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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 2 K 7/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

... hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund der mündlichen Verhandlung am 15.01.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 3/4 zu tragen, der Beklagte 1/4.

3. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe Anonymisierte Gerichtsentscheidung zum Zweck der Bekanntmachung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung bei der Einkommensteuer für 2001.

Der Kläger erzielte im Jahr 2001 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, von denen Lohnsteuer für das Streitjahr i.H.v. 14.408 DM einbehalten und abgeführt wurde.

Bis einschließlich Juli 2001 wohnte und arbeitete der Kläger gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in F. Diese nahm ab Mai 2001 eine Stelle in W. an und bezog dort eine eigene Wohnung. Ab 1. August 2001 trat sie eine Stelle an der Universität in J an und mietete dort für die Monate August und September ein etwa 24 qm großes Zimmer im Gästewohnheim der Universität für insgesamt 220 DM. Der Kläger wechselte ebenfalls zum 1. August seine Arbeitsstelle, indem er die vormalige Arbeitsstelle seiner Lebensgefährtin in W übernahm, zunächst deren Wohnung in W bezog und zum 1. Oktober 2001 eine andere Wohnung in W mietete. Gleichzeitig mit der Begründung einer Wohnung am Beschäftigungsort ab dem 1. August kam er zunächst in dem Wohnheimzimmer seiner Lebensgefährtin in J unter, und zwar mit Wissen der Wohnheimleitung. Die Miete für das Wohnheimzimmer wurde von der Lebensgefährtin des Klägers bezahlt. Ab dem 1. Oktober 2001 mietete der Kläger in J eine Zwei- Zimmer-Wohnung, die er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin bezog. Die bisherige Wohnung in F wurde im Lauf des Augusts geräumt, die in einer Garage zwischengelagerten Möbel zum 1. Oktober in die neu angemietete Wohnung nach J gebracht. Der Kläger hielt sich ab dem 1. August überwiegend in J auf, in W war er wöchentlich jeweils von Dienstag bis Donnerstag anwesend.

Mit am 16. Januar 2004 eingereichter Einkommensteuererklärung begehrte der Kläger gegenüber dem Beklagten unter anderem, für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2001 insgesamt 15.743 DM als Werbungskosten für eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen. Wegen der genauen Zusammensetzung des Betrags wird auf die Erklärung verwiesen (ESt-Akte, Bl. 3 R).

Der Beklagte, der die Erklärung als Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer wertete, lehnte dies ab, da die Antragsfrist bereits am 31. Dezember 2003 abgelaufen sei und Wiedereinsetzungsgründe nicht vorlägen. Darauf erhob der Kläger Klage. Im Verlauf des Klageverfahrens gewährte der Beklagte dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit Einkommensteuerbescheid vom 25. Februar 2008 berücksichtigte er für den vorgenannten Zeitraum - ohne Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung - lediglich Fahrtkosten i.H.v. 4.788 DM.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ab dem 1. August 2001 eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung anzuerkennen sei. Der bisherige gemeinsame Hausstand sei von F nach J verlegt worden. Selbst wenn der Kläger in den Monaten August und September keinen eigenen Hausstand unterhalten haben sollte, sei diese verhältnismäßig geringe Unterbrechung unbeachtlich, da der Kläger und seine Lebensgefährtin nicht nahtlos eine angemessene Wohnung in J hätten finden können.

Der Kläger hat ursprünglich sinngemäß beantragt,

1. das Finanzamt zu verpflichten, die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 2001 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. April 2004 erklärungsgemäß auf 9.657 DM festzusetzen.

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Kläger beantragt nunmehr,

1. den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 vom 25. Februar 2008 dahingehend zu ändern, dass weitere Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 10.955 DM berücksichtigt werden;

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen. Der Kläger habe zum 1. August 2001 keinen eigenen Hausstand in J unterhalten. Er habe kein eigenes Recht zur Nutzung der Wohnung gehabt. Die Wohnung entspreche mit einer Größe von 24 qm und einer Gemeinschaftsküche nicht den Lebensbedürfnissen des Klägers und seiner Lebensgefährtin. Außerdem habe sich der Kläger nicht finanziell an der Haushaltsführung in J beteiligt und die Haushaltsführung nicht mitbestimmt.

Ein eigener Hausstand in J und damit eine doppelte Haushaltsführung sei erst zum 1. Oktober 2001 begründet worden. Diese sei jedoch privat veranlasst, da der Kläger bereits zum 1. August 2001 eine eigene Wohnung am Beschäftigungsort in W unterhielt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung liegen nicht vor.

Gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

1.

Der Kläger hat in den Monaten August und September keinen eigenen Hausstand in J unterhalten.

Einen eigenen Hausstand unterhält ein Arbeitnehmer, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem sich der Arbeitnehmer sowohl durch seine persönliche Mitwirkung als auch finanziell maßgeblich beteiligt.

