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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.05.2008
Aktenzeichen: 2 Bf 171/06.Z
Rechtsgebiete: HBauO


Vorschriften:

HBauO § 48 Abs. 1
Werden im Zuge einer baulichen Änderung oder einer Nutzungsänderung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 HBauO zusätzliche notwendige Stellplätze für Kraftfahrzeuge festgesetzt, sind tatsächlich bereits vorhandene, bauaufsichtlich nicht genehmigte Stellplätze nicht allein aufgrund ihrer Existenz als notwendige Stellplätze der bestehenden baulichen Anlage und ihrer bisherigen Nutzung anzusehen. In die Stellplatzbilanz sind nur solche Stellplätze einzustellen, die zuvor als notwendige Stellplätze festgesetzt worden sind.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

2 Bf 171/06.Z

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch den Richter Dr. Ungerbieler und die Richterinnen Haase und Sternal am 26. Mai 2008 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. April 2006 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 53.992,42 Euro festgesetzt.

Gründe:

Der zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung führt in der Sache nicht zum Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 10. Februar 2000 und den Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2002 aufgehoben, soweit sie von der Klägerin angefochten worden waren. In den Bescheiden hat die Beklagte festgelegt, dass von dem unstreitig durch Umbaumaßnahmen ausgelösten Mehrbedarf an 31 Stellplätzen für Kraftfahrzeuge noch insgesamt 10 notwendige Stellplätze herzustellen sind und zur Erfüllung dieser Verpflichtung - wegen Unmöglichkeit der Naturalherstellung - einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 17.600 DM pro Stellplatz festgesetzt. Die Beklagte hat sich zur Begründung ihrer Ansicht, dass von den im Gewerbehof der Klägerin tatsächlich zur Verfügung stehenden 51 Stellplätzen 30 Plätze nicht zur Abdeckung des Mehrbedarf herangezogen werden könnten, darauf gestützt, dass bereits vor Beginn der Umbaumaßnahmen 30 Stellplätze vorhanden waren, die durch den Bau entfallen sind. Die Klägerin hat sich nur insoweit gegen die Bescheide gewandt, als sie damit zur Herstellung bzw. Ablösung von mehr als 4 Stellplätzen herangezogen wurde. Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner stattgebenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin nicht zur Herstellung weiterer 6 notwendiger Stellplätze nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HBauO 1995 verpflichtet sei, weil sie durch die tatsächlich geschaffenen 51 Stellplätze in der Lage sei, den durch die Baumaßnahmen verursachten Mehrbedarf von 31 Stellplätzen abzudecken. Die gegenteilige Ansicht der Beklagten beruhe darauf, dass sie unzutreffend davon ausgehe, dass die durch die Durchführung der Baumaßnahmen weggefallenen 30 Stellplätze notwendige Stellplätze gewesen seien. Aus den Bauakten ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, dass diese 30 Stellplätze zugeordnet gewesen seien. Vielmehr habe es sich um ungenehmigte, freie Stellplätze gehandelt.

1. Aus den Ausführungen der Beklagten im Zulassungsantrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung.

Zu Recht führt die Beklagte aus, dass sich die Pflicht zur Herstellung notwendiger Stellplätze unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 48 Abs. 1 HBauO 1995; § 65 Abs. 2 HBauO 1969 sowie bereits § 2 Reichsgaragenverordnung v. 17.2.1939). Ein Bauherr, der durch die Bebauung oder Änderung der Nutzung seines Grundstücks zusätzlichen Kraftfahrzeugverkehr verursacht, ist kraft Gesetzes verpflichtet, auf seinem Grundstück oder in unmittelbarer Nähe Stellplätze herzurichten, um den Straßenverkehr von dem ruhenden Verkehr freizuhalten, der durch seine Grundstücksnutzung verursacht wird. Allerdings ergibt sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar die Anzahl der notwendigen Stellplätze für das konkrete Bauvorhaben. Vielmehr bedarf es einer Festsetzung der Anzahl, die den Stellplatzbedarf im Zeitpunkt der Nutzungsaufnahme widerspiegelt, die regelmäßig als Nebenbestimmung der Baugenehmigung bzw. der Genehmigung zur Nutzungsänderung ergeht. Dieses Vorgehen stellt nicht nur sicher, dass unter Berücksichtigung des im Zeitpunkt der Festsetzung vorhandenen Verkehrsaufkommens die Zahl der notwendigen Stellplätze für das konkrete Vorhaben zweifelsfrei festgelegt wird. Darüber hinaus wird dadurch ermöglicht, dass bei zukünftigen stellplatzrelevanten Änderungen die Stellplatzbilanz fortgeschrieben werden kann, ohne dass aufwändige Ermittlungen und Bewertungen zurückliegender Sachverhalte erforderlich sind. Ein Stellplatz ist nur dann als notwendig anzusehen, wenn er als notwendig festgelegt wurde.

