Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.07.2004
Aktenzeichen: 2 Bf 107/01
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 31 Abs. 2
Eine Befreiung für eine Kindertagesstätte in einem reinen Wohngebiet nach BauNVO 1977 kann wegen einer Unvereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung rechtswidrig sein, wenn es zur Konzeption des Bebauungsplans für einen neuen Ortsteil gehört, dass solche Einrichtungen in den zentralen Flächen des Kerngebiets und des allgemeinen Wohngebiets geschaffen werden sollen und nicht in den peripheren Flächen des reinen Wohngebiets.
2 Bf 107/01

Verkündet am 29. Juli 2004

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch die Richter K. Schulz, Dr. Ungerbieler und Dr. Ramcke am 16. Juni 2004 Recht erkannt:

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger die Klage zurückgenommen haben.

Auf die Berufung der Kläger wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2001 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgehoben.

Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 14. August 1995 zur Errichtung einer Kindertagesstätte sowie der Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 1997 werden aufgehoben.

Die Beklagte und der Beigeladene tragen je die Hälfte der erstinstanzlichen Gerichtskosten und der erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Kläger sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst. Die Beklagte trägt 9/10 und die Kläger tragen 1/10 der Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung des Kostengläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe der gegen ihn festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren die Aufhebung der dem Beigeladenen für die Errichtung der Kindertagesstätte "A " in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft erteilten und mittlerweile umgesetzten Baugenehmigung.

Die Kläger zu 1) sind Eigentümer des Grundstücks X , die Kläger zu 2) sind Eigentümer des unmittelbar benachbarten Grundstücks Y in Hamburg-Allermöhe. Die Grundstücke befinden sich - ebenso wie das streitgegenständliche Grundstück - im Wirkungsbereich des im Jahre 1982 erlassenen Bebauungsplans Allermöhe 21 / Billwerder 15, der für diesen Bereich ein "WR II"-Gebiet ausweist. Der nordöstliche Teil des Plangebiets dieses Bebauungsplans am S- Bahnhof Nettelnburg wurde im Jahre 1990 aus dem Plangebiet herausgelöst; für dieses Gebiet gilt nunmehr der Bebauungsplan Bergedorf 82.

Die Grundstücke der Kläger grenzen mit ihrem rückwärtigen Gartenbereich an den R-Weg , der in diesem Teil als Sackgasse ausgestaltet ist. Ihnen liegt auf der anderen Seite der öffentlichen Wegefläche die Reihenhauszeile R -Weg unmittelbar gegenüber. Letztere wurde im Dezember 1988 unter Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB unbefristet als zweite Kindertagesstätte im Plangebiet genehmigt. Seit Fertigstellung Anfang 1990 betreibt der Beigeladene in den Häusern die Kindertagesstätte "B " mit zur Zeit noch etwa 80 Kindern. Er ist seit 1993 auch Eigentümer dieses Grundstücks.

Unter dem 14. August 1995 erteilte die Beklagte auf Antrag des Beigeladenen die Genehmigung zum Bau der Kindertagesstätte "A " X eine Beteiligung der Kläger im Verfahren erfolgte nicht. Dieses Grundstück weist eine Grundfläche von 4.037 m² auf und stößt mit seiner südwestlichen Grenze zum einen an das Grundstück des Kindertagesheims " B " und zum anderen an das an das Grundstück der Kläger zu 1) angrenzende Grundstück X an, das mit einem Reihenendhaus bebaut ist. Das genehmigte Gebäude der Kindertagesstätte befindet sich knapp 25 m von der Grundstücksgrenze der Kläger zu 1) und ca. 30 m von der Grundstücksgrenze der Kläger zu 2) entfernt. Die Kindertagesstätte ist für die Aufnahme von 115 Kindern konzipiert. Die Beigeladene begann im Sommer 1996 mit den Bauarbeiten.

Im ursprünglichen Geltungsbereich des streitigen Bebauungsplans sind neben den beiden Kindertagesstätten der Beigeladenen vier weitere Einrichtungen genehmigt worden, und zwar im Jahr 1983 das auf der dafür vorgesehenen Fläche errichtete Kindertagesheim Henriette-Herz-Ring 41 mit 161 Plätzen, der unmittelbar südlich davon 1988 errichtete evangelische Kindergarten Marta-Damkowski-Kehre 1 mit 100 Plätzen sowie am Edith-Stein-Platz in jenem Bereich des Plans, für den seit November 1990 der Bebauungsplan Bergedorf 82 gilt, der 1991 errichtete Kindergarten der katholischen Kirche mit 44 Plätzen und der 1993 errichtete private Kindergarten des Vereins "Schmusebacke" mit 90 Plätzen. Alle diese Kindertagesstätten befinden sich in Bereichen, die bauplanungsrechtlich als allgemeines Wohngebiet oder Kerngebiet ausgewiesen sind.

