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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 22.09.1993
Aktenzeichen: I K 64/93
Rechtsgebiete: StBerG, EV


Vorschriften:

StBerG § 35 Abs. 1
StBerG § 36 Abs. 1 Nr. 1
EV Art. 37 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

I K 64/93

Zulassung zur Steuerberaterprüfung 1993

In dem Rechtsstreit

...

hat der I. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 22.09.1993

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zulassung zur Steuerberaterprüfung.

Der Beklagte hat nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses vom 02.06.1993 den Antrag der Klägerin auf Zulassung zur Steuerberaterprüfung vom 21.05.1993 am 08.06.1993 abgelehnt.

Der Bescheid ist ihr wenige Tage darauf förmlich zugestellt worden. Die Ablehnung gründet sich darauf, daß der Hochschulabschluß der Klägerin an der Humboldt-Universität Berlin, Fachstudienrichtung Gärtnerische Produktion, als Diplom-Gartenbauingenieur vom 01.08.1986, weder ein wirtschaftswissenschaftliches noch ein anderes Universitätsstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 Steuerberatungsgesetz sei.

Im Prüfungszeugnis vom xxx (Blatt 9 der Akte des Beklagten) sind 26 Fächer benotet. Von diesen sind nach Meinung des Zulassungsausschusses günstigstenfalls drei solche, die mehr oder weniger wirtschaftswissenschaftliche Lehrinhalte erkennen lassen, nämlich

Sozialistische Betriebswirtschaft, einschließlich Rechnungsführung und Statistik und Arbeitswissenschaften

Ökonomie der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft,

Klausuren in Sozialistischer Betriebswirtschaft.

Der Zulassungsausschuß schätzte diese bei großzügiger Auslegung auf einen Umfang von 11,5 v. H. des Studiums.

Nach dem Abschluß des Studiums war die Klägerin als Saatzuchtassistentin bei einer Firma bis zu deren Verstaatlichung tätig. Danach war sie in der "Zwischenbetrieblichen Einrichtung xxx" im Bereich Einzelhandel mit den Aufgabengebieten Planung, Bilanzierung und Abrechnung der Einzelhandelsgeschäfte tätig, die jetzt zu Raiffeisen gehört. Die Klägerin ist seit drei Jahren bei einer Steuerberatungsgesellschaft auf dem Gebiet des Steuerwesens tätig (Blatt 40 der Prozeßakten).

Mit der Klage bringt die Klägerin im wesentlichen vor:

Sie habe an der Humboldt-Universtität Berlin die Fachrichtung Gartenbau studiert und den Abschluß als Diplomgartenbauingenieur erhalten. Sie habe mehr als 25% der Studienzeit mit betriebswirtschaftlichen Fächern belegt, so daß sie ein wirtschaftswissenschaftliches Studium im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG absolviert habe.

Die Klägerin beantragt,

den Ablehnungsbescheid des Thüringer Finanzministeriums vom 08.06.1993 aufzuheben und sie zur Steuerberaterprüfung 1993 zuzulassen (Az.: xxx).

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bringt im wesentlichen vor:

Mit etwa 11,5 v. H. seien die wirtschaftswissenschaftlichen Unterrichtsveranstaltungen nicht in nennenswertem Umfang belegt und geprüft worden. Das Studium der Klägerin sei ein naturwissenschaftliches gewesen, bei dem zur Abrundung des Hauptfaches Fächer mit mehr oder weniger ausgeprägten wirtschaftswissenschaftlichen Inhalten vorgegeben waren. Ein Teil dieser Fächer sei auch übermäßig mit sozialistischer Theorie belastet gewesen und könne nur bedingt als wirtschaftswissenschaftlich gewertet werden. Die Klägerin sollte durch ihr Studium in die Lage versetzt werden, gärtnerische Produktion zu betreiben, also eine rein naturwissenschaftliche Tätigkeit auszuüben.

Der Gesetzgeber habe als Voraussetzung für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung grundsätzlich ein wirtschafts- oder ein rechtswissenschaftliches Studium gefordert und nur ausnahmsweise ein Universitätsstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung gelten lassen. Die Ausnahmen könnten nicht ausgedehnt werden.

Im BFH-Urteil vom 28.08.1990, VII R 25/89 (BStBl 1991 II S. 154) werde bei einem Studium mit 21% wirtschaftswissenschaftlichem Anteil, gemessen am Gesamtstudium, eine nennenswerte Bedeutung des wirtschaftswissenschaftlichen Teils angenommen. Das erreiche die Klägerin nicht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Nach § 35 Abs. 1 des StBerG darf als Steuerberater nur bestellt werden, wer die Prüfung als Steuerberater bestanden hat oder von dieser Prüfung befreit worden ist. Nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ist unter anderem eine Voraussetzung für die Steuerberaterprüfung, daß der Bewerber ein wirtschaftswissenschaftliches oder ein anderes Universitätsstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung mit einer Regelstudienzeit von jeweils mindestens 8 Semestern oder ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen und danach hauptberuflich drei Jahre auf dem Gebiet der von den Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwalteten Steuer tätig gewesen ist.

