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Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 01.04.1998
Aktenzeichen: I 82/98
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 110
AO § 126 Abs. 3
AO § 155 Abs. 2
AO § 171 Abs. 10
AO § 172
AO § 175 Abs. 1
AO § 179 Abs. 3
AO § 182 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 01. April 1998

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob wegen der Nichtberücksichtigung von Sonderbetriebsausgaben eines Mitgesellschafters im Feststellungsverfahren, die im Veranlagungsverfahren aber geltend gemacht wurden, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO gewährt werden oder der Feststellungsbescheid gem. § 172 ff AO korrigiert werden kann.

Der Kläger und seine mit ihm veranlagte Ehefrau erzielten im Streitjahr 1992 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Durch seine Beteiligung an der H..., der XY XXXX und XY Stadtverkehr hatte der Kläger darüber hinaus Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. In der Einkommensteuererklärung für 1992 erklärten der Kläger und seine Ehefrau Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit des Klägers u.a. aus der Beteiligung an der XY Stadtverkehr in Höhe des Gewinns von 31.932 DM abzüglich der Sonderbetriebsausgaben für ein Arbeitszimmer in Höhe von 3.542 DM. Der Beklagte veranlagte den Kläger und seine Ehefrau erklärungsgemäß. Der Einkommensteuerbescheid wurde später mehrfach aufgrund geänderter Mitteilungen bezüglich der Beteiligung des Klägers an den anderen Gesellschaften gem. § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert, zuletzt am 27. Juli 1994. Dabei wurde, mangels Vorliegen einer Feststellungsmitteilung, der Gewinn aus der Beteiligung des Klägers an der XY Stadtverkehr jeweils - wie in der Anlage GSE erklärt - mit 31.932 DM abzüglich der darin nicht berücksichtigten Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 3.542 DM zum Ansatz gebracht.

Mit Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für den Kläger aufgrund seiner Beteiligung an der XY Stadtverkehr vom 18. Juli 1994 stellte der Beklagte für den Kläger Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 31.932 DM fest. Die Sonderbetriebsausgaben wurden im Feststellungsbescheid nicht berücksichtigt, da sie der Kläger in diesem Verfahren nicht geltend gemacht hatte. Mit Bescheid vom 04. August 1994 änderte der Beklagte daraufhin den Einkommensteuerbescheid gem. § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 AO entsprechend.

Den Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid vom 04. August 1994 wies der Beklagte als unzulässig zurück und lehnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Gegen den Feststellungsbescheid vom 18. Juli 1994 hat der Kläger keinen Einspruch eingelegt. Mit Schreiben vom 03. November 1994 beantragte er gem. § 173 Abs.1 Nr. 2 AO die Berichtigung des Feststellungsbescheids, die der Beklagte mit Bescheid vom 21. Mai 1995 mit dem Hinweis auf grob fahrlässiges Verhalten des Bevollmächtigten des Klägers ablehnte. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

Mit der Klage begehrt der Kläger weiterhin die Änderung des Feststellungsbescheids mit dem Ziel der Berücksichtigung der Sonderbetriebsausgaben. Er trägt vor, daß die Angaben über die Sonderbetriebsausgaben dem Beklagten durch die Einkommensteuererklärung bekannt gewesen seien. Er sei also in gutem Glauben gewesen, den Beklagten hinreichend informiert zu haben und sei von einer korrekten Sachbehandlung ausgegangen. Da die XY Stadtverkehr und der Kläger von verschiedenen Steuerberatern betreut worden seien, sei die Nichtberücksichtigung der Sonderbetriebsausgaben erst nach Bestandskraft beider Steuerbescheide bekanntgeworden.

