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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 2 K 271/07
Rechtsgebiete: StromStG


Vorschriften:

StromStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund der mündlichen Verhandlung in der Sitzung

am 31.07.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Stromsteuerbescheid für 2005 vom 28.07.2006, GZ V 4225 B - 4395 - B 15, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2007, GZ S 0625 B - RL 489/06 - B 12, wird dahingehend geändert, dass die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2005 von 556.444,82 EUR um 65.306,11 EUR auf 491.138,71 EUR herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens hat die Klägerin 88 v.H. und der Beklagte 12 v.H. zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert wird auf 529.894 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Im Streit steht im Rahmen der Steuerfreiheit von Strom aus Kleinanlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu 2 Megawatt (MW) Leistung die Frage, ob mehrere in einem Gebäude errichtete Kraft-Wärme-Kopplungsaggregate jedes für sich oder in ihrer Gesamtheit eine Anlage i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes (StromStG) darstellen.

Die Klägerin betreibt in einem Gebäude in A-Stadt ein wärmegeführtes Blockheizkraftwerk (BHKW) mit drei Aggregaten zur gekoppelten Erzeugung von Strom und Wärme sowie vier Heizkessel zur ausschließlichen Erzeugung von Wärme. Das BHKW versorgt den angrenzende Stadtteil mit Fernwärme und die örtlichen Letztverbraucher über das Mittel- und Niederspannungsnetz der Klägerin mit Strom. Die anfänglich über eine elektrische Nennleistung von jeweils 0,792 MW verfügenden Aggregate sind modular aufgebaut und bestehen aus einem Verbrennungsmotor mit einem angekoppelten Generator. Jedes der Module verfügt über eine eigene Steuerung, sodass sie je nach Bedarf zum Abdecken von Strom- und Wärmespitzen getrennt voneinander betrieben werden können. Der in den Modulen erzeugte Strom wird separat erfasst. Demgegenüber werden das als Treibstoff verwendete Erdgas sowie die Wärmeabgabe für alle Module gemeinsam gemessen. Das Abgas der einzelnen Motoren wird über separate Rauchgaskanäle und Schalldämpfer abgeleitet (vgl. Blatt 29 30 der Akte des Hauptzollamtes -HZA-), die von einem gemeinsamen Tragrohr ummantelt sind (Blatt 30 der Akte des HZA).

Ab Mitte 2005 rüstete die Klägerin die Module zur Einhaltung der durch die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft 2002) verschärften Emissionsgrenzwerte mit Katalysatoren nach. Nach Fertigstellung erreichte jedes der Aggregate ab dem 15.10.2005 nur noch eine maximale elektrische Nennleistung von 0,650 MW und eine Gesamtnennleistung in Höhe von 1,950 MW (Schreiben der Fa. Deutz vom 29.03.2007, Blatt 59 der Gerichtsakte). Der durch die Katalysatoren erhöhte Abgasgegendruck verlangte einen dauerhaften Eingriff in die Motorsteuerung, der eine Leistungsreduzierung bewirkte. Ab dem vorgenannten Zeitpunkt erzeugte die Klägerin im Streitjahr 2005 noch 3.185,664 MWh Strom.

Abweichend von den Stromsteueranmeldungen der Klägerin setzte das HZA mit Bescheiden vom 25.07.2006 (2004) und vom 28.07.2006 (2005) die Stromsteuer für beide Kalenderjahre mit dem Regelsteuersatz wie folgt fest:

 JahrStrommenge in MWhSteuersatz in EUR/MWhBetrag in EUR
200413.270,80520,50272.051,50
200512.577,68720,50257.842,58

Zur Begründung führte es aus, die elektrische Nennleistung der drei KWK-Module seien zu addieren, weil sie in einem Raum montiert seien und eine einheitliche Funktion - Stromerzeugung für das örtliche Verteilnetz der Stadt A-Stadt - erfüllten. Infolgedessen überschreite die Gesamtnennleistung mit 2,31 MW (3 x 0,77 MW) die für die Steuerbefreiung nach § 9 Absatz 1 Nr. 3 StromStG geltende Grenze von 2 MW.

