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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.05.2009
Aktenzeichen: 1 Bs 85/09
Rechtsgebiete: BGleiG


Vorschriften:

BGleiG § 22
BGleiG § 20
Die Gleichstellungsbeauftragte kann trotz des Wortlauts des § 22 BGleiG vorläufigen Rechtsschutz erhalten.

Im vorläufigen Rechtsschutz ist nicht zu entscheiden, ob die Gleichstellungsbeauftragte berechtigt ist, an Besprechungen der Dienststellenleitung (Führungsklausuren) teilzunehmen.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

1 Bs 85/09

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld und Schulz sowie die Richterin Walter am 25. Mai 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig Zugang zu Führungsklausuren, die personelle, organisatorische oder soziale Angelegenheiten zum Inhalt haben, hier konkret zur Führungsklausur III, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens (1 Bf 149/06) zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Antragsverfahren auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin macht geltend, dass ihr gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 BGleiG ein Recht zur aktiven Teilnahme an allen Entscheidungsprozessen zu personellen, organisatorischen und sozialen Angelegenheiten in der Dienststelle zustehe. Um solche Entscheidungsprozesse handele es sich auch bei den Führungsklausuren, zu denen ihr von ihrer Dienststelle bislang der Zugang verweigert worden sei. Mit dem in der Berufungsinstanz anhängigen Hauptsacheverfahren (1 Bf 149/06) habe sie die Feststellung dieses Rechtes begehrt. Das Berufungsverfahren sei mit Beschluss vom 24. Februar 2009 im Hinblick auf das gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig vom 9. Dezember 2008 - 3 LB 26/06 - anhängige Revisionsverfahren ausgesetzt worden. Mit Schreiben vom 5. Mai 2009 habe sie von der Antragsgegnerin die Mitteilung erhalten, dass am 26. Mai 2009 die Führungsklausur III sowie eine Ergebnisbetrachtung erstes Quartal 2009 stattfinden solle. Zu dieser Klausur sei sie nicht eingeladen worden, sie sei lediglich darüber informiert worden, dass sie über die Ergebnisse der Führungsklausur zeitnah unterrichtet werde. Sie habe dagegen rein vorsorglich am 11. Mai 2009 Einspruch eingelegt, über den bislang nicht entschieden worden sei. Durch die Nichtteilnahme entstehe ihr ein irreparabler Rechtsverlust. Deshalb begehre sie die vorläufige Zulassung zu den Führungsklausuren.

II.

Der Antrag ist zulässig, er hat jedoch im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht ist als Gericht der Hauptsache gemäß § 123 Abs. 2 VwGO für den Antrag zuständig. Das in der Berufungsinstanz anhängige Hauptsacheverfahren (1 Bf 149/06) umfasst nach seinem Streitgegenstand das Begehr der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Denn Gegenstand des Klagverfahrens ist unter anderem der Antrag, festzustellen, dass der Antragstellerin im Rahmen ihrer Beteiligungsrechte Zugang zu den Führungsklausuren der Dienststelle zu gewähren sei. Indem die Antragstellerin die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihr die Teilnahme an der Führungsklausur III und zukünftig an weiteren Führungsklausuren zu gewähren, ist ihr Begehren auf ein aktives Tätigwerden der Antragsgegnerin und zugleich auf Erlangung einer Rechtsposition gerichtet. Dafür kann Rechtsschutz nur im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO gewährt werden.

Es bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob die besonderen Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 Bundesgleichstellungsgesetz vom 30. November 2001 (BGBl. I S. 3234 mit spät. Änd.) - BGleiG - vor der Anrufung des Verwaltungsgerichtes, nämlich die vergebliche Durchführung eines Einspruchsverfahrens und ein außergerichtlicher nochmaliger Versuch, zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen, auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorliegen müssen. Denn die Voraussetzungen können hier als erfüllt angesehen werden, weil die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren, deren Streitgegenstand, wie oben dargelegt, mit dem des vorliegenden Verfahrens teilweise identisch ist, den Einspruch der Antragstellerin zurückgewiesen hat und auch ein erneuter außergerichtlicher Einigungsversuch gescheitert ist.