Im Streitfall ist die Voraussetzung umstritten, ob die Klägerin ein anderes Universitätsstudium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung mit einer Regelstudienzeit von mindestens acht Semestern abgeschlossen hat.

Ein Universitätsstudium mit einer Regelstudienzeit von mindestens acht Semestern hat die Klägerin absolviert. Es handelt sich hierbei aber nicht um ein Studium "mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung".

Nach dem von der Klägerin vorgelegten Zeugnis behandelt das Studium die Fachstudienrichtung Gärtnerische Produktion. Ein ausgesprochenes wirtschaftswissenschaftliches Studium liegt aber nach dem Wortlaut des Zeugnisses nicht vor. Die Rechtsprechung legt die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 1 StBerG zwar in dem Sinn aus, daß von einem "anderen Studium mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung" als theoretische Grundlage für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung noch gesprochen werden kann, wenn dieses andere Studium auf die Vermittlung von Grundlagenwissen für die spätere Tätigkeit als Steuerberater ausgerichtet ist (BFH-Urteil VII R 25/89, a.a.O.).

Aber auch davon kann im Streitfall nicht die Rede sein.

Der erkennende Senat richtet sich in der Beurteilung des Studiums der Klägerin nach dem Beschluß der Kultusministerkonferenz zur Feststellung der Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen im Sinne des Art. 37 Abs. I des Einigungsvertrages vom 11.10.1991. Danach sind der Fachrichtung "Wirtschaftswissenschaften" zahlreiche Studiengänge zugeordnet, z.B. auch der Studiengang "Betriebswirtschaft/-Landwirtschaft, Diplomökonom" der xxx Universität xxx, ebenso die Fachrichtung "Agrarökonomie" derselben Universität. Dagegen ist das Studium der Klägerin als Diplom-Gartenbauingenieur, Fachrichtung Gärtnerische Produktion, nicht der Fachrichtung "Wirtschaftswissenschaften" zugeordnet.

Der Senat hat sich in dem in diesem Rechtsstreit ergangenen Gerichtsbescheid zugunsten der Klägerin von der Erwägung leiten lassen, daß in der BRD den Absolventen der Landwirtschaftlichen Hochschulen der Zugang zum Steuerberater offen steht, und demnach ähnliche Studiengänge in der früheren DDR ebenso bewertet werden müßten. Nunmehr muß er feststellen, daß dies in der Tat so ist, d.h. die oben beispielhaft genannten Studiengänge genügen für die Zulassung zur Steuerberaterprüfung. Das Studium der Klägerin fällt allerdings nicht darunter; es ist nicht bei der Fachrichtung "Wirtschaftswissenschaften" genannt. Daher konnte der Senat seine Entscheidung in dem Gerichtsbescheid nicht länger aufrechterhalten.

Es kann für das "andere Studium" mit wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtung nicht ausreichen, wenn der Bewerber nur gelegentlich auf eigene Initiative an wirtschaftswissenschaftlichen Unterrichtsveranstaltungen teilgenommen hat. Denn aus dem Merkmal "Fachrichtung" ergibt sich, daß die wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung des Studiums auf der Grundlage einer festumrissenen Studienordnung mit schriftlicher oder mündlicher Abschlußprüfung erfolgt, in der die wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung des gesamten Studienganges zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus muß berücksichtigt werden, daß nicht schon jede beliebige Fächerkombination des Hauptstudiums mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Nebenfach ausreichen kann, denn der Gesetzgeber wollte den Zugang zum Steuerberaterberuf nur für Absolventen solcher Studiengänge eröffnen, deren Studiengang von vornherein auf eine spätere Tätigkeit in Wirtschaft ausgerichtet ist (wie z.B. bei den Absolventen der Landwirtschaftlichen Hochschulen), und deren Hauptstudium von vornherein in einem inneren Zusammenhang mit wirtschaftswissenschaftlichen Studieninhalten stehe. Hieran fehlt es zum Beispiel, wenn das wirtschaftswissenschaftliche Nebenfach lediglich der Abrundung von Kenntnissen im Hauptfach dient, eine spätere berufliche Tätigkeit in der Wirtschaft aber hierdurch nicht angelegt ist und nur ausnahmsweise erfolgt (wie z.B. beim Studium der Germanistik oder einer Sprache - vgl. BFH-Urteil VII R 25/89, a.a.O.).

Danach hat die Klägerin einen Studiengang absolviert, der nicht von vornherein auf eine Tätigkeit in der Wirtschaft ausgerichtet war, und nicht vergleichbar mit der "Agrarökonomie" ist. Ihr Studiengang hat auch nicht ein wirtschaftswissenschaftliches Nebenfach wie im Fall des BFH-Urteils VII R 25/89 (a.a.O.) ausgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Für die noch beim Bezirksgericht Erfurt, Senate für Finanzrecht, eingelegte Klage ist das Thüringer Finanzgericht kraft Gesetzes zuständig geworden.

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn

a) das Thüringer Finanzgericht die Revision zugelassen hat oder

b) einer der in § 116 Abs. 1 FGO (Finanzgerichtsordnung) aufgeführten wesentlichen Mängel des Verfahrens gerügt wird.

Ende der Entscheidung

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