In ihren hiergegen gerichteten Einspruch brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, die drei KWK-Module seien drei selbständige Anlagen im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr. 3 StromStG. Das Bundesministerium der Finanzen habe den Anlagenbegriff nach § 9 Absatz 1 Nr. 3 StromStG mangels gesetzlicher Definition in seinem Erlass vom 18.10.2004 (III A 1 - V 4250 - 9/04) konkretisiert. Danach träfe für die Annahme einer Anlage lediglich das Merkmal der Unterbringung innerhalb eines Gebäudes zu. Ferner überschreite die elektrische Gesamtnennleistung der Anlage nach Abschluss des Umbaus nicht mehr die für die Stromsteuerbefreiung erforderliche Grenze von 2 MW Gesamtleistung. Der nachträgliche Einbau von Katalysatoren habe die dauerhafte Senkung der Nennleistung durch Drosselung der Kraftstoffzufuhr bedingt. Ein störungsfreier Betrieb der Aggregate wäre ansonsten wegen Überhitzung der Abgasturbolader nicht mehr möglich. Die Aggregate könnten deshalb nach dem Umbau noch mit einer maximalen elektrischen Nennleistung von 0,650 MW betrieben werden. Danach sei die Stromsteuer zumindest für die Menge von 3.185,664 MWh Strom (a 20,50 EUR = 65.306,11 EUR) zu reduzieren.

Den Einspruch beschied der Beklagte am 15.03.2007 nach Weisung des Bundesministeriums der Finanzen aus den im Vorverfahren erläuterten Gründen negativ. Die Änderung der elektrischen Nennleistungen der Aggregate infolge der Nachrüstung von Katalysatoren erkannte der Beklagte ebenfalls nicht an. Die Nennleistung sei für die gesamte Lebensdauer einer Anlage verbindlich. Im Streitfall sei die Leistungsänderung nur vorübergehend und begründe keine Nennleistungsänderung.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ergänzend trägt sie vor: Für sich allein betrachtet sei jedes der Aggregate ein einzelnes, technisch vollständiges Blockheizkraftwerk, das deshalb in einem Gebäude und in einer Gruppe von drei Blöcken an einem gemeinsamen Standort errichtet worden sei, weil an diesem Standort die organisatorische Verwaltung aller Blöcke stattfinde. Die Zusammenfassung zu einer Anlage erfolge demgegenüber ohne Rechtsgrund. Unter Beachtung des Wortlauts, der Gesetzessystematik, der Gesetzeshistorie und dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG müsse man bei der gebotenen Auslegung des Begriffs der Anlage zu dem Ergebnis kommen, dass die Stromerzeugung in drei jeweils für sich zu bewertenden Anlagen und nicht in einer Anlage erfolge.

Die Auffassung des Beklagten, die Reglung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG sei als Ausnahme eng auszulegen, schränke den Anwendungsbereich der Norm unzulässig ein. Die an der Entstehungsgeschichte orientierte teleologische Auslegung der Norm ergebe das Gegenteil. Denn mit der Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG sei die Erzeugergrenze von 0,7 MW auf 2 MW heraufgesetzt worden, was eine deutlich großzügigere Regelung gegenüber dem StromStG in seiner "Urfassung" vom 24.03.1999 bedeute. Dieser Zielrichtung stünde die restriktive Auslegung entgegen. Eine andere Beurteilung sei auch nicht veranlasst, weil der Gesetzgeber außerhalb des Verbrauchssteuerrechts KWK-Anlagen in besonderer Weise - durch die Regelungen des KWKG - fördere. Eine Beschränkung der Begünstigung auf einen Fördertatbestand hätte der Gesetzgeber ausdrücklich im KWKG oder im StromStG normieren müssen (BFH-Urteil vom 20.04.2004 VII R 57/03, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2004, 1607).

Weiter sei für die Auslegung zu beachten, dass Bestimmungen selbst bei einem identischen Wortlaut einen voneinander abweichenden Bedeutungsinhalt haben könnten, wenn sie sich in unterschiedlichen Gesetzen zur Regelung unterschiedlicher Sachverhalte befänden.

