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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.03.2004
Aktenzeichen: 1 Bs 47/04
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 33 c Abs. 1
Zumindest ein Spielautomat, bei dem der Spieler nicht nur Freispiele gewinnen, sondern auch frühere Einsätze bis zu einer Gesamthöhe von 50 Euro zurückgewinnen kann, ist ein Spielgerät mit Gewinnmöglichkeiten im Sinne des § 33 c Abs. 1 GewO.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

1. Senat

1 Bs 47/04

Beschluss vom 13. März 2004

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und E.-O. Schulz sowie die Richterin Huusmann am 31. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Januar 2004 wird auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hin geändert. Soweit die Antragstellerin den Antrag nicht zurückgenommen hat, wird ihr Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (4 VG 1230/2003) abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die gesamten Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin betreibt eine Automatenspielhalle, in der sie neben Geldspielautomaten u.a. vier von ihr als Unterhaltungsspielgeräte bezeichnete durch Geldeinsatz zu betätigende Geräte aufgestellt hat. Die Geräte unterscheiden sich gegenwärtig von zugelassenen Geldspielgeräten äußerlich und hinsichtlich der angebotenen Spiele nicht wesentlich ansonsten dadurch, dass mit höheren Maximaleinsätzen und deutlich kürzeren Spielzeiten Freispiele gewonnen werden können, die sich die Spieler auch als Bargeld ausbezahlen lassen können. Die Höhe der Auszahlung ist auf die Höhe der Einzahlung sowie einen gegenwärtig auf 50,-- Euro eingestellten Maximalbetrag begrenzt. Einzahlungen können auch darüber hinaus vorgenommen werden. Über den maximalen Auszahlungsbetrag hinaus gewonnene (Frei)Spiele können, nach Wahl des Spielers entweder als Freispiele im Automaten verbleiben und dort - auch - von anderen Spielern genutzt werden, oder auf elektronischen Speichermedien fixiert werden und zu einem späteren Zeitpunkt an demselben Automaten zu weiteren Spielen verwendet werden.

Mit Bescheid vom 8. November 2002 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Auflage, in ihrer Spielhalle sämtliche Unterhaltungsspielgeräte, an denen der Einsatz zurückgewonnen werden kann, unverzüglich zu entfernen und ordnete insoweit die sofortige Vollziehung an. Ihr Widerspruch blieb erfolglos. Auf ihren Antrag hin stellte das Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung der Klage wegen offener Erfolgsaussichten wieder her, soweit die Antragstellerin, nachdem sie die Möglichkeit, Gewinnmarken (Token) auszuspielen aus den Automaten entfernt hatte, ihren Antrag nicht zurückgenommen hatte. Mit der Beschwerde wiederholt die Antragsgegnerin, dass es sich bei den fraglichen Geräten um Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit i.S. des § 33 c GewO handele, deren Aufstellung u.a. mangels Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt unzulässig sei.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Antragsgegnerin hat mit ihren Darlegungen die Grundlage des Beschlusses des Verwaltungsgericht ernsthaft in Frage gestellt (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO). Das Beschwerdegericht folgt der Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts nicht. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts geht der Senat, nachdem er die aufgestellten Spielgeräte, an denen der Einsatz zurückgewonnen werden kann, in Augenschein genommen und deren Funktionen, die zwischen den Beteiligten im Streit waren, mit dem oben dargestellten Ergebnis geklärt hat, davon aus, dass die so beschriebenen Geräte Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit i.S. des § 33 c Abs. 1 GewO sind, deren Aufstellung erlaubnispflichtig ist. Diese Erlaubnis kann mangels Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt nicht erteilt werden (§ 33 c Abs. 1 S. 2 GewO), so dass die Spielgeräte aus der Spielhalle der Antragstellerin zu entfernen sind. Daran besteht, wie die Antragsgegnerin mit Recht ausgeführt hat und von der Antragstellerin auch nicht in Abrede genommen ist, ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse i.S. des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO.