Mit Schreiben vom Oktober 1996 wandten sich die Kläger an die Beklagte und wiesen darauf hin, dass die Errichtung der zweiten Kindertagesstätte in unmittelbarer Nachbarschaft für sie zu einer Härte führe, die im Genehmigungsverfahren hätte gewürdigt werden müssen. Sie hätten ihre Grundstücke im Jahre 1990 im Vertrauen auf den Bebauungsplan Allermöhe 21 / Billwerder 15 und die Darstellungen im von der Baubehörde der Beklagten herausgegebenen "Flächenplan" der 1989 erschienenen Broschüre "Allermöhe - Wohnen am Wasser" gekauft. Darin sei die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Kindertagesstätte "B " als Übergangskindertagesheim bezeichnet gewesen. Sie hätten daraus geschlossen, dass dieses bei Fertigstellung der im Flächenplan ausgewiesenen Kindertagesstätte "A " nicht weiter betrieben werden werde, wovon auch die Liegenschaftsbehörde der Beklagten bei den Kaufverhandlungen ausgegangen sei. Von der im Jahr 1988 unbefristet erteilten Genehmigung zum Betrieb dieser Kindertagesstätte hätten sie nicht gewusst. Wäre ihnen im Zeitpunkt der Kaufentscheidung der vorgesehene parallele Betrieb beider Kindertagesstätten bekannt gewesen, hätten sie die Grundstücke nicht erworben. Sie seien aufgrund der vorhandenen Kindertagesstätte erheblichen Belästigungen ausgesetzt, die im Wesentlichen darin bestünden, dass die Kinder regelmäßig morgens im Zeitraum von 06.30 bis 09.00 Uhr von den Eltern mit dem PKW in den Kindergarten gebracht und im Zeitraum von 14.00 bis 17.00 Uhr wieder abgeholt würden. Tagsüber bestehe die hauptsächliche Belästigung darin, dass Spielgruppen den für den Autoverkehr unzugänglichen Teil des R -Wegs , der unmittelbar an ihre Grundstücke grenzt, als Spielfläche benutzten. Dadurch seien die in diese Richtung ausgerichteten Terrassen nur eingeschränkt nutzbar.

Die Beklagte teilte den Klägern in einer Stellungnahme vom Februar 1997 formlos mit, nach Fertigstellung der zweiten Kindertagesstätte sei mit einer Verbesserung der Situation zu rechnen, da sich die Zufahrt und die KFZ-Stellplätze für beide Kindertagesheime dann auf dem Gelände des Kindertagesheim im X befänden und sich die Spielgruppen vom R-Weg wahrscheinlich auf das Gelände des neuen Kindertagesheims verlagern würden.

Mit Schreiben vom 16. Mai 1997 wandten sich die Kläger durch ihre Prozessbevollmächtigten an die Beklagte und machten geltend, ihr Schreiben vom Oktober 1996 sei als Widerspruch gegen die Baugenehmigung vom August 1995 zu verstehen.

Im Juni 1997 teilte die Beklagte den Klägern mit, für die Errichtung des Kindertagesheims auf dem Grundstück X sei nachträglich eine planungsrechtliche Befreiung beantragt worden, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Kläger hielten an ihrer Auffassung zur Unzumutbarkeit zweier Kindertagesstätten in unmittelbarer Nachbarschaft fest und führten ergänzend aus, die auf dem Grundstück für das neue Vorhaben vorhandenen Freiflächen würden schwerlich den Bedürfnissen der zukünftig zu erwartenden 200 betreuten Kinder genügen. Dass der Zu- und Abfahrtsverkehr auch bezüglich der Kindertagesstätte im R -Weg künftig ausschließlich über den X abgewickelt werde, sei lediglich eine Vermutung. Die Genehmigung verletze sie in ihrem Recht auf Gebietserhaltung. Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 31 Abs. 2 BauGB könne nicht rechtsfehlerfrei erteilt werden.

In der Folge ordnete die Beklagte die sofortige Vollziehung der Baugenehmigung an.

Am 27. August 1997 haben die Kläger (Untätigkeits-)Klage gegen die Baugenehmigung erhoben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück und führte aus, die Baugenehmigung sei insofern fehlerhaft, als sie die Kindertagesstätte ohne ausdrückliche Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zugelassen habe. Dies sei unter Geltung der Baunutzungsverordnung 1977 nicht möglich. Für die konkludent erteilte Befreiung fehle die erforderliche Ermessensausübung und Begründung. Der Fehler sei jedoch im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB lägen vor, insbesondere habe ein Bedarf an weiteren Kindertagesheimplätzen bestanden und ein solcher bestehe auch weiterhin. Durch die fortschreitende Bauentwicklung im Plangebiet und in Neu-Allermöhe-West werde der Bedarf eher noch weiter ansteigen. Im Bereich Neu-Allermöhe seien keine freien Flächen vorhanden, auf denen das Vorhaben alternativ habe ausgeführt werden können. Dem Beigeladenen sei die Suche und der Erwerb einer anderen Fläche nicht ohne Gefährdung des Projekts zumutbar gewesen. Das Vorhaben sei im Bauflächenplan für Allermöhe ausgewiesen. Das Allgemeinwohl müsse nicht hinter dem Interesse der Kläger zurücktreten, da die Abweichung vom Gebietscharakter aufgrund der überwiegend positiven Äußerungen anderer Nachbarn als nicht wesentlich anzusehen sei. Im Wohngebiet seien lärmende Kinder der Normalfall, die Belästigungen durch den Betrieb des Kindertagesheims beschränkten sich demgegenüber auf den Zeitraum von 8 - 18 Uhr. Die Intensität der gerügten Störungen durch spielende Kinder auf dem verkehrsberuhigten R -Weg werde durch die künftige Nutzung der gemeinsamen Spielfläche des "A " abnehmen, der Bring- und Abholverkehr werde im Bereich der Kläger nicht nennenswert zunehmen.

