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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.08.2004
Aktenzeichen: 1 Bs 271/04
Rechtsgebiete: GG, DBGrG


Vorschriften:

GG Art. 143 a
DBGrG § 13
DBGrG § 12
1. Die Deutsche Bahn AG und ihre Tochtergesellschaften haben bei der Umsetzung der ihnen zugewiesenen Beamten an einen anderen Dienstort die mit der Wahrung der Rechtsstellung der Beamten (Art. 143 a Abs. 1 S. 3 GG) verbundene Fürsorgepflicht zu beachten. Deren Einhaltung hat das Bundeseisenbahnvermögen notfalls im Wege der Rechtsaufsicht nach § 13 DBGrG durchzusetzen.

2. Aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles, insbesondere wenn die Umsetzung außergewöhnlich belastend auf besonders geschützte grundrechtliche Positionen wirkt, kann die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht dazu verpflichten, von der beabsichtigten Umsetzung auch dann abzusehen, wenn für den Beamten in der Gesellschaft der DB AG, der er zugewiesen ist, selbst kein geeigneter alternativer Dienstposten zur Verfügung steht. Eine Verpflichtung, einen geeigneten Dienstposten zu schaffen, besteht nicht.

3. In Ausnahmefällen besonderer Härte ist denkbar, dass eine beabsichtigte Umsetzung selbst dann unzulässig ist, wenn für den Beamten auch in anderen Gesellschaften des DB-Konzerns kein zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist.


1 Bs 271/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und E.-O. Schulz sowie die Richterin Huusmann am 27. August 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 26. Mai 2004 geändert.

Die Anträge, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen die Umsetzung/Versetzung der Antragstellerin nach A........... anzuordnen bzw. wieder herzustellen und die Beigeladene zu verpflichten, die Antragstellerin zu amtsangemessener Dienstausübung am Dienstort B.............. einer Niederlassung der DB AG bzw. einer Konzern AG zuzuweisen, werden abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist eine mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit teilzeitbeschäftigte Bahnobersekretärin, die als ehemalige Beamtin der Deutschen Bundesbahn seit Mai 2001 der beigeladenen DB Dialog GmbH zugewiesen ist. Im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen wurden Standorte der DB Dialog GmbH zusammengelegt und der Standort B........... geschlossen. Mit Schreiben vom 25. Februar 2004 "versetzte" die Beigeladene die Antragstellerin, die verheiratet ist und mit ihrer Familie in ............. lebt, von B................. an den neuen Dienstort A............ Dagegen erhob die Antragstellerin Widerspruch. Ihrem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht statt gegeben.

II.

Die zulässigen Beschwerden der Antragsgegnerin und Beigeladenen haben im Ergebnis Erfolg.

1.) Zutreffend und mit zutreffender Begründung, auf die vollen Umfangs verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts die von der Beigeladenen teilweise als Versetzung, teilweise als Umsetzung bezeichnete Maßnahme rechtlich als Umsetzung qualifiziert, gegen die vorläufiger Rechtsschutz nur im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO möglich ist.

