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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Beschluss verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: 2 K 35/07 (PKH)
Rechtsgebiete: EStG, AO, FGO, ZPO


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 1
EStG § 15 Abs. 2
AO § 162
FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Prozesskostenhilfeverfahren

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

am 5. März 2009

beschlossen:

Tenor:

Dem Antragsteller wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt K gewährt, soweit er sich für das Jahr 2005 gegen die Zugrundelegung von Einkünften aus der Tätigkeit als Unternehmensberater wendet.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich im Klageverfahren gegen den Vorauszahlungsbescheid über Einkommensteuer für 2005, den Einkommensteuerbescheid für 2005 und den Bescheid für 2005 über den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen.

Aufgrund der Angaben des Antragstellers, den Ermittlungen der Steuerfahndung und den in dem rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts M getroffenen Feststellungen war für das Prozesskostenhilfeverfahren von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Antragsteller erzielte im Kalenderjahr 2005 durch den "Vertrieb von Telekommunikation" - unstreitig - Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v.10.590,00 EUR. Überdies betrieb der Antragsteller in den Jahren 1998 bis 2004 unter der Firma Unternehmensberatung K. eine Unternehmensberatung. Für die Unternehmensberatung des Antragstellers lag keine Buchführung vor, Aufzeichnungen wurden nicht geführt.

Im Rahmen der Tätigkeit als Unternehmensberater stellte der Antragsteller zahlreichen Kunden die Vermittlung von Darlehen in Aussicht und schloss mit den Kunden entsprechende Darlehensverträge. In den Verträgen verpflichteten sich die Kunden für die Vermittlung und als Voraussetzung für die Auszahlung des Darlehens "Eigenkapitalleistungen" i.H.v. bis zu 10 v.H. der zu vermittelnden Darlehenssumme an den Antragsteller zu erbringen. Auf diese Weise vereinnahmte der Antragsteller mindestens 1.071.923,00 EUR. Für den Fall der Erfolglosigkeit der Darlehensvermittlung wurde vereinbart, dass die vom Antragsteller vereinnahmten "Eigenkapitalzahlungen" ohne Abzug an die Kunden zurückzuzahlen sind. Zur Auszahlung der Darlehenssumme kam es in mindestens 31 Fällen nicht. Gleichwohl zahlte der Antragsteller die vorbenannten "Eigenkapitalleistungen" nicht an seine Kunden zurück. Infolgedessen wurde der Antragsteller vom Amtsgericht M mit o.g. Urteil wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten verurteilt. In dem Personalfragebogen zum Insolvenzverfahren vom .... gab der Antragsteller an, seit dem September 2005 zahlungsunfähig zu sein.

Das Finanzamt wertete die vom Antragsteller vereinnahmten "Eigenkapitalbeträge" aus der Tätigkeit als Unternehmensberater als Einkünfte aus Gewerbebetrieb und legte sie den angefochtenen ESt- und Gewerbesteuerbescheiden für 2005 zugrunde.

Dazu löste die Steuerfahndung die vorbenannten Rückzahlungsverbindlichkeiten i.H.v. 1.071.923,00 EUR Gewinn erhöhend auf, weil mit einer Inanspruchnahme des Antragstellers infolge seiner Angaben, er sei seit September 2005 zahlungsunfähig, nicht mehr gerechnet werden müsse. Den gegen die Bescheide ohne weitere Begründung eingelegten Einsprüchen des Antragstellers half der Antragsgegner nicht ab.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Antragsteller vor, die vereinnahmten "Eigenkapitalbeträge" seien nicht als Einkünfte i.S.d. EStG zu qualifizieren. Der Kläger habe unbefugt auf fremdes Vermögen Zugriff genommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, insbesondere im Urteil vom 19. März 1987 IV R 140/84, BFH/NV 1987, 577, seien veruntreute bzw. unterschlagene Gelder aber weder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb noch als sonstige Einkünfte i.S.d. 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz zu qualifizieren. Mangels Einkünftequalität seien die Bescheide daher rechtswidrig.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

dem Antragsteller für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

Der Antragsgegner ist der Meinung, dass die vom Antragsteller betrügerisch erlangten Gelder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind.

Nach einem rechtlichen Hinweis des Berichterstatters hat der Antragsgegner mit Änderungsbescheiden vom Februar 2008 die Einkommensteuer für 2005 und den Gewerbesteuermessbetrag für 2005 auf jeweils 0,00 EUR herabgesetzt.

II.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.

Nach § 142 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO - erhält ein Beteiligter Prozesskostenhilfe - PKH -, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet sowie nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn für seinen Eintritt bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 08.06.1995 IX B 168/94, BFH/NV 1996, 64). Dies ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (z.B. BFH- Beschlüsse vom 26. April 1993 VI B 162/92, BFH/NV 1993, 682, m.w.N. und vom 12.04.1994 VII B 93/94 BFH/NV 1995, 62). Hinreichende Erfolgsaussichten können zu bejahen sein, wenn es bei der Hauptsache um schwierige Fragen geht, über die im Prozesskostenhilfeverfahren eine abschließende Beurteilung nicht möglich ist, und wenn die Einwände des Klägers nicht von vornherein aussichtslos erscheinen. Eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist im Verfahren der Prozesskostenhilfe unzulässig (Gräber, Komm. zur FGO, § 142, Anm. 7 m.w.N.).

