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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 10.07.2007
Aktenzeichen: 5 K 369/02
Rechtsgebiete: FGO, AO, EStG


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 S. 1
AO § 162
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 12
Die Übernahme von Kosten einer Regenerationskur eines Fluglotsen durch den Arbeitgeber kann sowohl durch das Arbeitsverhältnis als auch durch ein eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers veranlasst sein. Gemischt veranlasste Sachzuwendungen sind im Wege sachgerechter Schätzung aufzuteilen.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

5 K 369/02

Einkommensteuer 2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 10. Juli 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 22. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2002 wird geändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, den Klägern das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kläger und der Beklagte haben die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist - soweit der Klage stattgegeben wurde - wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Übernahme der Kosten einer sog. Regenerationskur für Fluglotsen durch den Arbeitgeber als geldwerter Vorteil den Arbeitslohn des Klägers erhöht.

Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2001 als Fluglotse Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Arbeitgeber war die "..." (X). Im Arbeitsvertrag war vereinbart worden, dass der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und die Sonderregelungen für die Angestellten im Flugsicherungsdienst (SR 2 h BAT) gelten sollten.

In den SR 2 h BAT ist u.a. Folgendes festgelegt:

Nr. 2

Zu § 7 - Ärztliche Untersuchung

(1) Angestellte, die die Flugverkehrskontrolle ausüben, sind verpflichtet, sich nach Maßgabe der Richtlinien des Bundesministers für Verkehr für die Feststellung der körperlichen Tauglichkeit des Luftfahrtpersonals ... auf ihre Tauglichkeit zum Flugverkehrskontrolldienst ärztlich untersuchen zu lassen. ...

(2) ...

(3) Die Kosten der Untersuchungen trägt der Arbeitgeber.

Nr. 3

Zu § 8 - Allgemeine Pflichten

(1) ...

(2) Angestellte, die die Flugverkehrskontrolle ausüben, sowie Meßflugzeugführer sind verpflichtet, sich auf Verlangen des Arbeitgebers einer Regenerierungskur zu unterziehen. Der Arbeitgeber wird solche Kuren in Abständen von längstens fünf Jahren vorsehen.

Der Kläger nahm - nachdem der Arbeitgeber ihm mehrere Kuren zur Auswahl angeboten hatte - in der Zeit vom 5. September 2001 bis zum 3. Oktober 2001 an der im Hotel ... durchgeführten Regenerationskur für Fluglotsen teil. Die X hatte den Kläger als Teilnehmer angemeldet und die gesamten Kosten übernommen.

Zum Kurprogramm gehörten ärztliche Untersuchungen am 6. September 2001, 20. September 2001 und 1. Oktober 2001. Im Übrigen bestand das Programm aus Fitnesstraining und Massagen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Kurprogramm Bezug genommen.

Der die Kurmaßnahmen begleitende Arzt bescheinigte unter dem 1. Oktober 2001 die Arbeitsfähigkeit des Klägers.

In ihrer ESt-Erklärung für das Streitjahr ließen die Kläger die Aufwendungen der X für die Kur (5.039,86 DM = 2.576,84 EUR) unberücksichtigt. Der Beklagte (nachfolgend das Finanzamt) übernahm zunächst die Angaben der Kläger und setzte die ESt nach einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von ... DM mit ESt-Bescheid 2001 vom 26. Februar 2002 auf ... DM fest. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nachdem das Finanzamt aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung Kenntnis davon erlangt hatte, dass die X die anlässlich der Regenerationskur entstandenen gesamten Kosten bezahlt und den Rechnungsbetrag nicht als steuerpflichtige Zuwendung an den Kläger behandelt hatte, änderte es den ursprünglichen ESt-Bescheid 2001 gemäß § 164 Abs. 2 AO. Das Finanzamt sah in der Übernahme der Kurkosten durch die X die Zuwendung eines geldwerten Vorteils an den Kläger, erhöhte die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit entsprechend und setzte die ESt 2001 nach einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von ... DM unter Einbeziehung der Lohnersatzleistungen in der bisherigen Höhe auf ... DM (Splittingtabelle) fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen (geänderter ESt-Bescheid 2001 vom 22. April 2002).

