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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 25.04.2006
Aktenzeichen: 1 So 49/06
Rechtsgebiete: GebG


Vorschriften:

GebG § 6 Abs. 3
Die Gebühren für die Unterbringung Obdachloser dürfen nach dem Maßstab der Zahl der unterzubringenden Personen (Kopfzahl) bemessen werden.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Beschluss

1 So 49/06

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 1. Senat, durch die Richter Dr. Gestefeld, Dr. Meffert und E.-O. Schulz am 25. April 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie sich gegen die Höhe der von ihr geforderten Unterkunftsgebühren wendet.

Die Klägerin lebt mit ihrem Lebensgefährten und ihren drei Kindern in einer 62,31 Quadratmeter großen Wohnung in der Wohnunterkunft. , einer von der Beklagten unterhaltenen Wohnunterkunft für Obdachlose. Hierfür hat sie nach der Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringungen vom 21. Dezember 1999 (GVBl. S. 350, mit späteren Änderungen) Gebühren zu entrichten.

Die Unterkunftsgebühren bemaßen sich bis zum 31. Dezember 2003 nach der genutzten Quadratmeterfläche und betrugen im Jahr 2003 einschließlich einer Energiekostenpauschale von 2,00 Euro zu monatlich 6,15 Euro pro Quadratmeter. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin für die 62,31 Quadratmeter große Wohnung monatlich Gebühren in Höhe von 383,21 Euro zu zahlen hatte.

Für die Zeit ab 1. Januar 2004 stellte die Beklagte die Bemessungsgrundlage um: Seit der Änderung der Gebührenordnung für öffentlich veranlasste Unterbringungen durch die 22. Verordnung zur Änderung gebühren- und kostenrechtlicher Vorschriften vom 2. Dezember 2003 (GVBl. S. 557, 565 f.) ist für die Unterbringung von Familien nicht mehr die genutzte Quadratmeterzahl, sondern die Anzahl der Personen maßgeblich. Dabei waren im Jahre 2004 für die Unterbringung von Familien pro Person 132,60 Euro monatlich zu zahlen.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 18. Dezember 2003 setzte die Beklagte demgemäß gegen die Klägerin die monatlich zu zahlenden Gebühren für fünf Personen auf 663,00 Euro fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2004 wies die Beklagte den nicht näher begründeten Widerspruch der Klägerin zurück. Sie verwies dazu auf die neuen Gebührensätze.

Die Klägerin hat Klage erhoben und Prozesskostenhilfe begehrt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die Gebührenfestsetzung sei willkürlich. Sie bestreite, dass das in § 6 Abs. 1 GebG geregelte Kostendeckungsprinzip eingehalten worden sei. Die Mieten, die etwa von der SAGA oder GWG in Problemgebieten gefordert würden, lägen deutlich unter den gegen sie festgesetzten Gebühren. Zudem sei die Beklagte von der in § 6 Abs. 3 GebG vorgesehenen Möglichkeit abgewichen, aus sozialen Gründen geringere Gebührensätze oder Gebührenbefreiungen für bestimmte Gruppen vorzusehen. Die von der Beklagten vorgenommene Gebührenerhöhung führe zu einer Ungleichbehandlung. Durch das Kopfpauschalenprinzip sei es möglich, dass für eine exakt gleiche Wohnung, die lediglich von drei Personen bewohnt werde, ein um 260,00 Euro pro Monat geringeres Nutzungsentgelt gefordert werde als von ihr. Diese Ungleichbehandlung verletze zugleich das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Sie werde durch die Gebührenbemessung ungleich, unsozial und damit willkürlich belastet.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2006 hat das Verwaltungsgericht den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt. In der Begründung heißt es (lediglich), die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg; auf die angefochtenen Bescheide und die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2004 werde Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag, "die Beschwerde zuzulassen".

II.

Der als Beschwerde auszulegende Antrag der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag der Klägerin, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. Februar 2006 zuzulassen, ist bei verständiger Würdigung als Beschwerde auszulegen. Das früher einmal bestehende Zulassungserfordernis ist seit dem 1. Januar 2002 entfallen.

2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die von der Klägerin erhobene Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der §§ 166 VwGO, 114 ZPO.

