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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: III 1339/04
Rechtsgebiete: InvZulG 2007


Vorschriften:

InvZulG 2007 § 1 Abs. 1 S. 1
InvZulG 2007 § 2
InvZulG 2007 § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

III 1339/04

Investitionszulage und Zinsbescheid 1999

In dem Rechtsstreit

...

hat der III. Senat des Thüringer Finanzgerichts

auf Grund mündlicher Verhandlung

am 20. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Bescheid über die Änderung des Bescheides über eine Investitionszulage für das Jahr 1999 und der Zinsbescheid vom 20. Juni 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2004 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Eine im Fördergebiet ansässige GmbH erwarb eine investitionszulagebegünstigte Maschine, veräußerte sie an ihre außerhalb des Fördergebiets ansässige Besitzgesellschaft und leaste sie zurück. Streitig ist, ob dieser Verkauf investitionszulageschädlich ist.

Die X-GmbH in A-Stadt (im Folgenden GmbH) ist ein Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und stellt Heizkörper, insbesondere Röhrenradiatoren her. Sie erhielt nach einer Nachschau auf Grund Bescheides vom 11. Juni 2001 (Bl. 179 IZ-Akte) eine Investitionszulage i.H.v. 140.786 DM für eine Anlage zur Fertigung von Heizkörpern sowie Laser zum Schweißen der Heizkörper. Die Anschaffung erfolgte im Jahre 1999. Die jetzige Klägerin, die Y-AG (im Folgenden AG) war zum damaligen Zeitpunkt zu 60% an der Klägerin beteiligt. Am 6./10. Mai 2002 (Vertrag Bl. 28 ff der Finanzgerichtsakte - FG-Akte) veräußerte die GmbH die Fertigungsstraße an die AG mit Sitz in außerhalb des Fördergebietes gelegenen Z-Stadt. Die Übereignung erfolgte gem. § 930 BGB zum 1. Juli 2002. Zugleich wurde ein Leasingverhältnis über eine Grundmietzeit von 83 Monaten abgeschlossen. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Anlage betrug damals 93 Monate. Die Anlage verblieb unstreitig in A-Stadt. Entsprechend dem Vertrag (§ 1 Abs. 1) räumt die AG der GmbH das Recht ein, die Fertigungsstraße nur am angegebenen Standort in A-Stadt zu nutzen. Eine Kaufoption war nicht eingeräumt. Die Mietkosten überstiegen die Anschaffungskosten, so dass es zu einer Vollamortisation kam. Die Veräußerung im Rahmen des Sale-and-lease-back-Vertrages führte unstreitig zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums nach den Grundsätzen des Leasingerlasses, so dass die Fertigungsstraße bei der AG am 31.12.2002 bilanziert wurde. Der Beklagte sah hierin eine investitionszulageschädliche Veräußerung. Die begünstigten Wirtschaftsgüter müssten mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebs im Fördergebiet gehören. Mit dem hier streitigen Bescheid über die Änderung des Bescheides über eine Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999 und Zinsbescheid vom 20. Juni 2003 (Bl. 183 IZ) setzte er die Investitionszulage herab und forderte Investitionszulage in Höhe von 70.541,92 Euro nebst 4.230 Euro Zinsen zurück. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klägerin stützt sich auf den Gesetzeszweck, die Investitionskraft in den neuen Ländern zu fördern. Mit der sog. Zugehörigkeitsvoraussetzung und der Verbleibensvoraussetzung sollten Missbräuche verhütet werden. Es solle verhindert werden, dass Wirtschaftsgüter für eine Betriebsstätte in den neuen Bundesländern angeschafft, aber in den alten Ländern eingesetzt werden. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, im Gegenteil habe die Investition der Schaffung von Arbeitsplätzen im Fördergebiet gedient. Um ihre Liquidität zu erhöhen habe die GmbH die Förderstraße an ihre Konzernmutter veräußert und zurückgeleast, so dass im Gegenteil sogar neue Liquidität in das förderungswürdige Ostunternehmen geflossen sei. Der Leasingvertrag sehe sogar eine weit über die gesetzlich vorgeschriebene Verbleibensdauer hinausgehende Nutzung im Fördergebiet vor. Die Verbleibensvoraussetzung sei zu bejahen, da die GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zur AG gehöre. Insbesondere weist die Klägerin darauf hin, dass der BFH entschieden habe, dass, wenn ein in den alten Bundesländern ansässiger Einzelunternehmer ein förderfähiges Wirtschaftsgut erworben habe und an eine im Fördergebiet belegene Kapitalgesellschaft vermietet habe, die das Wirtschaftsgut auch im Fördergebiet nutze, eine Investitionszulage gewährt werde (BFH-Urteil vom 10. Dezember 1998, III R 50/95, BStBl 1999 Teil II S. 607). Der BFH habe darauf hingewiesen, dass die an sich gegebene rechtliche Selbstständigkeit beider Gesellschaften im Wege einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung zu vernachlässigen sei und dem Prinzip einer "wirtschaftlichen Einheit" Vorrang einzuräumen sei. Bei personeller und sachlicher Verflechtung bestehe eine wirtschaftliche Einheit, bei der ein Auseinanderfallen von Anlagevermögen und Betrieb im Fördergebiet unschädlich sei. Im vorliegenden Fall müsse erst recht die Anschaffung begünstigt sein. Hätte die AG die Maschine unmittelbar gekauft und an ihre Tochtergesellschaft auf Dauer vermietet, so läge auch nach Ansicht des Beklagten ein investitionszulagebegünstigter Tatbestand vor. Dies gelte umso mehr, als mittlerweile die AG die GmbH im Wege der Verschmelzung übernommen habe. Es sei nicht erforderlich, dass das Wirtschaftsgut während des Bindungszeitraumes zum Anlagevermögen derselben Person gehöre. Es reiche, wenn die Zugehörigkeit zu irgendeinem Berieb oder irgendeiner Betriebsstätte im Fördergebiet gehöre. Da die personelle und wirtschaftliche Verflechtung im BFH-Fall zu einer Zurechnung der Betriebsstätte in den neuen Ländern an die vermietende Gesellschaft führe, sei die Veräußerung nicht schädlich (vgl. auch BMF vom 28. Juni 2001, BStBl I 379, Tz. 44). Der Umstand, dass die AG bereits anderweitig gewerblich tätig war, stehe dem nicht entgegen, da auch in dem BFH-Fall das Besitzunternehmen aus anderen Gründen gewerblich tätig gewesen sei. Die Klägerin weist darauf hin, man habe der GmbH damals Liquidität zuführen müssen. Die AG habe der GmbH bereits Darlehen über mehrere Millionen gewährt. Man habe statt eines weiteren Darlehens der GmbH die Fertigungsstraße abgekauft, um die Abwertung der Darlehensforderung zu vermeiden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Rückforderung einer Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999 und den Zinsbescheid vom 20.06.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Dezember 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Mit Wirkung vom 27. Oktober 2005 verschmolz die GmbH gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Umwandlungsgesetzes unter Auflösung ohne Abwicklung mit der AG, die das Klageverfahren weiterführt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet, der Rückforderungsbescheid und demzufolge auch der Zinsbescheid sind rechtswidrig und daher aufzuheben. Die Veräußerung der Fertigungsstraße ist für die Gewährung der Investitionszulage unschädlich.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG haben Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen i.S. der §§ 2 und 3 InvZulG vornehmen, Anspruch auf eine Investitionszulage. Nach § 2 Satz 1 InvZulG sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehören (Zugehörigkeitsvoraussetzung), in einer Betriebsstätte im Fördergebiet verbleiben (Verbleibensvoraussetzung) und in jedem Jahr zu nicht mehr als 10 v.H. privat genutzt werden (Nutzungsvoraussetzung). Unstreitig handelt es sich bei der Fertigungsstraße um ein dem Grunde nach förderungsfähiges Wirtschaftsgut. Dieses ist, ebenfalls unbestritten, im Beitrittsgebiet verblieben. Die Bemessungsgrundlage ist unstreitig zutreffend ermittelt.