Zur Begründung ihrer Klage haben die Kläger neben den bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumenten vor allem geltend gemacht, die Genehmigung verletze sie in ihrem Recht auf Erhaltung der Gebietsart. Befreiungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB seien auf atypische Sonderfälle zu beschränken und dürften die Grundzüge der Planung nicht berühren, was hier jedoch der Fall sei.

Die Kläger haben beantragt,

die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung einer Kindertagesstätte auf den Grundstück X sowie den Widerspruchsbescheid vom 01. Oktober 1997 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide bezogen. Darüber hinaus hat sie vorgetragen, dass andere Bauflächen nur begrenzt vorhanden gewesen seien. Lediglich das Grundstück Henriette-Herz-Ring/Marta-Damkowski-Kehre werde für Schulzwecke nicht gänzlich ausgenutzt, wobei eine Erweiterung des Jugendclubs in der Marta-Damkowski-Kehre ebenfalls auf dieses Grundstück übergreife. Hier befänden sich in der unmittelbaren Nähe bereits zwei Kindertagesheime.

Der Beigeladene hat ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, er habe einen Hausmeister für das Kindertagesheim A angestellt, dessen Aufgabe es sei, sicherzustellen, dass Jugendliche nicht zur Unzeit übermäßigen Lärm oder sonstige unzumutbaren Störungen für die Nachbarschaft hervorrufen. Darüber hinaus habe er durch ständige Gespräche der Leiterinnen der beiden Kindertagesstätten mit den Eltern und entsprechende Aushänge darauf hingewirkt, die Bring- und Abholvorgänge möglichst störungsfrei für die Nachbarn zu gestalten und insbesondere nicht den R-Weg für die Anfahrt zu nutzen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage aufgrund einer mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2001 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Baugenehmigung verstoße in der Form des Widerspruchsbescheides nicht gegen nachbarschützende Normen. Die Kindertagesstätte sei nach den maßgeblichen gesetzlichen Regelungen, insbesondere jenen der BauNVO 1977, nur im Wege der Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässig. Zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung im Jahre 1995 bzw. zum Zeitpunkt der Erteilung der Befreiung im Oktober 1997 sei es vernünftigerweise geboten und damit erforderlich im Sinne des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB gewesen, in dem Plangebiet eine weitere Kindertagesstätte zu ermöglichen. Dies ergebe sich aus den von der Beklagten im Verfahren ermittelten Bedarfszahlen und der darauf gründenden prognostischen Einschätzung für die kommenden Jahre, die nicht zu beanstanden seien. Auch sei die Genehmigung gerade für das fragliche Grundstück im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Befreiung nicht zu beanstanden, da dieses für das Vorhaben aufgrund der vorhandenen Außenspielflächen für die Errichtung einer Kindertagesstätte besonders geeignet sei. Der mögliche Alternativstandort auf dem Grundstück Henriette-Herz-Ring/Marta-Damkowski-Kehre sei nicht vernünftigerweise geboten gewesen, da sich in unmittelbarer Entfernung bereits zwei Kindertageseinrichtungen befänden. Die Befreiung sei im Ergebnis - trotz der zu erkennenden erheblichen Belastungen durch den Lärm zweier Kindertagesstätten in unmittelbarer Nähe der Kläger - auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Die Schaffung einer ausreichenden Zahl von Kinderbetreuungsplätzen sei gesellschaftspolitisch hoch einzuschätzen. Zu berücksichtigen sei, dass Kinderlärm auch in einem reinen Wohngebiet als sozialadäquat hinzunehmen sei, dies sogar abends und an den Wochenenden. Dies dürfe dann auch für den Lärm gelten, der tagsüber - mit Ausnahme der Wochenenden - von den Außenspielflächen des "A " ausgehe. Auch sei der Lärm durch den Abhol- und Bringverkehr zeitlich begrenzt. Die Beklagte sei bemüht, den vom Betrieb des Tagesheims ausgehenden Lärm zu begrenzen. Der von den Klägern gerügte Lärm sei ganz wesentlich auf den Betrieb der Kindertagesstätte " B " im R- Weg zurückzuführen, das aber bestandskräftig genehmigt und zudem nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sei. Auch werde der Bebauungsplan nicht in seiner Planungskonzeption verändert. Diese Voraussetzung folge aus dem Wesen der baurechtlichen Befreiung und verlange eine "Atypik" des Sachverhalts. Diese sei allerdings durch das Gemeinwohl indiziert, wenn Gründe des Wohls der Allgemeinheit dafür streiten, an dieser Stelle im Planbereich nicht das, was der Bebauungsplan dort festgesetzt hat, sondern gerade im öffentlichen Interesse etwas anderes zu verwirklichen. Auch liege die durch die Befreiung ermöglichte Abweichung noch im Bereich dessen, was der Plangeber gewollt hätte, wenn er bei Aufstellung des Bebauungsplanes des steigenden Bedarf an Kindertagesstätten einschließlich der gesellschaftspolitischen Entwicklungen gekannt hätte, die zur Schaffung des Kindergartenplatzgesetzes geführt haben. Schließlich seien keine Ermessensfehler ersichtlich, die Beklagte habe im Widerspruchsverfahren Ermessen ausgeübt und die Situation der Kläger und das öffentliche Interesse an der Schaffung einer weiteren Kindertagesstätte in einer Gesamtbetrachtung abgewogen.

