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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 05.08.2005
Aktenzeichen: 1 Bs 234/05
Rechtsgebiete: HmbSG


Vorschriften:

HmbSG § 42
HmbSG § 87
Erreicht eine Schule die gesetzlich in § 87 HmbSG 2005 vorgeschriebene Mindestzügigkeit für zwei aufeinander folgende Schuljahre nicht und werden deshalb Eingangsklassen kraft Gesetzes nicht eingerichtet, so ist lediglich zu prüfen, ob eine fehlerfreie planerische Abwägung des Verordnungsgeber nur zu der Einrichtung der Eingangsklassen führen kann. Es kommt nicht darauf an, ob der Verordnungsgeber den Vorgang der Abwägung fehlerfrei durchgeführt hat (Modifikation der früheren Rechtsprechung zu Schulschließungen).
1 Bs 234/05

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch den Richter Dr. Gestefeld, die Richterin Huusmann sowie den Richter Wiemann am 5. August 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 25. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerin hat mit § 4 Abs. 18 der Verordnung über Maßnahmen im Rahmen der Schulorganisation zum Schuljahresbeginn 2005/2006, 2006/20007 und 2007/2008 vom 23. Juni 2005 (GVBl. S. 244) - SchulOrgVO 2005 - bestimmt, dass in der Gesamtschule Otto-Hahn-Schule Klassen der Vorstufe der Oberstufe nicht mehr eingerichtet werden. Die Antragstellerin hat die Jahrgangsstufe 10 an der Otto-Hahn-Schule mit einer Empfehlung für die Oberstufe abgeschlossen. Sie will im Wege einer einstweiligen Anordnung ihre Aufnahme in die Vorstufe durchsetzen. Sie hat 22 weiter Schülerinnen und Schüler benannt, die dort in die Jahrgangsstufe 11 (Vorstufe) aufgenommen werden wollen.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und im Kern ausgeführt: Der Gesetzgeber habe die eigentliche planerische Entscheidung über die Nichteinrichtung von Eingangsklassen bereits unmittelbar in § 87 Abs. 2 Satz 2 HmbSG getroffen. Danach würden keine Eingangsklassen mehr eingerichtet, wenn die Mindestzügigkeit in den beiden vorangegangenen Schuljahren nicht erreicht worden sei. Von dieser Regelung könne der Verordnungsgeber Ausnahmen zulassen. Insoweit sei gerichtlich lediglich zu prüfen, ob die gesetzliche Ermächtigung eingehalten, die Verfahrensrechte der Antragstellerin beachtet und ihre individuellen Interessen angemessen im Sinne der Verhältnismäßigkeit gewahrt seien. Nach diesen Maßstäben sei die Nichteinrichtung der Eingangsklassen nicht zu beanstanden. Insbesondere erreiche die Schule nicht die nunmehr durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes vom 28. April 2005 (GVBl. S. 151) vorgeschriebene Mindestzügigkeit von 4 Zügen mit einer Organisationsfrequenz von 22 Schülern. Die Sekundarstufe sei in den letzten beiden Jahren nur einzügig geführt worden. Der Gesetz- und der Verordnungsgeber habe auch im Wege der unechten Rückwirkung an die in der Schule vor Einführung der Mindestzügigkeit vorhandenen Schülerzahlen anknüpfen dürfen. Die Nichteinrichtung der Eingangsklassen beeinträchtige die Antragstellerin auch nicht unzumutbar. Es komme nicht darauf an, ob der Verordnungsgeber in anderen vergleichbaren Fällen von einer Schließung der Sekundarstufe II abgesehen habe. Von einer willkürlichen, gezielten Benachteiligung könne nicht die Rede sein. Auch habe sie nicht schützenswert darauf vertrauen dürfen, ihre schulische Ausbildung gerade an der Otto-Hahn-Schule abschließen zu können. Ihr sei es zuzumuten, zu der nahe gelegenen Gesamtschule Alter Teichweg oder an die von ihr gewählte Peter-Petersen-Gesamtschule zu wechseln. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zwar folgt das Beschwerdegericht aus den von der Antragstellerin dargelegten Gründen dem rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts nicht in vollem Umfang. Das Beschwerde- und Antragsvorbringen gibt aber keinen Anlass, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, an der Otto-Hahn-Schule eine Vorstufe einzurichten. Es ist nicht mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Antragstellerin verlangen kann, an dieser Schule auf die Oberstufe überzugehen.

