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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 2 Bf 100/99
Rechtsgebiete: HBauO


Vorschriften:

HBauO § 13 Abs. 3 Nr. 1
HBauO § 60 Abs. 1 Satz 1
1. Eine großflächige Werbeanlage, bei der die Werbefläche mit Hilfe einer Gerüstkonstruktion an einem treppenartig angeordneten Stapel von gelagerten Seeschiffscontainern befestigt werden soll, erfüllt die Merkmale einer baulichen Anlage und ist als solche genehmigungsbedürftig.

2. § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO, nach dem Werbeanlagen unmittelbar an Ufern unzulässig sind, gilt auch für Kaianlagen im Hafengebiet. Dort ist mangels konkreter topographischer Abgrenzungsmerkmale der Uferbereich im Wege einer typisierenden Betrachtung mit Hilfe eines angenommenen Böschungswinkels von 45 ° bezogen auf das mittlere Hochwasser zu bestimmen und hat daher eine Tiefe, die der Höhe der Kaimauer entspricht.


2 Bf 100/99

Verkündet am 21. Mai 2003

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch die Richter K. Schulz, Probst und Thorwarth sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Esdorf und Ewers für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 1998 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt mit ihrem Hauptantrag die Feststellung, dass eine von ihr beantragte Werbegenehmigung nach § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO als erteilt gilt. Hilfsweise begehrt sie die Erteilung einer Baugenehmigung für die von ihr geplante Werbeanlage.

Die Klägerin war im Jahre 1997 Mieterin von Flächen zwischen dem Oberhafenkanal und der Z-Straße nahe der Billhorner Brückenstraße in der Gemarkung Altstadt-Süd. Nach dem Hafengebietsplan gemäß § 2 Abs. 2 des Hafenentwicklungsgesetzes vom 25. Januar 1982 (GVBl. S. 19 m.spät.Änd.) liegt das Grundstück im Hafennutzungsgebiet. Nach den eigenen Angaben der Klägerin ist es als Lagerplatz genehmigt. Konkret wurden dort Container für die Seeschifffahrt gestapelt. Gegenüber dem Oberhafenkanal ist das Gelände durch eine Kaimauer abgegrenzt, deren obere Kante mehrere Meter über dem Stand des mittleren Hochwassers liegt.

Mit Antrag vom 6. November 1997, bei der Beklagten eingegangen am 12. November 1997, begehrte die Klägerin die Erteilung einer Werbegenehmigung für die Frontherstellung von drei Containerblöcken als Verwendung für Werbeflächen. Im Einzelnen ist beabsichtigt, entweder vier oder fünf seemännisch verlaschte Containerblöcke übereinander zu stapeln. Dabei werden in der zweiten Reihe von oben ein und in der ersten Reihe von oben zwei Container ausgespart. An deren Stelle tritt eine Gerüstkonstruktion. An die dabei entstehende Front soll - etwa zwei Meter von der Kante der Kaimauer zum Oberhafenkanal entfernt - mittels Verzurrung an Eckbeschlägen jeweils ein ca. 120 qm großes Poster für Wechselwerbung angebracht werden.

Mit Bescheid vom 4. Mai 1998 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Genehmigung ab, weil das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspreche: Die drei großflächigen Werbeposter wirkten sowohl durch ihre Größe als auch ihre gewollte Wirkung bzw. Fernwirkung im Sinne von § 12 Abs. 1 und 2 HBauO verunstaltend im Stadtbild. Darüber hinaus sei die beantragte Werbeanlage unmittelbar am Ufer auch gemäß § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO unzulässig. Schließlich stellten die drei unmittelbar nebeneinander beantragten Riesenposter eine unzulässige störende Häufung im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 4 HBauO dar.

