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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2004
Aktenzeichen: 1 Bs 306/04
Rechtsgebiete: HmbVwVfG, HmbSchulG


Vorschriften:

HmbVwVfG § 35
HmbSchulG § 49 Abs. 3
HmbSchulG § 70 Abs. 2
HmbSchulG § 1 Satz 2
HmbSchulG § 2
HmbSchulG § 3
Die im Zuge der Auflösung einer Klasse erfolgende Umsetzung eines Schülers in eine Parallelklasse derselben Schule ist regelmäßig kein Verwaltungsakt.

Das Hamburgische Schulgesetz verleiht keine individuellen Ansprüche auf ein bestimmtes Lern- und Leistungsniveau in der schulischen Bildung.


1 Bs 306/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Raecke und E.-O. Schulz am 27. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 22. Juni 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 44.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller, die eine der Gesamtschule angegliederte Grundschule besuchen, wenden sich dagegen, dass ihre bisherige Klasse aufgelöst und sie mit dem Beginn des Schuljahres auf zwei weitergeführte dritte Klassen verteilt werden, in denen dann jeweils 28 Schüler unterrichtet werden. Ihren Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht abgelehnt.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) führt zu keiner für die Antragsteller günstigen Entscheidung.

1. Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist die Auflösung der bisherigen Klasse der Antragsteller kein sie belastender Verwaltungsakt, gegen den sie Rechtsschutz nach § 80 VwGO begehren können.

Nach der Begriffsbestimmung des § 35 Abs. 1 HmbVwVfG ist als Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme anzusehen, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft, und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Die getroffene Maßnahme muss Rechte des Betroffenen unmittelbar begründen, verbindlich feststellen, beeinträchtigen, aufheben oder mit bindender Wirkung verneinen. Eine derartige Regelung setzt eine unmittelbare rechtliche Außenwirkung voraus. Ob ihr diese Wirkung im einzelnen zukommt, hängt davon ab, ob sie ihrem objektiven Sinngehalt nach dazu bestimmt ist, Außenwirkung zu entfalten (st. Rspr. des BVerwG, vgl. Urt. v. 15.2.1989 - 6 A 2/87- NVwZ 1989 S. 1055; Stelkens/Bonk/Stelkens, VwVfG, 6. Aufl., 2001, § 35 Rdn. 85; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 35 Rdn. 47 f.). Im Unterschied zu einer Umsetzung eines Schülers in eine Parallelklasse als auf § 49 Abs. 3 Hamburgisches Schulgesetz vom 16. April 1997 (GVBl. S. 97) zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Juni 2003 (GVBl. S. 177) - HmbSchulG - gestützte Erziehungs- und Ordnungsmaßnahme zielt die Auflösung eines Klassenverbandes und die Verteilung der Schüler der aufgelösten Klasse auf andere Klassen derselben Schule und Jahrgangsstufe, in denen ihnen Unterricht nach denselben Lehrplänen und mit denselben Gegenständen angeboten wird, nach dem objektiven Sinngehalt nicht auf subjektive Rechte der davon betroffenen Schüler und führt typischerweise auch nicht zu einem Eingriff in ihre subjektiv-öffentlichen Rechte. Die Zusammenfassung von Schülern in Klassenverbände, deren Größe und Zusammensetzung dient in aller Regel der Organisation der Unterrichtung der Schüler und des Einsatzes der Lehrkräfte und stellt sich damit als interner Organisationsakt der Schule als Behörde dar, der nicht auf Eingriffe in die Individualrechte der Schüler gerichtet ist. Dementsprechend sieht das Hamburgische Schulgesetz in § 70 Abs. 2 ein Anhörungsrecht der Klassenelternvertreter vor einer Zusammenlegung oder Teilung einer Schulklasse vor, dessen es nicht bedurft hätte, wenn ohnehin gemäß § 28 Abs. 1 HmbVwVfG alle Eltern der betroffenen Schüler vor der Maßnahme angehört werden müssten.

