Rdnr. 42; OFD Frankfurt vom 06. Mai 2003, DStR 2003, 1705 ), soll nach anderer Auffassung eine Minderung aufgrund der Erstattung nur innerhalb der jeweiligen Versicherungsart möglich sein (vgl. Stephan, in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10 Rdnr. 125; Nolde, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG,176. Lieferung, § 10 Rdnr. 97; Söhn, in: Kirchhof/Söhn, EStG - Komm., § 10, Rdnr E 238). Darüber hinaus wird auch die Auffassung vertreten, dass eine Verrechnung der Erstattung nur mit Beiträgen aus dem gleichen Versicherungsvertrag vorgenommen werden kann (so Leitsatz und Urteilsgründe in BFH, Urt. vom 20. Februar 1970, VI R 11/68, BStBl II 1970, S. 314).

Nach Auffassung des Senats sind als gleichartige Sonderausgaben, die eine Verrechnung mit Erstattungen von Versicherungsbeiträgen im Erstattungsjahr zulassen, im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich solche anzusehen, die der jeweiligen in § 10 Abs. 2 a) bzw. b) EStG aufgeführten Art der Versicherung (Kranken-, Pflege-, Unfall-, Haftpflichtversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Lebensversicherung) entsprechen, wobei jedoch im Hinblick auf die Ähnlichkeit des versicherten Risikos und vergleichbarer Versicherungsstrukturen Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen noch als gleichartig angesehen werden können. Dementsprechend sind diese auch in dem amtlichen Erklärungsvordruck in einer Spalte zusammengefasst worden. Für diese Auslegung spricht zum einen bereits die Bedeutung des Begriffs "Gleichartigkeit". Denn Gleichartigkeit verlangt gerade nicht eine genaue Gleichheit der Sonderausgaben, sondern nur der Art nach gleiche Sonderausgaben. Aus diesem Grund ist ein Verständnis dieses Begriffs, wonach nur Beiträge aus demselben Versicherungsverhältnis oder an denselben Versicherer für eine Verrechnung mit der Erstattung zur Verfügung stehen, zu eng. Eine solche Beschränkung würde darüber hinaus auch nicht dem Bedürfnis nach Praktikabilität gerecht, dem mit der Ermöglichung der Verrechnung im Erstattungsjahr gerade Rechnung getragen werden sollte. Denn bei einer solchen Beschränkung stünden - bspw. bei einem Wechsel der Versicherung - häufig keine im Erstattungsjahr verrechenbaren Vorsorgeaufwendungen zur Verfügung, so dass man - nach der o. g. Rechtsprechung des BFH - dann ohnehin auf die aufwändigere Verrechnung und Bescheidänderung in den Zahlungsjahren zurückgreifen müsste. Auf der anderen Seite ist gerade auch den vom BFH selbst geäußerten rechtssystematischen Bedenken gegen eine Verrechnung im Erstattungsjahr, die nur aus Gründen der Praktikabilität und Rechtskontinuität überwunden wurden, bei der Auslegung des Begriffs der Gleichartigkeit Rechnung zu tragen. Ließe man eine Verrechnung von Erstattungsbeträgen innerhalb der jeweiligen Nummern des § 10 Abs. 1 EStG insgesamt zu - hier also eine Verrechnung mit allen Vorsorgeaufwendungen -, so bestünde die Gefahr, dass - wie der hier vorliegende Fall zeigt - sich diese Verrechnungsmöglichkeit nachteilig zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkt, wenn - wie von dem Kläger geltend gemacht - die erklärten und nachträglich erstatteten Sonderausgaben sich in den jeweiligen Zahlungsjahren aufgrund der Höchstbeträge steuerlich nicht ausgewirkt haben, wohingegen eine Verrechnung im Erstattungsjahr nahezu zu einer kompletten Kürzung der geltend gemachten Sonderausgaben führt. Vor diesem Hintergrund erscheint dem Senat zur Beschränkung von etwaigen steuerlichen Nachteilen Steuerpflichtiger, die rein aus Praktikabilitätserwägungen entstünden, eine grundsätzliche Reduzierung der Verrechnungsmöglichkeit im Erstattungsjahr auf die Beiträge von Versicherungen der gleichen Art geboten.

Hiervon ausgehend war der Beklagte mangels Gleichartigkeit gehindert, den Erstattungsbetrag über die von dem Kläger und seiner Ehefrau geltend gemachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge hinaus abzuziehen. Vielmehr war der Abzug - wie auch seitens des Klägers und seiner Ehefrau in der Einkommensteuererklärung durchgeführt - auf die im Streitjahr als Sonderausgaben geltend gemachten Beiträge zu den Kranken- und Pflegeversicherungen zu beschränken, so dass - im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG - 11.381 EUR an Versicherungsbeiträgen abziehbar sind.

Da danach bereits mangels Gleichartigkeit der Sonderausgaben eine weitere Verrechnung des Erstattungsbetrages mit im Jahr 2002 verausgabten Vorsorgeaufwendungen nicht in Betracht kam, kann auch dahinstehen, ob dem Kläger hinsichtlich der Verrechnung des Erstattungsbetrages ein Wahlrecht dahingehend zusteht, dass er zwischen einer Verrechnung des Erstattungsbetrages in den jeweiligen Zahlungsjahren und einer Verrechnung im Erstattungsjahr wählen kann (für ein solches (faktisches) Wahlrecht im Hinblick auf die Erstattung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO: Ortheil, Der Betrieb - DB - 2005, 466, 468; Demuth, NWB 2007, 681, 683 f.) Selbst wenn man ein solches Wahlrecht unterstellte, führte dies im Übrigen vorliegend auch nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn jedenfalls in Höhe der im Erstattungsjahr gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge hätte der Kläger durch die in der Einkommensteuererklärung vorgenommene Verrechnung sein Wahlrecht zu Gunsten einer Verrechnung im Erstattungsjahr ausgeübt.

Soweit nach der Verrechnung im Erstattungsjahr im Streitfall ein Erstattungsüberhang verbleibt, so ist nach den oben genannten Grundsätzen der Rechtsprechung des BFH eine Verrechnung in den jeweiligen Zahlungsjahren vorzunehmen, da im Erstattungsjahr die gezahlten (gleichartigen) Sonderausgaben niedriger sind als die Erstattung. In diesem Fall ist der Ausgabenabzug des Jahres der Verausgabung, also des Zahlungsjahres, um die - gegebenenfalls zeitanteilig anzusetzende - nachträgliche (verbleibende) Erstattung zu mindern (vgl. BFH, BStBl II 1999, 95). Insoweit käme - falls erforderlich - gegebenenfalls eine Änderung bestandskräftig gewordener Bescheide nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO in Betracht.

Die Berechnung des festzusetzenden Betrages konnte der Senat auf das Finanzamt übertragen, weil die Ermittlung dieses Betrages einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert (§ 100 Abs. 2 S. 2 FGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.



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