Gegen den Bescheid vom 4. Mai 1998 legte die Klägerin am 28. Mai 1998 Widerspruch ein: Dass von der geplanten Werbeanlage Verunstaltungen ausgingen, sei nicht nachvollziehbar. Das gleiche gelte für die angeblich störende Häufung. Auch § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO könne der geplanten Anlage nicht entgegen gehalten werden. Zum einen befänden sich die drei Containerstapel, an denen die Werbeposter befestigt werden sollten, fast zwei Meter vom Wasser entfernt. Zum anderen handele es sich hier nicht um ein Ufer, sondern um eine alte, eventuell nicht mehr funktionstüchtige, aber gleichwohl vorhandene Kaimauer. § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO greife nur ein, wenn Werbeanlagen aufgrund ihrer Bauart Pfahl- oder Rammarbeiten und damit verbundene Erdarbeiten hervorriefen, die ein Ufer in seinem Erhalt gefährden könnten. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Das Vorhaben bedürfe nicht nur einer Werbegenehmigung, sondern einer Baugenehmigung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 HBauO. Eine Genehmigungsfiktion nach § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO scheide daher aus. Die erforderliche Baugenehmigung könne nicht erteilt werden. Das Vorhaben sei jedenfalls nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO nicht genehmigungsfähig, weil es unmittelbar am Oberhafenkanal und damit einem Ufer durchgeführt werden solle. Darauf, dass es sich um eine alte, eventuell nicht mehr funktionstüchtige Kaimauer handeln solle, komme es nicht an. Die Klägerin irre sich auch, wenn sie der Ansicht sei, § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO diene dem Schutz des Ufers vor nachteiligen Veränderungen in seiner Substanz. Diese Vorschrift sei vielmehr eine gestalterische Bestimmung geltenden Bauordnungsrechts. Der Gesetzgeber habe sich entschlossen, Ufer aus gestalterischen Gründen von Werbeanlagen völlig freizuhalten. Ohne Bedeutung sei auch, dass sich die Containerstapel, an denen die Poster angebracht werden sollten, etwa 2 m vom Ufer entfernt befänden. Das sei noch unmittelbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO.

Am 14. Oktober 1998 hat die Klägerin Klage erhoben: Eine Baugenehmigung nach § 60 Abs. 1 HBauO sei für ihr Vorhaben nicht erforderlich. Die Schiffscontainer, an denen die Werbetransparente aufgespannt werden sollten, würden lediglich zur zeitweisen Lagerung an Land gestapelt. Es handele sich um Transportbehältnisse und nicht um Bauprodukte. Demnach könnten die Containerstapel auch keine aus Bauprodukten hergestellte bauliche Anlage seien. Erforderlich sei vielmehr nur eine Werbegenehmigung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 HBauO. Diese gelte nach § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO als erteilt, da ihr Antrag nicht binnen eines Monats abgelehnt worden sei. Wenn man das anders sähe, habe sie jedenfalls einen Anspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung, da der geplanten Anlage keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegen stünden. Auf § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO könne sich die Beklagte nicht berufen. Im Unterschied zu den anderen in der Norm aufgeführten Verboten, etwa dem Verbot des Anbringens von Werbung an Brücken und Bäumen, ergebe sich für das Verbot von Werbeflächen an Ufern aus dem Wortlaut der Vorschrift selbst keine konkrete räumliche Eingrenzung. Um dem Bestimmtheitsgebot zu genügen, bedürfe dieser Begriff der Konkretisierung. Nach einer baurechtlichen Kommentierung seien unter Ufern Geländestreifen entlang von oberirdischen Gewässern zu verstehen, die nach dem natürlichen Erscheinungsbild, geprägt durch Höhenlage und Bewuchs, einen unmittelbaren Bezug zum Gewässer aufwiesen. Aus dieser Definition werde deutlich, dass es um den Schutz eines natürlichen Landschaftsbildes gehe, das durch Werbung verunstaltet werden könnte. Ein solches natürliches Landschaftsbild liege hier nicht vor. Bei dem Platz, auf dem die Container gelagert würden, handele es sich um ein Hafengelände, das an den Oberhafenkanal angrenze und auf dem Hochseecontainer gelagert würden. Zum Wasser hin werde das Gelände durch eine alte Kaimauer abgeschlossen. Von einem bewachsenen Geländestreifen und einem natürlichen Erscheinungsbild könne keine Rede sein. Es handele sich um eine Gewerbe- bzw. Industriefläche und nicht um ein natürliches und nach dem Zweck der Vorschrift schützenswertes Landschaftsbild. Auch eine verunstaltende Wirkung gehe von der geplanten Anlage nicht aus. Die Umgebung werde allein durch Hafenindustrie geprägt. Auf Grund dieser stadtgestalterisch recht unsensiblen Gegend lasse sich bereits jetzt unabhängig von den einzelnen Werbemotiven absehen, dass keine Beeinträchtigungen eintreten würden, die den städtebaulich gesetzten Rahmen sprengen könnten.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die von ihr am 6. November 1997 beantragte Genehmigung aufgrund § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO als erteilt gilt,