Gegen das den Klägern am 19. Februar 2001 zugestellte Urteil haben diese am 19. März 2001 die Zulassung der Berufung begehrt. Mit Beschluss vom 25. September 2002 hat der Senat die Berufung der Kläger zugelassen.

Die Kläger begründen ihre Berufung damit, dass das Vorhaben auf dem streitigen Grundstück nicht vernünftigerweise geboten sei. An den Straßen Henriette-Herz-Ring/Marta-Damkowski-Kehre ) ständen seit 1995 bis zum heutigen Zeitpunkt Flächen zur Verfügung, die hinreichend groß seien. Sie seien als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen, so dass das Vorhaben dort als Anlage für soziale Zwecke generell zulässig sei, und lägen nur etwa 600 m von dem streitigen Vorhaben entfernt. Sie seien aus dem gesamten Plangebiet in angemessener Zeit und von außerhalb des Plangebiets verkehrstechnisch besser erreichbar als das streitgegenständliche Grundstück. In unmittelbarer Nachbarschaft befänden sich die Schule, ein Sportplatz, ein Kindertagesheim sowie ein Kinderspielplatz. Nördlich angrenzend sei ein weiteres Kindertagesheim festgesetzt. Die sich daran anschließende, als allgemeines Wohngebiet ausgewiesene Freifläche von 0,6 ha sei ausweislich der Begründung des Bebauungsplanes vorübergehend für einen zu erwartenden Spitzenbedarf an Kindertagesheimeinrichtungen vorgesehen. Hieraus lasse sich der Wille des Plangebers erkennen, soziale und kirchliche Einrichtungen an dieser Stelle zu konzentrieren. Stünden an dieser Stelle auch geeignete Flächen zur Realisierung solcher Vorhaben zur Verfügung, sei die Ansiedlung einer weiteren Kindertagesstätte nur an dieser Stelle, nicht aber an dem genehmigten Standort vernünftigerweise geboten. Das Verwaltungsgericht habe ferner nicht erkannt, dass die Bedarfsprognose der Beklagten hinsichtlich der Erforderlichkeit weiterer Kindergartenplätze fehlerhaft gewesen sei. Bereits 1999 habe in Allermöhe ein erheblicher Überschuss an Kindertagesheimplätzen bestanden, woraus zu folgern sei, dass die im Jahre 1997 gestellte Prognose falsch gewesen sei. Darüber hinaus sei nicht erkennbar, dass die Beklagte neben einer Bestandsaufnahme überhaupt eine Prognose angestellt habe, bei der auch die künftige Bedarfsdeckung durch andere, in der Entstehung begriffene Einrichtungen im Plangebiet berücksichtigt worden sei. Eine richtige Würdigung der Interessen der Nachbarn durch das Verwaltungsgericht bzw. die Beklagte habe dazu führen müssen, die Vereinbarkeit mit öffentlichen Belangen zu verneinen. Nachbarschützenden Festsetzungen, insbesondere solchen über die Art der baulichen Nutzung, komme im Interessengeflecht des Bebauungsplanes in der Regel eine derart zentrale Bedeutung zu, dass ihre Durchbrechung ein Bedürfnis nach einer Änderung des Bebauungsplanes hervorrufe. Eine Ausnahme hiervon komme nur in Betracht, wenn die Nachbarn im Falle der Befreiung weder durch das Vorhaben als solches noch von dessen zu erwartenden Folgewirkungen nennenswert beeinträchtigt werden können. Dies sei hier nicht der Fall. Die Grenze der Sozialadäquanz sei überschritten, wenn der Lärm nicht nur von anwohnenden Kindern, sondern noch von 170 zusätzlichen Kindern verursacht würde. Die Tatsache, dass es sich bei dem "A " um die zweite Kindertagesstätte in unmittelbarer Nähe handele, habe bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden müssen. Jedenfalls hätten die Belästigungen durch den Betrieb des Kindertagesheims "B " nicht mit dem Argument unberücksichtigt bleiben dürfen, diese Anlage sei bestandskräftig genehmigt. Ferner seien die Grundzüge der Planung berührt. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass diese Voraussetzung nicht mit dem § 31 BauGB immanenten Tatbestandsmerkmal der "Atypik" identisch sei. Dem Bebauungsplan liege ein bestimmtes Planungskonzept zugrunde, das durch die Befreiung konterkariert würde. Eindeutiger Wille des Plangebers sei es gewesen, die Gemeinbedarfseinrichtungen zentral im Mittelteil des Plangebiets anzusiedeln, eine Errichtung des Kindertagesheims im reinen Wohngebiet widerspreche dieser planerischen Ausgestaltung. Die bereits vorhandenen Spannungen durch die Einrichtung "B " würden durch das genehmigte neue Vorhaben noch verstärkt. Die Planungsfrage und insbesondere die Zuordnung bestimmter Nutzungen zueinander würden in einem Umfang neu aufgeworfen, dass die Konflikte nur durch eine Umplanung bewältigt werden könnten, nicht aber durch eine Befreiung.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung vom 17. Januar 2001 zu ändern und die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 15. August 1995 zur Errichtung einer Kindertagesstätte sowie den Widerspruchsbescheid vom 1. Oktober 1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt ihren Widerspruchsbescheid sowie das verwaltungsgerichtliche Urteil und macht geltend, die angesprochene Flächenreserve an der Marta-Damkowski-Kehre habe jedenfalls 1995 nicht zur Verfügung gestanden, weil sie größtenteils noch mit Pavillons der Grundschule belegt gewesen sei. Darüber hinaus sei die Errichtung des Kindertagesheims an dieser Stelle aus pädagogischen Gründen nicht vertretbar gewesen. Das benachbarte Flurstück sei für die Errichtung der Kindertagesstätte zu klein gewesen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Er trägt vor, beide von ihm betriebenen Kindertagesstätten seien seit ihrer Eröffnung voll ausgelastet und würden ganz überwiegend von Kindern aus der näheren Umgebung besucht. Die Einrichtungen würden von allen Nachbarn mit Ausnahme der Kläger als dem Gemeinwohl dienend und nicht als störend empfunden. Eine Befriedigung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Kindergartenplatz durch die Errichtung einer Kindertagesstätte an anderer Stelle im Bereich Neu-Allermöhe sei nicht möglich gewesen.