Zutreffend führt die Beklagte in ihrem Zulassungsantrag aus, dass notwendige Stellplätze im Sinne der Hamburgischen Bauordnung gebunden sind und nicht für künftige Nutzungen zur Verfügung stehen. Von diesem Grundsatz, der sich aus dem gesetzlichen Wortlaut (vgl. schon § 65 Abs. 11 Satz 1 HBauO 1969 sowie § 48 Abs. 5 Satz 1 HBauO 1986 und 1995) und dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ergibt, die eine dauerhafte Entlastung der öffentlichen Straßen von ruhendem Verkehr erreichen will, ist das erstinstanzliche Urteil nicht abgewichen. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die unstreitig vor Durchführung der Baumaßnahme (Neubau der Remise) im 3. Hof vorhanden gewesenen Stellplätze keine notwendigen Stellplätze gewesen sind, so dass durch ihren Wegfall nicht in den Bestand notwendiger Stellplätze eingegriffen wurde. In ihrem Zulassungsantrag legt die Beklagte keine Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Überzeugung dar, dass diesen baurechtlich ungenehmigten Stellplätzen in der Vergangenheit kein notwendiger Stellplatzbedarf zugeordnet war.

Soweit die Beklagte geltend macht, auch ungenehmigte Stellplätze könnten notwendige Stellplätze sein, verhilft sie ihrem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Die Anzahl der notwendigen Stellplätze richtet sich nach der Bedarfsbemessung zu dem Zeitpunkt der Nutzungsaufnahme. Die tatsächliche Herstellung weiterer Stellplätze, die über den Bedarf hinausgeht, erhöht nicht die Zahl der notwendigen Stellplätze. Die Beklagte hat es in der Hand, die Anzahl der notwendigen Stellplätze festzulegen und vorhandene oder zu errichtende Plätze dem festgesetzten Bedarf zuzuordnen. Auf diese Weise kann eine verlässliche Unterscheidung zwischen notwendigen und frei verfügbaren Stellplätzen getroffen werden.

2. Die von der Beklagten sinngemäß aufgeworfene Frage, ob vorhandene Stellplätze auch dann zur Erfüllung einer Stellplatzpflicht herangezogen werden können, wenn sie zur Abdeckung eines bestehenden Stellplatzbedarfs dienen, hingegen nicht genehmigt sind, führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung. Unter Zugrundelegung der Ausführungen des Verwaltungsgerichts, die die Beklagte in ihrem Zulassungsantrag nicht im Einzelnen angegriffen hat, kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass die vor dem Neubau der Remise im 3. Hof vorhanden gewesenen (ungenehmigten) Stellplätze zur Abdeckung eines notwendigen Stellplatzbedarfs gedient haben. Darüber hinaus ergibt es sich - wie oben ausgeführt - unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung und bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, dass ein notwendiger Stellplatz als ein solcher festgesetzt sein muss.

3. Eine Zulassung der Berufung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten kommt ebenfalls nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten aus der Tatsache, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung dazu führt, dass die durch Schwarzbauten entstehenden Verkehrsquellen unberücksichtigt blieben. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht zwischen notwendigen und frei verfügbaren Stellplätzen unterschieden. Allein der durch Nutzungsänderungen hervorgerufene Mehrbedarf führt zu einer Erhöhung der Anzahl notwendiger Stellplätze (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 17.12.1992, Bf II 23/91, juris). Soweit auf einem Grundstück nicht genehmigte Stellplätze vorhanden sind, kann die Beklagte hiergegen vorgehen oder sie genehmigen, sofern sie genehmigungsfähig sind.

4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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