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Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 08.09.2005
Aktenzeichen: II 723/03
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 85
BewG § 86 Abs. 3 S. 1
BewG § 88
BewG § 129 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

II 723/03

Einheitswert des Grundvermögens auf den 1. Januar 2002

In dem Rechtsstreit

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung am 8. September 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2002 vom 11. Juni 2003, geändert durch Bescheid vom 11. Juni 2003, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2003, wird dahingehend geändert, dass der Einheitswert auf 4.448 EUR (8.700 DM) festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewertung des Hauptgebäudes eines Herrensitzes aus dem 16. Jahrhundert.

Die Kläger sind Eigentümer des denkmalgeschützten Herrensitzes, in A-Stadt. Das streitige 3-geschossige Hauptgebäude, das sich (neben 5 Scheunen) auf dem 4.075 m2 großen Grundstück befindet, wurde aus Bruchsteinen errichtetet und ist vollständig von einem Wassergraben umschlossen. Seine Grundmauern stehen im Wasser. Hinsichtlich der genauen Lage, der Gebäudebeschaffenheit und der Gebäudeausstattung sowie der Kubatur wird auf das Protokoll (Blatt 62 ff der Gerichtsakte) der anlässlich des Erörterungstermins am 6. Mai 2004 durchgeführten Ortsbesichtigung, auf das Verkehrswertgutachten nebst Anlagen auf Blatt 17 bis 42 sowie auf die Bauteil- und Kubaturaufstellung auf Blatt 192 der Bewertungsakte und auf die von den Klägern erstellte Fotomappe Bezug genommen.

Für das Grundstück war letztmals im Rahmen einer Nachfeststellung zum 1. Januar 1993 der Einheitswert mit 2.500 DM und die Grundstücksart als "sonstiges bebautes Grundstück" festgestellt worden.

Nachdem die Kläger das von ihnen in 1992 in baufälligem Zustand erworbene Anwesen in der Bausubstanz teilweise gesichert und heutigen Wohnbedürfnissen angenähert hatten, führte der Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 2002 eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2002 durch. Den Bodenwert übernahm er unverändert mit 0,61 DM/m2 abzüglich eines Denkmalschutzabschlags von 10 v. H. Ebenso blieb der Wertansatz für die Scheunen unverändert (Gebäude 200 bis 600).

Zur Bewertung des Hauptgebäudes segmentierte er dieses. Das aus mehreren Gewölbekellern bestehende Keller/Erdgeschoss und das gesamte Treppenhaus bezeichnete er als Gebäudeteil 100, den Rittersaal als Bauteil 101 und die zu Wohnzwecken genutzten Räume als Bauteil 102. Hinsichtlich der Rauminhalte - insbesondere der des Gewölbekellers, des Tonnengewölbes und der Treppendiele im EG - wird auf die Maße in der Aufstellung vom 6. Mai 2002 auf Blatt 192 der Bewertungsakte Bezug genommen. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass die vom Kläger mit Schreiben vom 7. März 2004 vorgelegte Bilddokumentation, die Bestandspläne im Bericht des Finanzamtes vom 6. Mai 2002 sowie die in der Bewertungsakte enthaltenen Gutachten und Pläne den Zustand des Gebäudes sowie die Kubatur, den Flächenumfang und die Raumhöhen zutreffend wiedergeben. Weiter besteht auch Einigkeit über den vom Finanzamt ermittelten Umfang der behebbaren Baumängel des Wohnteils, der mit 40 v.H. angenommen wird.

Die Bauteile bewertete der Beklagte ausgehend vom sog. "Denkmalerlass" (vgl. den in "Haufe Steueroffice" veröffentlichten identischen Erlass des FinMin Sachsen vom 10. August 1995, 34-S 3219a-6/6-45293; Einheitsbewertung des Grundbesitzes - Grundbesitz, der unter Denkmalschutz steht) mit den sich für die Bewertung von übrigen Geschäftsgrundstücken und sonstigen bebauten Grundstücken (Bundessteuerblatt - BStBl - I 1994, 481) bzw. Einfamilienhäuser (BStBl I 1991, 968) ergebenden Raummeterpreisen. Dabei ordnete er den Bauteil 100 der Gebäudegruppe "mehrgeschossiges Lagerhaus", den Bauteil 101 der Gebäudegruppe "Saalbauten" und den Bauteil 102 der Gebäudegruppe "Einfamilienhaus" zu. Den Raummeterpreis setzte er für das Bauteil 100 mit 11 DM/m3, für das Bauteil 101 mit 16 DM/m3 und für das Bauteil 102 mit 20 DM/m3 an. Die Gebäudewerte der einzelnen Bauteile berechnete er nach folgendem Muster:

Kubatur x Raummeterpreis = Gebäudenormalherstellungswert (GNHW).

