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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 2 K 184/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 14 Abs. 2
UStG § 14 Abs. 3
UStG § 14 Abs. 4
UStG § 14c Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

in der Sitzung vom 23. Juli 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 29.08.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2007, geändert durch Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 23.06.2009, wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 74.121,60 EUR herabgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin Umsatzsteuer (USt) wegen unberechtigten Steuerausweises schuldet.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen zur Produktion und zum Vertrieb von Spirituosen in der Rechtsform einer GmbH. Im Rahmen einer im Januar 2006 durchgeführten Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin in den Monaten April, Mai und Juni 2005 insgesamt drei "Rechnungen" an die T. GmbH gelegt hatte. In diesen Rechnungen war USt i.H.v. (22.491,84 EUR + 23.889,60 EUR + 27.740,16 EUR =) insgesamt 74.121,60 EUR gesondert ausgewiesen. Die in den Rechnungen bezeichneten Lieferungen wurden nicht ausgeführt. Die Rechnungsempfängerin verwendete die Rechnungen zum Vorsteuerabzug. Der Beklagte erfasste die gesondert ausgewiesenen Steuerbeträge in geänderten USt-Vorauszahlungsbescheiden vom 26.04.2006 für April, Mai und Juni 2005 unter Hinweis auf § 14 c Abs. 2 UStG.

Hiergegen legte die Klägerin am 10.05.2006 Einspruch ein. Diesen begründete die Klägerin im Wesentlichen damit, dass die streitigen Rechnungen keine Rechnungen i.S.d. § 14 c UStG i.V.m. § 14 UStG seien, da sie keinen Lieferzeitpunkt (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG) und keine fortlaufende Rechnungsnummer (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG) enthielten. Die Rechnungen seien nicht zum Vorsteuerabzug geeignet gewesen.

Am 29.08.2006 erließ der Beklagte einen USt-Jahresbescheid für 2005, welcher zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde. Den Einspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 09.02.2007 zurück. Die Rechtsfolgen des § 14 c UStG würden unabhängig davon eintreten, ob die Rechnungen alle in § 14 Abs. 4 UStG genannten Merkmale enthielten. Es genüge, wenn die Rechnung neben dem gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag den Rechnungsaussteller und das Entgelt als unverzichtbare Mindestbestandteile enthalte.

Hierauf erhob die Klägerin am 09.03.2007 Klage, in der sie die im Einspruchsverfahren geltend gemachte Begründung aufrechterhält.

Die Klägerin beantragt,

den USt-Bescheid für 2005 vom 29.08.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.02.2007, geändert durch USt-Bescheid für 2005 vom 23.06.2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 74.121,60 EUR herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Einspruchsentscheidung aus den bereits erwähnten Gründen fest.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Klägerin ist zu Unrecht für die unberechtigt ausgewiesene USt gem. § 14 c Abs. 2 UStG in Anspruch genommen worden.

Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag ausweist, obwohl er eine Lieferung oder Leistung nicht ausgeführt hat (§ 14 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Alt. 2 UStG).

Die Voraussetzungen der Norm sind nicht erfüllt. Die Klägerin hat drei als "Rechnung" überschriebene Dokumente mit gesondertem Ausweis von USt ausgestellt und Dritten übergeben, obwohl sie die darin bezeichneten Lieferungen nicht ausgeführt hat (Luft- oder Scheinrechnungen). Bei diesen drei streitgegenständlichen "Rechnungen" handelt es sich nach der Auffassung des Senats nicht um Rechnungen i.S.d. § 14 c UStG, da sie nicht sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten Merkmale einer Rechnung enthalten. Es fehlen die Angabe des Lieferzeitpunkts (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG) sowie eine fortlaufende Rechnungsnummer (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG).

In Rechtsprechung und Schrifttum besteht noch keine Einigkeit darüber, welche Anforderungen an eine Rechnung i.S.d. § 14 c Abs. 2 UStG in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung zu stellen sind. Entscheidungen des BFH zu dieser neuen Rechtslage sind, soweit ersichtlich, noch nicht ergangen. Zur alten Rechtslage (§ 14 Abs. 3 UStG a.F.) ging der BFH zumindest regelmäßig von einer identischen Anwendung des allgemeinen Rechnungsbegriffs für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers und für die Steuerschuld des unberechtigten Rechnungsausstellers aus (z.B. BFH-Urteil vom 30.01.2003 V R 98/01, BStBl II 2003, 498 m.w.N.; anders: Urteil vom 30.03.2006 V R 46/03, BFH/NV 2006, 1365 - Aushändigung eines blanko unterschriebenen Papiers -).