Gesetzlich geschützte Rechte der Antragsteller, in die durch die Auflösung des Klassenverbandes und Verteilung der Schüler auf Parallelklassen eingegriffen werden, sind mit der Beschwerde nicht vorgetragen worden. Die Antragsteller werden weiterhin in derselben Schule beschult. Aus dem Recht auf schulische Bildung ergeben sich gemäß § 1 Satz 2 HmbSchulG nur individuelle Ansprüche, wenn sie nach Voraussetzungen und Inhalt in dem Schulgesetz oder aufgrund dieses Gesetzes bestimmt sind. Ein Anspruch auf Unterricht durch einen konkreten Lehrer oder auf gemeinsamen Unterricht mit einer bestimmten Anzahl von Schülern oder gar bestimmten Schülern besteht danach nicht. Auch der von den Antragstellern befürchtete, und von der Antragsgegnerin nicht in Abrede genommen Umstand, dass Lernfortschritte von ihnen wegen des geringeren Niveaus der aufnehmenden Klassen in absehbarer Zeit nicht oder nicht mehr in bisherigem Umfang und Tempo erzielt werden könnten, verletzt die Antragsteller nicht in ihrem Recht auf schulische Bildung. Denn das Hamburgische Schulgesetz gibt keine individuellen Ansprüche auf ein bestimmtes Lern- und Leistungsniveau in der schulischen Bildung; der Bildungsanspruch ist auf die Teilnahme an dem vorhandenen Schulwesen beschränkt, das nach Maßgabe des Schulgesetzes einzurichten und zu unterhalten ist. Ebenso wenig besteht nach dem Hamburgischen Schulgesetz ein individueller Anspruch auf optimale Förderung der individuellen Begabungen oder ungestörtes Lernen. Bei den in §§ 2 und 3 HmbSchulG aufgestellten Grundsätzen zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und den Grundsätzen zu ihrer Verwirklichung handelt es sich um von der Schule anzustrebende und zu beachtende, z.T. miteinander in Konflikt stehende gesetzliche Zielsetzungen, aus deren Programmsatzcharakter individuelle Rechte der Schüler nicht hergeleitet und durchgesetzt werden können.

Die von den Antragstellern zitierte Kommentierung (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 35 Rdn. 109), die die Ansicht vertritt, dass die Schließung einer Schulklasse einen Verwaltungsakt darstelle, überzeugt demgegenüber nicht. Die zur Begründung dieser Ansicht angeführte Rechtsprechung betrifft die Schließung von Schulen, nicht von einzelnen Klassen.

2. Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Recht abgelehnt. Voraussetzung wäre angesichts der weitgehenden Vorwegnahme der Hauptsache, dass die Antragsteller einen Anspruch auf weitere Beschulung in dem bisherigen Klassenverband hätten. Ein subjektiv- öffentliches Recht auf Unterrichtung in einem bestimmten Klassenverband ist, wie oben dargelegt, dem Hamburgischen Schulgesetz nicht zu entnehmen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass den Antragstellern in ihrer Gesamtheit oder einem der Antragsteller aus anderen Gründen, insbesondere zur Wahrung der Grundrechte ein solches Individualrecht zusteht, das zumindest auf ermessenfehlerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin gerichtet wäre. Selbst wenn die gemäß § 70 Abs. 2 HmbSchulG vorgeschriebene Anhörung der Klassenelternvertreter nicht ordnungsgemäß erfolgt sein sollte, ergeben sich daraus keine individuellen Ansprüche auf Beibehaltung des bisherigen Klassenverbandes der Antragsteller. Ein individuelles Recht der Antragsteller auf optimales Verwaltungshandeln der Schule, die sie besuchen, besteht nicht. Es bedarf daher keiner Untersuchung, ob, wie die Beschwerde vorträgt, sachwidrige Erwägungen angestellt worden seien, die Auflösung einer anderen der Parallelklassen sinnvoller wäre oder eine behauptete Verschwendung öffentlicher Mittel vermieden würde. Wenn die Schule wie hier nicht in subjektiv-öffentliche Rechte der Schüler eingreift, ist es Aufgabe der Schulbehörde als Aufsichtsbehörde, nicht aber ein Recht der Schüler, die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit von Organisationsakten der Schule zu überwachen und gegebenenfalls korrigierend einzuschreiten.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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