Nachdem die Beklagte dem die Beigeladenen die Errichtung eines Glasvorbaus am Gebäude des Kindertagesheims "B " auf dem Grundstück R-Weg mit Baugenehmigung vom 27. März 2000 genehmigt und den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2003 zurückgewiesen hatte, haben die Kläger ihre Klage zunächst auf eine Aufhebung dieser Bescheide erweitert, ihren darauf gerichteten Antrag jedoch in der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2004 zurückgenommen.

Die Sachakten der Beklagten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf diese und den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Verfahren wird gemäß § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt, soweit die Kläger ihre Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht zurückgenommen haben.

II.

Die zulässige Berufung der Kläger hat im übrigen Erfolg.

Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung der Kindertagesstätte "" ist auch in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 1997 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten.

Durch die Baugenehmigung werden die Kläger in ihrem Recht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.9.1993, BVerwGE Bd. 94, S. 151, 155 ff.) auf Einhaltung der für das streitige Grundstück geltenden planungsrechtlichen Ausweisung des Bebauungsplans Allermöhe 21 / Billwerder 15 verletzt. Dieser Gebietserhaltungsanspruch ist verletzt, weil die Kindertagesstätte im festgesetzten reinen Wohngebiet nicht zulässig ist (1.) und eine Zulassung im Wege der im Widerspruchsverfahren erteilten Befreiung von den Festesetzungen dieses Bebauungsplans ausscheidet, da sie die Grundzüge der Planung berührt (2.).

1. Aufgrund der Ausweisungen des im Jahre 1982 erlassenen Bebauungsplans (Gesetz v. 19.5.1982, GVBl. S. 130) darf die Kindertagesstätte auf dem Grundstück des Beigeladenen nicht errichtet werden. Denn dieser weist dieses Grundstück wie alle anderen umliegenden Grundstücke, u.a. jene der Kläger, als reines Wohngebiet aus. Welche Nutzungen in einem festgesetzten Baugebiet zulässig sind, ergibt sich aus den Vorschriften der Baunutzungsverordnung zur Art der baulichen Nutzung. Diese werden gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO mit der Festsetzung eines Baugebietes Bestandteil des Bebauungsplans. Maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens ist dabei die bei Erlass des Bebauungsplans geltende Baunutzungsverordnung, vorliegend die Baunutzungsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. September 1977 (BGBl. I S. 1763) - BauNVO 1977 -. Denn die Konkretisierung der Festsetzungen des Bebauungsplans zur Art der zulässigen Nutzung erfolgt statisch durch jene Fassung der Baunutzungsverordnung, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes galt; spätere Änderungen der Baunutzungsverordnung wirken sich auf nicht ausdrücklich an spätere Änderungen angepasste Bebauungspläne nicht aus (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 27.2.1992, BVerwGE Bd. 90, S. 57, 60 f.).

