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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 04.06.2008
Aktenzeichen: IV 331/05
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 613a Abs. 4
BGB § 623
EStG § 6a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der IV. Senat des Thüringer Finanzgerichts

am 4. Juni 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob Vordienstzeiten des Geschäftsführers der Klägerin aus einem vorangegangenen Arbeitsverhältnis im Rahmen der Berechnung der Höhe der Pensionsrückstellungen der Kalenderjahre 2000 und 2001 zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Geschäftsgegenstand das Bedrucken von Tastaturen ist. Mit notariellem Vertrag vom 17. Dezember 1992 hatten Herr N. und Frau K. die Klägerin gegründet, die das Geschäft des vormaligen Unternehmens RO seit dem 1. Mai 1993 weitergeführt hat.

Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr N. war seit dem 1. September 1977, zuletzt als Betriebsleiter des Betriebsteils ND bei dem Unternehmen RO beschäftigt. Nach dem Beitritt der "DDR" zur Bundesrepublik Deutschland wurde der Betrieb in eine GmbH umgewandelt. Die Gesellschaft eröffnete ein Liquidationsverfahren. Am 30. April 1993 schlossen der Liquidator der RO GmbH i. L. und GN einen Aufhebungsvertrag über sein bisher bestehendes Arbeitsverhältnis zum 30. April 1993. Herr N sollte nach diesem Vertrag keine Abfindung "entsprechend Sozialplan" erhalten.

Am 1. Mai 1993 schloss die Klägerin mit dem Liquidator der RO GmbH i. L. einen Unternehmenskaufvertrag über materielle und immaterielle Vermögensgüter des ehemaligen Betriebsteils, der sich mit dem Bedrucken von Tastaturen beschäftigt hatte. § 4 dieses Unternehmenskaufvertrages ("Übergang der Arbeitsverhältnisse") enthält den Passus, dass dem Käufer bekannt ist, dass die Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse mit allen Arbeitnehmern und Auszubildenden der Verkäuferin, die in dem Geschäftsbetrieb beschäftigt sind, gemäß § 613a BGB auf den Käufer übergehen. In § 4 Ziffer 2 dieses Vertrages verpflichtete sich die Verkäuferin, den Käufer von bis zum Übergangsstichtag entstandenen und fälligen rückständigen Forderungen der übernommenen Arbeitnehmer im Innenverhältnis freizustellen. Dies sollte auch für etwaige Ruhegeldansprüche und Versorgungsanwartschaften vor dem Übergangsstichtag ausgeschiedener Arbeitnehmer gelten. In der Anlage zu diesem Vertrag eines "Management-Buy-Outs (MBO)" waren unter dem Stichwort "Personalübernahme MBO" 10 Personen aufgeführt. Herr N und Frau K firmierten in dieser Aufstellung als Geschäftsführer Technik bzw. Geschäftsführer Rechnungswesen.

Eine im Kalenderjahr 2003 durchgeführte Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin bei den Pensionsrückstellungen die Vordienstzeiten des Geschäftsführers der Klägerin aus den Zeiten seiner Beschäftigung bei der RO seit dem 1. Juli 1977 zu Unrecht berücksichtigt hätte. Vielmehr sollte nach Ansicht des Prüfers für die Höhe der zu bildenden Pensionsrückstellungen der Beginn der Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin zum 1. Mai 1993 (und nicht der 1. September 1977) maßgebend sein.

Auf der Grundlage der Betriebsprüfung ergingen am 2. Oktober 2003 Änderungsbescheide hinsichtlich der Körperschaftsteuer und des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages für 2000 und 2001, die die Klägerin mit dem Rechtsmittel des Einspruchs anfocht. Sie verwies darin auf § 4 des Unternehmenskaufvertrages und den darin enthaltenen Hinweis auf § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). In der Anlage 4 des Unternehmenskaufvertrages seien unter der Nr. 9 und 10 Herr N. und Frau K. als Geschäftsführer Rechnungswesen ausdrücklich benannt. Auch die anderen in der Anlage 4 aufgeführten Arbeitnehmer habe die Klägerin weiter beschäftigt.