Allerdings ist es unzutreffend und wird dem Vorbringen der Klägerin in keiner Weise gerecht, wenn das Verwaltungsgericht meint, es könne sich zur Begründung für die fehlende Erfolgsaussicht darauf beschränken, auf den angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheid sowie den Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2004 Bezug zu nehmen. Denn diese Bescheide befassen sich überhaupt nicht mit den von der Klägerin gegen die Gebührenerhebung vorgetragenen Argumenten. Gleichwohl kann der Klägerin die begehrte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Denn ihre Klage hat auch dann keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn man ihren Argumenten nachgeht.

Der Senat vermag gegenwärtig keinen Grund zu erkennen, der es der Beklagten verwehrte, die Bemessungsgrundlage für die Unterkunftsgebühren von dem bisherigen Maßstab (Anzahl der Quadratmeter der genutzten Wohnfläche) auf den nunmehr zu Grunde gelegten Maßstab (Anzahl der Personen) umzustellen. Dies gilt umso mehr, als nach den einleuchtenden Angaben der Beklagten die tatsächlichen Kosten für den Betrieb der Unterkünfte nur zu einem kleinen Teil auf die reinen Raumkosten entfallen. Der größere Teil dürfte auf die erforderliche Betreuung der Bewohner entfallen und damit nicht flächen-, sondern personenbezogen sein. Es liegt sehr nahe, dass die Personen, die zur Vermeidung von Obdachlosigkeit in Unterkünften der Beklagten untergebracht werden müssen, regelmäßig in einem weit größeren Umfang betreut werden müssen, als dies bei Wohnungsmietern selbst in Problemgebieten der Fall sein dürfte. Dies gilt nicht nur für die Erwachsenen, sondern auch für die zur Vermeidung von Obdachlosigkeit untergebrachten Kinder.

Auch verstößt die Bemessung der Gebühr nach der Zahl der bevorteilten Personen schwerlich das Sozialstaabtsprinzip. Angesichts der Weite des Gestaltungsspielraumes, den der Sozialstaatsgrundsatz dem Verordnungsgeber lässt, wird die eher familienunfreundliche Gebührengestaltung diese rechtlichen Grenzen noch nicht verletzen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin spricht auch nichts dafür, dass die Gebührenerhebung gegen das vor allem in § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 GebG umschriebene Kostendeckungsprinzip verstößt oder die Beklagte nicht von der in § 6 Abs. 3 GebG vorgesehene Möglichkeit Gebrauch gemacht hätte, aus sozialen Gründen von der Erhebung kostendeckender Gebühren abzusehen. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 31. August 2004 näher ausgeführt hat, sind die Gebühren, die die wohnungslosen Personen für ihre Unterbringung in den von der Beklagten unterhaltenen Wohnunterkünften zu entrichten haben, bei weitem nicht kostendeckend: Nach den Angaben der Beklagten decken die von den Bewohnern zu zahlenden Gebühren lediglich ca. 57 % der gesamten Kosten, so dass die Beklagte zusätzlich zu den von den Bewohnern zu zahlenden Gebühren von der Freien und Hansestadt Hamburg einen Zuschuss benötigt und erhält. Der Senat hat jedenfalls im vorliegenden Verfahren keinen Anlass, die Angaben der Beklagten in Zweifel zu ziehen.

Schließlich ist die öffentlich veranlasste Unterbringung von Personen in Unterkünften der Beklagten auch nicht mit einem Mietverhältnis etwa bei der SAGA oder GWG vergleichbar, so dass die Höhe der Miete, die für eine solche Wohnung zu bezahlen ist, für die Höhe der hier umstrittenen Unterkunftsgebühren nichts hergibt. Die öffentlich veranlasste Unterbringung in einer Unterkunft der Beklagten begründet kein Mietverhältnis zwischen den Bewohnern und der Beklagten und ist auch sonst nicht mit einem Mietverhältnis etwa zwischen einem Mieter und der SAGA oder GWG zu vergleichen. Die öffentlich veranlasste Unterbringung geschieht aus öffentlich-rechtlichen Gründen zur Vermeidung der Obdachlosigkeit der unterzubringenden Personen und ist als eine vorübergehende Überbrückungsmaßnahme gedacht. In diesem Zusammenhang muss die Beklagte in erheblichem Umfang Betreuungsarbeit leisten. Ziel ist es, die untergebrachten obdachlosen Familien (wieder) in die Lage zu versetzen, eine Wohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt beziehen zu können und damit die Plätze in den Wohnunterkünften für neu eingetretene Fälle der Obdachlosigkeit frei zu machen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.



Ende der Entscheidung

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