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Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 18.07.2006
Aktenzeichen: II 849/03
Rechtsgebiete: InvZulG 1999


Vorschriften:

InvZulG 1999 § 2 Abs. 1 S. 1
InvZulG 1999 § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung in der Sitzung am 18. Juli 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der geänderte Bescheid über Investitionszulage 2000 vom 1. April 2003, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2003, wird aufgehoben.

2. Unter Änderung des Investitionszulagebescheids 2001 vom 1. Juli 2002, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2003, wird die Investitionszulage insgesamt auf 604.905,33 EUR festgesetzt.

3. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Strittig ist, ob die Anschaffung von auf Datenträgern erfassten Gebäudekoordinaten nach dem Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG) förderfähig ist.

Die Klägerin, ein Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co KG, erstellt unter Verwendung primärer Geodaten (Geopunkte) für Computer verarbeitbare "geocodierte Objekte". Diese werden z.B. in digitalen Karten für Navigationssysteme, bei der Immobilienbewertung oder bei der Raumplanung etc. eingesetzt. Die benötigten Rohdaten ließ die Klägerin von einer Fremdfirma auf der Grundlage eines im Jahr 2000 abgeschlossenen Werkvertrages erheben. Nach § 7 des Vertrages steht der Klägerin das ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an den Geopunkten zu. Hinsichtlich der genauen Einzelheiten wird auf den Vertrag der Investitionszulagenakte 2001 Bezug genommen.

Zur Erhebung der Rohdaten fertigte der Werkunternehmer zunächst sich überlappende Luftbilder der gesamten Erdoberfläche der Bundesrepublik Deutschland an. Die Aufnahmen wurden zur Beseitigung von Verzerrungen bearbeitet und daraus mit Hilfe der geografischen Längen- und Breitengrade die nach dem Werkvertrag bestellten Informationen, die (WGS84-) Koordinaten von ca. 16 Millionen Gebäudemittelpunkten (= der Gebäudebestand der Bundesrepublik), ermittelt. Jede einzelne der von der Klägerin als Geopunkt bezeichneten Gebäudekoordinate ist mittels der geografischen Längen- und Breitengrade mathematisch bestimmbar und lässt sich so unabhängig von den zur Erhebung benötigten Landkarten darstellen. Die Koordinaten erhielt die Klägerin in Form von auf mehreren CD-ROM gelisteten Zahlenkolonnen. Die Datenträger beinhalten unstreitig keinerlei Systemprogramme oder Befehlsstrukturen. Ihr Inhalt ist auf die Speicherung der die Koordinaten bestimmenden mathematischen Werte in Form von Zahlenfolgen beschränkt.

Die so bezogenen Koordinaten gaben Mitarbeiter der Klägerin selektiv in ein von ihr entwickeltes Softwareprogramm ein. Hierzu wurden die Koordinaten entweder als Listen ausgedruckt oder am Monitor dargestellt. In beiden Fällen wurde dann jede einzelne Koordinate - durch direkte Tastatureingabe oder mittels Bildschirmkopie - manuell zur Weiterverarbeitung in das Programm der Klägerin eingegeben. Hierbei wurde nochmals die Übereinstimmung der tatsächlichen Gebäudemittelpunkte mit den Koordinaten überprüft und, soweit erforderlich, vor Ort die Lage der Geopunkte abgeglichen. Weiter wurde die Verknüpfung der Geodaten zu den geocodierten Objekten durch Hinzufügen spezifischer Sachangaben, wie den zu den Gebäuden gehörigen Straßennamen, Hausnummern, Städtenamen, Postleitzahlen oder ähnlicher Informationen hergestellt.

Im Jahr 2000 wandte sich die Klägerin an das für sie örtlich zuständige Finanzamt, um die Förderfähigkeit des Erwerbs der Geopunkte nach dem Investitionszulagengesetz 1999 zu klären. Unter Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Auskunft teilte ihr das Finanzamt mit, es sehe die CD-ROM mit den Geopunkten als bewegliche Wirtschaftsgüter an.

Neben anderen Wirtschaftsgütern beantragte die Klägerin für das Kalenderjahr 2000 am 2. April 2001 für die ersten zum Preis von 1.215.000 DM angeschafften Geopunkte eine Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz 1999 in Höhe von 25 v. H..

