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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 10.04.2008
Aktenzeichen: 1 K 757/07
Rechtsgebiete: AO, BGB, UStG, InsO


Vorschriften:

AO § 226
BGB § 387 ff.
UStG § 2
InsO § 80
InsO § 96 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 294
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

1 K 757/07

Abrechnungsbescheid Umsatzsteuer Mai 2005

In dem Rechtsstreit

...

hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund der mündlichen Verhandlung in der Sitzung am 10. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die vom Beklagten in einem Abrechnungsbescheid getroffene Feststellung, dass der Anspruch des Klägers auf Auszahlung des Guthabens aus einer Umsatzsteuer- Voranmeldung (UStVA) für sein aktuell betriebenes Unternehmen durch Verrechnung mit Umsatzsteuer- Rückständen aus einem früheren - insolvent gewordenen Unternehmen des Klägers - erloschen ist.

Der Kläger ist seit 1994 im Bereich Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk gewerblich tätig. Er betrieb unter der Firma "FW" ein Einzelunternehmen mit der Steuernummer 161/289/02310. Am 11. März und 10. April 2003 wurden gegen ihn Steuerforderungen in Höhe 8.679,12 EUR für Umsatzsteuer der Monate Januar und Februar 2003 fällig. Mit Beschluss vom 15. September 2003 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über sein Vermögen. Der Insolvenzverwalter nahm den Betrieb mangels vorhandener Mittel nicht wieder auf und meldete das Gewerbe ab. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dieses Einzelunternehmen war der Kläger Geschäftsführer einer neu gegründeten Firma FW GmbH bis zu deren Insolvenz im Oktober 2004. Zum 1. März 2005 hat der Kläger erneut ein Einzelunternehmen angemeldet, in dem er Arbeitnehmer beschäftigte und für das die Steuernummer 161/289/00105 vergeben wurde. Der Insolvenzverwalter des alten Einzelunternehmens gab den neuen Gewerbebetrieb mit allen Aktiva und Passiva endgültig und bedingungslos aus dem Insolvenzbeschlag frei und wies den Kläger auf seine Verpflichtungen nach § 295 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) hin. Danach hat der Gemeinschuldner, weil er eine selbstständige Tätigkeit ausübt, die Insolvenzgläubiger durch Zahlungen an einen Treuhänder so zu stellen, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Dies ist eine der Voraussetzungen dafür, um gem. §§ 286 ff InsO die Restschuldbefreiung gegenüber den Insolvenzgläubigern erreichen zu können. Nach übereinstimmendem Vortrag der Beteiligten befindet sich der Kläger in der Wohlverhaltensphase im Sinne des § 287 Abs. 2 InsO.

Soweit der Kläger Lieferungen und Leistungen als Subunternehmer erbringt, schuldet nicht er, sondern nach § 13b des Umsatzsteuergesetzes - UStG - der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer, wenn dieser ein Unternehmer ist, der ebenfalls Bauleistungen erbringt. Der sog. Neuerwerb des Klägers führt daher vermehrt zu Überhängen von Vorsteuerbeträgen und damit zu Steuererstattungsansprüchen, so auch für den Monat Mai 2005 i. H. v. 4.138,10 EUR.

Unter dem 28. Juni 2005 teilte das beklagte Finanzamt (FA) dem Kläger mit, dass es seine Steuerforderungen aus der Umsatzsteuer für Januar und Februar 2003 gegen den o. g. Erstattungsanspruch aufrechne. Nachdem im Verwaltungsverfahren hiergegen Bedenken erhoben wurden, stellte das FA mit Abrechnungsbescheid vom 15. August 2005 fest, dass der Erstattungsanspruch des Klägers durch Aufrechnung erloschen sei.

