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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 1 Bs 515/03
Rechtsgebiete: AsylVfG, StAG


Vorschriften:

AsylVfG § 55 Abs. 1
AsylVfG § 55 Abs. 3
StAG § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
Für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit eines hier geborenen Kindes ausländischer Eltern durch Geburt gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG zählen Zeiten einer Aufenthaltsgestattung eines nicht als asylberechtigt anerkannten Elternteiles gemäß § 55 Abs. 1 u. 3 AsylVfG nicht als Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthaltes mit.
1 Bs 515/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert und E.-O. Schulz am 20. November 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. September 2003 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zur Begründung dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) führen im Ergebnis nicht zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung.

Anders als der Antragsteller meint, gebietet das Schutzgebot des Art. 6 Abs. 1 GG nicht, ihm entgegen dem aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG folgenden Hindernis (Einreise ohne den erforderlichen Sichtvermerk) eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, von seiner Abschiebung abzusehen und ihm eine Duldung zu erteilen. Der Schutz der Familie führt in seinem Falle nicht zu einem rechtlichen Abschiebungshindernis nach § 55 Abs. 2 AuslG.

Bei der gebotenen Abwägung der Umstände des Einzelfalles ist zu berücksichtigen:

Der Antragsteller reiste im November 2002 ohne das für ihn als ghanaischen Staatsanghörigen erforderliche Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein und anerkannte hier am 16. Dezember 2002 die Vaterschaft des am 10. September 2001 in Hamburg geborenen Kindes und seiner Verlobten . Beide sind, wie der Antragsteller ghanaische Staatsangehörige. Frau reiste im Juni 1992 in das Bundesgebiet ein und begehrte die Anerkennung als Asylberechtigte. Hierfür erhielt sie fortlaufend Aufenthaltsgestattungen. Im November 1994 nahm sie ihre auf Anerkennung als Asylberechtigte gerichtete Klage zurück, da sie zwischenzeitlich einen deutschen Staatsangehörigen geheiratete hatte. Sie ist seit dem 15. Dezember 1997 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis.

Den vom Antragsteller am 20. Dezember 2002 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis lehnte die Antragsgegnerin ab. Der Widerspruch dagegen ist noch nicht beschieden. Der Antragsteller macht geltend, dass die Kindesmutter und das Kind Sozialhilfe beziehen und die finanziellen Mittel für eine Reise nach Ghana und eine anschließende Rückkehr nach Deutschland nicht ausreichten.

Im Ergebnis und nach Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalles ist der Antragsgegnerin darin zuzustimmen, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausschließt. Aus Art. 6 Abs. 1 GG steht kein rechtliches Hindernis der Abschiebung des Antragstellers nach Ghana entgegen.

Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass das Kind Benita , dessen Vaterschaft er anerkannt hat, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Beide Eltern sind ghanaische Staatsangehörige. Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Satz 1 StAG für einen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt liegen nicht vor. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Daran fehlt es. Frau lebt zwar seit Mai 1992 in der Bundesrepublik. Bis zum Dezember 1994 konnte sie im Inland aufgrund von Aufenthaltsgestattungen gemäß § 55 Abs. 1 AsylVfG aber nur verbleiben, weil ihr Asylverfahren erst dann durch Klagrücknahme erfolglos beendet werden konnte. Soweit der Erwerb oder die Ausübung eines Rechts oder eine Vergünstigung von der Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet abhängig ist, wird nach § 55 Abs. 3 AsylVfG die Zeit eines Aufenthaltes nach § 55 Abs. 1 nur angerechnet, wenn der Ausländer unanfechtbar anerkannt worden ist. Frau ist nicht als Asylberechtigte anerkannt, so dass nach dem Wortlaut der Vorschrift die Zeiten ihrer Aufenthaltsgestattung nicht auf die gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG erforderliche Dauer ihres Inlandsaufenthalts von acht Jahren angerechnet werden kann. Eine einschränkende Auslegung des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG bzw. des § 55 Abs. 3 AsylVfG gilt auch dann nicht, wenn der Erwerb der Staatsangehörigkeit nicht den früheren Asylbewerber selbst, sondern dessen Kind betrifft. Denn § 55 Abs. 3 AsylVfG erfasst alle Rechtsgebiete und Regelungsbereiche, in denen die Dauer des Aufenthalts als solche die Gewährung des Rechts oder die Vergünstigung entscheidend beeinflusst (OVG Berlin, Urt. v. 10.9.1985, OVGE Bd. 17 S. 227, 229 zu § 19 Abs. 3 AsylVfG a.F.; GK AsylVfG § 55 Rdz. 79). Auch Sinn und Zweck des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StAG sprechen nicht für eine Berücksichtigung der Zeiten, die die Eltern zur Durchführung von Asylverfahren im Inland verbracht haben. Mit der Vorschrift soll die Integration von Kindern, deren Eltern einen verfestigten Aufenthalt im Inland besitzen, gefördert werden(vgl. die Begründung zu § 4 StAG in BT-Drs. 14/533 S. 14). Eine Verfestigung des Aufenthaltes der Eltern kann allein durch die Dauer des erfolglos durchgeführten Asylverfahrens, wie § 55 Abs. 3 AsylVfG zeigt, gerade nicht erreicht werden.

Der Antragsteller hat sich um das Kind von der Geburt im September 2001 bis zu seiner illegalen Einreise im November 2002 nicht gekümmert. Die Mutter des Kindes hatte sich offenbar auch einem anderen Mann zugewandt. Denn am 20. Mai 2002 hat sie in Kumasi/Ghana den Richmond Mensah geheiratet, von dem sie am 7. April 2003 wieder geschieden wurde. Auch wenn der Antragsteller mit der Kindesmutter und dem Kind zusammenwohnt, lassen diese Umstände nicht auf eine intensive familiäre Verbundenheit mit dem Kind schließen.

Soweit vorgetragen wird, dass der Antragsteller die Mutter des Kindes heiraten wolle, ist nicht erkennbar, dass die Heirat unmittelbar bevorsteht. Nach seinen Angaben befinden sich die zur Heirat erforderlichen Unterlagen bei der deutschen Botschaft in Accra/Ghana. Wann sie von dort zurückgesandt werden, steht ebenso wenig fest, wie die Dauer des anschließend erforderlichen Befreiungsverfahrens.

Der Antragsteller hat keine besonderen Gründe dargetan, weshalb seine Verlobte und ihr Kind auf seine ununterbrochene Anwesenheit und Betreuung angewiesen seien. Auch ist schwer nachvollziehbar, weshalb Frau nach der Geburt der Tochter im Mai 2002 nach Ghana reisen konnte, um dort den Richmond zu heiraten, heute aber angibt, aus finanziellen Gründen den Antragsteller nicht zwecks Eheschließung nach Ghana begleiten zu können.

Es erscheint daher auch bei Berücksichtigung des besonderen Interesses des Wohles des Kindes Benita nicht unzumutbar, wenn dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung des Visumsverfahrens der Vorrang eingeräumt wird. Mit der Einhaltung des Visumsverfahrens wird dem gewichtigen Interesse der Allgemeinheit genügt, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor der Einreise zu prüfen und so auch die Lasten, die für die Öffentlichkeit mit der Einreise möglicherweise verbunden sind, abwägen zu können und ihnen nicht allein durch die - unerlaubte - Einreise ausgesetzt zu sein. Angesichts des Sozialhilfebezuges seiner Familie besteht insoweit Prüfungsbedarf (vgl. § 17 Abs. 2 AuslG). Dies rechtfertigt es im vorliegenden Fall, das Risiko einer nicht nur kurzfristigen Trennung des Kindes von seinem Vater als nicht unverhältnismäßig anzusehen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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