Gebäudenormalherstellungswert vermindert um den Abschlag für Denkmalschutz in Höhe von 10 v. H. = gekürzter Gebäudenormalherstellungswert = Gebäudesachwert (GSW)

Gekürzter Gebäudenormalherstellungswert abzüglich Alterswertminderung (gewöhnliche Lebensdauer im Hauptfeststellungszeitpunkt) begrenzt auf max. 40 v.H. des Gebäudenormalherstellungswertes (Restwert) = Gebäudewert.

Da im Streitfall das tatsächliche Alter des Gebäudes die gewöhnliche Lebensdauer überschritt, flossen die Bauschäden in die Berechnung nicht ein. Begründet wurde dies damit, dass nach Verwaltungsauffassung wegen des zwingenden Restwertansatzes in Höhe von 40 v. H. des Gebäudeherstellungswertes nur der Abschlag gewährt werden könne, der zu dem niedrigsten Gebäudewert führe.

Zusammen mit den anderen Gebäuden ermittelte der Beklagten den Einheitswert mit 24.800 DM. Hinsichtlich der Berechnung wird auf den Einheitswertbescheid vom 11. Juni 2002 Bezug genommen (Blatt 207 bis 209 der Bewertungsakte).

Zur Begründung ihres Einspruchs führten die Kläger neben der Falschberechnung des Rauminhalts des Gebäudeteils 102 im Wesentlichen sinngemäß an: Die Gebäudeteile seien aufgrund ihrer beschränkten Nutzung nicht den vom Beklagten herangezogenen Gebäudegruppen zuzuordnen. Der Rittersaal sei nicht beheizbar und wegen der Fresken nicht weiter nutzbar. Erfolge wie bei den Kellerräumen und dem Treppenhaus gleichwohl die Eingruppierung als Lagerraum, müsse die Bewertung den Abschlagsregelungen der einschlägigen Erlasse folgen. Ferner dürfe der Abschlag wegen Denkmalschutz wie im Ertragswertverfahren erst nach dem Altersabschlag und ohne Begrenzung auf den Restwert angewandt und nicht bereits beim Gebäudenormalherstellungswert zum Abzug gebracht werden. Ansonsten sei die Reihenfolge der Abschläge systemwidrig und insoweit wegen Verletzung der Sachgesetzlichkeit rechtswidrig.

Den Kubaturfehler korrigierte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom 11. Juni 2003. Der Einheitswert reduzierte sich danach auf 23.700 DM. Dabei berücksichtigte er die Deckenhöhe des I. o.g. in den Wohnräumen dergestalt, dass er bei der Ermittlung des Rauminhaltes nicht die tatsächliche Raumhöhe von 3,90 m, sondern nur 3,50 m ansetzte. Zudem reduzierte er die Gebäudenormalherstellungskosten von 24 DM/m³ auf 20 DM/m³. Im Übrigen bleib der Einspruch ohne Erfolg.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2004 haben die Kläger am 21. Juli 2003 Klage erhoben.

In der mündlichen Verhandlung haben sich die Parteien weiter über tatsächliche Gegebenheiten des streitigen Objektes verständigt und der einheitlichen Zuordnung des Gebäudes ohne Segmentierung unter entsprechender Einordnung in die Gebäudehauptgruppe "sonstiges Gebäude" zugestimmt, wobei sie den Ansatz eines geminderten Raummeterpreises (vor Abschlägen) in Höhe von 20 DM/m3 für gerechtfertigt halten. Ferner sind bei der Ermittlung des Rauminhaltes im Kellergeschoss nur der Heizungsraum, der davor liegende Raum und das Treppenhaus (EG) als nutzbare Räume anzusehen. Als nutzbare Teile des Gesamttreppenhauses werden 1/4 und hinsichtlich des Rittersaales 1/3 der entsprechenden Kubikmeterzahl erfasst.