hilfsweise,

die Beklagte zu verpflichten, die am 6. November 1997 beantragte Genehmigung für wechselnde Werbung unter dem Vorbehalt der jeweiligen Motiv-Genehmigung zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die Genehmigungsfiktion aus § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO hier nicht ausgelöst worden sei. Die Klägerin bedürfe nämlich einer Baugenehmigung, da sie Containerstapel zu gänzlich anderen Zwecken als zur Lagerung verwenden möchte. Spätestens dadurch seien die Containerstapel als bauliche Anlage anzusehen, deren Nutzung in Werbeträger geändert werden solle. Eine Baugenehmigung könne der Klägerin nicht erteilt werden. Dem stehe § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO entgegen, da hier ein Ufer vorliege. Darunter sei die Berührungslinie zwischen dem Land und stehenden oder fließenden Gewässern zu verstehen. Auf Bewuchs komme es dabei nicht an. Ein Ufer könne auch ohne jeglichen Bewuchs aus z.B. Sand oder Steinen bestehen.

Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Dezember 1998 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit ihrem Haupt- und Hilfsantrag abgewiesen: Die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung könne nicht getroffen werden. Die am 6. November 1997 beantragte Genehmigung gelte nicht gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO als erteilt. Die Fiktion einer Genehmigung nach dieser Vorschrift könne nur eintreten, wenn die Genehmigung einer Werbeanlage nach § 60 Abs. 2 HBauO beantragt werde, die keine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 HBauO sei und deren Errichtung demgemäß keiner Baugenehmigung nach § 60 Abs. 1 HBauO bedürfe. Letzteres sei hier jedoch der Fall, weil es um eine nach § 60 Abs. 1 Satz 2 HBauO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung des genehmigten Lagerplatzes gehe. Die Klägerin wolle den Lagerplatz - jedenfalls teilweise - zu anderen Zwecken nutzen, nämlich als Anlage, an der mittels der gestapelten Container Werbemittel angebracht werden sollten. Der Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die erforderliche Nutzungsänderungsgenehmigung, weil dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von § 69 Abs. 1 HBauO entgegen stünden. Das Projekt sei in jedem Fall mit § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO unvereinbar, da es an einem Ufer entstehen solle. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei unter einem Ufer die Grenze zwischen Land und Wasser zu verstehen. Eine Eingrenzung auf Geländestreifen entlang oberirdischer Gewässer, die ein natürliches, erhaltenswertes Landschaftsbild vermittelten, ergebe sich aus dem Wortlaut nicht. Dieser schließe vielmehr auch "künstliche Ufer" ein. Bei § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO handele es sich nicht um ein bloßes Verunstaltungsverbot, sondern um eine Gestaltungsvorschrift. Exponierte Geländepunkte sollten grundsätzlich von Werbung freigehalten werden.

Ihre mit Beschluss vom 27. Juni 2001 zugelassene Berufung begründet die Klägerin wie folgt: Die Genehmigungsfiktion nach § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO sei eingetreten. Im Gegensatz zur Einschätzung des Verwaltungsgerichts bedürfe das Vorhaben lediglich einer Werbe- und nicht auch einer Baugenehmigung. Eine bauliche Anlage im Sinne von § 2 Abs. 1 HBauO stelle ihr Projekt nicht dar, da es nicht aus Bauprodukten erstellt werden solle. Die Anbringung von Werbeplakaten an Containern führe auch nicht zu einer genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung des Lagerplatzes. Der Lagerplatz sei regelmäßig mit Containern angefüllt, die mit vielerlei Aufschriften versehen seien, welche für die Nutzer der Container werben würden. Ein werbendes Element sei der Nutzung des Lagerplatzes von vornherein innewohnend.

Sofern man hilfsweise unterstelle, dass die Fiktion der Genehmigung nicht eingetreten sei, ergebe sich eine Verpflichtung zur Erteilung der beantragten Genehmigung. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts stehe dem insbesondere § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO nicht entgegen. In einem Bundesland wie Hamburg kämen die verschiedensten Wasserflächen und damit auch die unterschiedlichsten Arten von Gewässergrenzen vor. Verstehe man wie das Verwaltungsgericht den Begriff "Ufer" als Grenze zwischen Land und Wasser, sei das zu unbestimmt. Dann würde sich das Verbot völlig undifferenziert auf jede Art von Gewässerbegrenzung beziehen, ganz egal, welche Ausdehnung und Beschaffenheit sie habe und wo sie sich befinde. Im Wege der geltungserhaltenden Reduktion sei die aufgrund ihrer Unbestimmtheit zu allgemeine positive Gestaltungsregelung in § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO auf den Gedanken der negativen Verunstaltungsabwehr zu reduzieren. Ausgehend von der Intention des Gesetzgebers, besonders exponierte Geländepunkte freizuhalten, seien die Gewässergrenzen auch nur an besonders exponierten Stellen von Werbung freizuhalten. Die hier zur Debatte stehende Lagerfläche verfüge weder über ein natürliches Erscheinungsbild noch über irgendeinen natürlichen Bewuchs. Bei der Kaimauer und dem angrenzenden Lagergelände, auf dem sich die Containerstapel befänden, handele es sich nicht um ein schützenswertes Ufer im Sinne von § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO. Unabhängig davon gelte, dass im vorliegenden Fall einer Kaimauer der Übergang zwischen Land und Wasser senkrecht sei. Allenfalls dieser senkrechte Teil der Kaimauer sei Ufer. Jedes andere Verständnis und jede weitere Auslegung widerspreche rechtsstaatlichen Grundsätzen, da eine verläßliche Festlegung sonst nicht möglich wäre. Es ließe sich anderenfalls nicht klar feststellen, in welcher Breite ein Geländeteil hinter der Kaimauer noch als Ufer gelten könne. Bei der Containerlagerfläche, welche der Realisierung der Werbeanlage diene, handele es sich um "Land", nicht jedoch um ein "Ufer". Der Übergang zwischen dem Oberhafenkanal und der Lagerfläche werde durch die dort vorhandene alte Kaimauer geschaffen und finde an der oberen Kante dieser Mauer sein Ende. Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften stünden dem Vorhaben ebenfalls nicht entgegen, wenn man die Erforderlichkeit einer Baugenehmigung unterstellte.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Dezember 1998 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg festzustellen, dass die unter dem 6. November 1997 beantragte Werbegenehmigung aufgrund von § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO als erteilt gilt,

hilfsweise,

die Beklagte unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Dezember 1998 sowie unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Mai 1998 und des Widerspruchsbescheides vom 15. September 1998 zu verpflichten, auf den Antrag vom 6. November 1997 eine Baugenehmigung für die Herstellung von drei Containerblöcken nebst Gerüstkonstruktion für die Anbringung von jeweils 120 qm großen Werbeplanen zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, dass der Feststellungsantrag nicht begründet sei. Das Vorhaben bedürfe einer Genehmigung nach § 60 Abs. 1 HBauO, da der Fall nicht anders zu beurteilen sei als an Baugerüsten angebrachte großflächige Werbetransparente.

Im Übrigen verweist die Beklagte auf den Inhalt ihres Widerspruchsbescheides.

Zur Zeit ist die Klägerin nicht mehr Mieterin des Geländes zwischen Z-Straße und Oberhafenkanal. Vielmehr sei es - so die Klägerin - momentan an eine andere Firma untervermietet. Sie, die Klägerin, habe mit dieser Firma eine Vereinbarung abgeschlossen, die eine sofortige Nutzung des Grundstückes möglich mache. Außerdem habe sie konkrete Aussichten auf die abermalige Anmietung des gesamten Grundstückes. Sie habe eine anwartschaftrechtsähnliche Position, die hinreichend konkret sei, um das weitere Interesse an der Klagdurchführung zu begründen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die Anlage 153 der Bauakte Z-Straße 9/23, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie hat jedoch keinen Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig (I.), ist aber weder mit ihrem Haupt- noch Hilfsantrag begründet (II.).

I.

Die Klage ist zulässig. Die Klägerin besitzt insbesondere das dafür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Dem steht nicht entgegen, dass sie gegenwärtig nicht mehr Mieterin der Flächen zwischen der Z-Straße und dem Oberhafenkanal ist, auf denen die Werbeanlage entstehen soll. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt lediglich dann, wenn eine Klage für die Klägerin offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (vgl. z.B. BVerwG, NVwZ 1994, S. 482; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, Rdnr. 38 vor § 40). Da baurechtliche Genehmigungen - wie sich für Hamburg aus § 69 Abs. 2 Satz 3 HBauO ergibt - grundsätzlich unbeschadet der privaten Rechte Dritter ergehen, sind Klagen insoweit erst dann unzulässig, wenn der Verwertung der erstrebten baurechtlichen Genehmigung zivilrechtliche Hindernisse entgegenstehen, die sich schlechthin nicht ausräumen lassen (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Nach ihren eigenen Angaben, an denen zu zweifeln kein Anlass besteht, ist die Klägerin auf Grund entsprechender vertraglicher Übereinkünfte in der Lage, wieder Mieterin des Geländes am Oberhafenkanal zu werden.

II.

Die zulässige Klage ist aber weder mit ihrem Hauptantrag (1.) noch mit ihrem Hilfsantrag (2.) begründet.

1. Die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung, dass die von der Klägerin am 6. November 1997 beantragte Genehmigung aufgrund von § 60 Abs. 3 Satz 1 HBauO als erteilt gelte, setzt voraus, dass für die Errichtung der geplanten Werbeanlage nur eine Genehmigung nach § 60 Abs. 2 Satz 1 HBauO erforderlich ist und nicht eine solche nach § 60 Abs. 1 HBauO (vgl. z.B. Urt. des Senats v. 31.5.2001, NordÖR 2002, S. 202; Beschl. v. 6.9.1999 u. 27.10.1998 - 2 Bs 256/99 u. 2 Bs 353/98 -). Letzteres ist hier aber der Fall.

Offen bleiben kann, ob im vorliegenden Fall deshalb eine Genehmigung nach § 60 Abs. 1 HBauO erforderlich ist, weil - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - von einer nach § 60 Abs. 1 Satz 2 HBauO genehmigungsbedürftigen Nutzungsänderung des genehmigten Lagerplatzes auszugehen ist. Denn bei dem von der Klägerin geplanten Vorhaben handelt es sich jedenfalls um die Errichtung einer baulichen Anlage gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 HBauO.

Bauliche Anlagen sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HBauO mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Es bedarf keiner Erörterung, ob bereits die Werbeposter als solche sowie die für ihre Verzurrung an den Containern erforderlichen Mittel dieser Definition gerecht werden, insbesondere aus Bauprodukten im Sinn von § 2 Abs. 11 HBauO hergestellt sind. Offen bleiben kann ebenfalls, ob die Herstellung der gesamten Konstruktion, bestehend aus Werbetransparent, unterfangender Gerüstkonstruktion und Containern, auf denen diese ruhen, als Errichtung einer baulichen Anlage einzustufen ist oder ob dem entgegen steht, dass die Container nicht als Bauprodukt zu bewerten sind. Denn eine bauliche Anlage liegt jedenfalls insoweit vor, als das Werbeposter mit Rücksicht darauf, dass bei den gestapelten Containern die oberen zwei Reihen um jeweils eine bzw. zwei Positionen zurücktreten, durch den bereits erwähnten, speziell dafür vorgesehenen Gerüstunterbau unterfangen werden muss. Die auf diese Weise entstehende Stützkonstruktion ist aus Bauprodukten im Sinne von § 2 Abs. 11 HBauO hergestellt. Die nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HBauO für eine bauliche Anlage des weiteren erforderliche Verbindung mit dem Erdboden ist ebenfalls vorhanden, da dafür auch mittelbare Beziehungen - wie hier über die gestapelten Container - ausreichen (vgl. im Einzelnen Urteil des Senats vom 31.5.2001, NordÖR 2002, S. 202; Urteil vom 24.4.2002 - 2 Bf 498/98 -).

2. Die Klage hat auch mit ihrem Hilfsantrag keinen Erfolg. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf die von ihr hilfsweise begehrte Erteilung einer Baugenehmigung für ihr Werbevorhaben, da diesem öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 1 HBauO entgegen stehen. Keiner Erörterung bedarf, ob die geplante Werbeanlage mit dem Hafen-, dem Wasser- sowie dem Bauplanungsrecht vereinbar ist. Was das Bauordnungsrecht anbelangt, kann ebenfalls offen bleiben, ob das Projekt gegen das Verunstaltungsverbot verstößt - § 12 Abs. 1 und 2 HBauO - bzw. zu einer jeweils unzulässigen verkehrsgefährdenden Werbeanlage - § 13 Abs. 3 Nr. 2 HBauO - oder Werbeanlage in störender Häufung - § 13 Abs. 3 Nr. 4 HBauO - führt. Denn das Vorhaben ist jedenfalls nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO unzulässig, da es unmittelbar an einem Ufer entstehen soll. Unter Ufer in diesem Sinne ist auch eine Kaianlage zu verstehen (a.). Ohne Bedeutung ist, ob ein betroffenes Ufer unter optischen bzw. ästhetischen Gesichtspunkten hochwertig ist (b.). Schließlich soll die hier fragliche Werbeanlage auch unmittelbar am Ufer entstehen (c.).

a) Die Hamburgische Bauordnung enthält keine Definition des Begriffes Ufer. Auch die Gesetzgebungsmaterialien sind insoweit unergiebig (vgl. Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft zum Entwurf einer Hamburgischen Bauordnung, Drucksache VI/1258, S. 64 zum Entwurf von § 73). Unter diesen Umständen kann insofern auf den allgemeinen Sprachgebrauch abgestellt werden. Danach versteht man unter einem Ufer die "Begrenzung eines Gewässers durch das Festland" (Duden, Das große Wörterbuch der Deutschen Sprache in 6 Bänden, 1981) bzw. die "Grenze zwischen Land und Wasser" (Brockhaus Enzyklopädie in 20 Bänden, 1974) oder den "Rand eines Gewässers" (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Ausgabe 1986/1991). Unter Zugrundelegung dieser Definitionen und im Gegensatz zur Klägerin sind auch künstliche Gewässereinfassungen wie im vorliegenden Fall eine Kaimauer als Ufer zu verstehen. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Ausdruck "künstliches Ufer" als Gegensatz zu dem natürlichen Ufer geläufig (vgl. z.B. Brockhaus, a.a.O., unter dem Stichwort "Uferbau"; siehe auch bereits die Entscheidung des Senats vom 23.2.1984 - Bf II 64/82 -; OVG Münster in OVGE 31, S. 223 <225>). Dafür, dass das Hamburgische Wassergesetz abweichend von diesem allgemeinen Sprachgebrauch von einem restriktiveren Uferbegriff ausgegangen ist, ist nichts ersichtlich. Es entspricht auch zulässiger Praxis, einen gängigen Alltagsbegriff in einem Gesetz zu verwenden und sich bei seiner Interpretation am allgemeinen Sprachverständnis zu orientieren. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitserfordernis ist darin nicht zu sehen.

b) Im Gegensatz zur Einschätzung der Klägerin ist ebenfalls ohne Bedeutung, ob das hier betroffene Ufer unter optischen bzw. ästhetischen Gesichtspunkten hochwertig ist. Es entspricht mittlerweile der ständigen Rechtsprechung, dass Bestimmungen der hier vorliegenden Art den Charakter einer positiv gefassten, generalisierenden baugestalterischen Anforderung besitzen und sich nicht auf den sogenannten negativen Schutz des allgemeinen Verunstaltungsverbots beschränken (vgl. z.B. Urteile des Senats vom 28.10.1993 - Bf II 13/92 und 41/92 - m.w.N. -). Anderenfalls wäre auch nicht ersichtlich, welchen eigenständigen Anwendungsbereich sie neben § 12 Abs. 1 und 2 HBauO noch haben sollten. Mit der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG ist § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO bei diesem Verständnis vereinbar, da das baupflegerische Ziel, unerwünschte Erscheinungen unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung aus dem Stadt- und Landschaftsbild fernzuhalten, ein legitimes Anliegen des öffentlichen Interesses ist (so bereits BVerwG, NJW 1962, S. 552 <553>). Gerade in Hamburg mit seinen zahlreichen Gewässern besitzen Ufer eine wichtige, generelle Bedeutung für das Stadtbild und es ist daher nichts dafür ersichtlich, warum man sie nicht in der durch § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO bezweckten generalisierenden Art und Weise - ohne Bewertung ihrer ästhetischen Bedeutung im Einzelfall - stadtgestalterisch sollte schützen können.

c) Die von der Klägerin geplante Werbeanlage, die in einer Entfernung von ca. 2 Metern von der Kaimauer entstehen soll, liegt auch "unmittelbar am Ufer" im Sinn von § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO.

Die Frage, wann ein Ufer endet und das dahinterliegende Binnenland beginnt, ist - schon allein wegen der Vielfalt der denkbaren Uferformen - nicht ohne weiteres verallgemeinernd zu beantworten.

Was natürliche Ufer betrifft, wird eine solche Verallgemeinerung regelmäßig auch nicht erforderlich sein, weil die Linie des Übergangs vom Wasser bis zu der Landfläche, die nicht mehr unmittelbar am Ufer liegt, vornehmlich nach den jeweiligen örtlichen Verhältnisse bestimmt werden muß und in der Regel bei natürlichen Ufern auch bestimmt werden kann. Die konkreten örtlichen Verhältnisse eignen sich allerdings zur Abgrenzung nicht mehr, wenn das Wasser durch eine senkrechte Mauer begrenzt wird und die daran anschließende Landfläche eine gleichmäßige Ebene bildet, in der es keine Merkmale gibt, nach denen zwischen einem Uferstreifen und dem anschließenden Binnenland unterschieden werden könnte. In dieser Situation, wie sie bei einer Kaianlage mit ihrer senkrechten Kaimauer und den dahinterliegenden Arbeits- und Lagerflächen hier gegeben ist, kann der unmittelbare Uferbereich andererseits auch nicht auf die bloße Linie der Oberkante der Kaimauer beschränkt sein, wie die Klägerin meint. Hier einen Uferstreifen als Fläche zu verneinen, entspricht nicht dem allgemeinen Sprachverständnis, das auch mit einem Kaiufer eine Fläche verbindet und widerspricht damit auch dem Zweck des Gesetzes, das dieses Kaiufer von Werbeanlagen freihalten will. Um hier in Anlehnung an natürliche Uferformen ein dem Zweck des Gesetzes gerecht werdendes, in dem notwendigen Umfang typisierendes und zugleich hinreichend bestimmtes Verständnis zu gewinnen, erscheint es gerechtfertigt, an eine natürlich mögliche Böschung mit einem mittleren Neigungswinkel von 45 Grad anzuknüpfen. Dabei ist für tideabhängige Gewässer vom mittleren Hochwasser als dem üblichen Bezugspunkt des mittleren Wasserstandes auszugehen. Da Kaimauer und Landfläche bei den dieser Betrachtung zugrundegelegten Geländeverhältnissen im rechten Winkel zueinander stehen, führt der angenommene Böschungswinkel von 45 Grad zu einem gleichschenkligen Dreieck, bei dem die über den Stand des mittleren Hochwassers hinausragende Höhe der Kaimauer die Breite des Uferstreifens im Sinn von § 13 Abs. 3 Nr. 1 HBauO bestimmt.

Für den konkreten Fall ergibt sich aufgrund der örtlichen Verhältnisse daraus ohne weiteres, dass die von der Klägerin geplante Werbeanlage unmittelbar am Ufer im Sinn der genannten Vorschrift errichtet werden soll und damit unzulässig ist. Gründe für eine Befreiung nach § 67 HBauO sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

B.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nrn. 10 und 11, 711 ZPO.

Ein Grund, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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