Zur Begründung des gegen die Änderung erhobenen Einspruchs machten die Kläger geltend: Das Finanzamt habe die von der X übernommenen Kosten zu Unrecht seinem Arbeitslohn hinzugerechnet. Bei der streitigen Regenerationskur handele es sich um ein spezielles Programm für Fluglotsen, das nach der Sonderregelung für Angestellte im Flugsicherungsdienst SR 2 h BAT und den Richtlinien der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) im Interesse des Arbeitgebers durchgeführt worden sei und dessen Kosten der Arbeitgeber zu tragen habe. Dies gelte auch im vorliegenden Fall, weil die Geltung der Sonderregelungen arbeitsvertraglich vereinbart worden sei. Im Übrigen sei die Erhöhung des Arbeitslohns im Ergebnis auch dann nicht gerechtfertigt, wenn man in der Übernahme der Kurkosten durch die X einen geldwerten Vorteil sehe. In diesem Fall stünden der Erhöhung des Arbeitslohns Werbungskosten in gleicher Höhe gegenüber. Denn die Teilnahme an der Regenerationskur sei durch das Arbeitsverhältnis veranlasst.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25. September 2002 als unbegründet zurück: Die Übernahme der Kosten der Kur durch die X erhöhe als geldwerter Vorteil den Arbeitslohn des Klägers. Die Regenerationskur habe nicht überwiegend den eigenbetrieblichen Zwecken der X, sondern der Feststellung und der Verbesserung des körperlichen Allgemeinzustandes und damit auch der Erhaltung des allgemeinen Gesundheitszustandes des Klägers gedient, der Voraussetzung für die Ausübung jeder Berufstätigkeit sei. Der Umstand, dass eine Verpflichtung zur Durchführung bzw. zur Teilnahme an der Kur bestanden habe, sei rechtlich ohne Bedeutung. Da es sich bei der Regenerationskur um eine vorbeugende Maßnahme gehandelt habe, könnten die Aufwendungen auch nicht als Werbungskosten oder als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

Am 22. Oktober 2002 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Entgegen der Ansicht des Finanzamts handele es sich bei der Übernahme der Kosten der Regenerationskur durch die X keinesfalls um einen den Arbeitslohn erhöhenden geldwerten Vorteil. Es fehle an einer objektiven Bereicherung. Die kostenlose Teilnahme an der Regenerationskur sei beruflich veranlasst. Nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages sei der Kläger verpflichtet gewesen, an der von der X angebotenen Regenerationskur teilzunehmen. Das Finanzamt verkenne auch, dass es sich um eine speziell auf die Bedürfnisse der Fluglotsen zugeschnittene, nach Maßgabe der entsprechenden Richtlinien der Deutschen Flugsicherung GmbH in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Hotels durchgeführte Regenerationskur gehandelt habe, die darauf zugeschnitten gewesen sei, berufsbedingten gesundheitlichen Risiken vorzubeugen bzw. bereits eingetretene Gesundheitsschäden zu beheben. Ein ggf. zu berücksichtigender geldwerter Vorteil sei durch den Abzug von Werbungskosten in entsprechender Höhe auszugleichen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Kläger wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen.

Am 4. September 2006 hat der erkennende Senat durch Gerichtsbescheid der Klage teilweise stattgegeben. Das beklagte Finanzamt hat am 5. Oktober 2006 mündliche Verhandlung beantragt. Auf die ergänzenden Ausführungen des Finanzamts mit Schriftsatz vom 15. Mai 2007 wird Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

den geänderten ESt-Bescheid 2001 vom 22. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2002 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen ESt-Akte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), soweit das Finanzamt mehr als 50% der aus Anlass der Regenerationskur entstandenen und von der X übernommenen Kurkosten als geldwerten Vorteil dem Arbeitslohn des Klägers hinzugerechnet hat.

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit auch Vorteile, die "für" eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind nach § 2 Abs. 1 der Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV) alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Demgemäß ist Arbeitslohn jeder geldwerte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist. Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur deshalb gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (BFH, Urteil vom 5. April 2006, IX R 109/00, BStBl II 2006, 541 m.w.N.).

Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden (BFH, Urteil vom 5. April 2006, IX R 109/00, BStBl II 2006, 541 m.w.N.). Von einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer sich einem unerwünschten Vorteil ohne nachteilige Folgen nicht entziehen kann (sog. aufgedrängte Bereicherung - vgl. BFH, Urteile vom 17. September 1982, VI R 75/79, BStBl II 1983, 39 und vom 20. September 1985, VI R 120/82, BStBl II 1985, 718) oder wenn der Arbeitgeber gerade deshalb Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung der Gesundheit seiner Arbeitnehmer (wie z.B. Kurkosten) bezahlt, weil andernfalls berufsspezifisch bedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen der Arbeitnehmer drohen (z.B. BFH, Urteile vom 30. Mai 2001, VI R 177/99, BStBl II 2001, 671 und vom 5. November 1993, VI R 56/93, BFH/NV 1994, 313; Finanzgericht Köln, Urteil vom 24. Juni 2004, 2 K 3877/02, EFG 2004, 1622).

Nach der früheren Rechtsprechung des BFH waren Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit (Bezüge oder geldwerte Vorteile) im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung grundsätzlich einheitlich in dem Sinne zu beurteilen, dass die Zuwendung entweder Arbeitslohn darstellte oder im betrieblichen Eigeninteresse erfolgte (z.B. BFH, Urteile vom 9. August 1996, VI R 88/93, BStBl II 1997, 97 und vom 7. Februar 1997, VI R 34/96, BFH/NV 1997, 401). Der BFH ging davon aus, dass bei einer einheitlichen Zuwendung grundsätzlich kein Maßstab für eine quantitative Abgrenzung zwischen Arbeitslohn und Nicht-Arbeitslohn vorhanden sei. Demgegenüber ist nach der neueren Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, eine Aufteilung von (Sach-) Zuwendungen an Arbeitnehmer in Arbeitslohn und Zuwendungen im betrieblichen Eigeninteresse grundsätzlich möglich, wenn die Zuwendungen bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls gemischt veranlasst sind. Denn das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG findet auf der Einnahmeseite keine Anwendung (BFH, Urteil vom 6. Oktober 2004, X R 36/03, BFH/NV 2005, 682). Der Aufteilung einer gemischt veranlassten Zuwendung steht das Fehlen eines geeigneten Aufteilungsmaßstabes nicht entgegen. Denn gerade wenn eine genaue und eindeutige Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen nicht möglich ist, sind sie gemäß § 162 AO zu schätzen (BFH, Urteil vom 18. August 2005, VI R 32/03, BStBl II 2006, 30).

Nach Gesamtwürdigung aller Umstände steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Übernahme der Kosten der Regenerationskur durch die X sowohl durch das Arbeitsverhältnis als auch durch ein eigenbetriebliches Interesse der X veranlasst ist. Die gemischte Veranlassung der Zuwendung führt dazu, dass lediglich die Hälfte der streitigen Kosten dem Arbeitslohn des Klägers hinzugerechnet werden können.

Die Übernahme der Kosten der Regenerationskur durch die X kann im Streitfall weder eindeutig dem Arbeitslohn des Klägers zugeordnet noch eindeutig als notwendige Begleiterscheinung einer betriebsfunktionalen Zielsetzung angesehen werden. Zwar ist die Zahlung der Kosten der Regenerationskur durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, weil dem Kläger der Vorteil von der X aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt worden ist (z.B. Drenseck in Schmidt, EStG, 26. Auflage 2007, § 19 Rz 24). Die Zuwendung kann aber nicht in voller Höhe dem Arbeitslohn des Klägers hinzugerechnet werden. Denn an der Durchführung der Kur hatte auch die X ein erhebliches Eigeninteresse.