Nach § 3 Abs. 1 BauNVO 1977 dienen reine Wohngebiete ausschließlich dem Wohnen; zulässig sind - von vorliegend nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nur Wohngebäude. Die dem Beigeladenen genehmigte Errichtung eines Kindertagesheims dient nicht der Wohnnutzung, sondern stellt eine Anlage für soziale Zwecke dar, die erst auf der Basis von § 3 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in der Fassung vom 23. Januar 1990 (BGBl. I S. 132) in reinen Wohngebieten zulässig geworden ist.

2. Auch die im Widerspruchsverfahren erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans nach § 31 Abs. 2 BauGB, vorliegend anzuwenden in der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253), ist rechtswidrig.

a) Dabei kann im Ergebnis dahinstehen, ob Gründe des Wohls der Allgemeinheit vorlagen, die die Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB erfordern, wie die Beklagte im Widerspruchsbescheid angenommen hat.

Zutreffend ist zwar, dass Kindertagesstätten dem Allgemeinwohl dienen und unter Anwendung der BauNVO 1977 als typisches Beispiel für eine mögliche Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB angesehen werden (vgl. z.B. Fickert/Fieseler, BauNVO , 8. Auflage, Vor §§ 2 bis 9, Rn. 7.7); alles spricht ferner dafür, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens im Ergebnis zutreffend einen Bedarf für die Errichtung einer weiteren Kindertagesstätte gesehen hat.

Allein hieraus folgt jedoch nicht, dass das Wohl der Allgemeinheit die Erteilung einer Befreiung gerade für das streitige Grundstück erfordert, sondern bedürfte es auch der Prüfung, ob diese Kindertagesstätte nicht ohne weiteres an anderer Stelle im Plangebiet hätte verwirklicht werden können, ohne dass eine Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplans erforderlich gewesen wäre. Der Klärung dieser Frage stand im Berufungsverfahren bereits entgegen, dass die Beklagte nicht in der Lage war, Sachakten vorzulegen oder im übrigen substantiiert Geschehensabläufe darzulegen, aus denen nachvollziehbar ist, aus welchem Grunde das streitige Grundstück - bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt - als Standort eines Kindestagesheims ausgewählt und später dann dem Beigeladenen zur Verfügung gestellt worden ist. Denn die Standortentscheidung ist nach allen erkennbaren Umständen schon zu einem Zeitpunkt getroffen worden als die Vergabe der Bauflächen im Baugebiet seitens der Beklagten nicht abgeschlossen war. So sah bereits ein 1989 in einer Broschüre der Baubehörde der Beklagten " Allermöhe - Wohnen am Wasser" enthaltener "Bauflächenplan" für Allermöhe auf dem streitigen Grundstück abweichend vom Bebauungsplan ein Kindertagesheim vor, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch Flächenreserven im Bereich des allgemeinen Wohngebiets des Plangebiets zur Verfügung geständen hätten und auch nach 1989 weitere Kindertagesstätten im Bereich der als allgemeines Wohngebiet bzw. Kerngebiet ausgewiesenen Flächen genehmigt und errichtet worden sind.

b) Die weitere Klärung dieser Frage ist entbehrlich, weil die Beklagte eine Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit rechtsfehlerfrei nur hätte erteilen können, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Letzteres ist jedoch der Fall.

Auch wenn dieses Tatbestandsmerkmal in der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung noch geltenden Fassung des Baugesetzbuches ausdrücklich nur in § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB erwähnt war, handelte es sich vor der seit 1998 erfolgten Klarstellung um eine ungeschriebene, für alle Befreiungstatbestände geltende zwingende Befreiungsvoraussetzung (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 9.6.1978, BVerwGE Bd. 56, S. 71, 77 f.; BVerwG, Urt. v. 20.11.1989, NVwZ 1990, S. 556; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 2004, § 31 Rn. 35, 30; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Auflage, § 31 Rn. 29 m.w.N.).

Die Grundzüge der Planung werden dabei durch die den Festsetzungen des Bebauungsplans zugrunde liegende und in ihnen zum Ausdruck kommende planerische Konzeption gekennzeichnet. Eine Befreiung kommt insofern nur in Betracht, wenn von Festsetzungen abgewichen wird, die das jeweilige Planungskonzept nicht tragen oder die für die Verwirklichung der Konzeption nicht ins Gewicht fallen, so dass die im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende Konzeption der städtebaulichen Ordnung in ihrem grundsätzlichen Charakter unangetastet bleibt (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 9.3.1990, NVwZ 1990, S. 873, 874; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, § 31 Rn. 36; Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 Rn. 29 i.V.m. § 13 Rn. 2). Denn die Befreiung führt zu einer Durchbrechung des vom Plangeber normativ gesetzten und verbindlichen Rahmens für die städtebauliche Ordnung und Entwicklung in Geltungsbereich des Planes durch eine administrative Einzelentscheidung. Dies muss zur Folge haben, dass von Festsetzungen, denen ein spezielles planerisches Konzept zugrunde lieg, in der Regel keine oder nur untergeordnete Abweichungen im Wege der Befreiung in Betracht kommen können. Andernfalls würde der in den Ausweisungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommende Interessenausgleich durch die Befreiung in Frage gestellt werden (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 9.6.1978, a.a.O. S. 77 f.; Söfker, a.a.O., § 31, Rn. 37; Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., § 13 Rn. 2).

