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Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: II 844/06
Rechtsgebiete: StromStG


Vorschriften:

StromStG § 9 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts

aufgrund der mündlichen Verhandlung in der Sitzung am 31.07.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Auslegung der Tatbestandsmerkmale des "Betreiben oder Betreiben lassen" für die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Stromsteuergesetzes in der bis zum 31.7.2006 geltenden Fassung (StromStG).

Die Klägerin SEV ist eine Tochtergesellschaft der ehemaligen SEAG Saar Energie (jetzt EVONIK New Energies GmbH; folgend: EVONIK). Zusammen mit der EVONIK und der Stadt S. schloss sie einen Rahmenvertrag über ein Contracting-Projekt zur Errichtung eines Blockheizkraftwerks (BHKW) in den Räumen eines ehemaligen Heizkraftwerks der Stadtwerke S. Das in 2005 fertig gestellte BHKW verfügt über eine elektrische Nennleistung bis zu zwei Megawatt. Der Strom wird an Letztverbraucher geleistet, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen.

Planung, Finanzierung, Bau und Betrieb des BHKW oblagen nach §§ 2 und 3 des Rahmenvertrages der EVONIK. Die technische Betriebsführung, die u.a. den laufenden Betrieb und die damit verbundene Kontrolle sowie die Wartung der gesamten Anlage nach einem Pflichtenheft umfasst, übertrug die EVONIK in einem sog. "Betriebsführungsvertrag" unter ausdrücklichem Vorbehalt des Weisungsrechts auf die Klägerin. Ansonsten verblieb die Betriebsführung bei der EVONIK. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsführungsvertrag, insbesondere auf die Aufzählung des von der Klägerin zu erbringenden Leistungsumfangs im Anhang 4 des Vertrages Bezug genommen.

Die Einspeisung der mit dem BHKW erzeugten Wärme und Strom in das örtliche Fernwärme- bzw. Stromnetz der Klägerin erfolgt auf der Grundlage der zwischen der EVONIK und der Klägerin abgeschlossenen Einspeiseverträge. § 1 des Stromeinspeisevertrags lautet:

"Die SEAG (jetzt EVONIK) speist als Betreiberin im Sinne des § 3 Abs. 10 KWKG (Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz) ihren in der KWK-Anlage erzeugten Strom unmittelbar in das Netz der SEV ein."

Die Klägerin wiederum leistet den Strom auf eigene Rechnung an die Letztverbraucher. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen.

Die EVONIK behandelte den in der Anlage erzeugen Strom als steuerfrei und führte das BHWK in ihrer ansonsten als Versorger beim HZA Saarbrücken gemäß § 8 StromStG abgegebenen Steueranmeldung für das Jahr 2005 nicht an.

Mit einem Schreiben vom 28.07.2005 erkundigte sich die Klägerin beim Beklagten, ob das BHKW dem Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG unterfalle.

Der Beklagte fasste das Schreiben als Antrag auf Befreiung von der Stromsteuer nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG auf und forderte weitere Unterlagen zur Prüfung an.

Die steuerfreie Entnahme versagte er mit Bescheid vom 20.06.2006.

Der Einspruch blieb erfolglos. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin erfülle nicht das Tatbestandsmerkmal des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG, wonach der Strom von demjenigen zu leisten sei, der die Anlage betreibe oder betreiben lasse.

Denn im Streitfall leiste nicht die Klägerin, sondern die EVONIK, die das BHKW betreibe bzw. von der Klägerin betreiben lasse.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 28.09.2006 hat die Klägerin am 25.10.2006 Klage erhoben, die sie im Wesentlichen mit den nachstehenden Argumenten begründet:

Den in der KWK-Anlage erzeugten Strom dürfe die Klägerin steuerfrei an ihre Kunden leisten, da die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG erfüllt seien.

Denn der Strom werde von demjenigen, der die Anlage betreibe oder betreiben lasse, entnommen. Nach dem Gesetz, das eine objektbezogene Förderung beinhalte, seien rechtliche Gestaltungen letztlich egal. Es sei unerheblich, welche (Rechts-)Person den Strom leiste, solange der Strom im räumlichen Zusammenhang mit seiner Erzeugung an den Letztverbraucher gelange. Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung müsse der Strom zudem nicht an Letztverbraucher geleistet werden.

Das verlange weder § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG in der bis 31.7.2006 geltenden Fassung noch habe die EVONIK als Versorger Strom an die Klägerin geleistet.