Der Vertrag vom 30. April 1993, mit dem Herr N. sein Arbeitsverhältnis mit der RO GmbH i. L. aufgelöst habe, stehe vorliegend einer Anwendung des § 613a BGB nicht entgegen. Denn der ehemalige Liquidator der RO GmbH i. L. habe sich von allen Arbeitnehmern einen solchen Aufhebungsvertrag unterzeichnen lassen. Beabsichtigt sei wohl gewesen, die Gesellschaft vor Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einem Sozialplan zu schützen. Jedoch gingen die Regelungen des § 613a BGB den Bestimmungen des Aufhebungsvertrages vor. Alle Arbeitnehmer hätten im Falle einer Betriebsübernahme Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Davon sei grundsätzlich auch der Liquidator ausgegangen. Die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer durch die Klägerin habe zur Folge gehabt, dass die Aufhebungsverträge selbst aufgehoben worden seien.

Mit Bescheid vom 16. März 2005 wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin als unbegründet zurück.

Die Klägerin macht mit der vorliegenden Klage geltend, dass bei der Bildung der Pensionsrückstellungen in den Kalenderjahren 2000 und 2001 die Vordienstzeiten des Herrn N. seit dem 1. September 1977 zu berücksichtigen seien. Herr N. sei seit dem 1. September 1977 Arbeitnehmer der RO gewesen. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland sei über das Vermögen der Gesellschaft das Gesamtvollstreckungsverfahren eingeleitet worden. Sie habe im Rahmen eines Managment- Buy-Out die RO GmbH i. L. zum 1. Mai 1993 erworben und nur eine kleine Anzahl von Mitarbeitern weiter beschäftigen können. Einem Großteil der Mitarbeiter der RO habe der Liquidator - unter Gewährung von Abfindungen - gekündigt.

Herr N. sowie weitere Mitarbeiter, die sie weiter beschäftigt hätte, hätten mit dem Liquidator zum 30. April 1993 Aufhebungsverträge geschlossen (Bl. 7 GA). Abfindungsansprüche seien ausdrücklich ausgeschlossen gewesen. Hintergrund dieser Aufhebungsverträge sei gewesen, dass sie mit den betroffenen Arbeitnehmern neue Arbeitsverträge hätte abschließen sollen. Daher sei sie gemäß § 4 Nr. 3 i.V.m. Anlage 4 des Unternehmenskaufvertrages verpflichtet gewesen, bestimmte Arbeitnehmer zu übernehmen, so auch Herrn N. § 4 Nr. 1 des Unternehmenskaufvertrages verweise insbesondere auf § 613a BGB.

Am 1. Mai 1993 habe sie mit Herrn N. einen neuen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Die Klägerin ist aufgrund der vorgeschilderten Umstände der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis des Herrn N. gemäß § 613a BGB auf sie übergegangen sei. Bei der Berechnung ihrer Pensionsrückstellung habe sie daher Vordienstzeiten des Herrn N. seit dem 1. September 1977 berücksichtigt. Sie sei der Ansicht, dass der Standpunkt des Beklagten dazu führe, dass § 613a Abs. 4 BGB verletzt werde. § 613a Abs. 4 BGB habe ihr und dem Vorgängerunternehmen die Kündigung eines Arbeitnehmers anlässlich eines Betriebsüberganges verboten. Auf einen Aufhebungsvertrag sei diese Regelung zwar nicht anwendbar. Stehe zwischen den Parteien eines Aufhebungsvertrages allerdings fest, dass der Arbeitnehmer beim Betriebserwerber weiter beschäftigt werden solle, sei der Aufhebungsvertrag gleichwohl wegen objektiver Umgehung der zwingenden Rechtsfolge des § 613a BGB nach § 134 BGB nichtig (Hinweis auf die Kommentierung von Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 613a BGB, Rd-Nr. 153 m.w.N.; Möller-Glöge a.a.O. § 26 BGB, Rd-Nr. 6 m.w.N.). Für die Anwendung des § 613a BGB sprächen auch folgende Umstände: Der Aufhebungsvertrag sei am 30. April 1993 und der neue Arbeitsvertrag am 1. Mai 1993 abgeschlossen worden. Nach der Aufteilung der bisherigen "RO" in zwei selbstständige Meisterbereiche habe die Treuhandanstalt den verbleibenden "Meisterbereich Tastaturbedruckung" zunächst fortgeführt. Den anderen Meisterbereich samt Gebäuden habe die SMI übernommen. Im April 1993 habe sie mit der Treuhandanstalt den vorgelegten Kaufvertrag über den "Meisterbereich Tastaturbedruckung" geschlossen. Für den Kaufpreis von ca. 180.000 DM seien alle Maschinen, Produktionsanlagen, Werkzeuge, Rohstoffe, Halb- und Fertigfabrikate sowie ein Kleintransporter nebst Kundenstamm an sie übergegangen. Der damalige Liquidator habe sämtliche Mitarbeiter des Meisterbereichs Tastaturbedruckung veranlasst, zum 30. April 1993 einen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen. Zum 1. Mai 1993 habe sie die Arbeitnehmer eingestellt, zu deren Beschäftigung sie sich im Kaufvertrag verpflichtet habe. Insofern habe man für diese Arbeitnehmer keine Abfindungen vereinbart und gezahlt.