Zwar verweist das Finanzamt zu Recht darauf, dass es dem Arbeitnehmer obliegt, sich um seine Gesundheit zu bemühen und diese aufrecht zu erhalten, um seine arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Dies schließt es aber nicht aus, im Streitfall von einer gemischten Zuwendung auszugehen. Denn - angesichts der hohen Verantwortung der Flugsicherung für Leib und Leben der Passagiere aber auch der allgemeinen Bevölkerung und der mit der Ausübung der Flugsicherung verbundenen erheblichen haftungsrechtlichen Risiken - hat die X ein elementares Interesse an leistungsfähigen Mitarbeitern, die in der Lage sind, ihre beruflichen Aufgaben hoch konzentriert und möglichst fehlerfrei auszuüben. Hierzu gehört gerade ein Höchstmaß an körperlicher Fitness der Fluglotsen. Das ist auch der Grund, warum der Kläger nicht nur einen Anspruch auf regelmäßige Teilnahme an einer Kur hat, sondern in dem Arbeitsvertrag darüber hinaus geregelt ist, dass die X von dem Kläger auch gegen seinen Willen verlangen kann, eine Regenerierungskur zu absolvieren. Diese arbeitsvertragliche Bestimmung ist eine Vereinbarung (nur) im Interesse des Arbeitgebers. Ansonsten hätte die Regelung eines Anspruchs des Klägers auf Kurteilnahme ausgereicht. Dabei kommt es für die Interessenabwägung auch nicht darauf an, ob es sich bei der streitbefangenen Regelung um eine Individualvereinbarung oder eine tarifvertragliche Vorgabe handelt.

Schließlich besteht das Interesse der X angesichts der spezialisierten Fachausbildung der Fluglotsen auch daran, dass die bei ihr angestellten Lotsen ihre Tätigkeit ohne krankheitsbedingte Fehlzeiten erfüllen und nicht vorzeitig wegen Berufsunfähigkeit beenden.

Die Annahme eines überwiegend eigenbetrieblichen Interesses der X an der Übernahme der Kurkosten scheitert daran, dass die streitige Regenerationskur nicht dazu gedient hat, drohenden berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers vorzubeugen oder sie zu heilen, sondern auch einen allgemeinen Erholungs- und Erlebniswert für den Kläger hatte. Bei Mitarbeitern des Flugsicherungsdienstes sind bisher keine berufstypischen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (wie z.B. Magenbeschwerden, Bluthochdruck oder Erschöpfung) festgestellt worden (vgl. Arbeitsgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. September 2004, 11 BVGa 2/04). Dies ist von dem Kläger auch nicht geltend gemacht worden. Zudem spricht der gesamte Ablauf der Kur dafür, dass es sich um einen vom Arbeitgeber finanzierten, ärztlich begleiteten Aktivurlaub gehandelt hat, der auf Erhaltung der allgemeinen körperlichen Belastungsfähigkeit und vollständigen Fitness der Teilnehmer abzielte, nicht aber darauf gerichtet war, berufstypischen Erkrankungen vorzubeugen oder sie zu heilen. Die Kur steigerte erheblich das allgemeine Wohlbefinden des Klägers und hatte damit für ihn einen ins Gewicht fallenden sonstigen Erholungs-, Freizeit- und Erlebniswert.

Im Ergebnis ist die Übernahme der Kosten der Regenerationskur durch die X sowohl durch das Arbeitsverhältnis als auch durch das eigenbetriebliche Interesse der X veranlasst. Dabei verkennt der Senat nicht, worauf das Finanzamt zu Recht hinweist, dass eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers besteht. Je höher aus der Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse (BFH, Urteil vom 22. Juni 2006, VI R 21/05, BStBl II 2006, 915). Im Streitfall ist aber einerseits zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen für die Regenerationskur lediglich alle fünf Jahre anfallen, und anderseits zu bedenken, dass die Kosten der Kur auch im Verhältnis zu der (bereits erwähnten) erheblichen Verantwortung der X für Leib und Leben von Personen zu sehen sind.

Nach der zu gemischt veranlassten Reisen entwickelten neueren BFH-Rechtsprechung sind für die Aufteilung einer gemischt veranlassten Zuwendung die Kostenbestandteile abzutrennen, die sich leicht und eindeutig dem betriebsfunktionalen Bereich und dem Bereich, der sich als geldwerter Vorteil darstellt, zuordnen lassen. Die danach verbleibenden Kosten sind grundsätzlich im Wege sachgerechter Schätzung (§ 162 AO) aufzuteilen. Als Aufteilungsmaßstab ist dabei (jedenfalls bei gemischt veranlassten Reisen) "in der Regel" das Verhältnis der Zeitanteile heranzuziehen, in dem Reise-Bestandteile mit Vorteilscharakter zu den aus betriebsfunktionalen Gründen durchgeführten Reise-Bestandteilen stehen. Im Übrigen obliegt die schätzweise Aufteilung in erster Linie dem Finanzgericht, da die Schätzung grundsätzlich eine Frage der Tatsachenfeststellung ist (BFH, Urteil vom 18. August 2005, VI R 32/03, BStBl II 2006, 30 m.w.N.).