Im Einspruchsverfahren gegen die Verrechnung des Erstattungsbetrags für Mai 2005 trug der Kläger zur Begründung im Wesentlichen vor, dass eine Aufrechnungslage nicht gegeben und daher unzulässig sei. Schon der Umstand, dass das FA für die Insolvenzfirma und den Neuerwerb zwei getrennte Steuernummern vergeben habe, deute darauf hin, dass es sich um unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten handele.

Die Verfahrensweise des FA führe zu einer Besserstellung gegenüber anderen Gläubigern, da sich das FA einen nach § 294 InsO unzulässigen Tilgungsvorteil für seine angemeldeten Insolvenzforderungen verschaffe.

Die Freigabe durch den Insolvenzverwalter führe nicht dazu, dass der Kläger im Rahmen der Wohlverhaltensphase frei über sein Vermögen verfügen könne, denn diesbezüglich sei er gegenüber dem Insolvenzverwalter nach wie vor abrechnungspflichtig. Zu einem Gewinn könne der neue Gewerbebetrieb des Klägers erst dann führen, wenn nach Abzug aller Kosten ein Überschuss verbliebe. Voraussetzung dafür sei aber die Erstattung der verauslagten Umsatzsteuern zugunsten des neuen Gewerbebetriebes. Durch die permanente Aufrechnung mit Altschulden entstehe ein Wettbewerbsnachteil und der Gewerbebetrieb werde zwecklos. Das FA verhindere die Schaffung einer neuen Existenzgrundlage und zwinge den Kläger erneut Insolvenz zu beantragen.

Der Einspruch wurde mit Entscheidung vom 25. Juli 2007 als unbegründet zurückgewiesen.

Hauptforderung und Gegenforderung stünden in einem Gegenseitigkeitsverhältnis, da der Steuererstattungsanspruch aus dem sog. Neuerwerb dem Kläger und nicht dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder zustehe. Zugleich sei der Kläger Schuldner der Gegenforderung. Die Vergabe unterschiedlicher Steuernummern für den Insolvenzbetrieb und den Neuerwerb habe lediglich verwaltungsinterne Gründe. Der Unternehmer, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, verliere seine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft durch die Verfahrenseröffnung nicht. Er sei lediglich in seinem Verwaltungs- und Verfügungsrecht beschränkt. Umsatzsteuerliche Vorgänge, die der Insolvenzverwalter auslöse, blieben Umsätze des insolventen Unternehmers. Neben den Umsätzen mit der Insolvenzmasse, die vom Insolvenzverwalter zu verantworten seien, könne der Schuldner durchaus noch Umsätze selbst vornehmen.

Das Finanzamt sei grundsätzlich zur Aufrechnung im Insolvenzverfahren befugt. Die hier einzig denkbare Aufrechnungsbeschränkung könne sich aus § 96 Abs.1 Nr.1 InsO ergeben, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden sei. Nehme der Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine neue Erwerbstätigkeit auf, indem er durch seine Arbeit und durch nicht zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände Leistungen erbringt, begründe er keine Masseverbindlichkeiten. Vielmehr zähle dieser Bereich zu seiner insolvenzfreien Tätigkeit, aus der keine Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu Gunsten oder auch zu Lasten der Masse begründet werden könnten.

Im Streitfall habe der Insolvenzverwalter das neue Gewerbe des Klägers aus dem Insolvenzbeschlag vorbehaltlos freigegeben. Dies führe dazu, das es sich bei dem Umsatzsteuererstattungsanspruch für Mai 2005 nicht um eine Masseverbindlichkeit (gemeint wohl Masseforderung) handele. Folglich könne auch die Anfechtungsbeschränkung des § 96 Abs.1 Nr.1 InsO nicht Platz greifen.

Mit der dagegen erhobenen Klage macht der Kläger über seinen Vortrag im Einspruchsverfahren im Wesentlichen hinaus geltend, dass er als Inhaber der neuen Firma wegen seiner Verpflichtung aus § 295 Abs. 2 InsO von seinem laufenden Geschäftsbetrieb den Teil seines Erwerbs an den Insolvenzverwalter abzuführen habe, der über den beim Kläger berechtigt verbleibenden pfändungsfreien Teil zur Verfügung stehe.