Dessen ungeachtet bleibt der Kläger bei seiner Auffassung, dass die Erlasse nicht als Grundlage für die Begrenzung der Abschläge auf 40 v. H. des Gebäudenormalherstellungswertes herangezogen werden könnten. Demzufolge müsse der Abschlag für behebbare Baumängel ohne Restwertbegrenzung neben dem für die Alterswertminderung berücksichtigt werden. Ferner widerspreche die in den gemeinsamen Erlassen angeordnete Reihenfolge der Abschläge dem Gesetz. Obwohl die §§ 85 ff. BewG nicht unmittelbar anwendbar seien, müsste die darin vorgesehene Reihenfolge für die Ermittlung des Gebäudesachwerts eingehalten werden. Der Abschlag für Denkmalschutz sei deswegen, wie auch in Tz. 2.1.3. des Denkmalerlasses vorgesehen, nicht bereits vom Gebäudenormalherstellungswert, sondern erst vom Gebäudewert, d.h. erst nach Berücksichtigung aller möglichen Abschläge, abzusetzen.

Die Kläger beantragen nunmehr,

den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2002 vom 11. Juni 2002, geändert durch Bescheid vom 11. Juni 2003, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Juni 2003, bis auf die Gebäudewerte der Bauteile 200, 300, 400, 500 und 600 dahingehend zu ändern, dass der Einheitswert

1. unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung einvernehmlich gefundenen Werte für den m3-Preis bzw. der nutzbaren m3 in den einzelnen Räumen im Keller, im Treppenhaus sowie im Rittersaal und

2. unter Berücksichtigung der Abschläge wegen Alters, behebbarer Baumängel, Denkmalschutz und Lage im Wasser in der in entsprechender Anwendung der §§ 85 - 88 BewG vorgesehenen Reihenfolge festzusetzen ist.

Der Beklagte beantragt nunmehr,

die Klage insoweit abzuweisen, als neben der einvernehmlichen Feststellung der nutzbaren Räume und der Höhe des Kubikmeterpreises ein höherer Abschlag als 60 v. H. vom Gebäudenormalherstellungswert berücksichtigt wird.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Vorverfahren. Weiter beruft er sich auf die Verwaltungsanweisungen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der angefochtene Einheitswertbescheid ist hinsichtlich der Wertfeststellung rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Im Streitfall entspricht die vom Beklagten praktizierte Umsetzung der Regelungen des Denkmalerlasses bei der Ermittlung des Gebäudewertes von denkmalgeschützten Gebäuden nicht den allgemeinen Prinzipien des Sachwertverfahrens. Insbesondere findet der für das Sachwertverfahren im Beitrittsgebiet durch die gemeinsamen Erlasse vorgegebene Gebäuderestwert von maximal 60 v. H. der Gebäudenormalherstellungskosten im Gesetz keine Grundlage.

1. Nach § 129 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) gelten für die im Beitrittsgebiet liegenden wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke die festgestellten oder noch festzustellenden Einheitswerte nach den Wertverhältnissen zum 1. Januar 1935 weiter. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift werden vorbehaltlich der §§ 129a bis 130 BewG für die Ermittlung der Einheitswerte 1935 statt der §§ 27, 64 bis 68 BewG im Einzelnen genannte Bestimmungen des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen Republik (BewG DDR) i.d.F. vom 18. September 1970 (Gesetzblatt der DDR -GBl DDR-, Sonderdruck Nr. 674) und der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz für die Bewertung des Vermögens nach dem Stand vom 1. Januar 1935 (RBewDV) vom 2. Februar 1935 (Reichsgesetzblatt - RGBl - I 1935, 81) weiter angewandt. Danach sind die sonstigen bebauten Grundstücke (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 5 RBewDV) mit dem gemeinen Wert zu bewerten (§ 33 Abs. 2 Satz 1 RBewDV). Diesen beschreibt § 10 Abs. 1 BewG DDR als den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre; dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen und ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich der maßgeblichen Wertverhältnisse bestimmt § 3a RBewDV, dass bei Nachfeststellungen der Einheitswerte für Grundbesitz der tatsächliche Zustand des Grundbesitzes (Bestand, bauliche Verhältnisse usw.) vom Nachfeststellungszeitpunkt und die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen sind. Im Streitfall scheidet die Bewertung des Grundstücks der Kläger auf der Grundlage von Jahresrohmieten (§ 33 Abs. 2 Satz 2 RBewDV) aus, da tatsächlich gezahlte Jahresrohmieten für solche Gebäude zum 1. Januar 1935 nicht vorhanden sind oder sonst ermittelt werden können. Verkäufe vergleichbarer Gebäude auf den Stichtag 1. Januar 1935 liegen ebenfalls nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt deshalb in Anwendung der allgemeinen Grundsätze für die Wertermittlung nur eine Schätzung (§ 162 Abs. 1 der Abgabenordnung -AO-) des am freien Markt erzielbaren Einzelveräußerungspreises in Betracht (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1998 II R 37/97, BFHE 187, 99, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1999, 51; BFH-Beschluss vom 24. Juli 2002 II B 52/02, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2003, 8). Dabei ist für die Schätzung des Grundstückswerts zwingend auf das Sachwertverfahren in Anlehnung an die Regelungen der §§ 83 ff. BewG, die Ausdruck der allgemeinen Prinzipien der Sachwertermittlung sind, die aber gemäß § 129 Abs. 2 BewG nicht unmittelbar anwendbar sind, zurückzugreifen (BFH-Urteil vom 31. März 2004 II R 2/02, BFH/NV 2004, 1626).