Gemäß § 1 Sätze 1 und 3 Hamburgisches Schulgesetz (HmbSG) vom 16. April 1997 (GVBl. S. 97 mit spät. Änd.) wird das Recht auf schulische Bildung und Erziehung durch ein Schulwesen gewährleistet, das nach den Maßstäben dieses Gesetzes einzurichten und zu unterhalten ist. Nach Satz 4 des § 1 HmbSG ergeben sich aus diesem Recht auf schulische Bildung individuelle Ansprüche, wenn sie nach Voraussetzungen und Inhalt in diesem Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes bestimmt sind. Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 HmbSG entscheiden die Sorgeberechtigten im Rahmen der der Schülerin oder dem Schüler nach ihren oder seinen Leistungen eröffneten Möglichkeiten und im Rahmen der schulorganisatorischen Gegebenheiten über die Übergänge von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe. Danach hat die Antragstellerin nur im Rahmen der schulorganisatorischen Gegebenheiten einen Anspruch darauf, an der Otto-Hahn-Schule zu bleiben und dort auf die Vorstufe zu wechseln. Dies setzt voraus, dass entweder - was hier nicht der Fall ist - tatsächlich eine aufnahmefähige Vorstufe vorhanden ist oder nach den schulorganisatorischen Gegebenheiten eine solche einzurichten ist. Ob eine Vorstufe danach einzurichten ist, ist unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelung des § 87 HmbSG zu beurteilen. § 87 HmbSG enthält u.a. Vorschriften über die Mindestzügigkeit von Gesamtschulen und die Einrichtung und Nichteinrichtung von Eingangsklassen sowie über Schulschließungen. § 87 HmbSG formt die schulorganisatorischen Gegebenheiten aus, in deren Rahmen das Hamburgische Schulgesetz nach seinem § 1 Satz 4 und § 42 Abs. 3 Satz 2 allein individuelle Ansprüche auf Zugang zu der Schule gewährt.

Hiernach ist die Antragsgegnerin aus Rechtsgründen nicht gehalten, an der Otto-Hahn-Schule eine Vorstufe einzurichten.

1. Kraft Gesetzes werden nach § 87 Abs. 2 Satz 2 HmbSG in der Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes vom 28. April 2005 (GVBl. S. 151) - HmbSG 2005 - keine Eingangsklassen mehr eingerichtet, wenn in den beiden vorangegangenen Schuljahren die Mindestzügigkeit in den Eingangsklassen nicht erreicht wird. Damit ist ein gesetzlicher Automatismus geschaffen. Aus der Nichterreichung der Mindestzügigkeit in den beiden vorangegangenen Schuljahren folgt unmittelbar die Nichteinrichtung der Eingangsklassen, ohne dass es hierfür einer gesonderten konstitutiven planerischen Entscheidung bedarf. Nur ausnahmsweise kann der Senat der Antragsgegnerin gemäß § 87 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz HmbSG von dieser Regelung abweichen und Eingangsklassen einrichten. Sind an einer Schule unmittelbar kraft Gesetzes keine Eingangsklassen einzurichten und werden derartige Eingangsklassen auch tatsächlich von der Antragsgegnerin nicht eingerichtet, so sind die Eingangsklassen auch im Rechtssinne nicht vorhanden und kann der auf Teilnahme an dem vorhandenen Schulsystem begrenzte Anspruch auf Aufnahme in eine solche Klasse nur bestehen, wenn die Antragsgegnerin aus besonderen Gründen verpflichtet ist, derartige Klassen einzurichten.