2.) Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Antragsgegnerin und der Beigeladenen, letzterer im Rahmen der ihr zur Ausübung übertragenen Kompetenzen des Dienstherrn, bei der Umsetzungsentscheidung ein weiter Ermessensspielraum zusteht und der Beamte gegen eine Umsetzung in geringerem Maß rechtlich geschützt ist, als bei einer Versetzung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6. 1997, 2B 123/96, zit. nach Juris). Ein dienstliches Bedürfnis ist für die Umsetzung anders als für eine Versetzung nicht erforderlich, es reicht jeder sachliche Grund. Ebenso ist dem Verwaltungsgericht grundsätzlich darin zuzustimmen, dass die Schutzwirkung des Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG (Wahrung der Rechtsstellung der Beamten der Bundeseisenbahnen bei Zuweisung zur Dienstleistung an eine privatrechtlich organisierte Eisenbahn des Bundes) nicht nur die Wahrung des statusrechtlichen Amtes des Beamten beinhaltet, sondern mit der Wahrung der Rechtsstellung der Beamten auch die Verpflichtung des Bundeseisenbahnvermögens als Dienstherrn und, soweit Dienstherrnbefugnisse zur Ausübung übertragen wurden, der DB AG und ihrer ausgegliederten Gesellschaften besteht,die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht ernsthaft wahrzunehmen (vgl. zur Schutzfunktion des Art. 143 a Abs. 1 Satz 3 GG insbesondere Wolff, ArchÖR 2002, 72). Im Rahmen einer Umsetzung kommt diese beamtenrechtliche Fürsorgepflicht allerdings erst dann zum Tragen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls , insbesondere gewichtige Grundrechte des Beamten einer besonderen Berücksichtigung bedürfen und daher auch private Belange des Beamten in den Ermessenserwägungen bei der Umsetzungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Hierzu können auch besondere Schutzbedürfnisse des Beamten aus dem von Art. 6 GG geschützten Bereich von Ehe und Familie zählen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerde wird eine auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruhende beamtenrechtliche Fürsorgepflicht, die grundsätzlich im Rahmen der zur Ausübung übertragenen beamtenrechtlichen Kompetenzen auch von der Beigeladenen zu berücksichtigen ist, nicht dadurch relativiert, dass die Beigeladene Tarifverträgen nicht beigetreten ist und im harten Wettbewerb mit Konkurrenten steht. Denn dabei handelt es sich um Rechtspflichten des Dienstherrn (der Antragsgegnerin), die dieser gegebenenfalls im Wege der Rechtaufsicht gemäß § 13 des Gesetzes über die Gründung einer Deutsche Bahn Aktiengesellschaft vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I, S. 2386 - DBGrG -) durchzusetzen verpflichtet ist undderen Auswirkungen auf die Personalkosten der Beigeladenen in § 21 DBGrG geregelt sind. Dem steht auch nicht uneingeschränkt entgegen, dass die Antragsgegnerin gemäß § 12 Abs. 9 DBGrG nur im Einvernehmen mit der Deutschen Bahn AG oder deren ausgegliederten Gesellschaften eine Zuweisung und anderweitige Verwendung eines Beamten vornehmen kann. Die Grenzen zieht einerseits das Selbsteintrittsrecht der Antragsgegnerin gemäß § 13 Abs. 2 DBGrG im Falle der Verletzung beamtenrechtlicher Bestimmungen, zu denen auch die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten gehört, andererseits die Verpflichtung der DB AG die von Rationalisierungsmaßnahmen betroffenen Arbeitnehmer und Beamten vornehmlich auf anderen Arbeitsplätzen in Betrieben der DB AG zu beschäftigen (vgl. § 21 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 6 DBGrG).

Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht kann die Antragsgegnerin und/oder die Beigeladene in Ausübung der ihr übertragenen beamtenrechtlichen Zuständigkeiten aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles auch dann verpflichten, von einer Umsetzung abzusehen, wenn für den Beamten in der ausgegliederten Gesellschaft selbst kein geeigneter, alternativer Dienstposten zur Verfügung steht.

Gebietet die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht eine besondere, vorrangige Rücksichtnahme auf die persönlichen Belange des Beamten, kommt die beabsichtigte Umsetzung nicht in Betracht, wenn eine für den Beamten weniger belastende Maßnahme, wie eine Versetzung innerhalb des DB-Konzerns auf einen vorhandenen und zumutbaren Dienstposten für den er geeignet ist, möglich ist. Fehlt es an einem solchen vorhandenen alternativen Dienstposten und damit an einer Handlungsalternative zu der den Beamten wegen der Beeinträchtigung besonders geschützter grundrechtlicher Positionen außergewöhnlich belastenden Maßnahme der Umsetzung muss es bei der Umsetzung verbleiben. Eine Pflicht zur Schaffung eines unter Beachtung der besonderen Fürsorgepflicht für den Beamten geeigneten und zumutbaren Dienstposten zur Vermeidung einer Umsetzung besteht für den Dienstherrn grundsätzlich nicht. Dienstposten bei der DB VermittlungsAG, die nur der Vermittlung in geeignete Dienstposten dienen und eine amtangemessene Beschäftigung des Beamten auf einem regulären (produktiven) Dienstposten erst vorbereiten und vermitteln sollen, entsprechen eher einem neu zu schaffenden Dienstposten als einem schon vorhandenen geeigneten. Sie müssen daher als Alternative für eine beabsichtigte Umsetzung auf einen vorhandenen Dienstposten, für den der Beamte geeignet ist, grundsätzlich nicht berücksichtigt und ihm angeboten werden.

Darüber hinaus ist nur in Ausnahmefällen besonderer Härte denkbar, dass eine beabsichtigte Umsetzung selbst dann unzulässig ist, wenn für den Beamten auch in anderen Gesellschaften des DB-Konzerns kein zumutbarer Arbeitsplatz vorhanden ist, für den der Beamte geeignet ist.

3.) Diese Grundsätze ergeben: Die Umsetzung führt für die Antragstellerin nicht zu einer derartig schwerwiegenden Härte, dass eine Umsetzung nach A........... ausscheidet.

Zwar haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene, die familiären Verpflichtungen der Antragstellerin gegenüber ihren Kindern und ihrem Ehemann und ihre Bindung an ihre Ehe- und Familienwohnung in ............. zu berücksichtigen. Hierauf haben sie im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht bei der Ausgestaltungder Arbeitsbedingungen der teilzeitbeschäftigten Antragstellerin unabhängig davon Rücksicht zu nehmen, ob die Beigeladene in den Geltungsbereich des § 3 Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz vom 3. November 2001 (BGBl. I, S. 3234 - BgleiG -) fällt und daher von ihr die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit besonders zu erleichtern ist (§ 12 BGleiG). Weder aus diesem Gesetz noch aus Art. 6 GG i.V.m. der Fürsorgepflicht folgt aber, dass jede andere Entscheidung als das Absehen von der verfügten Umsetzung rechtsfehlerhaft wäre. Denn zu berücksichtigen sind auch die dienstlichen Bedürfnisse der Beigeladenen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihren Standort in Hamburg geschlossen hat. Die mit der Erhöhung der Fahrzeiten verbundene erhebliche Belastung der Antragstellerin greift nicht derart schwerwiegend in ihre Grundrechte, insbesondere den Schutz von Ehe und Familie ein, dass eine Umsetzung nach A........... unabhängig davon ausscheidet, ob im DB-Konzern ein wohnortnäherer geeigneter Arbeitsplatz für sie zur Verfügung steht. Die drei Töchter der Antragstellerin sind 20, 19 und 15 Jahre alt, besuchen die Schule und sind nicht mehr auf fortlaufende Betreuung angewiesen. Morgens vor der Schule und am Nachmittag und Abend können sie - solange die Antragstellerin ihren Dienstgeschäften nachgeht - auf ihren Vater, der als Oberstudienrat.......................am Wohnort der Familie tätig ist, zurückgreifen.

Der Senat vermochte dem Verwaltungsgericht nicht bei der Einschätzung zu folgen, dass sich bei kursorischer Betrachtung aus den von der Beigeladenen übersandten Stellenangeboten und den in Parallelverfahren eingereichten Bewerbungen erkennen lasse, dass es in B/Norddeutschland Stellen gebe, die für die Antragstellerin vom wahrzunehmenden Aufgabengebiet her in Frage gekommen wären. Mit der Beschwerde hat die Beigeladene unwidersprochen dargelegt, dass von den vakanten Stellen in zumutbarer Entfernung zur Wohnung der Antragstellerin keine für sie geeignet gewesen sei. Mit Recht hat die Beigeladene bei ihrer Einschätzung dabei nicht darauf abgehoben, ob einer der angebotenen Dienstposten dem abstrakten Amt der Antragstellerin entsprach. Denn als Alternative in die Umsetzungsentscheidung mit einzubeziehender Dienstposten käme nur ein solcher näher in Betracht, für den die Antragstellerin auch konkret geeignet ist. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie sich im Zuge des Umsetzungsverfahrens um einen solchen für sie geeigneten konkreten Dienstposten vergeblich beworben hat. Bei der im vorliegenden Eilverfahren allein möglichen vorläufigen Beurteilung kann daher nicht festgestellt werden, dass neben der Umsetzung für die Antragstellerin eine zumutbare alternative Verwendungsmöglichkeit im Bereich des DB-Konzerns bestand. Dies führt dazu, dass trotz beachtenswerter privater Belange der Antragstellerin die Umsetzungsentscheidung im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden ist.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1VwGO, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen. Die Beigeladene hat sich am Kostenrisiko des Verfahrens durch den Zurückweisungsantrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie durch die eigene Beschwerde beteiligt.

Ende der Entscheidung

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