Der Beklagte sei zu einer Berichtigung nach § 174 AO verpflichtet. Alternativ sei dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO zu gewähren, da der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen habe, im Veranlagungsverfahren rechtliches Gehör zu gewähren (§ 91 AO), eine Sachaufklärung durch Kontaktaufnahme mit dem Sachbearbeiter der XY bzw. dem Kläger vorzunehmen (§ 173 AO) und die Tatsache der Nichtberücksichtigung der Sonderbetriebsausgaben im Einkommensteuerbescheid zu begründen (§ 121 AO). Insbesondere sei der Beklagte gem. § 89 AO verpflichtet gewesen, den Kläger darauf hinzuweisen, daß Sonderbetriebsausgaben nur im Feststellungsverfahren geltend gemacht werden können. Dadurch habe der Kläger versäumt, rechtzeitig Einspruch gegen den Feststellungsbescheid einzulegen, weil wegen der fehlenden Begründung davon ausgegangen worden sei, es sei nach der Erklärung vorgegangen und damit auch die Kosten des Arbeitszimmers berücksichtigt worden. In diesem Falle gelte die Fristversäumung durch ihn nicht als verschuldet (§ 126 Abs. 3 AO). Die entsprechenden Angaben hätten auch an die zuständige Feststellungsstelle weitergeleitet werden müssen. Hätte sich der Beklagte gesetzeskonform verhalten, wären die beanstandenden Punkte noch zu heilen gewesen. Ein Verschulden für eine Fehlbesteuerung sei somit weit überwiegend dem Beklagten anzulasten. Damit dürften auch die Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheids gem. § 173 AO gegeben sein.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 21. Mai 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. März 1996 aufzuheben und den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung betreffend die XY Stadtverkehr vom 18. Juli 1994 dahingehend zu ändern, daß Sonderbetriebsausgaben in Höhe von 3.542 DM für das Arbeitszimmer berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, daß die Tatsache der Sonderbetriebsausgaben dem Feststellungsbereich des Beklagten erst nachträglich und zwar mit Schreiben des Klägers vom 20. September 1994 bekanntgeworden seien. Im Zeitpunkt der Bescheiderteilung habe bei ihm, dem Beklagten, eine strikte Trennung zwischen Feststellungsveranlagung der Gesellschaften und Veranlagung der Einkommensteuerpflichtigen geherrscht mit jeweils anderen Sachgebietsleitern. Maßgebend für die Beurteilung des nachträglichen Bekanntwerdens von Tatsachen sei aber die Kenntnis der zur Entscheidung über die Berücksichtigung von Tatsachen organisatorisch zuständigen Dienststelle der Finanzbehörde. Den Kläger treffe grobes Verschulden nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, da er ausdrückliche und eindeutige Hinweise im Erklärungsvordruck nicht beachtet habe. Das Verschulden eines Bevollmächtigten sei dem Kläger zuzurechnen. Bei der Erstellung der Feststellungserklärung der XY Stadtverkehr habe eine Steuerberaterin mitgewirkt. Die Frage nach Sonderbetriebsausgaben jedes einzelnen Gesellschafters habe sich aufdrängen müssen und hätte ggf. durch Rückfrage bei den Mandanten geklärt werden müssen. Es wäre zwingend erforderlich gewesen, jeden Gesellschafter auf die Bedeutung der Sonderbetriebsausgaben hinzuweisen und Ausgaben abzufragen, dies um so mehr als im Formular selbst eine Spalte Sonderbetriebsausgaben existiere.

Ein eventuelles Mitverschulden des Beklagten sei nach § 173 AO nicht berücksichtigungsfähig, weil dieser zivilrechtliche Begriff nicht auf die AO übertragbar sei. Die Tatsache, daß die Nichtberücksichtigung im Einkommensteuerbescheid des Klägers nicht erläutert worden sei, hätte nach § 126 Abs. 3 AO eventuelle Relevanz für einen Wiedereinsetzungsantrag beim Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid, nicht entscheidend sei dies indes für die Änderung des Feststellungsbescheids nach § 173 AO. Es bestehe überdies keine gesetzliche Verpflichtung des Beklagten, Fehleintragungen in einer Einkommensteuererklärung durch eigenständige Berücksichtigung in einer Feststellungserklärung zu korrigieren, zumal der Kläger steuerlich beraten gewesen sei.