2. Das auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete Organstreitverfahren ist auch dann statthaft, wenn es auf ein zukünftiges Handeln oder Unterlassen der Dienststelle gerichtet ist. Soweit die im Beschluss vom 12. Dezember 2007, 1 Bs 79/07, geäußerte Rechtsansicht des Senates dem entgegensteht, hält der Senat daran nicht fest. Zwar gibt der Wortlaut des § 22 Abs. 3 Satz 1 BGleiG (" dass die Dienststelle Rechte der Gleichstellungsbeauftragten verletzt hat") ebenso wie die Umstand, dass gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 BGleiG vor Anrufung des Gerichts ein Einspruchsverfahren durchlaufen und ein weiterer außergerichtlicher Einigungsversuch gescheitert sein muss, einen Hinweis darauf, dass vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz wegen drohender Verletzungen der Rechte der Gleichstellungsbeauftragten nach der Systematik des Bundesgleichstellungsgesetzes ausgeschlossen sein könnte. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spricht aber für die Annahme, dass den Vorschriften derartige systematische Überlegungen des Gesetzgebers nicht zu Grunde liegen, vielmehr der historische Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, und damit auch die zum vorläufigen Rechtsschutz, uneingeschränkt Anwendung finden sollten. So sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung (BT-Drs. 14/5679) für gerichtliche Verfahren (§ 22 Abs. 4 des Entwurfes) noch vor, dass das Verwaltungsgericht durch Beschluss entscheidet und die Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes über das Beschlussverfahren entsprechend mit der Maßgabe gelten sollten, dass die Nichtzulassung einer Rechtsbeschwerde ergänzend in Fällen grundsätzlicher Bedeutung selbstständig durch die Beschwerde angefochten werden könne. Angesichts der Regelung des § 85 Abs. 2 ArbGG, wonach der Erlass einer einstweiligen Verfügung zulässig ist, ist der Regierungsentwurf mithin davon ausgegangen, dass der Gleichstellungsbeauftragten bei ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch diese Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes eröffnet war. Der Bundesrat (Drs. 7/1/01) hat gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob auf die Regelungen über das gerichtliche Verfahren in § 22 BGleiG verzichtet werden könne, weil die Gerichte aller Länder stark belastet seien. Hilfsweise hat der Bundesrat empfohlen, § 22 Absatz 4 des Regierungsentwurfes zu streichen und zur Begründung ausgeführt, dass die Verwaltungsgerichte die ihnen zugewiesenen Streitigkeiten auf der Grundlage der Verwaltungsgerichtsordnung und nicht des Arbeitsgerichtsgesetzes entscheiden sollten. Die Regeln des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens seien gegenwärtig nur von Fachspruchkörpern anzuwenden. Auch bzw. gerade wenn Rechtsstreitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz nicht in nennenswerter Zahl zu erwarten seien, rechtfertige dies nicht die mit der Einarbeitung in eine weitere Verfahrensordnung verbundene Belastung der Verwaltungsgerichte. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundestages hat in seiner Beschlussempfehlung und seinem Bericht vom 12. September 2001 (BT-Drs. 14/6898) dem folgend die Streichung des § 22 Abs. 4 BGleiG vorgeschlagen und die Begründung der Stellungnahme des Bundesrates übernommen. Außerdem hat der Ausschuss ausgeführt (BT-Drs. 14/6898, S. 25, Begründung zu § 22 Buchst. b), da die Verwaltungsgerichtsordnung durch Streichung des Absatzes 4 uneingeschränkt anwendbar sei, genüge in § 22 Abs. 2 BGleiG bei Untätigbleiben der Dienststelle für das weitere Verfahren die Verweisung auf § 75 Satz 2 bis 4 VwGO.

Ergibt sich mithin aus der Entstehungsgeschichte des § 22 BGleiG, dass gerichtliche Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht ausgeschlossen werden sollten, ist dies bei der Auslegung des Wortlautes der Vorschriften zu berücksichtigen, mit der Folge, dass dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften ein solcher Ausschluss nicht entnommen werden kann. Daher verbleibt es dabei, dass ein Rechtsschutzverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO in Organstreitigkeiten der Gleichstellungsbeauftragten mit ihrer Dienststelle grundsätzlich statthaft ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.4.2008, 4 S 3.08, juris, Rn. 7, m.w.N.; a.A. OVG Bautzen, Beschl. v. 17.8.2007, 2 Bs 208/07).

3. Im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht mit dem erforderlichen Maß an hoher Wahrscheinlichkeit, die die teilweise Vorwegnahme der Hauptsache erfordert, festgestellt werden, dass der von der Antragstellerin auf § 20 Abs. 1 Satz 3 BGleiG gestützte Anspruch auf Teilnahme an Führungsklausuren, konkret der Führungsklausur III der Antragsgegnerin am 26. Mai 2009, besteht.

Zwar verweist die Antragstellerin mit Recht auf das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2008 (3 LB 26/06), das in einem Parallelfall aus § 20 Abs. 1 Satz 3 BGleiG einen Anspruch der Gleichstellungsbeauftragten entnommen hat, an Führungsklausuren eines Hauptzollamtes teilzunehmen. Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergebe sich, dass die aktive Teilnahme an allen Entscheidungsprozessen im Sinne des Gesetzes eben auch die Führungsklausuren umfasse, wenn sie zu den Entscheidungsprozessen gehörten. Ohne Teilnahme an den Führungsklausuren werde die Gleichstellungsbeauftragte von einem wichtigen Teil der Informationen und des Entscheidungsprozesses ausgeschlossen. Ihr werde die Möglichkeit genommen, ihre Einwendungen mündlich allen Teilnehmern vorzutragen und auf deren Argumente einzugehen. Die Mitteilung der Ergebnisse stelle keine aktive Teilnahme der Gleichstellungsbeauftragten dar.