Bei der Beurteilung, ob die oben beschriebenen Spielgeräte solche mit Gewinnmöglichkeit i.S. des § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO sind, hat der Senat einerseits Sinn und Zweck der Vorschrift, der Förderung von Spielsucht und der Ausbeutung des Spieltriebes entgegenzuwirken zu beachten, andererseits aber auch zu berücksichtigen, dass Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG die grundsätzliche Freiheit gewährleisten, nicht verbotene Spiele zu veranstalten und daran teilzunehmen. Dabei ist der Grad der Gefährdungen maßgeblich, der von den Spielgeräten dadurch ausgeht, dass durch übersteigerte Gewinnerwartung ein Anreiz geschaffen wird, sich mit unkontrollierter Risikobereitschaft einer großen Verlustgefahr auszusetzen (BVerwG, Urt. v. 9.10.1984, GewArch 1985, S. 64, 65 zu § 33 i GewO). Der Grad der Gefährdung wiederum ist abhängig von der Spieldauer, sowie Art, Intensität und Maß des Anreizes zum Spieleinsatz, der von dem Gerät ausgeht. Solcher Spielanreiz kann vielfältige Ursachen haben. Stellt sich eine Gewinnmöglichkeit als eine der wesentlichen Ursachen dar, scheidet eine Anwendung des § 33 c GewO aus, wenn für jeden Nutzer von vornherein offenkundig ist, dass es sich nur um einzelne Gewinne von geringfügigem Wert handelt, so dass eine im wirtschaftlichen Sinne ausbeuterische Ausnutzung des Spieltriebes nicht zu befürchten ist. Unter Gewinn versteht der Senat mit dem OLG Hamm (Beschl. v. 28.7.1969, GewArch 1970, S. 41) einen Wert, der dem Vermögen des Spielers zufließt. Das können auch Freispiele sein, wenn die Spiele sonst nur gegen Geldzahlung zugänglich sind und der Spieler über sie verfügen kann, sei es dass er sich ihren Wert in Geld auszahlen lässt, sie (später) selbst verwendet oder verschenkt. Denn dann erspart er mit dem Gewinn von Freispielen Aufwendungen aus dem eigenen Vermögen für eine (Unterhaltungs-)Dienstleistung, für die er ohne den Gewinn Zahlungen leisten und sein Vermögen mindern muss. Erspart er allerdings, wie in dem vom OLG Hamm entschiedenen Fall deshalb keine Aufwendungen, weil der Gewinn in einem unmittelbar anschließenden neuen (Unterhaltungs-) Spiel ohne Unterbrechung und ohne erneut zu bezahlen besteht, fließt dem Vermögen des Spielers nichts zu. Der Senat vermag sich der Auffassung des LG Krefeld (Urt. v. 10.3.2003, GewArch 2003, S. 294 zu § 284 StGB) nicht anzuschließen, dass der Rückerhalt des Einsatzes bei einem Spiel keinen Gewinn für den Spieler darstelle, da sein Vermögen vor und nach dem Spiel unverändert sei. Denn damit bleibt unberücksichtigt, dass es sich wirtschaftlich durchaus als Zuwachs des Vermögens darstellt, wenn eine in Anspruch genommene, zu bezahlende (Dienst-) Leistung nur deshalb nach ihrer Nutzung nicht zu einer Verminderung des Vermögens führt, weil sie im Wege eines Spieles (nachträglich) gewonnen und die bereits erfolgte Zahlung rückabgewickelt oder auf Zahlung ganz verzichtet wird.

Bei Anwendung dieser Grundsätze stellen sich die vom Antragsteller aufgestellten, oben beschriebenen Spielgeräte als solche mit Gewinnmöglichkeit i.S. des § 33 c Abs. 1 GewO dar.

Hauptanreiz der hier fraglichen Spielgeräte ist deren Gewinnmöglichkeit. Äußerlich und hinsichtlich des nicht variablen Spielinhalts und des nur geringfügig zu beeinflussenden Spielverlaufes entsprechen sie im wesentlichen herkömmlichen Geldspielgeräten. Die Dauer eines Spiels von 3 bis 5 Sekunden beträgt weniger als die Hälfte der in § 13 Nr. 12 SpielV für Geldspielgeräte vorgesehenen Mindestdauer von 12 Sekunden. Besondere, zum fortgesetzten Spiel anreizende Attraktivität gehen daher weder von den Spielen selber noch von ihrer Dauer aus. Im Vordergrund des Spielreizes steht vielmehr deutlich die Möglichkeit von Gewinn und Verlust.