Zum laufenden Geschäftsbetrieb gehöre, dass der Kläger für bezogene Materialien Mehrwertsteuer bezahle, die er als Vorsteuer gegenüber der Beklagten geltend machen könne. Mithin sei zunächst die Ausgabe für die Mehrwertsteuer vor Berücksichtigung der Einnahmen des Klägers eine Ausgabe aus dem laufenden neuen Geschäftsbetrieb und die an den neuen Gewerbebetrieb zu erstattende Umsatzsteuer im Zuge der Vorsteuererstattung eine Einnahme zum Ausgleich der verauslagten Mehrwertsteuer.

Erst nach Ausgleich der geleisteten Vorsteuer sei der Kläger in der Lage, eine ordnungsgemäße Einnahme-Überschuss-Rechnung zu erstellen, die zu einem Erlösergebnis führe, das unter Berücksichtigung der Verpflichtung gem. § 295 Abs. 2 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter meldepflichtig sei.

Der Beklagte trenne jedoch nicht die Steuerpflichten aus der ehemaligen Firma des Klägers (Insolvenzfirma) und der neuen Firma. Die Forderungen des Beklagten aus den UStVAen Januar und Februar 2003 seien Verbindlichkeiten der Insolvenzfirma. Die Erstattungsansprüche der neuen Firma stünden jedoch dem Kläger zu, da unter dem Gesichtspunkt der verauslagten Umsatzsteuer der Erstattungsanspruch geltend gemacht ist.

Gegenüber dem neuen Gewerbebetrieb des Klägers bestehe ein Aufrechnungsverbot mit Altverbindlichkeiten der Insolvenzfirma. Das Vorgehen der Beklagten verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Gläubiger gem. § 294 Insolvenzverwalter. Durch die Aufrechnung werde die Einnahme- Überschuss- Rechnung des Klägers geschmälert und er sei nicht in der Lage, entsprechende Überschüsse an den Insolvenzverwalter auszukehren.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

den Abrechnungsbescheid vom 15. August 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2007 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Nach seiner Auffassung gehörten Steuererstattungsansprüche nicht zu den an den Treuhänder abgetretenen Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge. Die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers seien folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen. Die hierzu ergangenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigten sich zwar mit Ansprüchen auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, seien aber auf alle Ansprüche gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 der Abgabenordnung (AO) anwendbar. Sowohl Einkommensteuererstattungsansprüche als auch Vorsteuererstattungsansprüche oder Ansprüche auf Investitionszulage seien öffentlichrechtliche Ansprüche, die nicht das rechtliche Schicksal der zugrunde liegenden privatrechtlichen Forderungen des Insolvenzschuldners teilen würden. Daher würden sie weder von einer Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO noch von dem grundsätzlichen Aufrechnungsverbot des § 294 Abs.3 InsO erfasst.

Auch sonst enthalte die InsO keine die Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzgläubigern in der Wohlverhaltensphase allgemein ausschließende Bestimmung. Das Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO stehe einer Aufrechnung nicht entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat in dem angefochtenen Abrechnungsbescheid zutreffend festgestellt, dass das Guthaben aus der UStVA Mai 2005, Steuernummer ... durch wirksame Aufrechnung mit Umsatzsteuerrückständen aus den UStVAen Januar und Februar 2003, Steuernummer..., erloschen ist.

1. Der Anspruch des Klägers aus der UStVA Mai 2005 und die Forderungen des Finanzamts aus den UStVAen Januar und Februar 2003 standen sich aufrechenbar gegenüber. Die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung nach § 226 der Abgabenordnung(AO) i.V.m. §§ 387 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) lagen vor.

Voraussetzung einer Aufrechnung nach § 387 BGB sind Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit der Forderungen. Im Streitfall sind beide Ansprüche auf Geldleistungen gerichtet und damit gleichartig.