Die rein formalistisch begründete Rechtsauffassung des Beklagten, wonach die EVONIK den Strom an die Klägerin und damit nicht unmittelbar an Letztverbraucher leiste, werde dem Sinn und Zweck der Steuerbefreiung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht gerecht. Sie stehe außerdem im Widerspruch zu dem BMFSchreiben vom 18.10.2004 - III A 1 -V 4250-9/04 (VSF N 78 2004). Das dort unter Rn. 21 genannte Beispiel für eine Steuerbefreiung treffe auf den Streitfall zu. Das Merkmal der "Leistung an einen Letztverbraucher" sei erst mit Wirkung ab 1.8.2006 in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG aufgenommen worden. Aber auch nach der Novellierung unterscheide das Gesetz nicht danach, ob derjenige, der die Anlage betreibe oder betreiben lasse, den Strom entnehme. Dies sei für die Steuerbefreiung unerheblich.

Ziel der nachträglich mit dem Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16.12.1999 (BGBl. I S. 2432) zum 01.01.2000 eingeführten Steuerbefreiung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG für die Fälle des so genannten Contracting sei die Förderung einer dezentralen objektbezogenen Erzeugung und zur Verfügungstellung von Strom gewesen (vgl. Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 9.11.1999, BT-Drucks. 14/2044 zu Art. 2 Nr. 5). Letzteres habe der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 20.04.2004 (VII R 44/03, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2004, 1357) ausdrücklich betont. Die Förderung des Contractings sei daher einzig an der Objektbezogenheit zu messen. Deswegen seien die Eigentumsverhältnisse für die Beurteilung irrelevant. Denn der Bau von Anlagen bis 2 MW elektrische Nennleistung habe auch dort privilegiert werden sollen, wo der Strom nicht zum Eigenverbrauch eingesetzt werde. Der Wille des Gesetzgebers sei auf die zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen nötige Gleichbehandlung der Contracting-Fälle mit der Eigenerzeugung aus kleinen Stromerzeugungsanlagen gerichtet gewesen. Maßgebend für die begehrte Steuerbefreiung sei allein die Beziehung der Klägerin zu ihren Kunden, nicht dagegen das Verhältnis des Energieversorgungsunternehmens, das derartige Anlagen betreibe, zu seinem eigenen Kunden, hier der Klägerin. Auf das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechtssubjekten komme es für die Entstehung der Steuerschuld nicht an. Die Auffassung des Beklagten, dass im Streitfall der eigentliche Anspruchsinhaber die EVONIK sei, diese jedoch die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG nicht erfülle, weil sie den Strom lediglich in das Netz der Klägerin einspeise und nicht an Letztverbraucher leiste, finde im Gesetz keine Stütze.

Unabhängig hiervon sei die Klägerin stromsteuerlich als Anlagenbetreiberin anzusehen.

Das Vertragswerk sei so zu verstehen, dass der Strom gezielt aus dem BHKW an Endkunden geliefert und damit auch von dessen Betreiber an diese "geleistet" werden sollte. Dann hätte die SEAG, wäre sie Anlagenbetreiber, direkt gegenüber Endkunden das Kriterium der "Leistung" erbracht, und die Klägerin wäre, immer auf der Grundlage der Ansicht des Beklagten, nur mittelbarer Stellvertreter der SEAG.

Aber selbst wenn es auf die Person des Anlagenbetreibers für die Befreiung von der Stromsteuer ankäme, sei der Willen der Parteien zu beachten, die ein Contracting- Modell wollten. Ausschließlich die Klägerin habe in die Lage versetzt werden sollen, ihre in unmittelbarer Nähe zum BHKW befindlichen Kunden mit BHKW-Strom zu versorgen.

Gleichfalls sollte nur ihr die Stromsteuerbefreiung zugute kommen. Dies zeige die Rabattierungsregel im Wärmelieferungsvertrag für den Fall, dass der Strom im Verhältnis zu den Letztverbrauchern nicht der Steuerbefreiung unterliege. Stromsteuerlich sehe der Beklagte in seiner Argumentation die Klägerin zudem selbst als Anlagenbetreiberin an.

Während des Klageverfahrens hat die Klägerin am 25.04.2006 die Stromsteuererklärung für Jahr 2005 abgegeben. Die in dem BHKW erzeugte und in ihr Netz eingespeiste Menge von 8.655,121 MWh Strom hat sie zunächst dem Regelsteuersatz unterworfen. Dem ist Beklagte zunächst antragsgemäß gefolgt. Im März 2007 hat die Klägerin ihre Anmeldung berichtigt. Neben einer weiteren hier nicht streitigen Position hat sie nunmehr die Erstattung der auf diese Strommenge entfallenden Steuer in Höhe von 177.429,98 EUR begehrt. Dem ist der Beklagte im Erstattungsbescheid vom 16.05.2007 nur hinsichtlich einer hier nicht streitigen Position nachgekommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 20.6.2006, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.9.2006 aufzuheben und die Steueranmeldung vom 25.04.2006, geändert durch den Erstattungsbescheid vom 16.05.2007, dahingehend zu ändern, dass eine Strommenge in Höhe von 8.655,121 MWh steuerfrei belassen wird.

