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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 2 Bf 359/00
Rechtsgebiete: HmbAbwG


Vorschriften:

HmbAbwG § 4 Abs. 4
1. Die Aufhebung eines öffentlichen Siels nach § 4 Abs. 4 HmbAbwG, weil dieses "für die Abwasserbeseitigung nicht mehr benötigt" wird, setzt nicht zwingend voraus, dass für alle noch angeschlossenen Grundstücke eine anderweitige bessere Entwässerungsmöglichkeit besteht; es reicht aus vielmehr aus, wenn diese Grundstücke technisch - jedenfalls mittels einer Hebeanlage - unmittelbar an ein gleichwertiges Siel vor einer anderen Grundstücksfront angeschlossen werden können.

2. Bei der Ermessensentscheidung der als Anstalt öffentlichen Rechts selbständigen "Hamburger Stadtentwässerung" über die Aufhebung eines Siels ist allerdings zu berücksichtigen, ob bei einem Anschluss an ein höher gelegenes Siel unverhältnismäßige Mehrkosten für den umschließungspflichtigen Grundstückseigentümer entstehen würden.

3. Es bleibt offen, ob bei noch bestehenden Grundstücksanschlüssen die Aufhebung eines öffentlichen Siels durch die "Hamburger Stadtentwässerung" möglich und sinnvoll ist, solange nicht mit der dafür zuständigen anderen hamburgischen Behörde Einvernehmen über deren Vorgehen nach § 16 Abs. 2 HmbAbwG, d.h. über fristenauslösende Aufforderungen zur Umschließung an die betroffenen Grundstückseigentümer, hergestellt ist.


HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT

Urteil

2 Bf 359/00

Verkündet am 29. April 2004

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch die Richter K. Schulz, Dr. Ungerbieler und Probst sowie die ehrenamtlichen Richter Donges und Daleki

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. August 2000 geändert.

Der Bescheid vom 5. Juni 1997 und der Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1998 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Hinsichtlich der Kosten des gesamten Verfahrens ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, falls nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 133 Abs. 1 VwGO).

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzulegen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen. Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen (§§ 133 Abs. 2, 67 Abs. 1 VwGO).

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils durch einen Vertreter, wie in Absatz 2 angegeben, zu begründen. Die Begründung ist beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht einzureichen. In der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§§ 133 Abs. 3, 132 Abs. 2 Nr. 1 - 3 VwGO).

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Aufhebung eines öffentlichen Mischwassersieles.

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem im Jahre 1926 genehmigten Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks S-Str. Nr. 41 (Flurstück A) in Hamburg-........ Das Wohngebäude grenzt mit seiner Erdgeschossebene unmittelbar an die Straße S-Str. an, das Souterraingeschoss liegt unterhalb der Straßenebene. Nach Süden ist das Grundstück stark abschüssig und grenzt dort an den ebenfalls besielten öffentlichen Fußweg E.-weg. Das Grundstück ist unmittelbar am E.-weg sowie etwa in seiner Mitte durch tief (ca. 3,5 bis 5 m) in den Hang reichende Bollwerke gegen das Abrutschen des Hanges gesichert. Östlich des klägerischen Grundstücks befand sich bis zum Jahre 1990 das schmale Flurstück B, welches im Eigentum der Freien und Hansestadt Hamburg bzw. ihrer Rechtvorgänger stand. Hieran schloss sich das Flurstück D mit der Belegenheit S-Str. 37 und 39 an; nach Vereinigung mit dem Flurstück B trägt es nunmehr die Bezeichnung Flurstück BC. Dieses reicht - mit Ausnahme eines schmalen Keils des früheren Flurstücks B - am Elbhang etwa bis zur Hälfte des klägerischen Grundstücks herab; südlich schließt sich das Flurstück D mit der Belegenheit E.-weg 16 an. An der Grundstücksgrenze zwischen den beiden letztgenannten Grundstücken befindet sich ebenfalls ein Hangbollwerk.