Der Beklagte folgte dem Antrag nur eingeschränkt. Den Zulagesatz für die unter der Position 1 aufgeführten Geopunkte reduzierte er auf 20 v. H. Die Investition sei nach den vorgelegten Unterlagen schon in 1999 begonnen worden. Ferner versagte er die Zulage für die in Pos. 15 enthaltenen Anschaffungskosten für die Zeiterfassungssoftware in Höhe von 1.980,48 DM. Die Zulage setzte er ansonsten unter Begünstigung der Anschaffungskosten für die Geopunkte mit dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Bescheid vom 1. August 2001 auf 363.128,00 DM (185.664,39 EUR) fest. Die Zulage für die Anschaffungskosten in Höhe von 8.505 DM der Pos. 19 - digitale Daten der Stadt H. - gewährte er.

Abgesehen von weiteren hier nicht streitigen Wirtschaftsgütern beantragte die Klägerin am 22. April 2002 auch für die in 2001 angeschafften Geopunkte eine Investitionszulage in Höhe von 25 v. H. der Anschaffungskosten von 4.366.187,63 DM.

Im Gegensatz zum Vorjahr gelangte der Beklagte im Zuge einer Nachschau zu der Überzeugung, dass es sich bei den angeschafften Geopunkten nicht um materielle, sondern um nach dem Investitionszulagengesetz nicht förderbare immaterielle Wirtschaftsgüter handele. Die Geopunkte könnten als Datensammlung im Unterschied zu Computerprogrammen auch nicht ausnahmsweise als materielle Wirtschaftsgüter gelten. Nach der Rechtsprechung komme dies nur für solche Programme in Betracht, die keine Befehlsstrukturen und lediglich Daten enthielten, die allgemein bekannt und jedermann zugänglich seien. Programme mit Datenbeständen, wie beispielsweise Kundenkarteien, Verlagsarchiv oder Adressen, mit deren Hilfe Adressbücher gedruckt würden, seien hingegen nach der Rechtsprechung als immaterielle Wirtschaftsgüter zu qualifizieren (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 2. September 1988 III R 38/84, Bundessteuerblatt - BStBl - II, 1989, 160). Unter Hinweis auf diese Rechtsprechung sowie auf den Umstand, dass die erworbene Datensammlung nur für die Klägerin von Wert sei und die Verwertungsbefugnis ausschließlich bei der Klägerin liege, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. Juli 2002 die Gewährung der Zulage für die Anschaffungskosten der Geopunkte (Pos. 2 bis 14) ab. Daneben versagte er für die Pos. 15, 17, 24, 28 und 48 aus anderen Gründen die Zulage. Letztere Positionen sind im Folgenden nicht mehr streitig. Für die unstreitigen Wirtschaftsgüter setzte er die Zulage auf 49.84,22 EUR fest (Bemessungsgrundlage 389.952 DM).

Auf Grundlage dieser Entscheidung änderte der Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2003 auch den Zulagenbescheid für das Jahr 2000. Er versagte nunmehr die zuvor für die Anschaffung der Geopunkte gewährte Zulage. Die Investitionszulage reduzierte er auf 67.628,00 DM (34.577,65 EUR) und forderte die insoweit überzahlte Investitionszulage in Höhe von 151.086,75 EUR einschließlich Zinsen zurück. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Gegen den ablehnenden Bescheid für 2001 und den geänderten Bescheid für 2000 legte die Klägerin am 22. Juli 2002 bzw. 1. April 2003 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor: Die Geopunkte seien lediglich eine besondere Form von Landkarten. Wegen des Umfangs habe sie die Karten lediglich auf CD-ROM in digitaler Form bezogen. Bei einem Ausdruck im Format DIN A 4 hätte sie ansonsten ca. 1,5 bis 2 Millionen Blatt Papier erhalten, was wegen der damit verbundenen Logistikkosten nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik entspräche. Insoweit seien die Geopunkte mit gewöhnlichen Büchern, Atlanten und dergleichen vergleichbar. Sie stellten keine Softwareprogramme dar. Die CDs enthielten lediglich einen fotografisch gewonnenen Datenbestand, der auf Wunsch gegen entsprechende Vergütung jedermann zur Verfügung stehe.