Diese Auslegung folgt nicht nur aus dem Wortlaut des § 87 Abs. 2 und 3 HmbSG 2005. Sie entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Mit der Neufassung des § 87 HmbSG wollte der Gesetzgeber anders als zuvor für jede Schulform oder Schulstufe der allgemein bildenden Schulen eine Mindestzügigkeit vorgeben. Ferner hat er die früher gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 HmbSG 1997 nur für die Mittelstufe der integrierten Form der Gesamtschule und die Beobachtungsstufe und Mittelstufe des neunstufigen Gymnasiums geltende Regelung der Mindestzügigkeit ersetzt, nach der die Mittelstufe der Gesamtschule auf der Grundlage der jeweiligen Orientierungsfrequenz mindestens dreizügig zu führen war. Nunmehr ist die Mindestzügigkeit auf die integrierte Form der Gesamtschule mit Sekundarstufe II erweitert und auf vier erhöht worden (§ 87 Abs. 2 Satz 1 HmbSG 2005). An der im Wortlaut unveränderten Regel, dass bereits kraft Gesetzes Eingangsklassen nicht mehr eingerichtet werden, wenn an der betroffenen Schule in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die Mindestzügigkeit in den Eingangsklassen nicht erreicht wird, wollte das Gesetz hingegen nichts ändern.

Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Streichung des § 87 Abs. 1 Satz 3 HmbSG 1997 in der Neufassung des § 87 HmbSG 2005 den gesetzlichen Automatismus der Nichteinrichtung von Eingangsklassen beseitigen wollte. Die - gestrichene - Regelung des § 87 Abs. 1 Satz 3 HmbSG 1997 erlaubte dem Senat durch Rechtsverordnung zuzulassen, dass die Mindestzügigkeit an bestehenden Schulen um jeweils einen Zug unterschritten wird, wenn dies zur Sicherung der regionalen Versorgung mit den Schulformen unter Beachtung altersangemessener Schulwege und der Erreichbarkeit der Schulstandorte geboten war. Diese Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber in der Struktur unverändert in die jetzige Verordnungsermächtigung in § 87 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz übernommen, um die Vorschrift redaktionell zu straffen (BüDrs. 18/1706 zu Nr. 7). In den Beratungen des Schulausschusses (BüDrs. 18/2058 S. 5) führten die Senatsvertreter für die Schließung von Grundschulen wegen Nichterreichung der für diese geforderten Zweizügigkeit aus: Halte die Behörde für Bildung und Sport keine Ausnahmeregelung für erforderlich, so laufe die Schule automatisch aus, wie es bislang schon für Gymnasien und Gesamtschulen gegolten habe.