Das Stromsteuergesetz enthalte keine gesetzliche Definition des Anlagenbegriffs in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG in der Weise, dass der Anlagenbegriff des StromStG über die "kleinste selbständige technische Einheit" auch mehrere verbundene Anlagen erfasse. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der "Anlage" in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG auch mehrere Anlagen umfasse, zumal das Gesetz in § 5 Abs. 3 Satz 1 StromStG oder auch in § 9 Abs. 7 Satz 1 StromStG eine fiktive Betrachtung vorsehe. Aus dem Fehlen einer gesetzlichen Fiktion in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG zur Bestimmung des Anlagenbegriffs sei der Schluss zu ziehen, dass eine solche nicht gewollt war. Aus der Formulierung "Strom aus Wasserkraftwerken mit einer installierten Generatorleistung über zehn Megawatt" in § 2 Nr. 7 StromStG folge im Gegensatz zu dem in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG gebrauchten Anlagenbegriff zudem, dass die vom HZA durchgeführte Zusammenfassung im Rahmen des Anlagenbegriffs des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht gewollt sei. Dieses Wortverständnis entspreche dem juristischen Fachbegriff des "Anlagenrechts", wie er wie etwa in § 1 Abs. 3 der Vierten Verordnung zum Bundesimmissionsschutzrecht, in § 2 Abs. 3 des Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen, in § 3 Abs. 2 des Gesetzes für den Vorrang Erneuerbarer Energien oder in § 3 Abs. 3 des Gesetzes für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbaus der Kraft- Wärme-Kopplung gebraucht werde. Die Gesetze stellten für ihre Rechtsfolgen auf die Größe von bestehenden oder geplanten Anlagen ab. Allgemein werde dabei unter Anlage die kleinste selbständige Einheit zur Erzeugung eines vom jeweiligen Gesetz ins Auge gefassten Produktes / Ergebnisses verstanden. Dem trage der Gesetzgeber Rechnung, indem er in den genannten Gesetzen für den Fall, dass mehrere einzelne Anlagen in räumlicher Nähe gemeinsam betrieben werden, eine fiktive Gesamtbetrachtung oder Erstreckung der Rechtsfolgen anordne. Damit werde der für die jeweiligen Vorschriften geltende Anlagenbegriff modifiziert. Eine solche Fiktion oder erstreckende Regelung enthalte das StromStG demgegenüber nicht. Diese sei vom Gesetzgeber auch nicht gewollt gewesen. Es liefe ferner dem Zweck der vom Gesetzgeber mit der Novellierung des StromStG im November 1999 gewollten Erweiterung des Anwendungsbereiches zuwider, wenn die Regelung auf die elektrische Nennleistung mehrerer Anlagen insgesamt bezogen würde. Hätte der Gesetzgeber den Anlagenbegriff im StromStG auch im Sinne einer Fiktion über die Zusammenfassung mehrerer Anlagen zu einer Anlage im StromStG normieren wollen, so hätte er zwischenzeitlich das Gesetz entsprechend ergänzen können. Dass er dies nicht getan hat, lasse allein den Schluss zu, dass im Fall des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG gerade keine gesetzliche Fiktion einer Zusammenfassung mehrerer Anlagen zu einer Anlage gelten solle.

Das Argument, die Stromerzeugungsanlagen seien in einem Gebäude untergebracht, und müssten deshalb zu einer einheitlichen Gesamtanlage zusammengefasst werden, überzeuge nicht. Die Unterbringung in einem Gebäude weise mit dem Stromherstellungsprozess keine Verbindung auf. Dieses Argument tauge deshalb nicht zur Abgrenzung, sondern allenfalls zur Zusammenfassung mehrerer selbständiger Anlagen zu einer einheitlichen Gesamtanlage. Eine solche Zusammenfassung setze indes eine entsprechende gesetzliche Regelung voraus, die im Stromsteuergesetz gerade fehle. Ebenso sei das Abstellen auf die gemeinsame Funktion der Aggregate für die Auslegung ungeeignet, da hiermit Anlagen an unterschiedlichen Standorten innerhalb eines Versorgungsgebietes zu einer Gesamtanlage zusammengefasst würden.

Ungeachtet dessen sei die Stromsteuerbefreiung zumindest ab dem 15.10.2005 zu gewähren, da die Gesamtanlage ab diesem Zeitpunkt nur noch über eine elektrische Nennleistung von weniger als 2 MW verfüge.

Die Klägerin beantragt,

1. den Stromsteuerbescheid vom 25.07.2006, GZ V 4260 B - 4395 - B 3, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2007, GZ S 0625 B - RL 442/05 - B 12, dahingehend zu ändern, dass die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2004 von 565.894,45 EUR um 272.051,50 EUR auf 293.842,95 EUR herabgesetzt wird.

2. den Stromsteuerbescheid vom 28.07.2006, GZ V 4225 B - 4395 - B 15, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.03.2007, GZ S 0625 B - RL 489/06 - B 12, dahingehend zu ändern, dass die Stromsteuer für das Kalenderjahr 2005 von 556.444,82 EUR um 257.842,58 EUR auf 298.602,24 EUR herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt der Beklagte im Wesentlichen seine Rechtsauffassung aus dem Vorverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 65.306,11 EUR begründet. Insoweit wird die Klägerin in ihren Rechten verletzt, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

Bis zum 14.10.2005 hat der Beklagte die drei Module des Blockheizkraftwerks "X" zu Recht als eine Anlage i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG mit einer elektrischen Nennleistung von mehr als 2 MW aufgefasst und die Stromsteuerbefreiung nicht gewährt. Demgegenüber hat die Klägerin für die seit dem 15.10.2005 erzeugten 3.185,664 MWh Strom einen Anspruch auf die Stromsteuerbefreiung.

1. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG in der dies zum 31.07.2006 geltenden Fassung ist Strom neben weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen von der Steuer befreit, wenn er in Anlagen mit einer Nennleistung bis zu 2 MW erzeugt wird. Diese Voraussetzung erfüllt das BHKW ab dem 15.10.2005. Denn nach Abschluss der zur Reduzierung der elektrischen Nennleistung der Anlage führenden Umrüstarbeiten, ist sie nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG begünstigt, weil ihre elektrische Nennleistung die im Gesetz enthaltene Grenze von 2 MW nicht überschreitet.

Zwar stehen aus Gründen der Manipulationssicherheit Änderungen der Nennleistung, die nur vorübergehend und leicht rückgängig zu machen sind, der Stromsteuerbefreiung in der Regel entgegen. Eine temporäre Beschränkung der Nennleistung kann der Senat im Einbau der durch die TA-Luft bedingten Katalysatoren im Streitfall nicht erkennen. Denn ihr Einbau und die damit verbundene Leistungsbegrenzung durch die Umprogrammierung der Anlagensteuerung führen nach den Herstellerangaben dauerhaft zu einer Reduzierung der Nennleistung. Diese hat die Klägerin mit der Herstellerbestätigung glaubhaft gemacht. Der Senat hat keinen Anlass, die Angabe in Zweifel zu ziehen.

2. Für die Zeit vor der Umrüstung hat das HZA die Stromsteuerbefreiung zu Recht versagt, da das BHKW die vom Gesetz für die Steuerbefreiung vorgesehene Grenze von 2 MW überschritt und die einzelnen Module des BHKW Bestandteil einer einheitlich zu beurteilenden Anlage i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG waren.

Das StromStG enthält unmittelbar keine Definition des Tatbestandsmerkmals der "Anlage". Eine solche ergibt sich ebenso wenig aus der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 14/2044, S. 9). Folglich ist die Bestimmung zur Ermittlung des objektivierten Willens des Gesetzgebers nach Wortlaut und Sinnzusammenhang auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2004 VII R 57/03, a.a.O.).

Im technischen Sprachgebrauch wird unter Anlage allgemein die "Gesamtheit der maschinellen u.a. ähnlichen Ausrüstungen eines Betriebes, die zur Produktion oder Fertigung (Produktions- oder Fertigungsanlagen, zur Energieerzeugung (Kraftanlagen) zur Förderung oder Transportzwecken (Förder- oder Transportanlagen) u.a. erforderlich sind", verstanden (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 20. Auflage 1996, "Anlage"). Dieser Vorstellung folgend versteht der Senat den Begriff der "Anlage" in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG im Einklang mit dem Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 18.10.2004 (III A 1 - V 4250 - 9/04) gleichfalls als einen Oberbegriff für die Sachgesamtheit von einzelnen technischen Objekten, die in ihrer Gesamtheit der Stromerzeugung dienen. Damit sind die einzelnen Module des BHKW keine eigenständig zu beurteilenden Anlagen i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG, sondern Bestandteile einer einzigen Stromerzeugungsanlage.

Diese Auslegung des in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG enthaltenen Anlagenbegriffs trifft bereits nach den tatsächlichen Verhältnissen auf solche Sachverhalte zu, in den -wie hier- wärmegeführte BHKW zu beurteilen sind. Deren Strom- und Wärmeerzeugungskapazitäten sind zur Optimierung des Wirkungsgrades aufeinander abgestimmt. So wird im Volllastbetrieb nur ein Teil des Wärmebedarfs der an das BHKW angeschlossenen Abnehmer gedeckt. Der Spitzenausgleich wird mit separaten Heizkesseln hergestellt. Dieser Zweck bedingt aber technische Abstimmung der einzelnen Komponenten zur Wärme- und Stromerzeugung, die in ein Gesamtkonzept eingebettet sind. Daraus folgt aber, dass das BHKW zusammen mit den übrigen Bestandteilen nur als eine Einheit in Form einer Gesamt-Anlage aufgefasst werden kann.