Ein eigener Hausstand eines nicht verheirateten Arbeitnehmers erfordert, dass der Arbeitnehmer (a) ein eigenes oder abgeleitetes Recht zur Nutzung der Wohnung hat. Sofern der Arbeitnehmer nicht alleiniger Eigentümer oder Mieter des Hausstandes ist, muss anhand der Umstände des Falles untersucht werden, ob der Hausstand jedenfalls auch ihm als eigener zugerechnet werden kann. Wesentlich ist, dass sein Verbleiben in der Wohnung gesichert ist. Ein Arbeitnehmer nutzt eine Wohnung auch dann aus abgeleitetem Recht, wenn diese zwar formal allein von seinem Lebenspartner angemietet wurde, er sich aber mit dessen Duldung dauerhaft dort aufhält. Ein eigener Hausstand ist aber selbst beim Vorliegen eines (abgeleiteten) Nutzungsrechts nur anzunehmen, wenn (b) der Arbeitnehmer den Hausstand unterhält. Dafür ist es erforderlich, dass er sich an der Führung des Hausstandes sowohl finanziell als auch durch seine persönliche Mitwirkung maßgeblich beteiligt (BFH-Urteil vom 17. November 1978 VI R 93/77, BFHE 126, 440, BStBl II 1979, 146) Er muss insbesondere finanziell in einem Umfang an der Haushaltsführung beteiligt sein, dass daraus auf eine gemeinsame Haushaltsführung geschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 04. November 2003 VI R 170/99, BStBl II 2004, 16), die (c) den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet.

Die vorstehenden Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auch wenn der Kläger das Wohnheimzimmer mit Wissen der Wohnheimleitung gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin bewohnte, somit zumindest ein abgeleitetes Wohnrecht hatte und selbst wenn sich in J der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers befunden haben sollte, so scheitert die Annahme eines eigenen Hausstands maßgeblich daran, dass es sich bei dem Leben in dem Wohnheimzimmer der Lebensgefährtin nach den eigenen Angaben des Klägers um eine Übergangslösung (ohne eigene Kochmöglichkeit) für die Zeit handelte, bis man eine gemeinsame Woh6 nung in J gefunden hatte. Diese Übergangslösung wies jedoch, wie ein Hotel- oder Pensionszimmer, nicht den Charakter eines eigenen Hausstandes auf. Hinzu kommt, dass allein die Lebensgefährtin das Wohnheimzimmer finanzierte, während der Kläger selbst keinen Beitrag zur Miete als wesentlichem Element der Haushaltsfinanzierung leistete. Insgesamt führen die vorgenannten Umstände den Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger keinen eigenen Hausstand unterhielt, sondern in den Haushalt seiner Lebensgefährtin eingegliedert war.

Eine doppelte Haushaltsführung hat der Kläger nach alldem erst mit Abschluss des Mietvertrages zum 1. Oktober 2001 begründet.

2.

Diese zum 1. Oktober 2001 begründete doppelte Haushaltsführung war jedoch nicht beruflich, sondern privat veranlasst.

Für die Beurteilung der beruflichen Veranlassung ist entscheidend, dass die Begründung des zweiten Haushalts am Beschäftigungsort beruflich veranlasst ist (Drenseck, in: Schmidt, EStG, § 9, Rn. 147). Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer bereits einen eigenen Haupthausstand unterhält und durch die Einrichtung einer Zweitwohnung am Beschäftigungsort erhebliche Zeit und Fahrtkosten einsparen kann. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da der Kläger am 1. August mangels eines ersten eigenen Hausstandes keine Zweitwohnung begründete. Vielmehr bezog er ab dem 1. August eine eigene Wohnung am Beschäftigungsort und begründete zeitlich nachfolgend, zum 1. Oktober 2001, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin einen eigenen Haupthausstand in J.

3.

An der vorstehenden Beurteilung ändert entgegen der Auffassung des Klägers auch der Umstand nichts, dass die Nichtinnehabung eines eigenen Haupthausstandes in den Monaten August und September nur vorübergehend und für verhältnismäßig kurze Zeit erfolgte, um die bis Juli 2001 in F betriebene gemeinsame Haushaltsführung ab dem 1. Oktober 2001 in J wieder aufnehmen zu können.

Das Einkommensteuergesetz setzt in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 Bestehen eines eigenen Haupthausstandes voraus, zu dem aus beruflichem Anlass eine Zweitwohnung am Beschäftigungsort hinzukommt. An diese gesetzlichen Festlegungen ist die Rechtsprechung gebunden, kann sich nicht über sie hinwegsetzen (Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz). Fehlt es zur Zeit der Begründung der Zweitwohnung an einem eigenen Haupthausstand, so sind die Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands für die Anerkennung einer beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung - wie hier zuvor dargestellt - nicht erfüllt. Etwas anderes könnte sich allenfalls dann ergeben, wenn die Vorschrift im Lichte des Artikels 6 Abs. 1 Grundgesetz anders zu interpretieren wäre, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Diese Frage bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, da der Kläger als im Streitjahr nicht verheirateter Arbeitnehmer jedenfalls nicht in den Genuss der besonderen Schutzwirkungen für Verheiratete nach Artikel 6 Grundgesetz kommt.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Finanzgerichtsordnung (FGO). Dabei war vom ursprünglichen Verpflichtungsantrag des Klägers auszugehen, mit dem er nach Veranlagung durch den Beklagten zu etwa knapp einem Viertel erfolgreich war.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im außergerichtlichen Vorverfahren war wegen der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der zu entscheidenden Fragen gem. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendig, um dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, seine Rechte wirkungsvoll durchzusetzen (vgl. BFH Beschluss vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BStBl II 1968, 56).

Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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