Diese Einschätzung traf für das Schulgesetz 1997 zu und gilt auch für die Neufassung 2005. Die Vorgängerregelung des § 87 HmbSG 1997 knüpfte an die früheren Regelungen im Schulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. Oktober 1977 (GVBl. S. 297 mit spät. Änd.) - HmbSG 1977 - an, ohne wesentliche Änderungen vorzunehmen (vgl. BüDrs. 15/553 zu § 87, S. 54). Mit dem Vierten Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes 1977 vom 18. Juni 1985 (GVBl. S. 143) hatte der Gesetzgeber auf die frühere Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (vgl. u.a. OVG Hamburg, Beschl. vom 14.9.1984, NVwZ 1985, 51; Beschl. vom 28.7.1983, HmbJVBl. 1984, 6 jeweils zur Schließung des Gymnasium Wilhelmsburg) reagiert, mit der die Planungsentscheidungen zur Nichteinrichtung von Eingangsklassen einer intensiven Kontrolle auf der Grundlage des planerischen Abwägungsgebotes unterzogen wurden. Um die mit dieser Rechtsprechung verbundene Rechtsunsicherheit zu reduzieren, schaffte er in § 21 a HmbSG 1977 eine gesetzliche Regelung der Mindestzügigkeit der Beobachtungsstufe und Mittelstufe des neunstufigen Gymnasium und der Mittelstufe der Gesamtschule. Zugleich legte der Gesetzgeber in § 21 a Abs. 2 HmbSG 1977 erstmals fest, dass Unterschreitungen der Mindestzügigkeit um jeweils einen Zug für höchstens zwei aufeinanderfolgende Schuljahre zulässig sind und dass - mit gleichem Wortlaut wie in § 87 Abs. 2 Satz 2 HmbSG 2005 - , wenn die Mindestzügigkeit in den Eingangsklassen in zwei aufeinanderfolgenden Schuljahren nicht erreicht wird, an der betreffenden Schule im darauffolgenden Schuljahr keine Eingangsklassen mehr eingerichtet werden. Hierdurch sollte die Nichteinrichtung von Eingangsklassen unmittelbar kraft Gesetzes erfolgen; deshalb stellte der Gesetzgeber zusätzlich in § 41 Abs. 3 Satz 1 HmbSG 1977 ausdrücklich klar, dass die dortige Ermächtigung zum Erlass von Schulorganisationsverordnungen nichts an dem gesetzlichen Automatismus der Nichteinrichtung von Eingangsklassen bei zweimaligem Nichterreichen der Mindestzügigkeit ändert. Diesen Willen des Gesetzgebers belegt die Gesetzesbegründung (BüDrs. 11/3645 zu Nr. 16 und zu Nr. 22) deutlich. Diese gesetzliche Entscheidung hat das Hamburgische Schulgesetz 1997 in der nunmehr maßgeblichen Fassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes fortgeführt.

An diese gesetzliche Bewertung ist das Gericht gebunden. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung bestehen nicht und sind auch nicht dargelegt. Daran ändert nichts, dass schulorganisatorische Maßnahmen planerischen Inhalts wie die jahrgangsweise Auflösung einer Schule nach der nicht zu den Besonderheiten des Hamburgischen Schulgesetz entwickelten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, (Beschl. vom 7.1.1992, DVBl. 1992, 1025) dem Gebot gerechter Abwägung unterliegen. Insofern können entgegen der Auffassung der Antragsteller die früher von dem Beschwerdegericht entwickelten Grundsätze zur Rekonstruktion und Kontrolle des planerischen Abwägungsvorganges nicht fortgeführt werden.

2. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass hier in § 87 Abs. 2 Satz 2 HmbSG 2005 die eigentliche planerische Entscheidung über die Nichteinrichtung unmittelbar gesetzlich getroffen sei, da nach dieser Regelung Eingangsklassen nicht in Schulen eingerichtet würden, in denen die Mindestzügigkeit in den vorangegangenen beiden Schuljahren nicht erreicht worden sei. Die Antragstellerin wendet sich nicht gegen die zutreffende Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Oberstufe der Otto-Hahn-Schule seit Jahren nur einzügig geführt werde. Die Darlegungen der Antragstellerin, die das Beschwerdegericht hier gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO allein zu prüfen hat, ergeben nichts, was diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts in Frage stellt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin greift die Schließungsregel des § 87 Abs. 2 Satz 2 HmbSG 2005 ein, obgleich § 87 Abs. 1 HmbSG 1997 in der in den Schuljahren 2003 und 2004 maßgeblichen Fassung nur für die Mittelstufe der Gesamtschule eine Dreizügigkeit vorgesehen hatte und die Otto-Hahn-Schule dieser Anforderung genügte:

Gemäß Art. 2 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes vom 28. April 2005 ist die Änderung des § 87 HmbSG 1997 bereits am Tag seiner Verkündung und nicht wie einige seiner übrigen Regelungen erst zum 1. August 2005 in Kraft getreten. Dies belegt, dass die Neuregelung bereits für die zum Schuljahreswechsel im Sommer 2005 zu treffenden Organisationsentscheidungen gelten soll. Das Gesetz und die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhalt für die Annahme, die neuen Regelungen über die Mindestzügigkeit sollten erst zwei Jahre später gelten, damit die Schulen sich auf die mit der Neuregelung verbundene Erhöhung der Anforderungen an die Mindestzügigkeit einstellen können. Für eine derartige Annahme gibt auch der Schulentwicklungsplan vom Januar 2005 für den Zeitraum 2005 bis 2015 nichts her, der u.a. bereits eine Schließung der Vorstufe der Otto-Hahn-Schule vorsieht.