2. Diese allgemeinen Prinzipien, wie sie in § 85 BewG ihren Niederschlag gefunden haben, gelten folglich auch im Streitfall. Für die Bestimmung des Gebäudewertes ist deshalb zunächst der Gebäudenormalherstellungswert unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 (§ 3a RBewDV) zu ermitteln. Dieser Wert vermindert sich ggfls. um Abschläge i. S. von §§ 86, 87 BewG wegen des Alters des Gebäudes im Zeitpunkt der Hauptfeststellung (1. Januar 1935) und/oder wegen vorhandener behebbarer baulicher Mängel und Schäden. Liegen Umstände objektiver Art vor, die den gemeinen Wert nachhaltig beeinflussen, kann der sich hiernach ergebende Gebäudesachwert in entsprechender Anwendung des sich aus § 88 BewG ergebenden Rechtsgedankens ermäßigt oder erhöht werden.

a) Dem entspricht die angegriffene Festsetzung nicht. Zwar trägt die von den Parteien für die Wertermittlung getroffene einheitliche Zuordnung des Gebäudes zur Grundstückshauptgruppe "sonstiges Gebäude" im Hinblick auf dessen begrenzte Wohntauglichkeit unter Rückgriff auf dem mit einem Abschlag an die besondere Situation des Gebäudes angepassten Raummeterpreis für Einfamilienhäuser mit 20 DM/m3 und der Begrenzung der Kubatur der als nutzbar anzusehenden Flächen den Besonderheiten des Streitfalles hinreichend Rechnung und ist somit nicht zu beanstanden. Dies trifft aber nicht für die vom Beklagten in Ansatz gebrachte Restwertbegrenzung und für den Umfang der wegen der besonderen Situation im Streitfall zu berücksichtigenden Abschläge zu.

b) Nach Auffassung des erkennenden Senats beträgt die Begrenzung der Wertminderung wegen Alters entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten nicht maximal 60 v. H., sondern in entsprechender Anwendung des § 86 Abs. 3 Satz 1 BewG 70 v. H der Gebäudenormalherstellungskosten. Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig, dass im Streitfall grundsätzlich ein Abschlag wegen Alters i. S. von § 86 Abs. 1 BewG vom Gebäudenormalherstellungswert wegen Überschreitens der gewöhnlichen Lebensdauer des Gebäudes zu gewähren ist.