Die Klägerin regt ferner die Zulassung der Revision an.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Vorverfahren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1.

Der Erstattungsbescheid vom 16.05.2007 ist gem. § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens geworden, obwohl die Klage sich ursprünglich gegen einen Bescheid richtete, der ohne entsprechenden Antrag erging und keine Steuerfestsetzung enthielt. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Tatbestandsmerkmale des § 68 FGO zur Gewährung umfassenden Rechtsschutzes weit auszulegen. Die zur Auswechslung der Verfahrensgegenstände führende Ersetzung oder Änderung des ursprünglichen Bescheids wird deshalb bei Sachverhalten angenommen, in denen der Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids durch die Änderung unberührt bleibt oder nur der Rechtsschein der Korrektur bewirkt wird (vgl. von Groll in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 68 Rd. 60 ff. FGO m.w.N.). Ungeachtet dessen besteht im Streitfall die für die Anwendung der Norm erforderliche sachliche Beziehung zwischen den beiden Verwaltungsakten in einer Überdeckung der Streitgegenstände.

Obwohl der Ablehnungsbescheid ohne Antrag erging, erschöpfen sich seine Rechtswirkungen nicht in einem bloßen Rechtsschein. Denn er verneint das Recht auf steuerfreie Entnahme von Strom nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG, die zum damaligen Zeitpunkt gem. § 10 der Verordnung zur Durchführung des Stromsteuergesetzes (StromStV) allgemein erlaubt war. Die Negation der Tatbestandvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG im Bescheid vom 20.06.2006 liegt ebenfalls der Festsetzung der Stromstreuer zum Regelsteuersatz im Bescheid vom 20.06.2006 zugrunde, sodass der für die Anwendung des § 68 FGO notwendige Regelungszusammenhang zwischen dem ursprünglichen und dem neuen Verwaltungsakt nach Auffassung des Senats besteht.

2.

In der Sache hat die Klage allerdings keinen Erfolg. Der Beklagte hat die begehrte Stromsteuerbefreiung der Klägerin zu Recht verwehrt. Nach der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG ist Strom unter weiteren nicht streitigen Voraussetzungen von der Steuer befreit, wenn er von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, geleistet wird.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann der Sachverhalt nicht so beurteilt werden, dass die Personenverschiedenheit zwischen ihr, der lediglich die technischen Betriebsführung obliegt, und der EVONIK, der wirtschaftlichen Betreiberin der Anlage, die zugleich über den Strom verfügungsberechtigt ist, für die Stromsteuerbefreiung dahinstehen kann, sodass die Gestaltung gleichwohl unter § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG subsumiert werden kann.

Das Stromsteuergesetz enthält unmittelbar keine Definition der vorstehenden Tatbestandsmerkmale.

Die Bestimmung ist folglich zur Ermittlung des objektivierten Willens des Gesetzgebers nach Wortlaut und Sinnzusammenhang auszulegen (vgl. BFH Urteil vom 20.04.2004 VII R 57/03, BFH/NV 2005, 578).

Mit der Klägerin ist davon auszugehen, dass die nachträglich mit Wirkung zum 01.01.2000 in das StromStG eingefügte Vorschrift die Fälle des sog. Contracting regeln sollte, in denen in Abkehr von dem bislang üblichen überregionalen Versorgungssystem Strom objektbezogen produziert und zur Verfügung gestellt wird (BTDrucks 14/2044, 11). Ebenso sind nach dem Wortlaut der Norm die Eigentumsverhältnisse an einer unter § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG fallenden Anlage für die Stromsteuerbefreiung irrelevant. Soweit die Klägerin die Norm jedoch so versteht, dass ausschließlich die Merkmale des räumlichen Zusammenhangs und die Leistung an den Letztverbraucher für die Tatbestandserfüllung kausal seien, kann ihr der Senat nicht folgen. Bereits die am Wortlaut der Norm orientierte grammatikalische Auslegung widerspricht diesem Ergebnis. Das Kriterium "und von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, geleistet wird" statuiert ein zusätzliches Tatbestandselement für die Gewährung der Steuerfreiheit, indem ein personales Merkmal geschaffen wird, das explizit auf die Person des Leistenden abstellt. Nach Auffassung des Senats unterfallen deshalb nur die Fallkonstellationen der Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG, in denen entweder die Person des Betreibers den Strom unmittelbar an Letztverbraucher leistet oder der Strom von demjenigen geleistet wird, der die Anlage von einem Dritten betreiben lässt. Der Wortlaut der Norm erfasst hingegen keine Leistungsbeziehungen in denen - wie hier- der Erzeuger den Strom an einen Versorger leistet, der ihn im nächsten Schritt an die Letztverbraucher leistet (vgl. hierzu die im Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 18.10.2004 III A 1 - V 4250 - 9/04 gebildeten Beispiele).