Die streitige Baugenehmigung berührt die Grundzüge der Planung, wie sie im Bauungsplan Allermöhe 21 / Billwerder 15 und seiner Begründung niedergelegt sind. Denn dieser Bebauungsplan lässt eine klare planerische Konzeption für die Aufteilung und Zuordnung der einzelnen Nutzungen, insbesondere für die Anordnung der Gemeinbedarfseinrichtungen, im Plangebiet erkennen, die mit der Befreiung durchbrochen oder jedenfalls ernstlich in Frage gestellt wird und deshalb einer Entscheidung des Plangebers bedurft hätte, wie sie im übrigen hinsichtlich einzelner anderer Festsetzungen durch mehrere Änderungen und Ergänzungen des Bebauungsplans im Zuge der Bebauung des Gebietes erfolgt ist.

Dieser Bebauungsplan regelt die Bebauung des weitestgehend geschlossenen neuen Wohngebiets Neu-Allermöhe mit ursprünglich geplanten ca. 2700 Wohneinheiten. Nach Westen war das Plangebiet zum Zeitpunkt der Planung durch landwirtschaftliche Flächen begrenzt, gleiches galt für die nach Süden angrenzenden Flächen, auf denen nunmehr eine Autobahn verläuft. Nach Norden nimmt der Eisenbahndamm der Verbindungen nach Bergedorf/Berlin eine strikte Trennung vor. Lediglich nach Osten schloss sich bereits bebautes Gebiet jenseits des Nettelnburger Landwegs an, das allerdings eine gänzlich andere Siedlungsstruktur aufweist.

Dieses neue Wohngebiet ist planerisch in sich klar und eindeutig konzipiert. Entlang des Eisenbahndamms sind ein kleines Gewerbegebiet, eine Ausweisung als allgemeines Wohngebiet sowie im nordöstlichen Randbereich am S-Bahnhof Nettelnburg eine Kerngebietsausweisung vorhanden. Von letzterem zieht sich in südwestlicher Richtung eine Wege- und Bebauungsachse zum Mittelpunkt des Plangebiets, die als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist und dort auf Gemeinbedarfsflächen für die Errichtung einer Schule, einer Kirche sowie für Sportanlagen trifft. Auch eine Fläche für ein Kindertagesheim der Beklagten ist am Rande dieses Bereichs ausdrücklich als Gemeinbedarfsfläche ausgewiesen. Um diesen Kern herum gruppieren sich nach Westen, Süden und Osten jeweils reine Wohngebiete. In der Begründung zum Bebauungsplan (Bürgerschafts-Drucksache 9/4345, S. 6) wird diese Zuordnung aufgenommen und ausgeführt:

"Die Flächen für die erforderlichen Gemeinbedarfseinrichtungen wurden unter Berücksichtigung der Erreichbarkeit über die Straßen- und Wegeverbindungen in günstiger Zuordnung zu den umgebenden Wohn- und Grüneinrichtungen festgesetzt.

Die ausgewiesene Schulfläche von 1,8 ha entspricht dem Richtwert für eine 20-klassige Volksschule. Die vorgesehene Fläche bietet die Möglichkeit, die Schule um Einrichtungen für die Beobachtungsstufe sowie die Haupt- und Realschule zu erweitern. Für den Spitzenbedarf im Grundschulbereich und für Bedarfe der Beobachtungsstufe und des Haupt- und Realschulbereichs einschließlich Fachräumen, der in Pavillons abgedeckt werden soll, besteht nach § 4 Absatz 2 Nummer 3 der Baunutzungsverordnung die Möglichkeit, vorübergehend die nordöstlich der Schulfläche festgesetzte allgemeine Wohngebietsfläche von ebenfalls 1,8 ha in Anspruch zu nehmen, so dass hier kurzfristig eine Realisierung von Wohnungsbau nicht gegeben ist.

Für ein Kindertagesheim wurde eine Fläche von 0,8 ha festgelegt. Auch hier kann die nördlich angrenzende allgemeine Wohngebietsfläche von 0,6 ha vorübergehend für einen zu erwartenden Spitzenbedarf in Anspruch genommen werden, so dass ebenfalls ein Wohnungsbau auf dieser Fläche kurzfristig nicht zu realisieren ist.