Ihr damaliger und jetziger Tätigkeitsbereich sei vollständig mit dem vorherigen "Meisterbereich Tastaturbedruckung" identisch. Ohne die übernommenen Mitarbeiter wäre sie nach dem 1. Mai 1993 nicht in der Lage gewesen, die Produktion weiterzuführen. Sogar die Räumlichkeiten, die sie von der SMI angemietet habe, seien dieselben geblieben. Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass sich zum 1. Mai 1993 lediglich der Arbeitgeber geändert habe. Eine Pensionsverpflichtung sei sie jedoch nur für Herrn N. eingegangen.

Soweit sich der Beklagte auf Artikel 232 § 5 Abs. 2 Ziff. 1 EGBGB berufe, sei sie der Ansicht, dass die Vorschrift vorliegend nicht anwendbar sei. Denn die RO GmbH habe sich vor dem Verkauf ihrer Anteile nur in einer freiwilligen Liquidation und nicht in Gesamtvollstreckung befunden. Artikel 232 § 5 Abs. 2 Ziff. EGBGB schließe die Vorschrift des § 613a BGB jedoch nur bei Betrieben in Gesamtvollstreckungsverfahren aus.

Soweit der Beklagte davon ausgehe, dass der Aufhebungsvertrag des Herrn N. die Anwendung des § 613a BGB ausschlösse, sei die Argumentation nicht nachvollziehbar. Sie könne nicht einsehen, inwiefern ein Aufhebungsvertrag aus wirtschaftlichen Gründen gerechtfertigt sein solle, wenn die betreffenden Arbeitnehmer für den Arbeitgeber wirtschaftlich unverzichtbar gewesen seien.

Der Beklagte verweise zudem aus nicht nachvollziehbaren Gründen darauf, dass Herr N. ursprünglich als Betriebsleiter tätig gewesen und nunmehr ihr Geschäftsführer sei. Für sie sei nicht erkennbar, warum die Tätigkeit des Herrn N. eine Umstellung des Arbeitsvertrages notwendig gemacht habe. Sie habe bereits darauf hingewiesen, dass sie auf die Kenntnisse Herrn N. existentiell angewiesen gewesen sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Aufhebungsvertrag wirksam gewesen sei, stellten das alte und das neue Arbeitsverhältnis einen einheitlichen Sachverhalt dar, der aus steuerlicher Sicht nicht getrennt werden dürfe.

Sie trete auch der Ansicht des Beklagten entgegen, dass die Anwendung des § 613a BGB in der Fassung des Artikel 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB zu keinem untragbaren Ergebnis führe. Die Ansicht, dass jede neu gebildete Einheit, die aus Betriebsteilen eines Kombinates oder VEBs hervorgegangen sei, die Arbeitnehmer des alten Betriebsteiles hätte übernehmen müssen, sei rechtlich nicht haltbar. Der Beklagte verkenne, dass § 613a Abs. 4 BGB in der Fassung des Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB bezwecke, dass Kündigungen (respektive Aufhebungsverträge) nicht allein wegen Betriebsübergängen zulässig sein sollten. Vielmehr seien die Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen zulässig. Nur wenn wirtschaftliche, technische oder organisatorische Gründe vorgelegen hätten, hätte die Käuferin die Arbeitnehmer des alten Betriebsteils nicht übernehmen müssen. Insofern habe sie nicht alle ehemaligen Arbeitnehmer übernehmen können, da sie nur mit einem Teil der Arbeitnehmer wirtschaftlich hätte weiterarbeiten können.

Auch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Juli 1996 (Sammlung der Entscheidungen des BAG - BAGE 302, 311, der Betrieb -DB- 1996, 2288) stehe ihrer Argumentation nicht entgegen. § 613a Abs. 4 BGB in der Fassung des Art. 232 § 5 EGBGB sei keinesfalls dahin auszulegen, dass sämtliche Mitarbeiter eines zu sanierenden Unternehmens dem Schutz des § 613a Abs.4 BGB entzogen seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

1. die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide der Kalenderjahre 2000 und 2001, jeweils vom 2. Oktober 2003, dahingehend zu ändern, dass in ihnen eine Pensionsrückstellung berücksichtigt wird, die von einem Dienstbeginn des Geschäftsführers N. vom 1. September 1977 ausgeht,

2. die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zunächst auf seine Einspruchsentscheidung vom 16. März 2005, auf die Bezug genommen wird.

Darüber hinaus ist er der Ansicht, dass das Arbeitsverhältnis des N. durch den Aufhebungsvertrag am 30. April 1993 beendet worden sei. Sein Arbeitsverhältnis habe daher nicht durch den Betriebsübergang des "Tastaturbereich Meisterbereich" auf die Klägerin übergehen können. Zwar sei ein Aufhebungsvertrag ebenso wie eine Kündigung nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, wenn er anlässlich eines Betriebsüberganges geschlossen werde. Vorliegend müsse jedoch die Sonderregelung des Artikel 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB beachtet werden, durch die § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB modifiziert werde. Die Vorschrift laute: "Satz 1 lässt das Recht zur Kündigung aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderung der Beschäftigten mit sich bringen, unberührt".

Diese Änderung des Gesetzestextes führe im Ergebnis zu einer Lockerung des Kündigungsschutzes bei den angesprochenen Betriebsübergängen. Die Ansicht, nach der es sich lediglich um eine Konkretisierung der auch nach der ursprünglichen Form des § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB zulässigen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen handele, weise er zurück. Denn dann wäre die Modifikation durch Artikel 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB völlig bedeutungslos und überflüssig. Vielmehr habe der Gesetzgeber jedoch der besonderen Situation im Beitrittsgebiet Rechnung tragen wollen. Vorliegend habe der Liquidator mit allen Arbeitnehmern, auch denen, die bei der Klägerin weiter beschäftigt werden sollten, einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Zwar habe die Klägerin diese Arbeitnehmer zur Weiterführung des Betriebes benötigt. Ein wirtschaftliches Arbeiten mit der gesamten Belegschaft sei jedoch nicht möglich gewesen. Dies zeige, dass der Unternehmenskaufvertrag die Option enthalten habe, bei besserer Auftragslage weitere zwei Arbeitskräfte einzustellen.

In Anbetracht der vorherigen Position des Herrn N. als Betriebsleiter sei es erforderlich gewesen, den Inhalt seines Arbeitsvertrages neu zu gestalten. Dies sei nur durch Neuabschluss des Arbeitsvertrages möglich gewesen. Mit der Aufhebung der bisherigen Arbeitsverträge habe der Liquidator auch erkennbar das Ziel verfolgt, die Kontinuität der bisherigen Arbeitsverhältnisse zu unterbrechen. Diese Vorgehensweise sei durch § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB auf der Grundlage des Artikel 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB möglich gewesen. Insofern könne als Diensteintritt des Herrn N. lediglich der 1. Mai 1993 betrachtet werden.

Ob § 613a BGB im Falle des Herrn N. Anwendung finden könne, sei zudem fraglich. Stelle man den Betriebsleiter der RO GmbH mit dem Geschäftsführer der Klägerin gleich, würde § 613a BGB nicht zur Anwendung kommen. Für einen Geschäftsführer einer GmbH sei § 613a BGB nicht anwendbar. Die Anerkennung von Vordienstzeiten bei Betriebsübergängen scheide nach § 613a BGB aus (Hinweis auf das Urteil des BFH vom 15. September 2004 I R 7/02, BFH/NV 2005, 298; Urteil des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 13. Februar 2003, 8 AZR 654/01, Neue juristische Wochenzeitschrift - NJW - 2003, 2473; Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 28. September 2004, 6 K 1635/02).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Entscheidung des Beklagten, für die Berechnung der Pensionsrückstellung ihres Geschäftsführers N. von einem Dienstbeginn am 1. Mai 1993 auszugehen, begegnet keinen Bedenken und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Gemäß § 6a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darf eine Rückstellung für eine Pensionsverpflichtung (Pensionsrückstellung) nur gebildet werden, wenn und soweit der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG). Gemäß § 6a Abs. 2 darf eine Pensionsrückstellung erstmals gebildet werden vor Eintritt des Versorgungsfalls für das Wirtschaftsjahr, in dem die Pensionszusage erteilt wird, frühestens jedoch für das Wirtschaftsjahr, bis zu dessen Mitte der Pensionsberechtigte das 30. Lebensjahr vollendet (§ 6a Abs. 2 Nr. 1 EStG). Die Ermittlung des Teilwertes einer Pensionsrückstellung erfolgt gem. § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 EStG grundsätzlich ab dem Beginn des Wirtschaftsjahres, in dem das Dienstverhältnis begonnen hat. Der Beginn des Dienstverhältnisses ist in diesem regelmäßig der Zeitpunkt der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit.

Ein früheres Arbeitsverhältnis bei demselben Arbeitgeber wird grundsätzlich nicht berücksichtigt (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- I R 25/98, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2001, 154). Bei anderen Arbeitgebern abgeleistete Dienstzeiten werden nur hinzugerechnet, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Auf gesetzlicher Grundlage übernimmt der neue Arbeitgeber die Rechte und Pflichten aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis im Falle eines Betriebsübergangs i.S.d. § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (-BGB-; vgl. Urteil des BFH vom 16. Dezember 2002 VIII R 14/01, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 201, 201 Bundessteuerblatt -BStBl - II 2003, 347). Nach § 613a BGB tritt derjenige, auf den ein Betrieb oder ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft von dem bisherigen Rechtsinhaber übergeht, in dessen Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Dies bedeutet, dass auch eine bestehende Pensionsverpflichtung auf den neuen Arbeitgeber übergeht.

Im Falle des Betriebsübergangs erwerben die Arbeitnehmer insoweit einen selbstständigen unmittelbar gegen den Betriebsübernehmer gerichteten Anspruch.

Das Arbeitsverhältnis des Geschäftsführers der Klägerin ist vorliegend jedoch nicht nach § 613a BGB von der R GmbH auf die Klägerin übergegangen, so dass für die Ermittlung des Teilwertes der Pensionsrückstellung vorliegend auf den 1. Mai 1993 abzustellen ist.

Wird im Fall eines Betriebsübergangs das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers durch den bisherigen oder durch den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder Betriebteils gekündigt, so ist die Kündigung grundsätzlich nach der Regelung des § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Gemäß § 613a Abs. 4 Satz 2 bleibt das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen unberührt.

Die Klägerin kann sich nicht auf die vorgenannte Regelung des § 613a BGB - und in diesem Zusammenhang insbesondere auf den Abs. 4 dieser Vorschrift - berufen.

Dies folgt zunächst schon daraus, dass sich die Verkäuferin der R GmbH vertraglich verpflichtet hatte, die Klägerin von entstandenen Forderungen der übernommenen Arbeitnehmer freizustellen (§ 4 Ziff. 2 des Unternehmenskaufvertrages). Für die Pensionsrückstellung für den Beschäftigungszeitraum vor dem 1. Mai 1993 besteht daher keine rechtliche Grundlage.

Darüber hinaus hat der Geschäftsführer der Klägerin am 30. April 1993 mit dem Insolvenzverwalter als Vertreter der damaligen Betriebsinhaberin über sein damaliges Beschäftigungsverhältnis einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Dieser Aufhebungsvertrag ist vorliegend wirksam, da die Parteien die Aufhebung des Arbeitsvertrages schriftlich abgefasst haben. § 623 BGB bezweckt mit dieser Vorgehensweise den Schutz des Arbeitnehmers. Er soll im Zusammenhang mit einer Kündigung sich über die Reichweite seines Vorgehens bewusst sein. Umstände, aus denen die Unwirksamkeit der Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses hervorgeht, sind nicht ersichtlich (vgl. zur grundsätzlichen Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, Urteil des Landesarbeitsgerichtes München vom 26. Juni 2007 - 8 Sa 663/06, Arbeit und Arbeitsrecht - AuA- 2008, 110 m.w.N.). Insbesondere die Interessenlage des Liquidators und auch der Klägerin selbst gingen erkennbar dahin, die Arbeitsverhältnisse "unbelastet" zu übernehmen. Dazu hatte sich der Liquidator sogar ausdrücklich vertraglich verpflichtet. Die Situation stellt sich damit so dar, dass sich die Klägerin auf der einen Seite vertraglich zusichern ließ, dass die Verkäuferin die Pensionsverpflichtungen übernehmen werde. Im vorliegenden Verfahren beruft sie sich hinsichtlich des Herrn N auf § 613a BGB, obwohl Herr N als wirtschaftlicher Käufer der Anteile der R GmbH darüber hinaus sein Arbeitsverhältnis vertraglich aufgelöst hatte. Weder die Klägerin noch Herr N sind bei diesem Sachverhalt schutzwürdig. Selbst wenn man trotz des vorliegenden Aufhebungsvertrages, die der Geschäftsführer der Klägerin abgeschlossen hat, die Regelung des § 613a Abs. 4 BGB anwenden wollte, wäre die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 1993 rechtlich wirksam gewesen. Denn nach § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB bleibt das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses "aus anderen Gründen" unberührt. Diese Vorschrift galt im Beitrittsgebiet bis zum 31. Dezember 1998 nach Art. 232 § 5 Abs. 2 Nr. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) dahingehend modifiziert, dass Satz 1 das Recht zur Kündigung aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringt, unberührt lässt. Insofern konnte eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auch dann erfolgen, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gab, der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermochte (vgl. Urteil des BAG vom 26. Mai 1983 - 2 AZR 477/81, BAGE 43, 13). Insoweit ist anerkannt, dass eine Kündigung nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht vorliegt, wenn die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses der Rationalisierung des (künftigen) Betriebs dient (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG vom 18. Juli 1996 - 8 AZR 127/94, Sammlung der Entscheidungen des BAG - BAGE- 83, 302, Der Betrieb -DB- 1996, 2288). Mit der Modifikation des § 613a Abs. 4 BGB wollte der Gesetzgeber erreichen, dass der besonderen Situation der Betriebe in den neuen Ländern Rechnung getragen wird. Umfangreiche Umstrukturierungen sollten auf diese Weise erleichtert und nicht durch das bestehende Arbeitsrecht behindert werden. Im vorliegenden Fall ist es - entgegen der Ansicht der Klägerin - offensichtlich, dass im Rahmen der Übernahme des Geschäftsbereichs des bisherigen "Meisterbereichs Tastaturbedruckung" lediglich ein Teil der Arbeitnehmer übernommen werden sollte und die Übernahme wegen der Unsicherheit der künftigen geschäftlichen Entwicklung wirtschaftlich überschaubar gestaltet werden sollte (vgl. oben). Die Argumentation der Klägerin gegen diese Vorgehensweise trägt dieser wirtschaftlichen Ausgangslage keine Rechnung. Sie würde darüber hinaus dazu führen, einem Arbeitnehmer das Recht zuzusprechen, einen wirksamen Aufhebungsvertrag zu schließen, sich andererseits zu jedem Zeitpunkt auf dessen Unwirksamkeit zu berufen. Würde man dem folgen, würde Art. 232 § 5 EGBGB außer Kraft gesetzt. Die Argumentation der Klägerin, Artikel 232 § 5 EGBGB konkretisiere lediglich das bestehende Recht des § 613a BGB wird dem Inhalt und der Zielrichtung dieser Vorschrift - wie bereits zuvor dargestellt - nicht gerecht. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Entscheidung hinsichtlich der Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird nicht zugelassen, § 115 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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