Nach den vom Senat festgestellten tatsächlichen Verhältnissen erfolgt die Leistung des Stroms gegenüber dem Letztverbraucher durch die Klägerin weder als die Person, die die Anlage betreibt noch als Person, die die Anlage betreiben lässt. Denn Betreiber der Anlage i. S. des StromStG ist die EVONIK. Leistender gegenüber dem Letztverbraucher ist die Klägerin. Einer abweichenden Beurteilung stehen die Verhältnisse, wie sie in den Verträgen zwischen der Klägerin und der EVONIK zum Ausdruck kommen und die so tatsächlich praktiziert werden, entgegen. Die Klägerin ist mit der technischen Betriebsführung nicht Betreiberin der Anlage i.S. des StromStG. Der EVONIK verbleibt die volle Verfügungsgewalt (Weisungsrecht!) über die Anlage und den in ihr erzeugten Strom. Der "Verkauf" an die Klägerin zeigt, dass die Parteien hiervon selbst ausgehen. Die Erwägungen der Klägerin zu ihrer Betreibereigenschaft gehen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen fehl. Denn selbst mit der von der Klägerin geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise i.S. des § 39 der Abgabenordnung (AO) kann ihr steuerlich kein Eigentum an dem in dem BHKW erzeugten Strom zugerechnet werden. Die Klägerin hat keinerlei Möglichkeit die EVONIK, ihre Konzernmutter, tatsächlich oder zumindest faktisch von der Verfügungsmöglichkeit über den in der Anlage erzeugten Strom auszuschließen. Dies verdeutlicht der Einspeisevertrag zwischen der Klägerin und der EVONIK, worin die Klägerin den Strom zunächst von der EVONIK erwirbt, um ihn dann in ihr Versorgungsnetz einzuspeisen. Damit leistet die Klägerin den Strom nicht an die EVONIK.

Die Leistungsbeziehung ist vielmehr umgekehrt, indem die EVONIK den Strom an die Klägerin veräußert. Den so erworbenen Strom leistet die Klägerin wiederum über ihr Netz an Letztverbraucher. Mithin leistet die EVONIK nicht an den Letztverbraucher.

Das erfolgt ausschließlich über die Klägerin.

Neben der grammatikalischen Auslegung ergibt sich dieses Ergebnis auch aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Denn nach der ursprüngliche Fassung des StromStG, insbesondere wegen § 2 Nr. 1 i.V.m. § 5 StromStG, wäre bei einem Contracting-Modell der Betreiber einer ansonsten begünstigten Anlage als Versorger anzusehen gewesen, wenn er den Strom nicht selbst verbraucht, sondern an andere Letztverbraucher geleistet hätte (vgl. BFH Urteil vom 20.04.2004 VII R 57/03, BFH/NV 2005, 578). Ohne die Regelung der Steuerbefreiung in § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG hätte dies zur Steuerpflicht des Betreibers als Versorger geführt. Insoweit muss der Leistende, um den typischen Contracting Fällen Rechnung zu tragen, zumindest Anlagenbetreiber sein. Hiervon scheint auch der BFH in seiner Argumentation auszugehen, wenn er ausführt, dass die Steuerbefreiung auch dann gewährt wird, wenn der vom Anlagenbetreiber nicht selbstverbrauchte Strom an andere Letztverbraucher geleistet wird (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2004 VII R 54/03, a.a.O., unter II 1 b) aa)).

Ferner wird dieses Normverständnis auch durch die Neufassung des § 9 Abs. 1 Nr. 3 StromStG im Zuge des Gesetzes zur Neuregelung der Besteuerung von Energieerzeugnissen und zur Änderung des Stromsteuergesetzes vom 15.07.2006 (BGBl. I S. 1534), die in Verbindung mit der Neufassung des § 2 Nr. 2 StromStG steht, belegt.

Die ursprünglich mittelbare Befreiung für Eigenerzeuger ist nunmehr aus gesetzessystematischen Gründen als unmittelbare Befreiungstatbestand ausgestaltet und in § 9 Abs. 1 Nr. 3 a StromStG geregelt worden (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/1172 zu Art. 2 Nr. 2 S. 46). Insoweit hat der Schluss der Klägerin, dass aus § 1 Abs. 4 StromStV, wonach die Steuerentstehung begrifflich die Leistung eines Versorgers an Letztverbraucher erfordere und sie deshalb steuerfrei an die Letztverbraucher leisten könne, keine Grundlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Für die Zulassung der Revision sieht der Senat keinen Anlass, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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