Auch die Zugehörigkeitsvoraussetzung kann im Streitfall als erfüllt angesehen werden. Bei der AG und der GmbH handelt es sich aufgrund der beherrschenden Stellung der AG (60 v.H.) und der Überlassung der Fertigungsstraße als wesentlicher Betriebsgrundlage um eine unechte kapitalistische Betriebsaufspaltung (vgl. Rosarius, Investitionsförderung § 4 Anm. 140), bei der die AG als Besitzunternehmen mehrheitlich die Anteile am Betriebsunternehmen hielt. Der Beklagte hat hierzu grundsätzlich zutreffend ausgeführt, dass bei ertragsteuerrechtlicher Betrachtung das von der GmbH zunächst angeschaffte Wirtschaftsgut nach dem Verkauf im Mai 2002 formell nicht mehr zum Anlagevermögen eines Betriebs oder einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehörte, da es an die AG veräußert und dort auch zutreffend bilanziert wurde.

Nach der Rspr. des BFH ist bei einer Betriebsaufspaltung in Anerkennung einer Ausnahme von dem Grundsatz der rechtlichen Selbständigkeit beider Unternehmen die Betriebsstätte des Betriebsunternehmens dem Besitzunternehmen zuzurechnen, so dass die Zugehörigkeitsvoraussetzungen auch dann erfüllt sind, wenn ein investierendes Besitzunternehmen mit Sitz außerhalb des Fördergebiets förderungsfähige Wirtschaftsgüter an das Betriebsunternehmen im Fördergebiet überlässt (BFH, Urt. vom 10. Dezember 1998, III R 50/95, a.a.O.). Er hat dies überzeugend mit Sinn und Zweck der Investitionszulage begründet. Aus den selben Gründen hält es der erkennende Senat für den Fall, dass das im Beitrittsgebiet ansässige investierende Betriebsunternehmen (GmbH) das Wirtschaftsgut an das außerhalb des Beitrittsgebiet ansässige Besitzunternehmen (AG) zwar veräußert, aber langfristig zurückleast für gerechtfertigt, dieses Wirtschaftsgut trotz der ertragsteuerrechtlichen Bilanzierung bei der AG wegen der Verflechtung beider Unternehmen investitionszulagerechtlich weiterhin der GmbH zuzurechnen. Hätte die AG selbst das Wirtschaftsgut unmittelbar angeschafft, so hätte eine Investitionszulage - allerdings an die AG - gewährt werden können. Es scheint sachgerecht, im Streitfall erst recht eine Investitionszulage zuzusprechen, da das im Beitrittsgebiet ansässige Betriebsunternehmen das Wirtschafsgut angeschafft hat. Die GmbH hat durch die Investition Arbeitsplätze schaffen und erhalten können und, eher noch als in dem dem BFH-Urteil vom 10.12.1998 zugrunde liegenden Sachverhalt, direkt selbst eine förderungswürdige Investition getätigt. Wirtschaftlich betrachtet hat sie durch den Verkauf und das Leasing der Maschine lediglich ein Darlehen zur Finanzierung des Anschaffungspreises ersetzt. Wenn für den Fall, dass Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsaufspaltung von einem außerhalb des Fördergebiets ansässigen Besitzunternehmen investitionszulagebegünstigt an ein innerhalb des Fördergebietes ansässiges Betriebsunternehmen überlassen werden können, so kann für den Fall, dass die Anschaffung unmittelbar durch das im Fördergebiet ansässige Betriebsunternehmen erfolgt und an das Besitzunternehmen zwar verkauft aber zurück geleast wird, nichts anderes gelten. Das Ergebnis entspricht auch insofern dem Sinn und Zweck der Investitionszulage, als durch die Zulage die Anschaffungskosten verringert werden sollen. Diese Anschaffungskosten hat über die Leasingraten die GmbH getragen, so dass es gerechtfertigt erscheint, dieser auch die Investitionszulage zu belassen. Dies gilt umso mehr, als beide Unternehmen mittlerweile zu einem Rechtssubjekt verschmolzen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Der Senat hält eine Zulassung der Revision für geboten, da die Frage des sale-and-lease-back innerhalb eines Konzerns bei Beteiligung von Besitzunternehmen außerhalb des Beitrittsgebiets und Betriebsunternehmen innerhalb des Beitrittsgebiets noch zu klären ist.



Ende der Entscheidung

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