(aa) Soweit der Beklagte den Alterswertabschlag allerdings unter Hinweis auf die im Denkmalerlass in Tz. 2.2.3 enthaltene Restwertbegrenzung auf 40 v. H. des Gebäudenormalherstellungswertes begrenzt, die so sinngemäß ebenfalls in den anderen gemeinsamen Erlassen enthalten ist, folgt ihm der Senat nicht. Zwar können Verwaltungsvorschriften, denen keine Rechtsnormqualität zukommt, als sog. normkonkretisierende oder materiell typisierende Verwaltungsvorschriften auch vom Gericht zu beachten sein (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 9. Juli 2003 I R 48/02, BFH/NV 2003, 1665 m.w.N.). Die Restwertbegrenzung in den gemeinsamen Erlassen stellt sich im Ergebnis aber weder als eine zulässige norminterpretierende oder normkonkretisierende, sondern insoweit als unzulässige normersetzende Verwaltungsvorschrift dar. Die Festlegung der Restwertgrenze widerspricht sowohl dem Postulat der Tatbestandmäßigkeit der Besteuerung, weil die Konkretisierung des Tatbestandteils einer Steuernorm allein dem Gesetzgeber vorbehalten bleibt, als auch in der Umsetzung dem Gebot der Tatbestandsklarheit eines Steuergesetzes (vgl. hierzu Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung, § 3 AO Tz. 33 ff.). Denn die Vorschrift des § 129 BewG enthält als Rechtsgrundlage für die Bewertung des Grundvermögens im Beitrittgebiet mit dem Verweis auf das vorkonstitutionelle bzw. das DDR-Recht selbst keine Bestimmung über die Begrenzung des Gebäuderestwertes. Bis auf den im Streitfall nicht tatbestandsmäßigen § 40 RBewDV, der den Mindestwert bebauter Grundstücke zum Gegenstand hat, ergibt sich eine solche Limitierung auch nicht aus den für anwendbar erklärten Regelungen der RBewDV und dem DDR-Bewertungsgesetz.

(bb) Entgegen der Auffassung der Kläger führt die fehlende Regelung jedoch nicht dazu, dass der Abschlag i. S. des § 86 BewG keine Begrenzung erfährt. Denn nutzbare Gebäude sind, selbst wenn sie ihre theoretische Lebensdauer überschritten haben sollten, am Markt nicht wertlos. Diesem Erfahrungssatz trägt die Restwertregelung des § 86 Abs. 3 BewG Rechnung. Insoweit beinhaltet die für das Beitrittgebiet geltende Bewertungsnorm des § 129 BewG eine planwidrige Regelungslücke, die bei der Ermittlung des gemeinen Wertes unter Rückgriff auf den in § 86 Abs. 3 Satz 1 BewG enthaltenen Rechtsgedanken zu schließen ist. Der entsprechenden Anwendung steht das Analogieverbot nicht entgegen, da planwidrige Regelungslücken bei Vorliegen eindeutiger Rechtsprinzipien auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen im Wege der Analogie ausgefüllt werden können (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1983 IV R 175/79, BStBl II 1984, 221). Im Hinblick auf den im Sach- und Ertragswertverfahren nicht unterschiedlich zu behandelnden Zustand der Gebäudesubstanz ist ferner beachtlich, dass der Gesetzgeber wegen der desolaten Bausubstanz im Beitrittgebiet mit dem durch Art. 6 des Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes vom 27. September 1994 (BGBl. I 2624) rückwirkend zum 1. Januar 1991 eingefügten § 129a BewG den Umfang der Abschläge im Rohmietenverfahren gegenüber § 37 RBewDV erweitert hat. Bei derselben Ausgangslage muss diese Motivation unter Gleichheitsgesichtpunkten ebenfalls bei der Anpassung der Abschlagsregelung für das Sachwertverfahren beachtet werden. Warum die Verwaltung ihre Erlasse für das Sachwertverfahren bislang nicht entsprechend angepasst hat, ist insoweit unverständlich.

c) Daneben ist wegen behebbarer Baumängel, die weder bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswertes noch bei der Wertminderung wegen Alters berücksichtigt worden sind, in entsprechender Anwendung des § 87 BewG i.V.m. Abschnitt 43 BewGr. ein weiterer Abschlag zu machen. Über dessen Umfang haben sich die Parteien einvernehmlich verständigt, so dass der Senat keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung sieht. Hiernach ist zunächst die Wertminderung wegen Alters vom Gebäudenormalherstellungswert abzusetzen und der verbleibende Wert sodann um den Vomhundertsatz des behebbaren Bauschadens zu mindern. Dabei ist die Maximierung des Abschlags auf den Restwert i. S. des § 86 Abs. 3 BewG nach Auffassung des Senats nicht geboten, weil behebbare Schäden bei der Ermittlung der Lebensdauer des Gebäudes ausdrücklich ausgeschlossen bleiben. Zudem lässt § 86 Abs. 3 Satz 1 BewG bei außergewöhnlicher Wertminderung das Überschreiten der Restwertgrenze ausdrücklich zu. Solche außergewöhnlichen Umstände hält der Senat im Hinblick auf die beschriebene bauliche Situation und den Erhaltungszustand des Gebäudes, die dessen regelmäßige Nutzungsfähigkeit außergewöhnlich beeinträchtigen, teilweise sogar ausschließen und dessen Lebenszeit erheblich verkürzt, für gegeben.