Im Streitfall ließen sich Kostenbestandteile nicht eindeutig und leicht abtrennen, da in der Rechnung des ...hotels die Kur in einer Gesamtsumme abgerechnet worden ist. Dies gilt im Übrigen auch, soweit in der Rechnung Kosten für Verpflegung enthalten sein sollten.

Eine Schätzung nach Zeitanteilen kam nicht in Betracht, da das gesamte Kurprogramm (ein nicht zur eigentlichen Kur gehörendes Beiprogramm ist nicht in Rechnung gestellt worden), d.h. sämtliche Anwendungen und Ruhepausen, sowohl im betrieblichen als auch im Interesse des Klägers gelegen haben. Infolgedessen sind aber die gemischt veranlassten Aufwendungen nicht etwa nunmehr als Arbeitslohn einzuordnen, wie das Finanzamt meint, sondern die Aufteilung der Kosten ist nach anderen Maßstäben zu schätzen (sie hat nach der BFH-Rechtsprechung nur "in der Regel" nach Zeitanteilen zu erfolgen).

Mangels eines anderweitigen geeigneten Aufteilungsmaßstabes geht der Senat dabei von dem Verhältnis des Interesses des Klägers an der Erhaltung seiner Fitness und des Interesses der X an gesunden und leistungsfähigen Mitarbeitern aus. Nach Gesamtabwägung aller vorliegenden objektiven Umstände erscheint das Interesse beider Vertragsparteien in etwa gleich groß.

Davon ausgehend schätzt der Senat - mit der einer Schätzung naturgemäß anhaftenden Unschärfe - den durch das Arbeitsverhältnis veranlassten und dem Kläger zugeflossenen geldwerten Vorteil gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO auf 50% der Gesamtaufwendungen, also auf 2.519,93 DM (= 1.288,42 EUR).

Entsprechend sind die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit um diesen Betrag zu kürzen.

Ein Abzug der den Arbeitslohn des Klägers erhöhenden Zuwendung als Werbungskosten kommt nicht in Betracht. Der Kläger hat keine Aufwendungen getragen, denn die Kurkosten waren von dem Arbeitgeber des Klägers bezahlt worden. Selbst wenn dem Kläger eigene Aufwendungen erwachsen sein sollten, wären dies - insoweit - keine beruflich veranlassten Aufwendungen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Die Kur diente weder dazu, eine typische Berufskrankheit zu heilen noch dazu, einer drohenden Erkrankung der genannten Art vorzubeugen. Ziel der Kur war es vielmehr, die Fitness der Teilnehmer zu fördern und damit wesentlich zur Erhaltung des allgemeinen Gesundheitszustandes beizutragen, wie er Voraussetzung für die Ausübung jeglicher Berufstätigkeit ist. Berufsbezogene Elemente und Umstände der allgemeinen Lebensführung sind somit untrennbar miteinander verbunden, was nach dem in § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG geregelten Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischte Aufwendungen zur Versagung des Werbungskostenabzugs führt (vgl. BFH, Urteil vom 17. Juli 1992, VI R 96/88, BFH/NV 1993, 19).

Im Ergebnis ist der angefochtene geänderte ESt-Bescheid 2001 vom 22. April 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. September 2002 in der Weise zu ändern, dass die bisher berücksichtigten Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit um 2.519,93 DM (= 1.288,42 EUR) zu kürzen sind. Im Übrigen ist die Klage nicht begründet.

Der Senat hat es für zweckmäßig gehalten, die Berechnung der geänderten Steuerfestsetzung dem Finanzamt zu übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO) und dem Finanzamt aufzugeben, den Klägern das Ergebnis der Berechnung unverzüglich mitzuteilen (§ 100 Abs. 2 Satz 3 FGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 136 Abs. 1, 135 Abs. 5 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und 11 der Zivilprozessordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine höchstrichterliche Entscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).



Ende der Entscheidung

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