Ungeachtet dessen folgt aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass für die Stromsteuer ein Anlagenbegriff in dem von der Klägerin begehrten Sinne kreiert werden sollte. Der Verzicht auf eine eigenständige Definition des Anlagenbegriffs im StromStG, wie ihn der Gesetzgeber demgegenüber in anderen Rechtsnormen vorgenommen hat, zwingt nicht mit der Klägerin zu der Annahme, dass die gesetzliche Nennleistungsgrenze für jedes Modul eines BHKW gilt. Die Ausgangslage ist im Streitfall nicht mit den von der Klägerin zum Beleg ihrer Meinung angeführten Urteilen des BFH vom 20.04.2004 VII R 54/03 und VII R 44/03 (a.a.O.) vergleichbar. Zwar ist es richtig, dass der Gesetzgeber mit der Novellierung des StromStG im November 1999 den Anwendungsbereich der Steuerbefreiung durch die Anhebung der ursprünglichen Grenze von 0,7 MW auf 2 MW erweiterte. Die Gesetzesbegründung, die auf die Ausweitung der Definition des Eigenerzeugers von Strom auf Anlagen mit einer Nennleistung bis zu 2 MW verweist, legt aber die gegenteilige Interpretation des Anlagenbegriffs in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nahe. Das Tatbestandsmerkmal und seine Gesetzesbegründung lassen mit der Erweiterung der Nennleistung im Hinblick auf die Gewährung der Steuerbefreiung ein Regel- Ausnahmeverhältnis erkennen, weil die Steuerbefreiung für Strom aus BHKW bis zur Leistungsgrenze von 2 MW die Ausnahme von der Regelbesteuerung ist. Dieses Gefüge bringt der Gesetzgeber mit seinem Hinweis auf die Ausweitung der Definition des Eigenerzeugers klar zum Ausdruck (BT-Drs. 14/2044, S. 9). Durch Verknüpfung von Eigenerzeugung und Stromsteuerbefreiung bis zu der Nennleistungsgrenze ist folglich davon auszugehen, das sich der Begriffsinhalt einer "Anlage" im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht individualisierend auf einzelne der Stromerzeugung dienende Maschinen beschränkt, sondern im Hinblick auf die Nennleistungsgrenze generalisierend auf die Gesamtheit der zur Stromerzeugung dienenden Ausrüstung bezieht. Mithin handelt es sich nicht, wie die Klägerin meint, um eine vom Gesetz nicht gedeckte einengende Auslegung des Tatbestandsmerkmals.

Für diese bereits im Gesetz angelegte Begrenzung des Anlagenbegriffs steht auch die mit Wirkung zum 04.08.2006 durch Art. 2 Nr. 11 der Verordnung zur Durchführung energiesteuerrechtlicher Regelungen und zur Änderung der Stromsteuer- Durchführungsverordnung vom 31.07.2006 (BGBl. I, 1753) geschaffene Regelung des § 12 a der Stromsteuer Durchführungsverordnung (StromStV), die letztlich in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG angelegte Auslegung nur aufnimmt (vgl. Finanzgericht Düsseldorf 06.02.2008 4 K 3703/06 VSt).

Die den Anlagenbegriff limitierende Auslegung gründet sich zudem auch unmittelbar auf die im Streitjahr geltende Fassung des § 2 Nr. 2 StromStG. Danach galt nur derjenige Betreiber als Eigenerzeuger, der Anlagen zur Erzeugung von Strom mit einer Nennleistung von mehr als 2 MW betrieb, wenn er nicht Versorger im Sinne der Nummer 1 der Vorschrift war. Ohne die Steuerbefreiung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG hätte die Leistung von Strom aus Anlagen unter 2 MW zur Steuerpflicht des Anlagenbetreibers als Versorger geführt, § 5 Abs. 2 i.V.m. § 2 Nr. 1 StromStG. Insoweit ist dem Begriff des Eigenerzeugers in § 2 Nr. 2 StromStG entgegen der Auffassung der Klägerin eine einengende Auslegung durch die Begrenzung auf die vom Gesetz vorgegebene Nennleistung immanent (vgl. Finanzgericht Düsseldorf 06.02.2008 4 K 3703/06 VSt). Insoweit scheidet der Rückgriff auf das Anlagenverständnis anderer Gesetze aus.

Die Festsetzung des Gegenstandwertes fußt auf dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers, das auf die Erstattung von 529.894 EUR Stromsteuer für beide Streitjahre gerichtet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (vgl. Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 151 FGO, Rz. 3).

Die Revision war zuzulassen, da - soweit ersichtlich - der Anlagenbegriff des § 9 Abs. 1 Nr. 3 weder in der alten noch in der neuen Fassung des Stromsteuergesetzes bislang Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung war, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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