Der Prozesskostenhilfeantrag genügt den vorstehenden Voraussetzungen. Insbesondere bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit der Klage angefochtenen Einkommen- und Gewerbesteuermessbescheide für 2005.

1.

Dem Beklagten ist zwar darin zuzustimmen, dass die betrügerisch erlangten Kundengelder als Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG zu qualifizieren sind. Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen. Voraussetzung für die Annahme eines Gewerbebetriebs ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehrt darstellt (§ 15 Abs. 2 EStG). Die vorstehenden Merkmale werden durch die vom Kläger unternommene bzw. vorgetäuschte Kreditvermittlung offensichtlich und typischerweise erfüllt. Wie der Antragsgegner in seiner Klageerwiderung unter Hinweis auf die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28. Dezember 2000 14 K 84/99 (mit weiteren Nachweisen) zutreffend dargelegt hat, kommt es nicht darauf an, dass die angebotene Leistung auch tatsächlich erbracht wird. Es genügt, dass jemand - wie hier - mit auch nur vorgetäuschter Leistungsabsicht Leistungen gegen Entgelt am Markt anbietet.

Gerade hierin besteht der Unterschied zu der vom Kläger zitierten Rechtsprechung, wonach die durch Untreue oder Unterschlagung erzielten Vermögensmehrungen nicht steuerbar sind, weil sie nicht auf einer auf Leistungsaustausch gerichteten Handlung beruhen. Diese Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall gerade nicht anwendbar.

Denn gegenüber den im Urteil behandelten durch Untreue oder Unterschlagung erzielten Vermögensmehrungen liegt im Fall einer erkennbar auf Gegenleistung zielenden, wenn auch nur vorgetäuschten Leistungsabsicht eine Beteiligung am allgemeinen Wirtschaftsverkehr vor. Dies trifft auch hier zu. Die betrogenen Kunden des Antragstellers sind davon ausgegangen, der Antragsteller würde ihnen das Darlehen vermitteln bzw. bei Erfolglosigkeit die Eigenkapitalzahlungen zurückgewähren.

Anderenfalls hätten sie ihm die Gelder nicht überlassen.

2.

Allerdings hat das Finanzamt die Rückzahlungsverbindlichkeiten zu Unrecht bereits im Jahr 2005 Gewinn erhöhend aufgelöst.

Da der Antragsteller für steuerliche Zwecke keinerlei Aufzeichnungen geführt hatte, war die Gewinnermittlung im Wege der Schätzung (§ 162 AO) durch Betriebsvermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG vorzunehmen, was der Antragsgegner - allerdings inhaltlich rechtsfehlerhaft - auch getan hat. Die Ermittlung des Gewinns durch Betriebsvermögensvergleich hat zur Folge, dass mit der Aktivierung der Ansprüche auf Zahlung der 10%-igen "Eigenkapitalzahlungen" im Hinblick auf die damit verbundenen, möglichen Rückzahlungsverpflichtungen eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gem. § 249 Abs. 1 HGB zu passivieren war. Diese Rückstellungen waren jeweils im Wege eines Passivtauschs als Verbindlichkeiten in dem Moment zu erfassen, als es nach Ablauf eines Jahres nach Darlehensabschluss nicht zu einer Auszahlung der Darlehensvaluta gekommen und somit eine (vertragliche) Verpflichtung zur Rückzahlung der erhaltenen "Eigenkapitalzahlungen" entstanden war.

Für das Bestehen dieser Rückzahlungsverpflichtung ist es entgegen der Annahme des Antragsgegners ohne Bedeutung, ob der Antragsteller dazu fähig ist, die Rückzahlungsverpflichtung zu befriedigen. Die Rückzahlungsansprüche der Darlehenskunden gegenüber dem Antragsteller sind nicht etwa dadurch erloschen, dass dieser erklärt hat, er sei seit September 2005 zahlungsunfähig. Die Rückzahlungsverbindlichkeiten waren daher nach wie vor (passiver) Bestandteil des Vermögens des Antragstellers, welches in seiner Schlussbilanz gem. § 246 Abs. 1 S. 1 HGB vollständig ("sämtliche Vermögensgegenstände") auszuweisen ist.

Eine andere Beurteilung ist erst denkbar, wenn es etwa nach Abschluss eines Insolvenzverfahrens zu einer Restschuldbefreiung kommen sollte oder sobald die Rückzahlungsverpflichtungen des Antragstellers aus anderen Gründen erlöschen oder verjähren. Für das Streitjahr sind Erlöschensgründe jedenfalls nicht ersichtlich. Auch ist anhand der präsenten Unterlagen nicht erkennbar, dass die Rückzahlungsverbindlichkeiten bereits im Jahr 2005 verjährt wären.

3.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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