§ 14 c UStG verwendet den Begriff der Rechnung, ohne ihn selbst zu definieren. Daraus wird zum Teil abgeleitet, es gelte der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 bis 4 UStG. Eine Rechnung i.S.d. § 14 c UStG liege nur dann vor, wenn sie sämtliche für den Vorsteuerabzug erforderlichen, in § 14 Abs. 4 UStG (und ggf. in § 14 a UStG) erforderlichen Angaben enthält (Wagner, DStR 2004, 477, 478 f.; derselbe in: Sölch/Ringleb, UStG, § 14 c, Rn. 142 ff.; Kraeusel/Schmidt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14 c, Rn. 68; wohl auch: Hundt-Eßwein in: Offerhaus/ Söhn/Lange, UStG, § 14 c, Rn. 3). Eine Gefährdung des Steueraufkommens werde nur durch Rechnungen ausgelöst, die aufgrund aller in § 14 Abs. 4 UStG genannten Merkmale zum Vorsteuerabzug berechtigen (Kraeusel/Schmidt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14 c, Rn. 68).

Nach der gegenteiligen Auffassung müsse die Rechnung i.S.d. § 14 c UStG kein Dokument sein, das alle für den Vorsteuerabzug erforderlichen Angaben enthält. Dies gebiete der Zweck der Regelung, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch unberechtigten Vorsteuerabzug zu begegnen. Demnach komme entsprechend der Rechnungsdefinition des § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG jedes Dokument als Rechnung i.S.d. § 14 c UStG in Betracht, mit dem über eine vorgebliche Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird (Abschn. 190 d Abs. 1 Satz 3 UStR 2008; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 168, Rn. 22 f.; Radeisen in: Vogel/Schwarz, UStG, § 14 c, Rn. 18; Stadie, UStG, § 14 c, Rn. 12 ff.; derselbe in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14 c, Rn. 58).

Der Senat folgt der zuerst genannten Meinung, wonach eine Rechnung i.S.d. § 14 c UStG sämtliche Anforderungen enthalten muss, die § 14 Abs. 4 UStG an eine Rechnung stellt. Da § 14 c UStG keine eigene Definition der Rechnung enthält, muss der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 bis 4 UStG gelten. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz folgende Bestimmtheitsgebot verlangt vom Gesetzgeber, Vorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Soweit die praktische Bedeutung einer Regelung vom Zusammenspiel der Normen unterschiedlicher Regelungsbereiche abhängt, müssen die Klarheit des Normeninhalts und die Vorhersehbarkeit der Ergebnisse der Normanwendung (Gebot der Normenklarheit) auch im Hinblick auf dieses Zusammenwirken gesichert sein (BFH Vorlagebeschluss vom 06.09.2006 XI R 26/04, BStBl II 2007, 167). Dies gilt für belastende Normen des Steuerrechts als Eingriffsrecht (BVerfGE 21, 12, 27) in besonderem Maße.

Hieraus folgt für die Auslegung des § 14 c UStG, der keinen eigenen Rechnungsbegriff definiert, dass auf den allgemeinen Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 bis 4 UStG abzustellen ist. Will der Gesetzgeber in § 14 c Abs. 2 UStG einen vom allgemeinen abweichenden, besonderen Rechnungsbegriff etablieren, um dem mit der Norm verfolgten Zweck der Gefährdung des Steueraufkommens zu begegnen, so ist er gehalten, dies durch eine entsprechende Definition zu tun, was ihm auch ohne weiteres möglich ist. Da er von dieser Möglichkeit - trotz der Tatsache, dass der BFH hinsichtlich des § 14 Abs. 3 UStG a.F. regelmäßig von einer identischen Anwendung des allgemeinen Rechnungsbegriffs für Vorsteuerabzug und unberechtigten Steuerausweis ausging - nicht Gebrauch gemacht hat, ist nach dem Bestimmtheitsgebot an dem allgemeinen Rechnungsbegriff festzuhalten. Für eine zweckorientierte Auslegung des § 14 c UStG ist demnach kein Raum mehr.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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