Für die ältere Bevölkerung des Neubaugebiets sowie der angrenzenden Wohngebiete Bergedorf-West, Alt-Nettelnburg und Nettelnburg-Süd soll innerhalb der Geschosswohnungsbauflächen eine Altentagesstätte eingerichtet werden, wenn der Bedarf vorliegt. ..."

Dies zeigt, dass die Planung auf die Schaffung eines in sich gegliederten, infrastrukturell voll ausgestatteten Stadtviertels ausgerichtet war und ist.

Die zielgerichtete gestalterische Funktion der Flächenzuordnung zeigt sich im übrigen auch im Verhältnis zu dem in der Folge erlassenen Bebauungsplan Allermöhe 25 / Billwerder 21 vom 9. Juni 1992 (GVBl. S. 110) für das jenseits eines Grüngürtels westlich an das Plangebiet anschließende weitere Neubaugebiet Allermöhe-West. Dieses Wohngebiet für ca. 3700 Wohneinheiten weist eine in den hier interessierenden Bereichen klar abweichende Struktur auf, indem Gemeinbedarfsflächen für Schulen und Kindergärten nicht zentralisiert, sondern gerade auch hinsichtlich der Flächen für Kindertageseinrichtungen dezentral über das gesamte Plangebiet verteilt und in die jeweiligen Wohnquartiere integriert worden sind.

Die dargelegte Konzeption des Bebauungsplans Allermöhe 21 / Billwerder 15 wird im übrigen durch die Schrift der Baubehörde der Beklagten "Allermöhe - Wohnen am Wasser" ausdrücklich bestätigt. Denn in dieser wird mehrfach ausdrücklich und als Vorteil hervorgehoben, dass alle Gemeinbedarfseinrichtungen zentral gelegen seien:

"Hervorzuheben sind weiterhin das Wegenetz, die Vielzahl von Grünflächen und die zentral gelegenen Gemeinschaftseinrichtungen." (Seite 8)

"Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindertagesstätten, das Spielplatzhaus, die Grundschule mit ihrer Turnhalle und ihren Sportflächen und auch das Gemeinschaftshaus des Wohngebietes sind zentral gelegen." (Seite 8)

"Eine Hauptwegeverbindung, der E -Weg, durchquert vom S-Bahnhof ausgehend über den Fleetplatz hinweg das gesamte Wohngebiet. An diesem Weg reihen sich leicht erreichbar die wichtigen Einrichtungen des Stadtteils auf: Vom Bürgerhaus gegenüber dem S-Bahnhof, über die Kindertagesstätte, das Grachtenhaus mit seinen Läden und Arztpraxen, die geplante evangelische Kirche mit Gemeindezentrum und die Grundschule." (Seite 10)

Vor diesem Hintergrund stellt die Genehmigung des streitigen Kindertagsheims der Beigeladenen in dezentraler Lage unmittelbar am Rand des Plangebiets in einem reinen Wohngebiet eine Abkehr vom planerischen Konzept dar und löst den Bedarf einer planerischen Entscheidung aus.

Dies gilt um so mehr, als die Beklagte zum Zeitpunkt der Genehmigung des streitigen Kindertagesheims berücksichtigen musste, dass sie dem Beigeladenen auf dem unmittelbar benachbarten Grundstück R-Weg bereits den Bau und Betrieb einer weiteren Kindertagesstätte, der Kindertagesstätte "B ", ohne zeitliche Befristung genehmigt hatte und damit an dieser Stelle eine Massierung dieser Einrichtungen eintreten würde, die auch unter diesem Gesichtspunkt geeignet ist, Spannungen zur planungsrechtlich ausgewiesenen Nutzung zu erzeugen.

Solche ergeben sich insbesondere aus der Größe der beiden Kindertagesstätten. Jede der beiden Einrichtungen, vor allem aber die Summation beider Kindertagesstätten, erreicht eine Größe, die deutlich über eine kleine, in ihrer Größe und Wirkung tendenziell zu vernachlässigende Einrichtung für den bloßen Nachbarschaftsbedarf hinausgeht. Denn zusammen weisen bei der Kindertagesstätten eine Aufnahmekapazität von bis zu ca. 200 Kindern auf und haben mit 0,5 ha Fläche eine Größe, die mehr als die Hälfte jener Fläche beträgt, die im gesamten Plangebiet speziell für Kindertagesstätten ausgewiesen werden sollte. Solche Spannungen können sich aber auch daraus ergeben, dass beide Kindertagesstätten in einem sehr geringen Abstand zur benachbarten Wohnbebauung der Kläger errichtet worden sind und auf diese Weise naturgemäß Immissionsbelastungen der Nachbarschaft zu befürchten waren, die aufgrund der Kapazität der Einrichtungen über das Maß hinausgehen können, das Bewohner auch in einem reinen Wohngebiet typischerweise zu erwarten und hinzunehmen haben.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2, 159 VwGO. Kein Anlass besteht, den Klägern gemäß § 162 Abs. 3 VwGO die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, soweit sie ihre Klage zurückgenommen haben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nrn. 10 und 11, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision i.S.v. § 132 VwGO liegt nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück