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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 30.07.2004
Aktenzeichen: 1 Bs 159/04
Rechtsgebiete: RBerG


Vorschriften:

RBerG § 6
RBerG § 1 Abs. 1 Satz 1

Entscheidung wurde am 22.09.2004 korrigiert: die Entscheidung wurde ersetzt, da sie nicht anonymisiert war
Ein Rechtsanwalt, der seit dem Ende seiner Zulassung zur Anwaltschaft nicht mehr geschäftsmäßig rechtsberatend tätig sein darf, kann für einen zugelassenen Anwalt als Angestellter Rechtsangelegenheiten erledigen. Wird er als freier Mitarbeiter tätig, so bedarf es deutlicher Anhaltspunkte, dass es sich tatsächlich um einer abhängige weisungsgebundene Tätigkeit handelt und nicht um eine gemäß § 6 Abs. 2 RBerG unzulässige Umgebung des Erlaubniszwanges nach § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG.
1 Bs 159/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Raecke und E.-O. Schulz am 30. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. März 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einen Streitwert von 2.000,-- EUR.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, ein früherer Rechtsanwalt, der seit dem 30. November 1999 nicht mehr als Anwalt zugelassen ist, begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit dieser soll der Antragsgegnerin die Behauptung untersagt werden, der Antragsteller sei nicht berechtigt, als freier juristischer Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei F. in deren Untervollmacht gegenüber Behörden oder in Prozesssachen vor Gerichten tätig zu sein, da diese Tätigkeit einen strafbaren Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz darstelle.

Nachdem der Antragsteller sein Begehren zunächst im Zivilrechtsweg verfolgt hatte, hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 9. Februar 2004 das Verfahren an das Verwaltungsgericht verwiesen. Dieses hat den Erlass der einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 12. März 2004 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es sei nach dem bisherigen Auftreten des Antragstellers gegenüber Behörden und Gerichten die Annahme gerechtfertigt, dass sein Verhältnis zu der Rechtsanwaltskanzlei F. wie auch zu anderen Rechtsanwaltskanzleien, für die er tätig sei, im Sinne von § 6 Abs. 2 Rechtsberatungsgesetz (RBerG) dazu missbraucht werden könnte, den Erlaubniszwang nach § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG zu unterlaufen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er u.a. vorträgt, die vorgelegte Erklärung des Rechtsanwaltes F. zeige deutlich, dass er, der Antragsteller, wie in einem typischen Angestelltenverhältnis weisungsgebunden und abhängig von den Entscheidungen seines Dienstherrn sei.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die mit ihr dargelegten Gründe, auf die sich die Überprüfung durch das Beschwerdegericht beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

1.Ohne Erfolg rügt der Antragsteller, dass nicht der Verwaltungs-, sondern der Zivilrechtsweg für das Verfahren gegeben sei. Die Verweisung des Hanseatischen Oberlandesgerichts im Beschluss vom 9. Februar 2004 war für das Verwaltungsgericht gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG bindend und ist dementsprechend auch im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zu überprüfen.

2.Der Antragsteller hat - auch im Beschwerdeverfahren - einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Nach der im Eilverfahren nur möglichen überschlägigen Prüfung steht dem Antragsteller ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin - wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat - nicht zu. Der mit der angegriffenen Äußerung verbundene Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ist von dem Antragsteller aufgrund des die Berufsausübung regelnden Rechtsberatungsgesetzes zu dulden.

Allerdings kann der Antragsteller, der seit dem Ende seiner Zulassung zur Anwaltschaft (30.11.1999) nicht mehr geschäftsmäßig rechtsberatend tätig sein darf, für einen zugelassenen Rechtsanwalt als Angestellter arbeiten und im Rahmen dieses Anstellungsverhältnisses auch Rechtsangelegenheiten für diesen erledigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 RBerG). Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 2 RBerG ergibt sich jedoch, dass die Rechtsform des Angestelltenverhältnisses nicht zu einer Umgehung des Erlaubniszwanges (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG) missbraucht werden darf. Insofern sind der Tätigkeit von angestellten juristischen Mitarbeitern deutliche Grenzen gesetzt. Diese durch das RBerG vorgegebenen Grenzen überschreitet der Antragsteller durch sein von der Antragsgegnerin gerügtes Auftreten gegenüber Behörden und Gerichten.

Nach der Rechtsprechung ist zwar der Begriff des Angestellten im Sinne des § 6 RBerG in einem weiten Sinne zu verstehen und deshalb "nicht ausgeschlossen", dass auch ein freier Mitarbeiter hierunter fällt (so BGH, Urt. v. 14.5.1998, NJW 1998 S. 497/98; OLG Brandenburg, NJW/RR 1999 S. 62; anderer Ansicht Chemnitz/Johnigk, RBerG, 11. Aufl. 2003, Rdnr. 644). Voraussetzung ist jedoch immer, dass es sich dabei tatsächlich um eine abhängige weisungsgebundene Tätigkeit handelt, was im Falle einer freien Mitarbeit, die indiziell eher auf eine selbstständige Tätigkeit hindeutet, deutlicher Anhaltspunkte bedarf. Die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles, die für die Überprüfung eines möglichen Missbrauchs nach § 6 Abs. 2 RBerG maßgeblich sind (vgl. BGH a.a.O., OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.2.1992, NJW 1992 S. 3051), ergeben keine ausreichend deutlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller hier bei seinem Auftreten gegenüber Behörden und Gerichten in dem erforderlichen Umfang lediglich weisungsgebunden wie ein Angestellter tätig wird.