Eine Änderung nach § 174 Abs. 3 AO komme ebenfalls nicht in Betracht, da ein Fall des sog. negativen Widerstreits nicht vorliege; der Feststellungsstelle sei der Sachverhalt mangels Geltendmachung durch die XY zum Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheides gar nicht bekannt gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor. Gemäß § 110 Abs. 1 AO ist jemandem auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses einen Antrag gestellt hat (vgl. § 110 Abs. 2 Satz 1 AO) und ob er innerhalb der Antragsfrist die versäumte Handlung nachgeholt hat (vgl. § 110 Abs. 2 Satz 3 AO). Im Schreiben des Klägers vom 20. September 1994 ist ausdrücklich nur Wiedereinsetzung in das Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 04. August 1994 beantragt worden; ein formeller Einspruch gegen den streitbefangenen Feststellungsbescheid vom 18. Juli 1994 hat der Kläger nicht eingelegt. Jedenfalls hat der Kläger die Einspruchsfrist für den Feststellungsbescheid schuldhaft verstreichen lassen.

Dabei genügt einfache Fahrlässigkeit; grobe Fahrlässigkeit ist nicht erforderlich (Tipke/Kruse § 110 AO Rz. 4 a m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Für die Bevollmächtigte der XY Stadtverkehr im Feststellungsverfahren war aus dem Feststellungsbescheid bzw. dessen Anlage FB klar erkennbar, daß Sonderbetriebsausgaben nicht berücksichtigt waren. Spätestens mit Zustellung des Feststellungsbescheides hätte sich die Bevollmächtigte fragen müssen, ob nicht doch Sonderbetriebsausgaben bei den einzelnen Gesellschaftern getätigt wurden, zumal im Erklärungsvordruck für die Anlage FB eine gesonderte Spalte für diese Angaben vorgesehen ist. Ein eventueller Irrtum im Tatsächlichen wäre bei dieser Sachlage nicht entschuldbar.

Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, daß der Beklagte bei ihm einen Rechtsirrtum hervorgerufen hat, ohne den er fristgemäß Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt hätte (vgl. Tipke/Kruse § 110 AO Tz. 20). Der Beklagte hat es zwar unterlassen, im Einkommensteuerbescheid vom 04. August 1994 auf die Nichtberücksichtigung der Sonderbetriebsausgaben im Feststellungsverfahren hinzuweisen. Gem. § 126 Abs. 3 AO gilt die Versäumung der Einspruchsfrist aber nur dann als nicht verschuldet, wenn einem Verwaltungsakt u.a. die erforderliche Begründung fehlt und dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes unterbleibt. Nach Auffassung des Senates besteht grundsätzlich keine Pflicht, im Einkommensteuerbescheid auf eventuelle Abweichungen von der Erklärung im Feststellungsbescheid hinzuweisen. Veranlagungs- und Feststellungsverfahren sind unabhängige Verfahren. Feststellungsbescheide sind für die Folgebescheide bindend (§§ 182 Abs. 1, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie § 171 Abs. 10 AO) und müssen ohne weitere Prüfung in den Folgebescheiden übernommen werden. Ob im vorliegenden Fall eine Begründungspflicht deshalb bestand, weil in den vorhergehenden Einkommensteuerbescheiden mangels Vorliegen des Feststellungsbescheides erklärungsgemäß veranlagt worden war (vgl. § 155 Abs. 2 AO) kann der Senat offenlassen, da dies gem. § 126 Abs. 3 AO allenfalls eine Wiedereinsetzung in das Einspruchsverfahren zum Einkommensteuerbescheid rechtfertigen könnte.

Der Kläger war auch im Veranlagungsverfahren steuerlich beraten, wenn auch durch einen anderen Bevollmächtigten. Auch hier muß sich der Kläger das Verschulden seines Vertreters zurechnen lassen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Es gehört zu den wesentlichen Grundsätzen des Verfahrensrechts, daß ein Feststellungsbescheid gesondert angefochten werden kann und auch muß, wenn er nicht in Bestandskraft erwachsen soll (vgl. BFH-Urteil vom 10. Dezember 1986 II R 88/85 BStBl II 1987, 292). Der Einkommensteuerbescheid vom 04. August 1994 enthält auch die Hinweise, daß der Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert wurde und sich die Abweichungen von den erklärten Einkünften aus dem Feststellungsbescheid vom 18. Juli 1994 ergeben. Bei dieser Sachlage wäre eine Rückfrage des Bevollmächtigten beim Beklagten oder dem steuerlichen Vertreter im Feststellungsverfahren möglich und geboten gewesen. Nach alledem scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO aus.

Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf Erlaß eines Ergänzungsbescheides gem. § 179 Abs. 3 AO. Nach dieser Bestimmung ist, soweit in einem Feststellungsbescheid eine notwendige Feststellung unterblieben ist, diese in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen.

Im gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsverfahren sind nicht nur Feststellungen zu treffen, die alle Beteiligten betreffen, sondern außerdem Feststellungen zulässig und geboten, die lediglich für einen Beteiligten u.a. einkommensteuerrechtlich relevant sind. Dazu zählen auch die Sonderbetriebsausgaben einzelner Gesellschafter (siehe BFH-Urteil vom 29. August 1973 I R 26/71, BStBl II 1974, 62).

Die Feststellungen über Sonderbetriebsausgaben gehören somit zu den notwendigen Feststellungen i.S.d. § 179 Abs. 3 AO (Söhn in Hübschmann-Hepp-Spitaler, § 179 AO Rz. 12 a). Notwendige Feststellungen sind unterblieben, wenn sie getroffen werden müssen aber nicht getroffen worden sind. Hat das Finanzamt dagegen bereits eine - wenn auch negative Entscheidung - über die betreffenden Feststellungen getroffen, so liegt kein unvollständiger Bescheid vor (BFH-Urteil vom 22. September 1977 IV R 120/73, BStBl II 1978, 152).

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist festzustellen, daß die Voraussetzungen des § 179 Abs. 3 AO im vorliegenden Fall nicht zutreffen. Der Beklagte - Feststel8 lungsstelle - hat zwar keine Kenntnis davon gehabt, daß Sonderbetriebsausgaben angefallen sind, er hat dennoch eine - negative - Entscheidung darüber getroffen, daß im Streitjahr keine Sonderbetriebsausgaben anzuerkennen sind. Unterbleibt damit zu Unrecht die Berücksichtigung der Sonderbetriebsausgaben, so wird der Feststellungsbescheid dadurch nicht lückenhaft, sondern falsch; insoweit liegt eine inhaltliche Unrichtigkeit vor (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 1994 II R 120/91, BStBl II 1994, 819). Ein derartiger Fehler in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht kann nicht durch einen Ergänzungsbescheid kompensiert werden. Diese Vorschrift ist keine die Bestandskraft ergangener Feststellungsbescheide durchbrechende Vorschrift, sondern gestattet nur die Vervollständigung lückenhafter Feststellungsbescheide (BFH-Urteil vom 25. Juni 1994II R 120/91 a.a.O.).

Eine Anwendung des § 174 Abs. 3 AO scheidet entgegen der Auffassung des Klägers schon vom Wortlaut her aus. Diese Bestimmung setzt voraus, daß ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden ist, daß er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei. Die Vorschrift soll zwar verhindern, daß ein steuererhöhender oder steuermindernder Vorgang bei der Besteuerung überhaupt nicht berücksichtigt wird (negativer Widerstreit, s. BFH-Urteil vom 27. Mai 1993 IV R 65/91, BStBl II 1994, 76). Dennoch muß hier der veranlagende Beamte (Tipke/Kruse § 174 AO Tz. 10) von der - unzutreffenden - Annahme ausgegangen sein, der Sachverhalt werde in einem anderen Bescheid berücksichtigt. Dies ist im vorliegenden Fall gerade nicht der Fall. Die Feststellungsstelle des Beklagten hatte überhaupt keine Kenntnis von den Sonderbetriebsausgaben, die Veranlagungsstelle konnte die Sonderbetriebsausgaben nach Mitteilung des Grundlagenbescheides gar nicht mehr berücksichtigen und hatte insoweit gar keinen Entscheidungsspielraum.

Schließlich liegen auch nicht die Voraussetzungen für eine Korrektur des Feststellungsbescheides nach § 173 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Nach dieser Bestimmung, die auch sinngemäß im Feststellungsverfahren gilt (§ 181 Abs.1 Satz 1 AO) sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsache oder das Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Ungeschriebenes Tatbestandsmerk9 mal einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ist jedoch, daß das nachträgliche Bekanntwerden nicht auf der Verletzung einer der Finanzbehörde obliegenden Ermittlungspflicht beruht, sofern der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten voll erfüllt hat (ständige Rechtsprechung s. BFH-Urteil vom 16. September 1987 II R 178/85, BStBl II 1988, 174).