Ein im Zuge der Besielung im Bereich des E.-bergs entstandenes Mischwassersiel existiert in der Straße S-Str. sowie im Weg E.-weg jedenfalls seit ca. 1900. Zu diesem Zeitpunkt bestand auf dem Flurstück B bis auf die Höhe der seinerzeit vorhandenen Gebäude S-Str. 41 und 37 ebenfalls bereits eine öffentliche Sielleitung, die in das in der E.-weg vorhandene Siel entwässerte. In gleicher Weise befanden und befinden sich unter öffentlichen Fußwegen zwischen der S-Str. und dem E.-weg westlich und östlich der genannten Grundstücke weitere öffentliche Stichsielleitungen. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt wurde die Sielleitung auf dem Flurstück B bis zur S-Str. verlängert und auch an das dort befindliche Siel angeschlossen.

Das klägerische Grundstück entwässert mit einem im Jahre 1926 hergestellten Anschluss sowie einem weiteren im Zuge eines Anbaus im Jahre 1956 hergestellten Anschluss in die Sielleitung auf dem früheren Flurstück B. Gleichermaßen waren und sind die auf dem Flurstück D errichtete Wohnhäuser S-Str. 39 und 37 an dieses Siel angeschlossen.

Im Jahre 1988 sah die damalige Stadtentwässerungsabteilung der Baubehörde der Freien und Hansestadt Hamburg keinen Bedarf mehr für das streitige Siel. Etwa im selben Zeitraum war es im unteren Bereich des Flurstücks B zu Hangrutschungen gekommen, deren Fortgang vom Eigentümer des Grundstücks E.-weg 16 notdürftig verhindert worden war. In der Folge sah (auch) die Liegenschaftsabteilung des Bezirksamtes X der Freien und Hansestadt Hamburg das Grundstück als entbehrlich an. Darauf veräußerte diese das Flurstück im Einverständnis mit der Abteilung Stadtentwässerung der Baubehörde im Jahre 1990 an die Eigentümer des Flurstückes C. Im notariellen Kaufvertrag wird ausgeführt, es handele sich um ein unbebautes Grundstück, in dem ein öffentliches Siel verlegt sei, welches mitverkauft werde; der Käufer könne es als Privatsiel verwenden. Der Zufluss zum Siel von jenem in der S-Str. werde durch die Freie und Hansestadt Hamburg abgemauert. Sollte wider Erwarten vom Grundstück S-Str. 41 ein Sielanschluss an die mitverkaufte Leitung bestehen, habe der Käufer diese zu dulden und auf Verlangen des Verkäufers eine Dienstbarkeit zu bestellen. Die Kläger wurden über den erfolgten Verkauf des Grundstücks/Sieles nicht informiert.

Der Anschluss vom Siel S-Str. wurde nach dem Verkauf zu einem unbekannten Zeitpunkt abgemauert. Anfang 1994 kam es auf dem Grundstück S-Str. 37/39 im Bereich der (Grundstücks-)Grundleitung zu einer Verstopfung und zum Austritt von Abwasser. Bei der Suche nach den Ursachen der Verstopfung stellten die beteiligten Dienststellen der Stadtentwässerung und die insoweit seinerzeit zuständige Abteilung Grundstücksentwässerung der Umweltbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg fest, dass die Entwässerung der Gebäude S-Str. 37, 39 und 41 über das im früheren Flurstück B verlaufende Siel erfolgt. Hierbei durchgeführte Untersuchungen des Siels mit einem Kanalauge ergaben Undichtigkeiten und erhebliche Mängel im unteren Teil des Sieles vor dem Einlauf in das Siel des E.-weg. Als Ursache wurden die Hangrutschung sowie Wurzelschäden durch eine auf dem früheren Flurstück B stehende Kastanie angesehen. Eine von der Abteilung Grundstücksentwässerung der Umweltbehörde um einen Kostenvoranschlag ersuchte Fachfirma bezifferte die Sanierungskosten für das Siel insgesamt auf ca. 65.000.- DM.