Entgegen der Annahme der Antragstellerin sind nicht alle Spiele von dem Beginn der Betätigung der Automaten bis zur endgültigen Beendigung der Bedienung durch den Spieler als ein einziges, einheitliches Spiel zu werten. Auch wenn, worauf der Antragsteller besonderen Wert legt, der in das Gerät eingeworfene Geldbetrag proportional sofort in "Punkte" umgerechnet wird, repräsentieren diese "Punkte" für den Spieler doch seinen Geldeinsatz, von dem er einen Teil für jedes neu anzustoßende Spiel einsetzt und dabei zwischen Einsätzen von 5 bis 50 Cent bzw. 10 Cent bis 1,-- Euro für ein ca. 3 bis 5 Sekunden dauerndes Spiel wählen kann. Der Spieler hat die Möglichkeit, die Höhe des eingesetzten in Punkte umgerechneten Geldbetrages für jedes Spiel neu zu wählen. Er muss dem Automaten vor jedem Spiel einen neuen Befehl geben und bezahlt offenkundig jedes einzelne Spiel, sei es dadurch, dass von dem durch Vorauszahlung bewirkten Punktekonto der Einsatz abgebucht wird, sei es dass der Spieler unmittelbar Geld einwerfen muss. Dies charakterisiert, was zwischen den Beteiligten nach der Ortsbesichtigung auch unstreitig ist, die Aktionen des Automaten zwischen zwei Spielbefehlen als ein - zu bezahlendes - Spiel. Mithilfe dieses - einen - Spieles kann der Spieler eine Vielzahl von Freispielen gewinnen, deren Anzahl faktisch allerdings durch die "Gewinnquote" und teilweise von der Höhe des aufgelaufenen "Jackpots" begrenzt ist. Ihr Wert kann die Höhe der jeweils zugelassenen Bargeldauszahlung bei weitem überschreiten. Mithilfe dieses Gewinns von Freispielen und deren Umwandlung in Geldauszahlung kann der Spieler nicht nur seinen jeweils letzten Spieleinsatz zurückgewinnen, sondern auch bereits verspielte Beträge vorheriger Spiele bis zu einer vom Antragsteller einstellbaren Höhe (hier konkret 50,-- Euro). Zwar ist damit einerseits der Anreiz überhaupt einen solchen Spielautomaten zu bedienen wegen der auf den Betrag der Einzahlung und auch in der absoluten Höhe (hier auf 50,-- Euro) begrenzten Gewinnmöglichkeit im Verhältnis zu einem klassischen Geldspielautomaten, bei dem auch über den eingesetzten Betrag hinaus Bargeld gewonnen werden kann, anfänglich reduziert. Der Anreiz steigt allerdings mit jeder Zahlung, weil damit die absolute Höhe des in Bargeld realisierbaren Gewinnes an Freispielen erhöht wird und nähert sich mit zunehmendem Einsatz und damit zunehmender Spieldauer dem Charakter eines klassischen Geldspielgerätes. Die Begrenzung der Rückgewinnmöglichkeit reduziert den Spielanreiz und das daraus erwachsende Gefährdungspotential insgesamt nicht signifikant. Der mögliche Spielgewinn ist nicht begrenzt auf die Rückerstattung des konkreten Einsatzes für das konkret angestoßene Spiel mit geringem Einsatz. Durch die Möglichkeit des Gewinnes einer Vielzahl von Freispielen und deren Rückumwandlung in Geld können nicht unerhebliche Geldbeträge (hier bis zu 50,-- Euro) durch ein einziges Spiel (zurück-) gewonnen werden. Das bildet insbesondere bei steigenden Verlusten einen nicht unerheblichen Anreiz weiter zu spielen, selbst wenn sich durch weitere Geldzahlungen über den Maximalbetrag von 50,-- Euro hinaus die absolute Gewinnhöhe nicht weiter steigern lässt. Denn der Anreiz, durch einen Spieleinsatz von weiteren 5 bis 50 Cent oder 10 Cent bis 1,-- Euro eine ("Rück"-) Zahlung von bis zu 50 Euro, also des fünfzig bis fünfhundertfachen oder einhundert bis tausendfachen des Spieleinsatzes gewinnen zu können, ist deutlich höher, als der Verordnungsgeber in der Spielverordnung als noch hinnehmbar angesehen hat. Nach § 13 Nr. 5 der Spielverordnung (i.d.F. des Art. 9 Nr. 1 b des Neunten Euro-Einführungsgesetzes vom 10.11.2001, BGBl. I S. 2992, 296) darf die Bauart eines Geldspielgerätes nur zugelassen werden, wenn ein Spiel höchstens 0,20 Euro, der Gewinn höchstens 2,--Euro betragen. Der mögliche Spieleinsatz bei den hier fraglichen Geräten ist um das bis zu fünffache höher und das Verhältnis von Einsatz und Gewinnmöglichkeit ist um das 20- bis 100fache höher als nach der SpielV für Geldspielgeräte zulässig. Es entstehen durch die Automaten also zum einen übersteigerte Gewinnerwartungen und zum anderen mit hohen Einsätzen für geringe Spieldauer große Verlustgefahren, so dass das Gefährdungspotential ihrer Gewinnmöglichkeiten die Anwendungsschwelle des § 33 c Abs. 1 GewO überschreitet. Daran ändert nichts, dass nach dem Vorbringen der Antragstellerin die Gewinnquote die ihrer Geldspielgeräte übersteigen soll. Dies ist auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes schon so deutlich geworden, dass eine verlässliche Einschätzung nicht erst im Hauptsacheverfahren möglich ist. Der Ausgang des Hauptsacheverfahren ist daher entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht nicht als offen zu bezeichnen, die angefochtenen Bescheide sind demnach rechtmäßig; die Klage dürfte bei unveränderter Sach- und Rechtslage kaum Aussicht auf Erfolg haben.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Der Antragstellerin geht es darum, vier aufgestellte als Gewinnspielgeräte zu qualifizierende Geräte nicht aus ihrer Spielhalle entfernen zu müssen. Ein solches Interesse hat das Bundesverwaltungsgericht für Hauptsacheverfahren mit 4.000,-- DM je Gerät bewertet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.10.1991 - 1 C 1.91 = GewArch. 1992 S. 62). Dem hat sich der bisher für das Gewerberecht zuständige vierte Senat des Berufungsgerichts mit der Maßgabe angeschlossen, dass an die Stelle des Betrages von 4.000,-- DM pro Gerät ein Betrag von 2.000,-- EUR tritt (Beschl. v. 25.8.2003 - 4 Bs 288/03). Dem folgt der Senat, so dass der Streitwert für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem die Hauptsache ersichtlich nicht vorweggenommen wird, mit der Hälfte (8.000,- Euro) zu bemessen ist.



Ende der Entscheidung

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