Auch das Merkmal der Gegenseitigkeit in Form der wechselseitigen Schuldner- und Gläubigeridentität ist erfüllt. Dies bedeutet für den Streitfall, dass der Beklagte als Aufrechnender Gläubiger der Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung ist, während der Kläger als Aufrechnungsgegner zugleich Schuldner der Gegenforderung und Gläubiger der Hauptforderung sein muss.

Der Beklagte war Inhaber der Gegenforderungen in Form der vollwirksamen und fälligen Umsatzsteuerforderungen für die Voranmeldungszeiträume Januar und Februar 2003 und zugleich Schuldner der Hauptforderung aus der Voranmeldung Mai 2005. Andererseits war der Kläger als Aufrechnungsgegner zugleich Schuldner der Umsatzsteuer Januar und Februar 2003 als auch Gläubiger des Umsatzsteuerguthabens Mai 2005.

Der Umstand, dass der Kläger mit einer früheren Erwerbstätigkeit als Einzelunternehmer insolvent geworden ist und nunmehr erneut als Einzelunternehmer tätig ist, führt nicht dazu, dass für das Insolvenzunternehmen und das sog. Neuerwerbs- Unternehmen unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten entstehen, bei denen jeweils unabhängig voneinander eigenständige Rechte/Ansprüche oder Verbindlichkeiten begründet würden.

Wenn der Kläger für den Tätigkeitszeitraum des insolvent gewordenen Unternehmens von der Finanzverwaltung mit einer anderen Steuernummer geführt wird als für den Zeitraum des sog. Neuerwerbs, so hat dies nur verwaltungsinterne Gründe. Es berührt seine Rechtspersönlichkeit nicht. Es ist der Kläger, der als natürliche Person gem. § 1 BGB rechtsfähig ist. Als solcher ist er bis zu seinem Tod Träger von Rechten und Pflichten bzw. kann in seiner Person Rechte begründen und Verbindlichkeiten eingehen. Eine "Firma" oder ein "Gewerbebetrieb" besitzen im Gegensatz zu natürlichen Personen ( § 1 BGB), juristischen Personen ( §§ 21 ff BGB) keine Rechtsfähigkeit oder Teilrechtsfähigkeit wie z.B. Personengesellschaften (§ 124 Handelsgesetzbuch - HGB -) und können damit auch nicht Gläubiger oder Schuldner sein.

Ein Unternehmer im Sinne des § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) verliert seine umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Er ist lediglich in seinem Verwaltungs- oder Verfügungsrecht beschränkt (§ 80 InsO). Umsatzsteuerliche Vorgänge, die der Insolvenzverwalter auslöst, sind dem insolventen Unternehmer als eigene Umsätze zuzurechnen. Neben diesen Umsätzen mit der Insolvenzmasse (§§ 35 Abs. 1, 55 Abs. 1 Ziffer 1 InsO), für die der Insolvenzverwalter anstelle des Gemeinschuldners gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungsmacht ausübt, kann der Schuldner selbst auch Umsätze vornehmen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn - wie vorliegend - der Insolvenzverwalter gem. § 35 Abs. 2 i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO das neue Unternehmen, den Neuerwerb, mit allen Aktiva und Passiva aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hat. In diesem Fall wird neben der Steuernummer, unter der die Insolvenzforderungen aus dem alten Unternehmen nach § 38 InsO angemeldet sind und der Steuernummer, die die Umsatzsteuer erfasst, die als Masseverbindlichkeiten gem. § 55 InsO insb. durch Handlungen des Insolvenzverwalters zu behandeln sind, noch eine dritte Steuernummer erteilt. Die Erfassung der Umsatzsteuer auf verschiedenen Steuernummern erfolgt ausschließlich unter dem Gesichtpunkt der unterschiedlichen Geltendmachung und der Qualität von Forderungen (Insolvenzforderung, Masseverbindlichkeit oder Zurechnung zum insolvenzfreien Vermögen), der zutreffenden Bekanntgabe von Verwaltungsakten sowie der Überprüfung von Aufrechnungsmöglichkeiten. Unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten entstehen hierdurch nicht.