Grobes Verschulden i.S.v. § 173 Abs.1 Satz 1 AO ist Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm in seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (ständige Rechtsprechung, s. BFH-Urteil vom 22. Mai 1992 VI R 17/91, BStBl II 1993, 80). Das Verschulden des steuerlichen Beraters, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, ist diesem bei Anwendung dieser Vorschrift zuzurechnen, dabei sind an den steuerlichen Berater erhöhte Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 144/86, BStBl II 1988, 109). In Anwendung dieser Grundsätze hat die Bevollmächtigte im Feststellungsverfahren grob fahrlässig gehandelt. Die Anlage zur Erklärung der Einkünfte bei einheitlicher und gesonderter Festsetzung sieht ausdrücklich eine Spalte Sonderbetriebsausgaben vor. Es hätte sich der Bevollmächtigten die Frage nach Sonderbetriebsausgaben der einzelnen Gesellschafter aufdrängen müssen. Grobes Verschulden liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige bzw. sein Vertreter seinen Erklärungspflichten unzureichend nachkommt, etwa dadurch, daß er - wie im vorliegenden Fall - unvollständige Erklärungen abgibt (vgl. BFH-Urteil vom 07. März 1986 III R 66/82, BFH/NV 87, 9). Gem. § 150 Abs.2 Satz 1 AO müssen die Angaben in den Steuererklärungen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht werden.

Die Tatsache von Sonderbetriebsausgaben des Klägers ist dem Beklagten - Feststellungsstelle - auch erst nachträglich bekannt geworden. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es auf den Kenntnisstand der Personen an, die innerhalb der Finanzbehörde dazu berufen sind, den betreffenden Steuerfall zu bearbeiten. Die organisatorische Verteilung der Aufgaben ist insoweit auch für die Frage des Bekanntwerdens von Tatsachen maßgebend. Kennt eine andere als die für die Bearbeitung des Steuerfalles zuständige Dienststelle die betreffenden Tatsachen, so ist sie deswegen nicht auch der zuständigen Dienststelle als bekannt zuzurechnen (BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 114/82, BStBl II 1985, 492). Im vorliegenden 10 Fall waren die beiden Dienststellen organisatorisch strikt getrennt mit unterschiedlichen Sachgebietsleitern, so daß die Kenntnis der Veranlagungsstelle der Feststellungsstelle nicht zugerechnet werden kann.

Der Beklagte - Feststellungsstelle - hat auch nicht seine Ermittlungspflicht verletzt.

Diese verletzt er nur, wenn er offenkundigen Zweifelsfragen, die sich bei der Prüfung der Steuererklärung und der eingereichten Unterlagen ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 BStBl II 1992, 324).

Der Beklagte hatte aber mangels Angaben in der Steuererklärung gar keinen Grund, nachzufragen. Das Finanzamt verstößt nicht gegen seine Ermittlungspflichten, wenn es der Erklärung des Steuerpflichtigen Glauben schenkt, daß Aufwendungen nicht angefallen sind (BFH-Urteil vom 09. Oktober 1992 VI R 47/91, BStBl II 1993, 169).

Im übrigen hat der Kläger seine Mitwirkungspflicht bei der Abgabe der Steuererklärung nicht in zumutbarem Umfang erfüllt.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte - Veranlagungsstelle - eine Pflicht hatte, die Feststellungsstelle über die Geltendmachung von Sonderbetriebsausgaben zu unterrichten.

Daß der Änderung des Feststellungsbescheides entgegenstehende grobe Verschulden des steuerlich beratenen Klägers wird auch nicht durch eine eventuelle Verletzung der Aufklärungspflicht des Finanzamts ausgeschlossen (BFHUrteil vom 09. August 1991 III R 24/87, BStBl II 1992, 65).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs.1 FGO.

Für die Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlaß.

Ende der Entscheidung

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