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Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 31.03.2009
Aktenzeichen: 2 K 648/08
Rechtsgebiete: FGO, ThürKiStG, EStG, GG, WRV


Vorschriften:

FGO § 40 Abs. 2
ThürKiStG § 5
EStG § 38
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 4 Abs. 1
GG Art. 4 Abs. 2
GG Art. 140
WRV Art. 137 Abs. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

im Einverständnis der Beteiligten

ohne mündliche Verhandlung

in der Sitzung vom 31. März 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Kirchensteuerfestsetzung, insbesondere über die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des Thüringer Kirchensteuergesetzes.

Der Kläger war in den Streitjahren 2004 bis 2008 Mitglied der evangelischen Kirche in Thüringen. Seine Ehefrau, die Klägerin, mit der der Kläger zusammen veranlagt wurde, gehörte keiner steuererhebenden Kirche an (glaubensverschiedene Ehe).

Der Beklagte veranlagte die Kläger gemeinsam zur Einkommensteuer für die Streitjahre 2004 bis 2006 und setzte in zusammengefassten Bescheiden gegenüber dem Kläger Kirchensteuer fest. Überdies erließ er gegenüber dem Kläger für die Streitjahre 2007 und 2008 Kirchensteuervorauszahlungsbescheide. Die Kirchensteuer und Kirchensteuervorauszahlungen berechnete er aus dem Teil der gemeinsamen Einkommensteuer der Eheleute, der bei einer fiktiven getrennten Veranlagung auf den Kläger entfiel. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Kläger blieb erfolglos.

Mit ihrer Klage rügen die Kläger eine Verletzung des Grundrechts der Religionsfreiheit sowie eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Die Bemessung der Kirchensteuer nach den Regeln des Thüringer Kirchensteuergesetzes berücksichtige nicht die wahren Einkommensverhältnisse von Ehemann und Ehefrau. Sie erfolge nicht allein nach dem Einkommen bzw. den Einkünften des Ehemannes. Vielmehr würden im Ergebnis Einkommensteile der nicht kirchensteuerpflichtigen Ehefrau in die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer des Ehemannes mit einfließen und bei diesem zu einer ungerechtfertigt hohen Kirchensteuer führen. Für den Fall, dass das Einkommen der nicht kirchenangehörigen Ehefrau - wie im Jahr 2005 - unterhalb des Grundfreibetrages liegt, würde dieses faktisch vollständig in die Bemessungsgrundlage für die Kirchensteuer des Ehemannes einbezogen. Auf diesen würden bei der - für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage - einfachrechtlich gebotenen, fiktiven getrennten Veranlagung 100 v. H. der gemeinsamen Einkommensteuer entfallen, obwohl die Ehefrau einen Teil des gemeinsamen Einkommens beziehe.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Kirchensteuerbescheide für 2004 vom 29. August 2005, für 2005 vom 5. Februar 2008, für 2006 vom 23. Juni 2008 und die Kirchensteuervorauszahlungsbescheide für 2004 bis 2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2008, insoweit aufzuheben, als faktisch Einkommensteile der Klägerin in die Bemessungsgrundlage für die Bemessung der Kirchensteuer des Klägers einbezogen wurden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die angefochtenen Bescheide für verfassungsgemäß und hält an seiner Einspruchsentscheidung fest.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage der Klägerin ist unzulässig. Die Klägerin ist nicht klagebefugt. Klagebefugt ist gem. § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) nur derjenige, der geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist in Person der Klägerin nicht der Fall. Beschwert durch die angefochtenen Bescheide ist ausschließlich der Kläger als deren Inhaltsadressat, nicht aber die Klägerin. Eine subjektive (Dritt-) Betroffenheit der Klägerin durch den an ihren Ehemann gerichteten Bescheid ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erkennbar. Die von den Klägern behauptete faktische Einbeziehung des Einkommens der Klägerin in die Bemessungsgrundlage für die gegenüber dem Kläger festgesetzte Kirchensteuer kann sich allenfalls gegenüber dem Kläger auswirken.