Das vom Beklagten angeführte Urteil des BFH vom 2. September 1988 III R 38/84 (BStBl II, 1989, 160) träfe im Streitfall nicht zu, da die Datenbestände nicht einfach (z. B durch Kopierfunktion) in andere Dateien übernommen werden könnten. Die Geopunkte seien vielmehr mit Computerprogrammen vergleichbar, die Bestände von Daten (z. B. mit Zahlen und Buchstaben) enthielten, die nach dem Urteil vom 5. Februar 1988 III R 49/83 (BStBl II 1988, 737) begünstigt seien. Denn die auf den CD-ROM gespeicherten Koordinaten der Gebäudemittelpunkte seien für sich weder sinnvoll nutzbar noch systematisch abrufbar. Erst durch die Eingabe in das selbst entwickelte Programm unter Hinzufügung der Adressdaten entstehe ein systematisch abrufbarer Datenbestand. Danach könnten die Daten als geocodiert gelten sowie beliebig verändert und ausgelesen werden.

Die Klägerin ist weiter der Meinung, der Streitfall beinhalte eine bislang vom Bundesfinanzhof noch nicht entschiedene Fallkonstellation. Außerdem stammte die maßgebende Rechtsprechung aus der "digitalen Postkutschenzeit". Sie sei auf die hier anstehenden technischen Fragen nicht übertragbar. Weiter führte sie sinngemäß Vertrauensschutzgründe gegen die Versagung bzw. Rückforderung an. Sie habe sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln schon im Vorfeld der Investitionen um größtmögliche Planungssicherheit bemüht. Durch den Zeitablauf und nach der vorab eingeholten Auskunft sei zu ihren Gunsten ein Vertrauenstatbestand entstanden, dem weder der Vorbehalt der Nachprüfung noch der Hinweis auf die Unverbindlichkeit der Auskunft entgegengehalten werden könne. Das Finanzamt hätte bei dem gegebenen Sachverhalt die Förderfähigkeit bereits bei der Überprüfung des ersten Antrages ggf. im Rahmen einer Außenprüfung rechtsverbindlich klären müssen. Im Hinblick auf die Kombination mit den anderen Fördermitteln, die Größenordnung der anteiligen Förderung nach dem Investitionszulagengesetz und die Auskunft sei deshalb der dem Finanzamt eröffnete Beurteilungsspielraum erheblich eingeengt.

Die Einsprüche blieben erfolglos. In den Einspruchsentscheidungen vom 4. Juli 2003 vertrat der Beklagte - nach vorheriger Erörterung der Sach- und Rechtlage mit der Klägerin und dem Thüringer Finanzministerium - die Auffassung, dass es sich bei den Geopunkten um nach dem Investitionszulagengesetz nicht förderbare immaterielle Wirtschaftsgüter handele. Grundsätzlich sei bei der Abgrenzung zwischen materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern auf das Kriterium der Körperlichkeit abzustellen. Weitere Abgrenzungskriterien bildeten das wirtschaftliche Interesse an dem Wirtschaftsgut, die Wertrelation zwischen materiellen und immateriellen Komponenten und die Vervielfältigungsmöglichkeiten des Vermögensgegenstandes. Unstreitig handele es sich bei den angeschafften CD-ROM's nicht um von der Förderung ausgeschlossene Software mit Befehlsstrukturen. Hingegen seien die Geopunkte entgegen der Darstellung der Klägerin aber keine Bestände allgemein bekannter Daten, denen kein besonderer geistiger Gehalt bzw. wirtschaftlicher Wert zukomme. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin die Daten als wesentliche Geschäftsgrundlage erworben. Entgegen dem von ihr angeführten Vergleich mit Büchern, Lexika oder Atlanten seien die Daten nicht jedermann gegen eine entsprechende Vergütung zugänglich. Denn das ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht an den Geopunkten liege ausschließlich bei ihr. Damit entstehe ihrem Unternehmen ein besonderer wirtschaftlicher und betrieblicher Vorteil. Rechte und Rechtspositionen, z. B. Nutzungsberechtigungen und rein wirtschaftliche Werte, gehörten jedoch zu den immateriellen Wirtschaftsgütern. Denn der Schwerpunkt des Wirtschaftsgutes, dessen unkörperliche Substanz mit einem körperlichen Gut verknüpft sei, liege im Besonderen in seinem wirtschaftlichen Wert.

