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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Thüringen
Urteil verkündet am 26.01.2004
Aktenzeichen: IV 650/98
Rechtsgebiete: GG, EStG


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 1
EStG § 19
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Thüringen

IV 650/98

Einkommensteuer einschl. Solidaritätszuschlag 1991

In dem Rechtsstreit

hat der IV. Senat des Thüringer Finanzgerichts

am 26. Januar 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob der Beklagte durch die Veranlagung zur Einkommensteuer 1991 den verfassungsrechtlichen Halbteilungsgrundsatz verletzt hat und ob die Sozialversicherungsbeiträge der Kläger Bestandteil des steuerpflichtigen Arbeitslohns im Sinne des § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind.

Die Kläger sind Eheleute mit einem am 6. Februar 1990 geborenem Kind, dem Sohn Philipp. Im Streitjahr 1991 erzielten die Kläger - einschl. Einnahmen aus Kapitalvermögen - Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit in Höhe von 31.116 DM. Die Klägerin erhielt Lohnersatzleistungen in Höhe von 10.391 DM, die der Beklagte dem Progressionsvorbehalt unterwarf.

Der Beklagte erließ am 25. Mai 1993 den vorliegend in Streit stehenden Einkommensteuerbescheid 1991, in dem er die Einkommensteuer in Höhe von 1.316 DM auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 13.014 DM festsetzte. Er erklärte die Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw. Revisionen vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nach § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung 1977 (AO) für vorläufig hinsichtlich der Festsetzung des Solidaritätszuschlages, des Progressionsvorbehaltes bei Lohnersatzleistungen, der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen, der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen sowie des Arbeitnehmerpauschbetrages bei der Ehefrau.

Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid machten die Kläger geltend, dass nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 25. September 1992 das Einkommen eines jeden Steuerpflichtigen einschl. seiner Familienangehörigen in Höhe eines Existenzminimums von 10.405 DM steuerfrei zu belassen sei. Weiterhin machten sie - durch Ankreuzen einer Liste von Problempunkten - geltend, dass der Grundfreibetrag nach der gesetzlichen Neuregelung ab den 1. Januar 1993 12.000 DM bei Ledigen bzw. 19.000 DM bei zusammenveranlagten Ehegatten betragen müsse. Sie rügten die Behandlung des Kinderfreibetrages (§ 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), Vorsorgeaufwendungen/Vorsorgepauschale (gem. §§ 10 u. 46 EStG). Des weiteren äußerte der Prozessbevollmächtigte pauschal "erhebliche Bedenken" gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung über den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG), des Solidaritätszuschlags (§ 1 Solidaritätszuschlagsgesetz), des Verbotes des privaten Schuldzinsenabzugs, des Progressionsvorbehaltes für Arbeitslosengeld (§ 32b EStG) sowie die Streichung des Weihnachtsfreibetrages durch das Steuerreformgesetz 1990. Mit Entscheidung vom 20. August 1993 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens hat der Berichterstatter des damals zuständigen II. Senats des Thüringer Finanzgerichts mit Beschluss vom 13. Juli 1994 das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz hinsichtlich der Aufhebung des Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrages nach § 19 Abs. 3 u. 4 alte Fassung EStG durch das Steuerreformgesetz 1990 ausgesetzt. Mit Beschluss vom 9. September 1998 hat der Berichterstatter des damals zuständigen III. Senats des Thüringer Finanzgerichts das Verfahren nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 1997 (II BvL 77/92) aufgenommen.

Am 21. Februar 2002 erließ der Beklagte einen die Steuerfestsetzung wiederholenden Änderungsbescheid, in dem er den ursprünglichen Bescheid hinsichtlich folgender Punkte für endgültig erklärte:

Grundfreibetrag

Progressionsvorbehalt bei Lohnersatzleistungen

Festsetzung des Solidaritätszuschlags

Arbeitnehmerpauschbetrag

Beschränkter Abzug von Vorsorgeaufwendungen, soweit sich die Vorläufigkeit auf Verfahren vor dem Bundesfinanzhof bzw. vor dem Bundesverfassungsgericht bezog, die mittlerweile bestandskräftig entschieden sind

Kinderfreibeträge

Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen

Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger nunmehr weiterhin das Ziel, für das Kalenderjahr 1991 keine Einkommensteuer zu entrichten. Sie sind der Ansicht, dass der Beklagte das verfassungsmäßige Prinzip des "Halbteilungsgrundsatzes" verletzt habe und sie daher keine Einkommensteuer schuldeten. Dieser Grundsatz besage, dass einem Steuerpflichtigen die Hälfte seines Einkommens zu belassen sei. Gegen diesen Grundsatz habe der Beklagte im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer 1991 verstoßen. Der Prozessbevollmächtigte beruft sich diesbezüglich auf die Thesen Prof. Kirchhoffs. Danach sei das steuerliche Existenzminimum eines Steuerpflichtigen in der Weise sicher zu stellen, dass die von Verfassungs wegen zu gewährenden (Existenz-)Beträge vor der steuerlichen Veranlagung "vor die Klammer" zu ziehen seien. Im Rahmen der Besteuerung der Kläger seien sie insoweit zu berücksichtigen, als diese Beträge vom "disponiblen Erwerbseinkommen" der Kläger in Abzug zu bringen seien. Auf den so ermittelten Betrag sei der Halbteilungsgrundsatz anzuwenden, was heiße, dass die festzusetzende Steuer nicht mehr als die Hälfte dieses Betrages überschreiten dürfe.

Daraus ergebe sich folgende Rechnung:

Existenzminimum

Die Kläger haben im Streitjahr zusammengerechnet ein steuerpflichtiges Erwerbseinkommen einschließlich der Einnahmen aus Kapitalvermögen i. H. von 31.116 DM erzielt.

Hiervon sind die Werbungskosten zur Erzielung dieser Einnahmen

In folgender Höhe abzusetzen:

  Ehemann
a.)EhemannDM
 Fahrten Wohnung - Arbeitsstelle 
 200 Tage x 10 km x -, 50 DM =1.000
 2 Dienstreisen nach Arnstadt 
 2 x 120 km x -,42 DM =101
 3 Dienstreisen nach Frankfurt 
 3 x 600 kn x -,42 DM =756
 1 Dienstreise nach Karl-Marx-Stadt 
 1 x 400 kn x -,42 DM =168
 1 Dienstreise nach Erfurt 
 1 x 80 km x -,42 DM34
 1 Dienstreise nach Bebra 
 1 x 200 kn x -,42 DM =84

Verpflegungsmehraufwand

 - Arnstadt 2 Tage x 35 =70
- Frankfurt 3 Tage x 35 =105
- Karl-Marx-Stadt 2 Tage x 46 =92
- Erfurt 1 Tag x 35 =35
- Bebra 1 Tag x 35 =35
Kontoführungsgebühren geschätzt30
Fachliteratur geschätzt600
Büromaterial geschätzt200
 - 3.310 DM
Übertrag:27.806 DM

  Ehefrau
b)EhefrauDM
 Weiterbildung in Halle 
 Montag bis Freitag 
 Fahrtkosten 180 km x 0,42 DM76
 Verpflegungsmehraufwand 
 5 Tage x 46 DM =230
 Kontoführungsgebühren geschätzt30
 Fachliteratur geschätzt300
  - 636 DM

 Zwischensumme Erwerbseinkommen + Kapitaleinkünfte27.170 DM
Von diesem Betrag seien Sozialversicherungsbeiträge i. H. v.- 5.301 DM
abzuziehen, so dass21.869 DM
verblieben.

 Zur Absicherung des Haftungsrisikos wurden weitere899 DM
aufgewandt worden.

 Von dem verbleibenden Betrag in Höhe von20.970 DM
Hätten sie200 DM
für kirchliche, religiöse und gemeinnützige Zwecke gespendet 
und1.092 DM
Kinderbetreuungskosten gezahlt. 
Von der Restsumme in Höhe von19.678 DM

Seien folgende Steuern durch den angefochtenen Bescheid festgesetzt worden und zu zahlen:

 Einkommensteuer1.316 DM
Solidaritätszuschlag50 DM
Kirchensteuer92 DM : 1.458 DM
so dass den Klägern für die angemessene Lebensführung18.220 DM
verbleiben.

Dieser Betrag liegt für den 3-köpfigen Haushalt der Kläger, auch unter Berücksichtigung des gezahlten Kindergeldes in Höhe von 780 DM unterhalb des von der Finanzverwaltung selbst ermittelten

 Existenzminimums in Höhe von12.407 DM
pro Person, das vom BVerfG mit12.405 DM

Die Kläger machen insofern geltend, sie hätten im Streitjahr 6 x 182 DM (= 1.092 DM) für Kinderbetreuungskosten aufwenden müssen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Januar 1999 ausdrücklich als steuerlich abzugsfähig anerkannt habe. Der Beklagte habe zudem im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1991 kein ausreichendes Familienexistenzminimum gewährt. Die auf ihrer Familie ruhende Steuerlast sei zu hoch verblieben. Wie die Rechnung zeige, verbliebe ihnen für eine angemessene Lebensführung lediglich ein Betrag von 18.220 DM. Dieser Betrag liege für einen 3-köpfigen Haushalt, auch unter Berücksichtigung des gezahlten Kindergeldes in Höhe von 780 DM, unterhalb der von der Finanzverwaltung selbst ermittelten Existenzminimums in Höhe von 12.407 DM pro Person.

Der Beklagte habe zudem ihre Vorsorgeaufwendungen keinem begrenzten Abzug unterwerfen dürfen. Der Betrag für die Vorsorgeaufwendungen sei steuerfrei zu belassen, da diese Aufwendungen für ihre und die Existenz ihres Kindes unabdingbar seien. Insoweit handele es sich nicht um disponibles Erwerbseinkommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 23. Dezember 2001 verwiesen.

Hinsichtlich des Halbteilungsgrundsatzes, auf den sich der Prozessbevollmächtigte beruft, macht er geltend: der Beklagte könne nicht bestreiten, dass der Halbteilungsgrundsatz auch im Bereich der Ertragssteuer gelte. Soweit der Beklagte für die Kläger eine angebliche Grenzsteuerbelastung in Höhe von 10,15 v. H. ermittle, verkenne er, dass eine Grenzsteuerbelastung nur von dem steuerpflichtigen Erwerbseinkommen errechnet werden dürfe. Das zur Sicherung des Existenzminimums benötigte Einkommen sei verfassungsrechtlich geschützt und dürfe daher nicht besteuert werden. Was nicht besteuert werden dürfe, dürfe mit keiner steuerlichen Belastung belegt werden. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 26. April 2000 verwiesen.

Der Prozessbevollmächtigte ist ferner unter Verweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Juli 2000 (B 4 RA 57/98 R, Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts 86, 262, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 2001, 370) der Ansicht, dass die Sozialversicherungsbeiträge der Kläger (Arbeitnehmeranteil) schon keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit darstellten. Sie seien nicht erst bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen, sondern bereits bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit unberücksichtigt zu belassen. Vorliegend wirke sich dies aus, da sich die zumutbare Eigenbelastung in Höhe von 2% bei den außergewöhnlichen Belastungen auf einen Betrag in Höhe von 408 DM reduziere. Der abzugsfähige Betrag erhöhe sich demnach auf 667 DM.

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuer für das Kalenderjahr 1991 auf 0 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die Sozialversicherungsanteile des Arbeitnehmers selbstverständlich den Einkünften aus § 19 Absatz 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen seien, wofür schon allein spreche, dass diese Aufwendungen als Sonderausgaben abgesetzt werden könnten. Dies setze gedanklich voraus, dass diese Leistungen Lohn seien, da sie ansonsten doppelt in Abzug gebracht werden könnten.

Im Übrigen ist er der Ansicht, den Klägern seien ausreichendes Existenzminimum verblieben. Mit dem Gesetz zur Familienförderung habe der Gesetzgeber mit § 53 EStG eine Sondervorschrift zur Steuerfreistellung des Existenzminimums eines Kindes in den Veranlagungszeiträumen 1983 - 1995 geschaffen. Die durch die Finanzverwaltung durchgeführte maschinelle Überprüfung im Kalenderjahr 1999 habe ergeben, dass eine Rückerstattung mangels der Gewährleistung eines ausreichenden Kinderexistenzminimums für 1991 bei Familien mit einem Kind - verheiratet, zusammenveranlagt - erst ab einem zu versteuernden Einkommen von 58.320 DM habe erfolgen müssen. Durch die gesetzliche Regelung habe der Gesetzgeber - und auf dieser Grundlage die Verwaltung - die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 11. November 1998 umgesetzt, in denen dieses die Freistellung des Existenzminimums von Kindern gefordert habe. Im Fall der Kläger habe die Überprüfung zu keiner steuerlichen Änderung geführt.

Auch die geltend gemachten Kinderbetreuungskosten könnten die Kläger vorliegend nicht in 1991 steuerlich zur Geltung bringen. Denn das Bundesverfassungsgericht habe in seinenEntscheidungen vom 17. November 1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91) die Anwendbarkeit des § 33c EStG in Hinsicht auf steuerlich zu berücksichtigende Kinderbetreuungskosten in seiner bisherigen Form bis zum 31. Dezember 1999 für rechtens erachtet.

Auch der Vortrag der Kläger zur Rechtmäßigkeit der gewährten Grundfreibeträge begründe ihre Klage nicht. Denn durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 25. September 1992 habe sich für den Gesetzgeber erst ab dem Veranlagungszeitraum 1996 die Verpflichtung ergeben, die Grundfreibeträge an die tatsächlichen Bedürfnisse anzupassen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Festsetzung der Einkommensteuer 1991 im Bescheid vom 21. Februar 2000 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

I. Soweit die Kläger weitergehende Werbungskosten geltend machen, haben sie diese nicht belegt, teilweise beruhen sie auf Schätzungen (Fachliteratur und Büromaterial), die weder in der Höhe noch hinsichtlich des Anlasses nachvollziehbar sind.

II. Die Kläger können nicht beanspruchen, dass ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 19 EStG zuzurechnen sind.

Der Verweis des Prozessbevollmächtigten auf das Urteil des BSG vom 29. Juni 2000 geht fehl. Denn das Bundessozialgericht hat unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 5. April 1974 VI R 110/71, BFHE 112, 463, BStBl II 1974, 664;Urteil vom 21. Februar 1992 VI R 41/88, BFHE 166, 558, BStBl II 1992, 443;Urteil vom 29. Oktober 1993 VI R 4/87, BFHE 172, 467, BStBl II 1994, 194) darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung sogar dann steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen, wenn der Arbeitgeber nach Beitragsrecht das Abzugsrecht verloren hat. Das BSG stellt fest, dass sich diese steuerrechtliche Beurteilung im Ergebnis mit der beitragsrechtlichen deckt. Umstände, die vorliegend eine andere Betrachtungsweise erzwingen könnten, hat der Prozessbevollmächtigte weder dargetan noch sind sie ersichtlich.

III. Der Beklagte hat keinen steuerrechtlichen Rechtsgrundsatz mit Verfassungsrang in Form des "Halbteilungsgrundsatzes" verletzt.

Es ist schon fraglich, ob die Kläger sich bezüglich der Einkommensteuer 1991 auf den sog. Halbteilungsgrundsatz überhaupt berufen können. Denn das BVerfG hat ihn in seinem Beschluss zur Vermögensteuervom 22. Juni 1995 aufgestellt (2 BvL 37/91, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 93, 121, Bundessteuerblatt BStBl II 1995, 655, Leistsatz 3). In der Rechtsprechung besteht aber weitgehend die Ansicht, dass sich aus diesem Beschluss keine Bindung gem. § 31 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes herleiten lässt und der Halbteilungsgrundsatz daher hinsichtlich der Belastung durch Einkommen- und Gewerbeertragssteuer nicht anwendbar ist (Urteil des BFH vom 11. August 1999 XI R 77/97, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 189, 413, BStBl II 1999, 771; Urteil des BFH vom 18. September 2003 X R 2/00, Betriebsberater 2003, 2732, Der Betrieb 2003, 2685 keine Anwendung des Halbteilungsgrundsatzes auf Ertragssteuern; Urteil des BFH vom 28. Juni 2000 I R 89/99, BFHE 192, 513, BStBl II 2001, 261 Kein "Halbteilungsgrundssatz" bei Körperschaften; ebenso Finanzgericht - FG - Köln, Urteil vom 26. Jan 2000 4 K 507/97, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2000, 440; Urteil des FG Köln vom 20. Mai 2003 15 K 3668/02, EFG 2003, 1178 Ertragssteuerbelastung von 53,78% nicht verfassungswidrig; Urteil des FG Hamburg vom 17. Dezember 2002 V 306/97, nv, der sog. Halbteilungsgrundsatz ist kein anwendbarer Rechtssatz; Urteil des FG Münster vom 5. Mai 2000 11 K 7317/99 E, EFG 2000, 1337 Halbteilungsgrundsatz gilt nicht bei Einkommensteuer u.a.).

Die Frage der Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes bei Ertragssteuern, die gegenwärtig vor dem BVerfG im Verfahren 2 BvR 2194/99 anhängig ist, kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen. Denn dieser Grundsatz käme vorliegend selbst dann nicht zum Tragen, wenn er für den Ertragssteuerbereich anwendbar wäre.

Die Berechnung, die der Prozessbevollmächtigte aufgestellt hat, widerspricht nämlich geltendem Recht. Es ist unzulässig, abstrahiert von der konkreten Veranlagung Beträge aufzusummieren, um sie vom Einkommen eines Steuerpflichtigen in Abzug zu bringen. Denn nur das Gesetz bestimmt, welche und in welcher Höhe Beträge die Steuerschuld mindern können und dürfen. Der Prozessbevollmächtigte "kreiert" sein eigenes Einkommensteuerrecht, ohne dass dieses neue Recht von der dafür zuständigen Legislative beschlossen worden wäre.

Soweit der Prozessbevollmächtigte auf die Verfassungswidrigkeit von einkommensteuerlichen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes in 1991 abstellt, widerspricht seine Vorgehensweise auch dem Wesen der Einkommensteuerveranlagung, mithin dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Denn die Einkommensteuer entsteht jährlich mit Ablauf des Kalenderjahres (vgl. § 2 Abs. 7 EStG). Der Prozessbevollmächtigte behandelt die von der Einkommensteuer 1991 vorzunehmende Entlastung demgegenüber als absolute. Er ignoriert - abgesehen von Rechtsanwendungs- und Rechenfehlern - die (teilweise selbst zitierte) Rechtsprechung des BVerfG für das Kalenderjahr 1991. Eine vom jeweiligen Veranlagungsjahr abgekoppelte Verfassungsmäßigkeit von steuerlichen Regelungen gibt es jedoch nicht. Die bei der Veranlagung der Kläger durchgeführte Besteuerung für das Jahr 1991 unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, so dass die in die Berechnung des Prozessbevollmächtigten der Kläger eingestellten Positionen schon vom Ansatz her falsch sind.

I. Familienfreibetrag (Grundfreibetrag)

Der Prozessbevollmächtigte hat zwar zu recht darauf verwiesen, dass das BVerfG die steuerlichen Regelungen des Grundfreibetrags und des allgemeinen Tariffreibetrags - auch für das hier in Streit stehende Jahr 1991 i. H. v. 5.616 DM - für nicht mit der Verfassung vereinbar erklärt hat. Gleichzeitig hat es jedoch in seinen Beschlüssen vom 25. September 1992 (2BvL 5/91, 2 BvL 8/91 und 2 BvL 14/91, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 87, 153 ff, BStBl II 1993, 413, Leistsatz 4) angeordnet, dass die bisherigen Grundfreibeträge bis zu einer spätestens mit dem Veranlagungszeitraum 1996 zu treffenden Neuregelung weiter anwendbar sein sollten und eine rückwirkende Neuregelung nicht geboten sei (BVerfG a.a.O. Leitsatz 5). Lediglich für den Fall, dass der Gesetzgeber sich zu einer begrenzten rückwirkenden Neuregelung entschließen sollte, hätten sämtliche Steuerpflichtige an dieser Rückwirkung teilhaben müssen, ungeachtet der Frage, ob das jeweilige Verfahren noch anhängig oder bereits rechtsförmlich abgeschlossen gewesen wäre. Eine Regelung mit Rückwirkung hat der Gesetzgeber jedoch bis zur gesetzlichen Neufassung mit Wirkung ab 1996 nicht geschaffen, so dass die bisherigen Grundfreibeträge (in 1991 5.616 DM) weiter der Besteuerung zugrunde zu legen waren. Der Prozessbevollmächtigte hat daher zu unrecht für die Eheleute einen Grundfreibetrag von jeweils 12.407 DM geltend gemacht.

II. Kinderexistenzminimum

Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten ist auch diesbezüglich nicht substantiiert. Zwar hat auch hier das BVerfG in mehreren Beschlüssenvom 10. November 1998 (2 BvL 42/93, BVerfGE 1999, 246 ff, BStBl II 1999, 174; 2BvR 1852/97, 2 BvR 1853/97, BVerfGE 1999, 263, BStBl II 1999, 193) grundsätzlich klargestellt, dass gem. Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes bei der Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei zu belassen ist und dies in den vorangegangenen Jahren, darunter auch in 1991, nur unvollkommen geschehen sei. Dieses Versäumnis beseitigte jedoch der Gesetzgeber mit dem Familienförderungsgesetz (Bundesgesetzblatt I 1999, 2552) durch die Einführung eines neuen § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach dieser Vorschrift war nunmehr das Existenzminimum für jedes zu berücksichtigende Kind für die Jahre 1983 bis 1995 - technisch im Jahr 1999 realisiert - auf den Prüfstand zu stellen (zu den Einzelheiten vgl. Glanegger/Schmidt EStG 20. Aufl. § 53 Randziffer 2 m.w.N.). Die Überprüfung ergab im Falle der Kläger, dass sich in ihrem Fall erst bei einem Einkommen von 58.752 DM eine steuerliche Auswirkung ergeben hätte und das Kinderexistenzminimum daher in ihrem Fall ausreichend gewahrt war. Insofern ist die Behauptung des Prozessbevollmächtigten, der Beklagte habe gleichwohl das Kinderexistenzminimum nicht in ausreichender Höhe berücksichtigt, nicht ausreichend dargetan.

III. Kinderbetreuungskosten

Soweit der Prozessbevollmächtigte die Einbeziehung von Kinderbetreuungskosten in die steuerliche Veranlagung der Kläger für 1991 begehrt, kann er mit diesem Ansinnen nicht durchdringen. Unabhängig davon, dass er bisher nicht einmal dargelegt hat, welche Kinderbetreuungskosten konkret die Kläger getragen haben, gehen seine weiteren Ausführungen auch in rechtlicher Hinsicht fehl. Denn das BVerfG hat in seinem Beschluss vom 10. November 1998 (2 BvR 1057/1226) eine Neuregelung für die Kinderbetreuungskosten (§ 33c EStG) erst ab dem Kalenderjahr 2000 und für einen Haushaltsfreibetrag (§ 32 Abs. 7 EStG) erst ab 2002 für erforderlich gehalten.

Insofern hat der XI. Senat des BFH in ständiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht nicht klärungsbedürftig sei, ob es verfassungsrechtlich zu beanstanden sei, dass in den Veranlagungszeiträumen vor 2000 über die bisher geltende Regelung hinaus keine Kinderbetreuungskosten und kein Erziehungsbedarf steuermindernd berücksichtigt werden können (vgl. z.B. Beschluss des BFH vom 5. Februar 2000 VIII B 191/01, BFH/NV 2002, 647).

IV. Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung von Vorsorgeaufwendungen

Der Beklagte hat die Rechte der Kläger in diesem Punkt ebenfalls nicht verletzt. Denn er hat sämtliche geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen steuerlich als Sonderausgaben berücksichtigt, sodass sich vorliegend die Frage nach der Rechtswidrigkeit der Begrenzung des Sonderausgabenabzuges nicht stellt. In der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte zudem eingeräumt, dass sich auch nach seiner Berechnung keine steuerliche Auswirkung ergebe.

Angesichts dieser Punkte ist klargestellt, dass die Besteuerung des Beklagten zu recht erfolgte und insbesondere nicht davon gesprochen werden kann, dass die Kläger mit mehr als 50 v. H. ihres Einkommens steuerlich belastet sind. Der Senat verzichtet daher darauf, weitere Unzulänglichkeiten des Vortrags des Prozessbevollmächtigten der Kläger darzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat sieht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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