II.

1. Die Klage des Klägers ist unzulässig, soweit sie gegen die Festsetzung der Kirchensteuer- Vorauszahlungen für 2007 gerichtet ist. Insoweit ist der Kläger ebenfalls nicht klagebefugt. Es fehlt an einer Beschwer. Die Vorauszahlung für 2007 wurde auf 0,00 EUR festgesetzt.

2. Im Übrigen ist die Klage des Klägers unbegründet. Die angefochtenen Kirchensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

a) Die Festsetzung der Kirchensteuer und der Kirchensteuervorauszahlungen entspricht einfachem Recht, insbesondere § 5 des Thüringer Kirchensteuergesetzes (ThürKiStG), der die Bemessung der Kirchensteuer bei glaubensverschiedener Ehe regelt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Überdies war entgegen der Stellungnahme des Landeskirchenamtes eine Festsetzung von Vorauszahlungen für 2008 nicht deswegen ausgeschlossen, weil der Kläger in diesem Streitjahr ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt hätte. Die Festsetzung von Vorauszahlungen ist neben dem Lohnsteuer-Abzugsverfahren auch dann statthaft, wenn ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern sind (BFH - Urteil vom 20. Dezember 2004 VI R 182/97, BStBl II 2005, 358). Nicht anderes gilt, wenn man entgegen der vorgenannten Ansicht des BFH die für das LSt-Abzugsverfahren geltenden §§ 38 ff. EStG als abschließende Spezialregelung ansehen wollte. Denn der Kläger erzielte entgegen der Annahme des Landeskirchenamtes in dem für die Bemessung der Vorauszahlungen maßgeblichen (§ 37 Abs. 3 S. 2 EStG) Jahr der letzten durchgeführten Veranlagung (2006) neben den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

b) Die Kirchensteuerbescheide verstoßen nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung (WRV).

Das in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte Grundrecht der Glaubensfreiheit gewährleistet mit der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und der ungestörten Religionsausübung einen von staatlicher Einflussnahme freien Rechtsraum, in dem sich jeder eine Lebensform geben kann, die seiner religiösen und weltanschaulichen Überzeugung entspricht. Danach darf jeder über die Zugehörigkeit zu einer Kirche selbst und frei von staatlichem Zwang entscheiden. Dem steht die Auferlegung von Kirchensteuern durch die Religionsgemeinschaften nicht entgegen, solange diese ihrerseits den Anforderungen der Verfassung genügt.

Das Besteuerungsrecht der Religionsgemeinden ist in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV verankert. Danach haben die Länder die Befugnis zur Kirchensteuergesetzgebung. Zur Kirchensteuerzahlung dürfen durch staatliches Gesetz nur Kirchenmitglieder verpflichtet werden (BVerfG-Urteil vom 14. Dezember 1965 1 BvR 606/60, E 19, 268). Dies folgt aus der nach dem Grundgesetz bestehenden Verpflichtung des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität. Diese verbietet es, dass Personen durch Besteuerung von Staats wegen zur finanziellen Unterstützung von Religionsgemeionschaften herangezogen werden, denen sie nicht angehören (BVerfGE 30, 415, 423 f.). Daher muss die gesetzliche Regelung der Kirchensteuer für glaubensverschiedene Ehen dem Prinzip der Individualbesteuerung beruhen. Danach muss der nicht kirchenangehörige Ehegatte von jeder Kirchensteuer freigestellt sein. Der kirchenangehörige Ehegatte darf nur nach der in seiner Person gegebenen Steuerbemessungsgrundlage zur Kirchensteuer herangezogen werden.

Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird ein Kirchensteuergesetz gerecht, wenn es für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage an den Einkommensanteil des kirchenangehörigen Ehegatten anknüpft, aber auch dann, wenn es - wie das ThürKiStG - an den Einkommensteueranteil des kirchenangehörigen Ehegatten anknüpft. Letzteres hat die Rechtsprechung für die - der hier streitigen Vorschrift des ThürKiStG strukturell gleichenden - Vorschriften des Bayerischen Kirchensteuergesetzes (BFH-Urteil vom 8. April 1997 I R 68/96, BStBl II 1997, 545; Beschluss vom 27. April 2000 I B 92/99, NV), des Baden Württembergischen Kirchensteuergesetzes (BFH-Urteil vom 5. Dezember 1999 I R 114/98, BFH/NV 2000, 1243) und des Nordrhein-Westfälischen Kirchensteuergesetzes (BFH-Urteil vom 11. Februar 1998 I R 41/97, BFH/NV 1998, 1262) entschieden und die Vorschriften der genannten Kirchensteuergesetze im Hinblick auf die Vorschriften der Art. 3, 4 und 6 GG ausdrücklich als verfassungsgemäß anerkannt (siehe auch Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 18. Juni 2004 1 K 6487/02 Ki, EFG 2004, 1547 zum besonderen Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe). Wegen der Einzelheiten wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die genannten Entscheidungen verwiesen.

Insbesondere ist kein Verfassungsverstoß darin zu erblicken, wenn faktisch Einkommensanteile der nicht kirchenangehörigen Ehegattin zur Besteuerung des Klägers herangezogen würden. Dem Gesetzgeber steht ein denkbar weiter Gestaltungsraum bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage zu. Wenn der Gesetzgeber entschieden hat, für die Bemessung der Kirchensteuer nicht an den Einkommensanteil, sondern an den Einkommensteueranteil des kirchenangehörigen Ehegatten bei fiktiver getrennter Veranlagung anzuknüpfen, so werden damit nicht persönliche Besteuerungsmerkmale des nicht kirchensteuerangehörigen Ehegatten in die Bemessungsgrundlage einbezogen, sondern es wird ausschließlich an persönliche Besteuerungsmerkmale des kirchenangehörigen Ehegatten angeknüpft. Der Gesetzgeber ist - entgegen der Ansicht der Kläger - von Verfassungs wegen nicht darauf festgelegt, die Einkommensanteile des kirchenangehörigen Ehegatten zur Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer zu bestimmen. Er kann auch eine andere Bemessungsgrundlage wählen. So hat es das BVerfG in der zitierten Entscheidung (am Ende unter 2.) als zulässig erachtet, die durch die Ehe erhöhte Leistungsfähigkeit des kirchenangehörigen Ehegatten durch die Kirchensteuer zu erfassen. Dazu müssten, da die Kirche nur den ihr angehörenden Ehegatten besteuern darf, Besteuerungsmerkmale ge7 wählt werden, die in dessen Person gegeben sind. Gegenstand der Besteuerung dürfte dann nicht das Einkommen (im Sinne des Einkommensteuerrechts) des anderen Ehegatten, sondern könnte etwa der "Lebensführungsaufwand" des kirchenangehörigen Ehegatten sein, so das BVerfG. Diesen Vorgaben entspricht das ThürKiStG, wenn es für die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer typisierend an den Steueranteil des kirchenangehörigen Ehegatten und damit an dessen, sich aus der Ehe als Leistungsfähigkeitsgemeinschaft ergebende, individuelle Leistungsfähigkeit anknüpft (vgl. auch FG Düsseldorf a.a.O zum Kirchgeld).

Schließlich ist der Kläger auch nicht unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, indem er höher besteuert wird als eine wirtschaftlich ihm gleichende Person in einer Ehe, in der beide Ehegatten kirchensteuerpflichtig sind. Die gegenteilige Argumentation des Klägers verkennt, dass es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers ist, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpfen will, solange er seine Auswahl sachgerecht trifft. Danach ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber den kirchenangehörigen Ehegatten einer glaubensverschiedenen Ehe als Individuum höher besteuert, als einen Ehegatten einer Ehe, in der beide Ehegatten kirchenangehörig sind, solange - wie hier - eine Ungleichbehandlung der Ehe als Leistungsfähigkeitsgemeinschaft nicht festzustellen ist (BFH BStBl II 1997, 545 unter II 2 b).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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