Dagegen spricht einmal der Umstand, dass er nicht nur für die Kanzlei F., sondern auch für eine andere Anwaltskanzlei arbeitet und dabei nicht wie ein Angestellter ein festes Gehalt bezieht, sondern jeweils nach Aufwand bezahlt wird (vgl. Schriftsatz vom 11.3.2004). Zu Recht weist ferner das Verwaltungsgericht darauf hin, dass gerade länger andauernde Behörden- oder Gerichtstermine, insbesondere bei komplexeren Sachverhalten oder schwierigeren Rechtsmaterien, oft ein eigenständiges Argumentieren, Handeln und Entscheiden erfordern, das durch vorherige Anweisungen oder durch sofortige Rücksprache nur sehr eingeschränkt steuerbar ist. Die pauschale, von Rechtsanwalt F. bestätigte Angabe des Antragstellers, die Wahrnehmung derartiger Termine finde nach vorheriger Absprache mit seinem Auftraggeber und nach dessen Weisungen zum jeweiligen prozessualen Konzept statt, vermag unter diesen Umständen nicht zu überzeugen. Die Terminswahrnehmung ist bei dem Antragsteller auch nicht auf wenige, möglicherweise zu vernachlässigende Ausnahmefälle beschränkt. Nach der Beschwerdebegründung soll der Schwerpunkt seiner Tätigkeit zwar in der Vorbereitung und in den Entwürfen umfangreicherer Schriftsätze liegen, die Erklärung von Rechtsanwalt F. im Schreiben vom 12. März 2004 (Bl. 70 d.A.) zeigt jedoch deutlich, dass gerade die Vertretung in zeitaufwendigen Terminen durch den Antragsteller wegen der damit verbundenen Zeitersparnis für den Anwalt von erheblicher Bedeutung und offenbar ein wesentlicher Grund für die Beschäftigung des Antragstellers als freier Mitarbeiter ist. Dieses Ausmaß letztlich selbständiger Tätigkeit übersteigt die Grenzen einer nach § 6 RBerG erlaubten Zuarbeit. Es stellt eine nach § 6 Abs. 2 RBerG unzulässige Umgehung des Zulassungserfordernisses dar. Dieses bezweckt, wie das Bundesverfassungsgericht jüngst erneut bekräftigt hat (vgl. Beschl. v. 29.7.2004, 1 BvR 737/00), - u.a. - den Schutz des Rechtssuchenden. Die geschäftsmäßige Rechtsberatung soll nur durch Personen erfolgen, die aufgrund der von der Antragsgegnerin im Zulassungsverfahren zu prüfenden Voraussetzungen, zu denen neben gründlichen Rechtskenntnissen auch persönliche Integrität und geordnete Vermögensverhältnisse gehören, die Gewähr für eine verlässliche und vertrauensvolle Vertretung fremder Rechtsinteressen bieten. Dieser Schutzzweck wird durch das von der Antragsgegnerin gerügte Auftreten des Antragstellers vor Behörden und Gerichten gefährdet. Die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hat nämlich durch Bescheid vom 24. November 1998 die (frühere) Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO wegen Vermögensverfalls sofort vollziehbar entzogen. Nach den von der Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerdeerwiderung vorgelegten Unterlagen, denen der Antragsteller nicht widersprochen hat, ist der Antragsteller danach jedoch gleichwohl weiterhin selbständig rechtsberatend tätig geworden, und zwar auch noch nach dem Zeitpunkt, zu dem von ihm im anwaltsgerichtlichen Verfahren auf seine Zulassung als Rechtsanwalt verzichtet worden ist. Die sich darin manifestierende Gefahr, dass der Antragsteller - nunmehr als freier juristischer Mitarbeiter - praktisch seine vorherige Anwaltstätigkeit, zu der er nach dem Verlust seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr befugt gewesen ist, fortsetzt, erfordert nach Auffassung des Senats eine strenge Prüfung, ob hier der Missbrauchstatbestand des § 6 Abs. 2 RBerG vorliegt. Diese Prüfung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Die Gefährdungen, die mit dessen selbständigen Auftreten vor Gericht und Behörden für eine geordnete Rechtspflege und den Schutz der Rechtssuchenden verbunden sind, entfallen auch noch nicht dadurch, dass der Antragsteller jetzt nicht (mehr) unmittelbar mit den Mandaten abrechnet, sondern diese das Mandat einem anderen Rechtsanwalt geben, in dessen Auftrag der Antragsteller tätig wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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