2. Es bestand kein Aufrechnungsverbot.

a. Insbesondere war die Aufrechnung nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig.

Danach ist die Aufrechnung nicht zulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Im Streitfall müsste es sich dann bei der Forderung des Klägers aus der UStVA Mai 2005 um einen Anspruch handeln, der gem. § 35 Abs. 1 InsO von der Insolvenzmasse umfasst wird.

Mit Urteil vom 7. April 2005 V R 5/04, Bundessteuerblatt - BStBl II - 2005, 848 hat sich der BFH zu der Frage geäußert, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund einer neuen unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners entstandene Umsatzsteuer zu den Masseverbindlichkeiten zählt. Masseverbindlichkeiten werden vom Insolvenzschuldner immer dann begründet, wenn er bei seiner neuen Tätigkeit bzw. in seinem neuen Betrieb Gegenstände einsetzt, die zur Insolvenzmasse gehören. Nimmt der Schuldner demgegenüber während des Insolvenzverfahrens eine neue Erwerbstätigkeit auf, indem er durch seine Arbeit und durch nicht zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände Leistungen erbringt, begründet er nach der o. g. Grundsatzentscheidung keine Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 55 Abs.1 InsO. Vielmehr zählt dieser Bereich zu seiner insolvenzfreien Tätigkeit, aus der keine Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu Gunsten oder auch zu Lasten der Masse begründet werden können. Demzufolge fallen auch Umsatzsteuer- Erstattungsansprüche aus der insolvenzfreien, neuen Erwerbstätigkeit nicht in die Insolvenzmasse.

Im vorliegenden Fall hat der Insolvenzverwalter das neue Gewerbe des Klägers aus dem Insolvenzbeschlag gem. § 35 Abs. 2 i.V.m. § 295 Abs. 2 InsO vorbehaltlos freigegeben, Das führt dazu, dass es sich bei diesem Bereich um eine insolvenzfreie Tätigkeit handelt und der Beklagte den Umsatzsteuererstattungsanspruch aus dieser Tätigkeit für Mai 2005 nicht zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Die vom Beklagten erklärte Aufrechnung ist daher nicht nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig.

b. Die Aufrechnung war auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Gläubigern nach § 294 InsO eingeschränkt oder unzulässig.

Ein Insolvenzschuldner, der wie der Kläger nach den §§ 286 ff InsO die Befreiung von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber seinen Insolvenzgläubigern erreichen will, hat gem. § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an einen Treuhänder abzutreten. In der Laufzeit der Abtretungserklärung sind nach § 294 Abs. 1 InsO Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners nicht zulässig. Aufrechnungen gegen die von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge sind nach § 294 Abs. 3 InsO grundsätzlich nicht möglich.

Der BGH und auch der BFH haben hierzu inzwischen entschieden, dass Steuererstattungsansprüche nicht zu den an den Treuhänder abgetretenen Forderungen des Schuldners auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge gehören. Die Aufrechnung gegen sie mit Ansprüchen eines Insolvenzgläubigers ist folglich nicht nach § 294 Abs. 3 InsO ausgeschlossen (Urteil des BGH vom 21.07.2005 - IX ZR 115/04, Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - 163, 391 und Urteile des BFH vom 21.11.2006 VII R 66/05, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2007, 1066-1067 und VII R 1/06, BFH/NV 2007, 303- 304)

Die vorstehenden Entscheidungen beschäftigen sich zwar mit Ansprüchen auf Rückzahlung von Lohn- oder Einkommensteuer, sind aber nach Ansicht des Senats auf alle Ansprüche gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 AO anwendbar. Sowohl Einkommensteuererstattungsansprüche als auch Vorsteuererstattungsansprüche oder Ansprüche auf Investitionszulage (§ 13 Satz 1 InvZulG 2007) sind öffentlich-rechtliche Ansprüche, die nicht das rechtliche Schicksal von zugrunde liegenden privatrechtlichen Forderungen des Insolvenzschuldners teilen. Daher werden sie weder von einer Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO noch von dem grundsätzlichen Aufrechnungsverbot des § 294 Abs.3 InsO erfasst.

Laufende Bezüge, die unter eine Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO fallen, haben demgegenüber ihren Rechtsgrund in einem zivilrechtlichen Dienstverhältnis und nicht in einem öffentlich-rechtlichen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, der zudem regelmäßig nicht laufend im Sinne von § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO entsteht, sondern je nach den gegebenen (steuerlichen) Verhältnissen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums (z.B. Voranmeldungszeitraum) für diesen durch Bescheid festgestellt wird.

Das Ergebnis aus einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Klägers und damit zusammenhängend ein eventueller Vorsteuererstattungsanspruch ist außerdem auch nicht i.S.d. § 287 Abs. 2 InsO an einen Treuhänder abgetreten. § 295 Abs. 2 InsO enthält lediglich eine Obliegenheit des Schuldners, Überschüsse aus dem Neuerwerb an den Treuhänder abzuführen. Der Treuhänder hat mangels Abtretung keinen Rechtsanspruch auf eine Ergebnisabführung, weder dem Grunde noch einer bestimmten Höhe nach. Der Schuldner riskiert gem. § 296 InsO lediglich, bei Verletzungen seiner Obliegenheiten die begehrte Restschuldbefreiung nicht zu erhalten.

Die Aufrechnung nach § 226 AO selbst gehört nicht zu den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen im Sinne des sechsten Teils der Abgabenordnung. Die Aufrechnung hat zwar als Forderungsdurchsetzung im Wege der Selbsthilfe Ähnlichkeiten mit der Zwangsvollstreckung, unterscheidet sich jedoch von ihr zum einen in der außergerichtlichen Durchsetzung und zum anderen darin, dass der Zugriff nur unter Aufopferung der eigenen Forderung des Gläubigers möglich ist. Die Insolvenzordnung enthält keine die Aufrechnungsbefugnis von Insolvenzgläubigern in der Wohlverhaltensphase allgemein ausschließende Bestimmung. Selbst aus dem in § 294 Abs. 1 InsO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass Insolvenzgläubiger in der Laufzeit der Abtretungserklärung gleichbehandelt werden sollen, lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass auch Aufrechnungen so wie Zwangsvollstreckungen gleichermaßen unzulässig sein sollen. Dem für den Zeitraum der Wohlverhaltensphase in § 294 Abs. 1 InsO geregelten generellen Zwangsvollstreckungsverbot steht nur die für eine bestimmte Fallgestaltung vorgesehene Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit von Insolvenzgläubigern in § 294 Abs. 3 InsO gegenüber. Dieser Differenzierung würde es nicht gerecht werden, das umfassend geregelte Zwangsvollstreckungsverbot mit einem generell geltenden Aufrechnungsverbot gleichzusetzen Das Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO steht damit einer Aufrechnung nicht entgegen, wie der BFH in seinen Urteilen vom 21.11.2006 VII R 66/05 und VII R 1/06 im Anschluss an den BGH (Urt. v. 21.07.2005 - IX ZR 115 J 04 - BGHZ 163, 391) klargestellt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Soweit ersichtlich hat der BFH noch nicht dazu Stellung genommen, inwieweit Umsatzsteuer- Erstattungsansprüche, die sich aus einer neuen selbstständigen/gewerblichen Tätigkeit eines Insolvenzschuldners (sog. Neuerwerb) ergeben, durch ein Aufrechnungsverbot im Sinne des § 294 Abs. 3 InsO geschützt sein können.



Ende der Entscheidung

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