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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 1 Bs 70/09
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
Beförderungen aus dem Eingangsamt Polizeimeister (A 7) zum Polizeiobermeister (A 8) unterliegen auch dann den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG, wenn das Laufbahnverlaufsmodell kein förmliches Bewerbungs- und Auswahlverfahren vorsieht. Unterliegen Beurteilungen wegen unterschiedlicher Beurteilungszeitpunkte verschiedenen Beurteilungsmaßstäben, so sind sie für die Auswahlentscheidung auf einen einheitlichen, die Chancengleichheit wahrenden gemeinsamen Maßstab zusammenzuführen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

1 Bs 70/09

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, und Schulz sowie die Richterin Walter am 28. Mai 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 2. April 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.920,06 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist seit 2004 Polizeivollzugsbeamtin der Besoldungsgruppe A 7. Sie begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, eine Beförderungsstelle frei zu halten, bis über ihren Widerspruch gegen die ihr erteilte aktuelle Beurteilung entschieden worden ist.

Im März 2009 hatte sie die Regelverweilzeit nach §§ 11 Nr. 1, 14 Abs. 1 der Richtlinie für Behörde für Inneres vom 18. Dezember 2007 über das funktions- und leistungsorientierte Laufbahnverlaufsmodell für die Laufbahnabschnitte I und II des Polizeivollzugsdienstes in Hamburg (Laufbahnverlaufsmodell) absolviert, so dass eine Beförderung nach § 7 Abs. 2 des Laufbahnverlaufsmodell erfolgen konnte, sofern sie anforderungsgerechte Leistungen in einem festgelegten Zeitraum nachgewiesen hatte. Als anforderungsgerechte Leistung sah die Antragsgegnerin eine Gesamtnote von mindestens 2,7 Punkten bei der Leistungsbeurteilung vor, die im Rahmen des Leistungsträgerfeststellungsverfahrens für das Laufbahnverlaufsmodell erstellt wurde. Die unter dem Datum des 10. September 2008 für den Beurteilungszeitraum 23. Mai 2008 bis 10. September 2008 für die Antragstellerin erstellte Beurteilung weist als Gesamtnote der Leistungen 2,65 Punkte aus. Infolge dessen lehnte die Antragsgegnerin die Beförderung ab. Die Antragstellerin wandte sich gegen das Ergebnis ihrer Leistungsbeurteilung, da sie in den voraufgegangenen Beurteilungszeiträumen jeweils mit 2,9 Punkten und damit besser beurteilt worden sei.

Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, eine Beförderungsstelle der Besoldungsgruppe A 8 für die Antragstellerin bis einen Monat nach gegenüber der Antragstellerin erfolgter Entscheidung über ihren Widerspruch gegen die dienstliche Beurteilung frei zu halten, hat das Verwaltungsgericht stattgegeben. Die Beurteilung vom 10. September 2008 beruhe nicht auf einem hinreichend langen Beurteilungszeitraum, um darauf eine Entscheidung über die Auswahl für die Beförderung der Antragstellerin gründen zu können. Es sei nicht auszuschließen, dass auf den Widerspruch die Beurteilung der Antragstellerin bei Berücksichtigung der Vorzeit um 0,05 Punkte im Leistungsbereich besser ausfalle und die Antragstellerin dann befördert werden könne.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, die das Oberverwaltungsgericht gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben.

1) Die Rüge der Antragsgegnerin, bei Streitigkeiten um die Regelbeförderung zur Polizeiobermeisterin oder zum Polizeiobermeister nach Ablauf der Regelverweilzeit gehe es bei der aktuellen Betrachtung der erbrachten Leistungen zur Feststellung der Geeignetheit nicht um ein Personalauswahlverfahren, wie das Verwaltungsgericht angenommen habe, geht in der Sache fehl. Wie schon die Überschrift des vierten Abschnitts der Richtlinie über das Laufbahnverlaufmodell zeigt, handelt es sich auch bei Regelbeförderungen um Beförderungen nach dem Leistungsprinzip. Damit legt die Richtlinie zutreffend den Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG für Beförderungen zu Grunde, wie das in § 7 Abs. 1 des Laufbahnverlaufsmodells ausdrücklich seinen Niederschlag gefunden hat. Auch wenn die Antragsgegnerin für die Auswahl der zu befördernden Beamten keine Auswahlkommission eingesetzt hat, was rechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 3.2.2009, 1 Bs 208/08), ändert dies nichts daran, dass die Antragsgegnerin aus der Zahl der Polizeibeamten, die nach der Besoldungsgruppe A 7 besoldet werden, diejenigen Beamten auswählt, die sie in die Besoldungsgruppe A 8 befördern möchte. Der Umstand, dass sie sich dabei an den Vorgaben der Richtlinie zum Laufbahnverlaufsmodell orientiert, ändert nichts daran, dass es sich der Sache nach um eine Beförderung von Beamten handelt und diese Beförderung nach Auswahl der für die Beförderung in Betracht zu ziehenden Bewerber durch die Antragsgegnerin erfolgt. Anders als die Antragsgegnerin annimmt, befindet sich die Antragstellerin durchaus in Konkurrenz mit den anderen Bewerbern. Denn wenn sie nicht zur Beförderung ausgewählt wird, dann wird der infolgedessen frei gebliebene Beförderungsdienstposten mit einem Bewerber besetzt, der nach dem Leistungsrang (§ 10 Abs. 3 Richtlinie) ausgewählt worden ist. Die Antragsgegnerin hat nicht vorgetragen, dass die Beförderungsstelle unbesetzt bleiben würde, wenn die Antragstellerin nicht befördert würde. Dafür sind auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich.

2) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin geht es vorliegend auch nicht lediglich um die Frage, ob die Leistungen der Antragstellerin für eine Ernennung ausreichen. Denn auch die Beförderung nach Regelverweilzeit und Nachweis einer anforderungsgerechten Leistung in einem festgelegten Zeitraum (§ 7 Abs. 2 Laufbahnverlaufsmodell) erfolgt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und damit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG.

Die Möglichkeit einer Beförderung scheidet hier für die Antragstellerin auch nicht deshalb aus, weil ihr im Auswahlverfahren Bewerberinnen und Bewerber mit einer besseren Leistungsbeurteilung vorgehen müssten, die die Regelverweilzeit von fünf Jahren im Eingangsamt A 7 noch nicht erfüllen. Hinsichtlich der hier streitigen Beförderung von einem Amt A 7 (Polizeimeister) nach A 8 (Polizeiobermeister) genügt § 7 Abs. 2 Laufbahnverlaufsmodell den Anforderungen des Art 33 Abs. 2 GG. Die Besonderheiten des Polizeivollzugsdienstes mit ihren erhöhten Anforderungen an angemessenes Verhalten in unterschiedlichsten Situationen bringen es bei Eingangsämtern mit sich, dass die mit fortschreitendem Dienstalter zunehmende dienstliche Erfahrung ein besonders wichtiges Kriterium bei der Feststellung von Eignung und Befähigung für die Beförderungsentscheidung ist. Es ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin für das Eingangsamt A 7 bei ihren Beförderungsentscheidungen an die Regelverweilzeiten anknüpft und bei Nachweis anforderungsgerechter Leistungen den mit zunehmendem Dienstalter typischerweise entstehenden Zuwachs an dienstlichen Erfahrungen und damit Eignung und Befähigung für die ersten Beförderungsdienstposten vorrangig berücksichtigt. Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Antragsgegnerin den Gesichtspunkt der erforderlichen Erfahrung mit einer Regelverweildauer im Eingangsamt A 7 mit fünf Jahren übergewichtet hat. Sie hat mit dem Leistungsträgerfeststellungsverfahren dafür Sorge getragen, dass besonders leistungsfähige Beamte bereits nach einer geringeren Erfahrungszeit von 4 Jahren befördert werden können.

Es bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob die im Laufbahnverlaufsmodell vorrangige Berücksichtigung von durch Regelverweilzeiten indiziertem Zuwachs an Eignung und Befähigung für ein Beförderungsamt uneingeschränkt auch bei Beförderungen über die Eingangsämter hinaus mit den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG vereinbar ist.

3) Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, dass der Beurteilungszeitraum vom 23. Mai 2008 bis 10. September 2008 hinreichend sei, weil dem Erstbeurteiler die Leistungen der Antragstellerin schon seit mehreren Monaten bekannt gewesen seien und darüber hinaus ihm auch die Beurteilungen des vorherigen Erstbeurteilers und die Erfahrungen mit den Leistungen der Antragstellerin aus acht Monaten davor zur Verfügung gestanden hätten. Die von der Antragstellerin angefochtene und für die Beförderung maßgebliche Beurteilung vom 10. September 2008 weist unzweifelhaft als Beurteilungszeitraum nur den Zeitraum vom 23. Mai 2008 bis 10. September 2008 aus. Sie enthält keinerlei Hinweis darauf, dass die Beurteiler auch frühere Beurteilungszeiten mit in die Beurteilung einbezogen haben. Ohne einen solchen Anhalt ist davon auszugehen, dass die Beurteiler nur den ausdrücklichen, in der Beurteilung genannten Beurteilungszeitraum in den Blick genommen haben (vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 15.12.2008, 1 Bs 186/08). Ohne einen hinreichend langen Beurteilungszeitraum, der bei Bedarfsbeurteilungen, die Beförderungen zu Grunde gelegt werden sollen, mindestens ein Jahr umfassen muss (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 30.5.2008, 1 Bs 62/08), fehlt es an der erforderlichen einheitlichen Grundlage für eine chancengleiche Auswahl der Beförderungsbewerber. Um die Chancengleichheit zwischen den Beförderungsbewerbern zu wahren, muss die Antragsgegnerin darüber hinaus sicherstellen, dass die Beurteilungsmaßstäbe, die durch die Beurteilerkonferenzen jeweils vereinheitlicht werden, für alle Beurteilungen, die einer Beförderungsauswahl zu Grunde liegen, einheitlich angewandt worden sind. Ist dies etwa wegen der unterschiedlichen Zeitpunkte der Beurteilungen und der zu diesen Zeitpunkten durch eine Beurteilerkonferenz modifizierten Beurteilungsmaßstäbe nicht möglich, ist es zur Wahrung der Chancengleichheit geboten, dass die Antragsgegnerin die derart auf unterschiedlichen Maßstäben beruhenden Leistungsbeurteilungen auf einen einheitlichen, die Chancengleichheit wahrenden gemeinsamen Maßstab zusammenführt. Daher können frühere Beurteilungen allenfalls dann uneingeschränkt und ohne Modifikation in die Auswahlentscheidung einfließen, wenn bei ihrer Erstellung der gleiche Maßstab, wie bei den anderen Beurteilungen zu Grunde gelegt, angewandt wurde.

4) Die Antragsgegnerin hat die Feststellungen des Verwaltungsgerichtes nicht angegriffen, es bestehe eine gute Möglichkeit, dass die Antragstellerin bei einer Neubewertung um 0,05 Punkte besser bewertet werde, dann die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 des Laufbahnverlaufsmodells erfülle und sodann von der Antragsgegnerin befördert werde.

III.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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