Zur Begründung ihrer am 5. Januar 2006 eingegangene Klage gegen die beiden Einspruchsentscheidungen vom 4. Juli 2003 beruft sich die Klägerin im Wesentlichen auf ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren.

Die Klägerin hat während des Klageverfahrens Insolvenz angemeldet. Von der Rückforderung der Zulagen für die Streitjahre hat der Beklagte abgesehen, nachdem das Amtsgericht den von der Klägerin vorgelegten Insolvenzplan am 4. Februar 2004 nach § 248 der Insolvenzordnung (InsO) rechtskräftig bestätigt und der Insolvenzverwalter die Verbleibensvoraussetzungen für die hier nicht streitigen Wirtschaftsgüter nachgewiesen hat. Das Insolvenzverfahren ist vom Amtgericht gem. § 258 InsO aufgehoben worden.

Die Klägerin beantragt,

1. den geänderten Bescheid über Investitionszulage 2000 vom 1. April 2003, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2003, aufzuheben,

2. unter Änderung des Investitionszulagebescheids 2001 vom 1. Juli 2002, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Juli 2003, die Investitionszulage auf insgesamt 604.905,33 EUR festzusetzen.

Ferner regt sie an,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die Versagung der Investitionszulage für die Streitjahre verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei den auf CD-ROM gespeicherten Geopunkten nicht um ein von der Förderung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG ausgeschlossenes immaterielles Wirtschaftsgut.

Nach § 2 Abs. 1 und 4 Nr. 1 des InvZulG sind - neben weiteren hier unstreitigen Voraussetzungen - begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1999 begonnen und vor dem 1. Januar 2005 abgeschlossen hat. Nach Abs. 7 der Vorschrift erhöht sich die Zulage - neben weiteren hier unstreitigen Voraussetzungen - für nach dem 31. Dezember 1999 begonnene Erstinvestitionen auf 25. v. H..

Seit seiner zu § 19 des Gesetzes zur Förderung der Berliner Wirtschaft (BerlinFG) ergangenen grundlegenden Entscheidung vom 3. Juli 1987 III R 7/86 (BStBl II 1987, 728) geht der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Computerprogramme gewöhnlich keine beweglichen Wirtschaftsgüter, sondern immaterielle Wirtschaftsgüter sind. Die in dem Urteil getroffenen Aussagen, dass nur materielle, d. h. körperliche Wirtschaftsgüter, nicht hingegen immaterielle, also unkörperliche Wirtschaftsgüter zulagefähig sind, gelten nach Auffassung des erkennenden Senats gleichermaßen für das im Streitfall anzuwendende Investitionszulagengesetz 1999, da der Gesetzgeber in Kenntnis der Auslegung und Abgrenzung der Begriffe "materielle" und "immaterielle Wirtschaftgüter" durch die Rechtsprechung die bereits in § 19 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG enthaltene Formulierung "die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern" unverändert auch in § 2 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1999 übernommen hat.

Von diesem Grundsatz hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 5. Februar 1988 III R 49/83 (BStBl II 1988, 737) eine Ausnahme für möglich gehalten und ein Programm als materielles Wirtschaftsgut angesehen, wenn es keine Befehlsstruktur, sondern nur allgemein bekannte und jedermann zugängliche Daten, z. B. Zahlen und Buchstaben enthält, die bei Bedarf in den Computer eingelesen werden. Diese Ausnahme hat er weiter eingegrenzt, indem sich der Datenbestand nicht unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten als ein immaterielles Wirtschaftsgut darstellen darf. In diesem Zusammenhang verweist der BFH beispielhaft auf die Kundenkartei und das Verlagsarchiv, die beide immaterielle Wirtschaftsgüter seien. Ebenso hat er Telexadressen auf einem Magnetband einen besonderen wirtschaftlichen Wert (Vorteil) beigemessen und sie als immaterielles Wirtschaftsgut beurteilt. Der besondere Wert solcher Datensammlungen, der zur Annahme eines immateriellen Wirtschaftsgutes führe, ergebe sich aus den an den Kundenwünschen orientierten unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten. Hierin unterschieden sich Datenprogramme von reinen Buchstabenprogrammen (BFH, Urteil vom 5. Februar 1988 III R 49/83, BStBl II 1988, 737).

Unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze ist die von der Klägerin erworbene Sammlung von Geopunkten kein immaterielles, sondern ein materielles Wirtschaftsgut. Zur Überzeugung des Senats beinhalten die im Streitfall von der Klägerin erworbenen CD-ROM eine Sammlung von allgemein bekannten und jedermann zugänglichen Daten, die als bewegliches, abnutzbares Wirtschaftsgut aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Sachen zulagefähig ist.

Das vertraglich ausbedungene Alleinverwertungsrecht der Klägerin an den Geopunkten steht dem nicht entgegen. Denn das alleinige Verwertungsrecht bezieht sich nicht auf die Daten, sondern auf ihre Materialisierung in Form der Sammlung. Die Grundlage der Datensammlung besteht lediglich aus mathematisch definierten Positionsbestimmungen der Gebäudemittelpunkte des Gebäudebestandes der Bundesrepublik in Form einer Zahlenfolge, die jeder - mit entsprechenden Navigationskenntnissen - bestimmen kann. Die Koordinaten sind, wie auch die unterschiedlichen Anbieter z. T. kostenfreier digitaler Landkarten (Google Earth, NASA World Wind) zeigen, jedermann zugänglich. An den isolierten Daten kann die Klägerin keine Urheberrechte begründen. Dies wäre ihr nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes über die Urheberrechte und verwandte Schutzrechte allenfalls an der Systematik der Sammlung möglich.

Weiter weisen die Geopunkte weder als einzelne Koordinate noch in ihrer Gesamtheit die Funktion eines Computerprogramms auf. Ebenso wenig verkörpert die Sammlung ein geistig-schöpferisches Werk i. S. eines Computerprogramms. Die Sammlung beinhaltet keine irgendwie gearteten Befehlsstrukturen, die Funktionsabläufe eines Rechners steuern könnten und den geistigen Gehalt eines Computerprogramms mit den für den Anwender verbundenen Vorteilen beinhalten (vgl. BFH, Urteil vom 5. Februar 1988 III R 49/83, BStBl II 1988, 737). Im Streitfall besteht das Interesse nicht an der Nutzung des bei der Datenerhebung in die Sammlung eingeflossenen Know-How, sondern allein an dem Arbeitserfolg, wie er in den Koordinaten zum Ausdruck kommt und der anders als bei einem Programm nicht jederzeit unabhängig vom Programmentwickler wiederholbar ist. Insoweit haben die Koordinaten lediglich eine Hilfsfunktion, wie sie in der Beistellung sonstiger Arbeitsmaterialien zum Ausdruck kommt. Ihre Bestätigung findet die Bewertung des Sachverhaltes durch die Notwendigkeit der manuellen Übernahme jeder einzelnen Koordinate in das Programm der Klägerin zur Bearbeitung. Insoweit steht der Einordnung als materielles Wirtschaftsgut auch nicht ihre Digitalisierung entgegen. Denn bei der Beurteilung ist nicht auf den Vorgang, der zu dem Wirtschaftsgut hinführt, sondern auf das Wirtschaftsgut selbst unter Beachtung seiner Aufgabe und Funktion abzustellen (BFH, Urteil vom 5. Februar 1988 III R 49/83, BStBl II 1988, 737).

Die Sammlung der Geodaten stellt indes auch nicht "unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten" ein immaterielles Wirtschaftsgut dar. Anders als im vom BFH entschiedenen Fall der als Datendank aufbereiteten Telexanschlussadressen, hat die Sammlung keine über die Fixierung der Positionsbestimmung hinausgehende Funktion, wie sie ansonsten bei schnell abruf- oder änderbaren gespeicherten Daten angenommen wird und nach der Rechtsprechung einen eigenen (immateriellen) wirtschaftlichen Wert entstehen lässt. Eine möglicherweise nach Kundenwünschen ausgerichtete, rechnergestützte Verarbeitung oder eine regelmäßige Aktualisierung veralteter Positionsbestimmungen, was die Abnutzbarkeit der Datensammlung beinhaltet, ist aufgrund ihrer Struktur als Zahlensammlung ausgeschlossen. Die gesammelten Daten sind lediglich die notwendige Vorstufe für die weitere Bearbeitung, mit der die Klägerin den eigentlichen technischen und materiellen Mehrwert schafft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Zulassung der Revision war im Hinblick auf § 115 Abs. 2 FGO zu zulassen.

Ende der Entscheidung

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