d) Weiter entspricht die Umsetzung des Denkmalerlasses durch die Datenverarbeitung im Streitfall bei dem Gebäude, das im Hauptfeststellungszeitpunkt bereits älter als 60 Jahre war, nicht der durch §§ 85, 88 BewG vorgegeben Reihenfolge der Abschläge bei der Ermittlung des Gebäudewertes. Der Zu- oder Abschlag i. S. des § 88 BewG ist für Umstände objektiver Art, wie sie die rechtliche Beschränkung durch den Denkmalschutz darstellen, zwingend auf der Stufe des Gebäudesachwertes, die der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswertes nachfolgt, vorzunehmen. Aus diesem Grund ist der vom Beklagten allgemein praktizierte Abzug des Denkmalabschlags vom Gebäudenormalherstellungswert vor Abzug der Abschläge für die Alterswertminderung bzw. Wertminderung wegen behebbarer baulicher Schäden und Mängel falsch. Durch das Stufenverhältnis ist die dem Gebäudenormalherstellungswerte immanente Restwertbegrenzung unerheblich, so dass beide Abschläge nebeneinander zu gewähren sind. Da im Streitfall das Bewertungsobjekt wegen des Denkmalschutzes im Inneren und Äußeren erheblichen Bau- und Nutzungsbeschränkungen unterworfen ist, hält der Senat den vom Beklagten in Ansatz gebrachten Abschlag von 10 v. H. für zutreffend. Einen weiteren Abschlag für die Lage im Wasser können die Kläger hingegen nicht beanspruchen, da dieser Umstand schon bei der Ermittlung des Raummeterpreises bzw. der Nutzflächen zum Tragen gekommen ist.

3) Der Einheitswert für das Bewertungsobjekt errechnet sich danach unter Ansatz der zu berücksichtigenden Kubatur:

a) Der in die Bewertung einfließende Rauminhalt des Gebäudes beträgt von den Maßangaben und der tatsächlichen Verständigung der Parteien ausgehend 1.952 m3 (Wohnung anteiliger Rittersaal, anteiliges Treppenhaus und anteiliger Keller). Er errechnet sich gemäß den Angaben der Parteien wie folgt:

Wohnungsteil |1.575,78 m3

Treppenhaus:

 EG 8,9 m x 6,7 m x 3,4 m =202,74 m3
I. OG 8,9 m x 6,7 m x 3,9 m =232,55 m3
II. OG 8,9 m x 6,7 m x 3,1 m =184,85 m3
Gesamt:620,14 m3
1/4 Ansatz 155,03 m3

Rittersaal:

 109,98 m2 x 3,9 m =428,92 m3
Ansatz 142,97 m3

Kubatur der beiden Kellerräume:

Gewölbekeller groß: (0,5 m +5 m +1,4 m) x (19,15 m + 1,6 m + 1,5 m) x 3,4 m = 521,98 m3

Tonnengewölbe: (1,6 m + 5,35 m+ 0,55 m) x (1,2m + 5,5 m + 0,5 m) x 3,4 m = 183,60 m3 KG

gesamt:

 Haupthaus 22,35 m x 14,10 m x 3,4 m =1.071,45 m3
Anbau 5,20 m x 7,54 m x 3,4 m =133,30 m3
 1.204,75 m3
./. Gewölbe und Tonnenkeller705,58 m3
./. Treppenhaus EG202,74 m3
Heizungskeller + Vorraum:296,43 m3
1/4 Ansatz: 74,10 m3

b) Einheitswert:

 Geminderter Bodenwert wegen Denkmalschutz 2.236 DM
Gebäudenormalherstellungswert des Herrenhauses: 1.947 m3 x 20 DM =38.940 DM 
Abschlag wegen Alterswertminderung 70 v.H.27.258 DM 
Abschlag gegen behebbarer Baumängel 40. v.H.4.672 DM  
Gebäudesachwert:7.010 DM  
Denkmalabschlag 10% (Tz. 2.2.4 Denkmalerl.)701 DM  
Gekürzter Gebäudewert 6.309 DM
Gebäude 200 bis 600 ..155 DM
EW 8.700 DM
Umrechnung  4.448 EUR

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, da die Kläger nur zum geringen Teil unterlegen sind. Für die Zulassung der Revision sieht das Gericht keinen Anlass, § 115 Abs. 2 FGO.



Ende der Entscheidung

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