Auch wenn das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass sich aus der Sollvorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 3 BGleiG ergebe, dass ein Ausschluss einer besonderen Begründung bedürfe, erscheint es zweifelhaft, ob eine solche Begründung sich nicht in der Einspruchsentscheidung der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2003 findet. Dort wird ausgeführt, dass Gegenstand der Führungsklausuren keinerlei Maßnahmen seien, welche sich konkret auf die Gleichstellung von Frauen und Männern auswirken könnten oder Bedienstete in ihren Rechten und ihrer Stellung berührten, vielmehr Prioritätensetzung und künftige Schwerpunkte des Verwaltungshandelns Gegenstand seien.

Unabhängig davon sind die vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil vom 24. März 2006 (8 K 4902/04) angeführten Argumente, die gegen den geltend gemachten Anspruch sprechen, nicht entkräftet worden. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass sich aus § 20 Abs. 2 BGleiG ergebe, was im Einzelnen unter aktiver Teilnahme der Gleichstellungsbeauftragten im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 3 BGleiG zu verstehen sei. Dabei beruft sich das Verwaltungsgericht auf den Unterschied zum Schleswig-Holsteinischen Gesetz zur Gleichstellung der Frauen im Öffentlichen Dienst vom 13. Dezember 1994, wo es in § 19 Abs. 2 Satz 3 heißt. "Die Gleichstellungsbeauftragte kann an Besprechungen, Sitzungen oder Konferenzen teilnehmen, soweit Angelegenheiten beraten werden, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen haben können." Für diese an der Systematik des § 20 Abs. 1 u. 2 BGleiG orientierte Auslegung könnte sprechen, dass das Gesetz die noch in dem Regierungsentwurf mit Stand vom 29. Februar 2000 enthaltene Formulierung des § 20 Abs. 1 Satz 3 BGleiG gerade nicht übernommen hat, nach der der Gleichstellungsbeauftragten Gelegenheit zur Teilnahme an allen Besprechungen zu personalen und organisatorischen Angelegenheiten zu geben war.

Welcher Ansicht der Vorzug gegeben werden muss, bedarf gründlicher Prüfung im Hauptsacheverfahren. Das Ergebnis der Prüfung muss im gegenwärtigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als offen bezeichnet werden.

4. Die demzufolge erforderliche Interessenabwägung ergibt nicht, dass die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen ist. Der Antragstellerin drohen keine erheblichen Nachteile, wenn sie vor einer Entscheidung in der Hauptsache gehindert ist, das von ihr geltend gemachte Recht auf Teilnahme an den Führungsklausuren durchzusetzen. Ihre Arbeit wird dadurch nicht schwerwiegend behindert. Die Themen der Führungsklausur werden ihr vorher mitgeteilt, das Ergebnis anschließend bekannt gemacht. Sie hat gemäß § 20 Abs. 2 BGleiG ein unmittelbares Vortragsrecht bei der Dienststellenleitung und wird von dieser bei der Durchführung ihrer Aufgaben unterstützt. Vor konkreten Maßnahmen hat sie Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls gemäß § 20 Abs. 2 Satz 2 BGleiG in allen Fragen, die ihrer Mitwirkung unterliegen, ein Initiativrecht. Wenn sie mithin anhand der ihr mitgeteilten Ergebnisse der Führungsklausur der Ansicht ist, dass erforderliche Maßnahmen nicht berücksichtigt worden seien, kann sie dem durch entsprechenden Initiativantrag ihrerseits entgegenwirken. Andererseits hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, die fragliche Führungsklausur diene nur der Umsetzung der Zielsetzungen des Bundesministeriums der Finanzen. Infolge dessen seien Gegenstand dieser Klausuren die Prioritätensetzung und künftige Schwerpunkte des Verwaltungshandelns, die ausschließlich Führungskräfte beträfen. Damit bezeichnet die Antragsgegnerin die Führungsklausuren als "ureigenste Aufgabe" der Führungsverantwortung, an der teilzunehmen die Antragstellerin kein Recht habe.

Der Antragstellerin drohen auch keine erheblichen Nachteile, soweit unter dem Tagesordnungspunkt "Verschiedenes" auch Gleichstellungsfragen auf der Führungsklausur am 26. Mai 2009 behandelt werden sollen. Sie kann sich zu diesen Fragen wie oben ausgeführt informieren und äußern. Zu einem Gespräch über die Tagesordnung der Klausur war sie zudem bereits zum 22. Mai 2009 eingeladen worden. Sofern auf der Führungsklausur insoweit der Umfang der Rechte der Antragstellerin angesprochen werden soll, spricht viel dafür, dass die Führungspersonen der Antragsgegnerin hierüber in einem geschützten Raum ohne Teilnahme der Antragstellerin beraten dürfen.

Angesichts der allenfalls geringfügigen Einschränkung der Antragstellerin in der Wahrnehmung ihrer Rechte einerseits und andererseits des nachvollziehbaren Petitums der Antragsgegnerin, Zielvereinbarungsprozesse als Aufgaben ausschließlicher Führungsverantwortung wahrnehmen zu wollen, überwiegt das Interesse der Antragstellerin an dem begehrten Erlass der einstweiligen Anordnung nicht.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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