Auch verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken, dass die Neuregelung im Wege der sogenannten tatbestandlichen Rückanknüpfung auf die in den beiden abgelaufenen Schuljahren vorhandenen Schülerzahlen und Schulzüge abstellt. Die Eltern und Schüler haben keinen Anspruch darauf, dass die früheren planerischen Maßgaben über die Mindestzügigkeit für einen Übergangszeitraum aufrechterhalten werden. Der Gesetzgeber darf seine Wertung, dass integrierte Gesamtschulen mit Sekundarstufe II grundsätzlich mehrzügig zu führen sind, ohne zeitliche Verzögerung umsetzen, um möglichst bald die sich daraus nach seiner Einschätzung ergebenden pädagogischen Vorteile größerer Oberstufen mit den damit verbundenen unterschiedlichen Wahlangeboten sowie die erhofften Kosteneinsparungen realisieren zu können.

Eine andere Auslegung rechtfertigt auch nicht der Vermerk der Schulaufsicht vom 9. Februar 2005. Danach soll eine rückwirkende Anwendung der Regelungen über die Mindestzügigkeit nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes entsprechen, weil das verstärkt nachfrageorientierte Anmeldeverfahren in der Vergangenheit nicht praktiziert worden sei und die Gefahr bestünde, dass nachgefragte Schulen von der Regelung getroffen würden, die nicht die Chance gehabt hätten, sich auf sie einzustellen. Diese Auffassung findet im Gesetz keinen Anhalt. Der Gesetzgeber hat das Fünfte Änderungsgesetz vielmehr vor dem Hintergrund des Schulentwicklungsplanes und der Schließungsüberlegungen der Behörde für Bildung und Sport verabschiedet, die bereits für das Schuljahr 2005/2006 die Schließung zahlreicher Schulen wegen ihrer zu geringen Größe sowie die Nichteinrichtung einer Vorstufe an drei Gesamtschulen vorgesehen hatten, die bis dahin mit der Sekundarstufe II geführt wurden.

3. Die Antragstellerin hat auch mit ihrem Vorbringen keinen Erfolg, die Antragsgegnerin habe die Ausnahmeregelung des § 87 Abs. 3 Satz1 2. Halbsatz nur im Falle der Otto-Hahn-Schule nicht zugunsten dieser Schule angewendet. Zahlreiche andere Gesamtschulen hätten in den letzten beiden Schuljahren ebenfalls nicht die Mindestzügigkeit in der Oberstufe erreicht; in der Vergangenheit sei es allgemeine Praxis gewesen, in der Oberstufe zu kooperieren. Es ist nicht mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die Antragsgegnerin aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) verpflichtet sei, die Vorstufe fortzuführen.

Die Darstellung der Antragstellerin trifft nicht zu, dass die Antragsgegnerin allein die Vorstufe der Otto-Hahn-Schule auslaufen lasse. Auch in der Geschwister-Scholl-Gesamtschule und der Gesamtschule Steilshoop werden Klassen der Vorstufe der Oberstufe nicht mehr eingerichtet (§ 4 Abs. 6 und 21 SchulOrgVO 2005). Die Verhältnisse bei den anderen Gesamtschulen unterscheiden sich soweit ersichtlich in einem solchem Maße von denen der Otto-Hahn-Schule, dass die Antragsgegnerin sie unterschiedlich regeln kann. Jedenfalls ist anderes nicht dargelegt:

a) Die Gesamtschulen Mümmelmannsberg und Horn verfügten nach den Feststellungen in dem Schulentwicklungsplan vom Januar 2005 in 2004 in ihren Sekundarstufen II zwar nur über eine Zügigkeit von 1,67 und 1,33 und damit nicht über eine wesentlich höhere Zügigkeit als die Otto-Hahn-Schule mit 1. Jedoch sollen sie zur Lösung der aus dieser geringen Größe sich ergebenden Probleme einen gemeinsamen Oberstufenverbund bilden und sieht der Schulentwicklungsplan für sie als Entwicklungsziel jeweils eine zweizügige Sekundarstufe vor. Hingegen geht die Antragsgegnerin auf Grund der Anmeldezahlen davon aus, dass die Sekundarstufe II der Otto-Hahn-Schule auch in den nächsten Jahren nur einzügig geführt werden könnte. Dies ist rechtlich angesichts der Zahl der Übergänge in die Vorstufe in der Vergangenheit schwerlich zu beanstanden:

 SchuljahrÜbergang in Vorstufe
1999/0017
2000/0121
2001/0224
2002/0322
2003/0426

Es kann nicht mit ausreichender Sicherheit prognostiziert werden, dass die Bemühungen der Schule, die Zahl der Übergänge zu erhöhen, bei Fortführung der Sekundarstufe II Erfolg haben würden. Die Antragstellerin hat für das kommende Schuljahr lediglich 22 weitere Schülerinnen und Schüler benannt, die die dortige Vorstufe besuchen wollen. Sollte die Schülerzahl zukünftig insbesondere im Zuge des geplanten Wohnungsbaus auf dem Gelände der Lettow Vorbeck Kaserne ansteigen, so kann - wie es im Schulentwicklungsplan heißt - wieder ein entsprechendes Angebot eingerichtet werden. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wird die Schule aber auch nach ihren eigenen Angaben bis 2015 in der Oberstufe jedenfalls keine Dreizügigkeit erreichen.

b) Die Fritz Schumacher Schule erreicht mit laut Schulentwicklungsplan 1,25 allerdings die angestrebte Mindestzügigkeit in der Oberstufe ebenfalls nicht. Dies beruht nach den Feststellungen des Schulentwicklungsplans aber auf den räumlichen Verhältnissen und führt dazu, dass die bestehende Kooperation fortgeführt werden soll. Dass dem vergleichbare Verhältnisse bei der Otto-Hahn-Schule vorliegen, kann in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Zwar kooperiert die Otto-Hahn-Schule mit den Gymnasien Tonndorf und Rahlstedt (Stellungnahme der Otto-Hahn-Schule zu den Standortvorschlägen der Antragsgegnerin). Die Entfernungen von der Otto-Hahn-Schule zu dem Gymnasium Tonndorf, an dem im kommenden Jahr ein kooperative Gesamtschule eingerichtet werden soll, und vor allem dem Gymnasium Rahlstedt übersteigen aber erheblich die Entfernungen von der Fritz-Schumacher-Schule zu den Gymnasien Hummelsbüttel, Heidberg und der Gesamtschule Heidberg, die sich dort nach ihrer Lage für eine Kooperation anbieten.

c) Die anders als die Sekundarstufe II der Otto-Hahn-Schule immerhin zweizügige Sekundarstufe II der Gesamtschule Stellingen, die in der Entwicklungsperspektive auf drei Züge erweitert werden soll, wird ausweislich des Schulentwicklungsplans weiterhin benötigt, weil die benachbarten Gesamtschulen die Schüler nicht aufnehmen können. Die ebenfalls zweizügige Sekundarstufe II der Gesamtschule Kirchdorf, die nach der Prognose des Schulentwicklungsplans auch künftig nicht dreizügig geführt werden kann, soll für den Stadtteil in enger Kooperation mit dem Technischen Gymnasium im Berufsschulzentrum und dem Gymnasium Kirchdorf/Wilhelmsburg fortgeführt werden, dessen Schülerzahlen alleine nicht ausreichen, um ein bedarfsgerechtes Kursangebot sicherzustellen. Die Alternative einer Konzentration an einem Standort sollen die räumlichen Verhältnisse nicht zulassen. Die übrigen Sekundarstufen II der Gesamtschulen unterscheiden sich schon auf Grund ihrer Größe wesentlich von der der Otto-Hahn-Schule (GS Max Brauer 3,3; GS Blankenese 3,3; Ida-Ehre 4,7; GS Julius Leber 4,3; Heinrich-Hertz 3, GS Alter Teichweg 3; GS Erich Kästner 4,67, GS Peter-Petersen 3; GS Walddörfer 4,33; GS Bergedorf 5,3; GS Harburg 3,3).

4. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber aus anderen Gründen rechtlich verpflichtet ist, von der Verordnungsermächtigung in § 87 Abs. 3 HmbSG 2005 zu Gunsten der Fortführung der Vorstufe der Oberstufe an der Otto-Hahn-Schule Gebrauch zu machen. Nach § 87 Abs. 3 Satz 2 HmbSG 2005 hat die Organisationsverordnung eine gleichmäßige Versorgung mit altersangemessen erreichbaren Angeboten der verschiedenen Schulformen und Schulstufen, die Entwicklung der Anmeldungen an den einzelnen Schulen und Schulformen sowie die Grundsätze einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zu beachten. Wie die Antragsgegnerin diesem Regelungsauftrag entspricht, liegt in ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit.

Allerdings sprechen nach den von der Antragstellerin vorgelegten Stellungnahmen der Otto-Hahn-Schule gewichtige Erwägungen dafür, aus Gründen einer gleichmäßigen Versorgung mit altersangemessen erreichbaren Angeboten der verschiedenen Schulformen die dortige Oberstufe fortzuführen. Denn die Entfernungen zu den nächst gelegenen Gesamtschulen mit Sekundarstufe II sind zwar für Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 nicht unzumutbar. Vieles deutet aber darauf hin, dass der weite Weg aus dem Bereich Jenfeld zu den nächst gelegenen Gesamtschulen mit Sekundarstufe II, nämlich den Gesamtschulen Alter Teichweg und der Peter-Petersen-Schule so weit ist, dass er die Eltern in ihrer Entscheidung beeinflusst, ihre Kinder auf eine Gesamtschule oder ein Gymnasium zu schicken. Der Antragstellerin ist zuzugeben, dass die Nichteinrichtung der Vorstufe die Wettbewerbslage zwischen Gesamtschulen und Gymnasien zu Gunsten der Gymnasien verschieben dürfte und dies nach der früheren Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (OVG Hamburg, Beschl. vom 28.7.1983 HmbJVBl 1984 S. 6/19/) Bedenken erweckt. Jedoch folgt hieraus noch keine rechtliche Verpflichtung, die Oberstufe fortzuführen. Denn der Gesichtspunkt der gleichmäßigen Versorgung ist nur einer der von der Schulplanung zu berücksichtigenden Belange. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung über die Mindestzügigkeit von integrierten Gesamtschulen mit Sekundarstufe II in § 87 Abs. 2 HmbSG 2005 eine Grundentscheidung für die Mehrzügigkeit der Sekundarstufe II getroffen. Von dieser darf der Verordnungsgeber nach 87 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz auch in den Fällen ausnahmsweise abweichen, in denen die Nichteinrichtungsregel (Nichterreichen der Organisationsfrequenz in den Eingangsklassen der beiden vorangegangenen Schuljahre) greift, er muss aber nicht von ihr abweichen. Er ist in der Abwägung grundsätzlich frei, ob er der Wahrung der Mindestzügigkeit den Vorrang gibt oder den Gesichtspunkten, die für die Fortführung einer danach zu kleinen Oberstufe sprechen. Es ist nicht zu erkennen, dass hier die dieser Abwägungsfreiheit gezogenen Grenzen überschritten sind und eine fehlerfreie Abwägung nur zu einer Entscheidung für eine Fortführung der Sekundarstufe II an der Otto-Hahn-Schule führen kann. Darauf, ob der Verordnungsgeber den Vorgang der Abwägung fehlerfrei durchgeführt hat, kommt es nach dem oben Gesagten nicht an.

Die Antragstellerin hat als Unterlegene gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten zu tragen. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus den §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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