Die Kläger verlangten in diesem Zusammenhang von der Abteilung Stadtentwässerung der Baubehörde aus Anlass geltend gemachter Schäden an ihrem Grundstück den Fortbetrieb und die Sanierung der Sielleitung. In diesem Zusammenhang vertrat die für die Grundstücksentwässerung zuständigen Dienststelle der Freien und Hansestadt Hamburg (Vermerk Umweltbehörde, Amt für technischen Umweltschutz - E 110 - vom 5.8.1994 an SE 04) gegenüber der Stadtentwässerungsabteilung der Baubehörde die Auffassung, es handele sich beim streitigen Siel trotz Verkaufs des Grundstücks weiterhin um eine öffentliche Sielanlage, die für die Entwässerung der beiden Grundstücke angesichts "der besonderen Hanglage und Hanggefährdung für die Entwässerung der Grundstücke - so wie es gewachsen ist - notwendig ist und nicht hätte abgeschrieben werden dürfen, da ein unkomplizierter Ersatz nicht besteht". Ein den technischen Regelwerken entsprechender Anschluss des Gebäudes S-Str. 41 an das in dieser Straße liegende Siel sei nur durch einen grundlegenden Umbau der Entwässerungsanlage im Erdgeschoss sowie im Souterraingeschoss möglich. Eine Sammlung des Abwassers unterhalb des Hauses und seine anschließende Durchleitung durch das Haus und Ableitung mit einer Hebeanlage in das Siel entspreche nicht den technischen Regelwerken für die Abwasserbeseitigung. Ein unmittelbarer Anschluss an das Siel im E.-weg verursache angesichts der prekären Hanglage einen so hohen Aufwand, dass er ausscheiden müsse. Die Abteilung Stadtentwässerung der Baubehörde bzw. die ab 1995 als selbständige Anstalt zuständige Beklagte lehnte ein Tätigwerden mit der Begründung ab, dass es sich angesichts des Verkaufs nicht mehr um eine öffentliche Abwasseranlage, sondern um eine private Leitung handele, die nicht ihrem Zugriff unterliege.

Die Kläger erhoben in der Folge Klage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg (Az. 22 VG 4784/95) mit dem Begehren festzustellen, dass das streitige Siel eine öffentliche Abwasseranlage sei. Der Rechtsstreit erledigte sich in der Hauptsache dadurch, dass die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 16. April 1997 eine entsprechende Erklärung abgab.

Mit einer Verfügung vom 5. Juni 1997, , hob die Beklagte unter Berufung auf § 4 Abs. 4 HmbAbwG das streitige Siel formell auf. Hierüber wurden die Kläger mit Schreiben vom 29. Juli 1997 informiert.

Ihren dagegen eingelegten Widerspruch begründeten die Kläger im Wesentlichen damit, dass ihr Grundstück seit Jahrzehnten über das streitige Siel entwässere und deshalb die Abwasseranlage auch weiterhin zur Abwasserbeseitigung benötigt und nicht nach § 4 Abs. 4 HmbAbwG aufgehoben werden dürfe. Die öffentlichen Siele in der "E.-bergs- oder E.-weg böten objektiv keine bessere Möglichkeit zur Abwasserentsorgung. Ein Anschluss an das Siel in der S-Str. sei wegen des unzumutbaren technischen Aufwandes und der voraussehbaren Kosten jedenfalls unverhältnismäßig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus:

Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 HmbAbwG für eine Aufhebung öffentlicher Abwasseranlagen seien erfüllt. Die Aufhebung des Siels sei in öffentlichem Interesse geboten gewesen. Mit den Sielen in der S-Str. und im E.-weg stehe den betroffenen Grundeigentümern eine objektiv bessere Entwässerungsmöglichkeit zur Verfügung. Das aufgehobene Siel sei vor der Jahrhundertwende, vermutlich sogar vor dem Jahre 1870 verlegt worden. Die Mischwassersiele in der S-Str. und im E.-weg stammten dagegen aus der Zeit um 1900 und seien deshalb jünger und leistungsfähiger als das aufgehobene Siel. Für die Frage, ob ein Siel für die öffentliche Abwasserbeseitigung benötigt werde, komme es auf eine objektive Betrachtungsweise an, demgegenüber sei unerheblich, ob und inwieweit aus der subjektiven Sicht der betroffenen Grundstücksanlieger die Aufhebung der Anlage erforderlich oder vorteilhaft sei. Das aufgehobene Siel sei undicht und entspreche nicht mehr den Anforderungen des Hamburgischen Abwassergesetzes für öffentliche Abwasseranlagen. Die Interessen der Kläger müssten zurücktreten. Die Kosten, die ihnen wegen der Hanglage ihres Grundstücks bei der Umrüstung der Entwässerungsanlagen entstehen würden, beruhten auf der Situationsgebundenheit des Grundstücks. Sie könnten das aufgehobene Siel als private Entwässerungsanlage gemeinsam mit ihren Nachbarn nutzen; ihr Anteil an den Sanierungskosten sei nicht unverhältnismäßig hoch. Sie habe keine Rechte und Pflichten hinsichtlich der Leitung. Vielmehr habe sich seinerzeit die Freie und Hansestadt Hamburg als Verkäufer das Recht vorbehalten, zugunsten der Eigentümer des Grundstücks S-Str. 41 die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu verlangen. Entgegen der Ansicht der Kläger sei ein Widerruf der Genehmigung zur Einleitung von Abwasser in die öffentlichen Abwasseranlagen nicht erforderlich gewesen. Es bestehe weiterhin die Möglichkeit, das aufgehobene Siel für die Entwässerung der betroffenen Grundstücke zu benutzen. Ein Widerruf der Anschlussgenehmigung sei im Übrigen nicht Sache der Beklagten bzw. ihres Rechtsvorgängers, des früheren Amtes für Stadtentwässerung der Baubehörde gewesen, sondern Sache des Bezirksamtes X bzw. früher des Amtes Grundstücksentwässerung der Umweltbehörde.

Mit ihrer am 19. Juni 1998 erhobenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiter verfolgt und im Wesentlichen geltend gemacht:

Für die Aufhebung genüge nicht der Hinweis auf alternative Anschlussmöglichkeiten, sondern es müsse berücksichtigt werden, dass ein eigener neuer Anschluss an eines der bestehenden Siele im E.-bergs- oder im E.-weg - sofern technisch überhaupt möglich - unzumutbar sei, wie dieses in internen Vermerken der Beklagten selbst festgestellt worden sei. Ein mit einem Kostenvoranschlag beauftragter Betrieb habe die Kosten für einen Anschluss an das Siel in der S-Str. auf ca. 200.000,-- DM bemessen. Auch die Situationsgebundenheit des Grundstücks könne die Verhältnismäßigkeit der Sielaufhebung nicht rechtfertigen. Der Verweis auf die Möglichkeit einer privaten Sanierung und (Mit-)Benutzung des aufgehobenen Siels berücksichtige nicht, dass der Grundstückseigentümer ihnen gegenüber zur Zeit rechtlich nicht verpflichtet sei, das Siel zur Verfügung zu stellen.

Die Kläger haben beantragt,

die Aufhebungsverfügung vom 5. Juni 1997, , in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 27. Mai 1998 aufzuheben,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat ihren Widerspruchsbescheid verteidigt.

Mit Urteil vom 9. August 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Aufhebung des Siels sei rechtmäßig. Die Aufhebungsverfügung stütze sich zu Recht auf § 4 Abs. 4 HmbAbwG. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift seien erfüllt. Der Sielstrang werde zur Abwasserbeseitigung nicht mehr benötigt. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, der Beklagten zu ermöglichen, öffentliche Abwasseranlagen aufzuheben, wenn sie bei der gebotenen objektiven Betrachtung für eine den Zielen des § 1 Abs. 1 HmbAbwG entsprechende ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung nicht mehr nötig seien. Dies sei nicht nur der Fall, wenn eine neuere oder bessere Abwasseranlage zur Verfügung stehe wie die Begründung zum Gesetzentwurf nahe legen könne, sondern auch dann, wenn aus historischen Gründen mehrere gleichermaßen geeignete öffentliche Abwasseranlagen zur Entwässerung zur Verfügung stünden, also eine Überversorgung vorliege und der Fortbestand sämtlicher dieser Anlagen wegen der damit und verbundenen Unterhaltungskosten nicht mehr sinnvoll erscheine. Von dem ihr nach § 4 Abs. 3 Satz 1 HmbAbwG eingeräumten Ermessen habe die Beklagte auch unter Berücksichtigung der Interessen der Kläger fehlerfrei Gebrauch gemacht. Insbesondere sei der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Das Interesse der Kläger, von den Umrüstungskosten verschont zu bleiben, müssen hinter dem öffentlichen Interesse an einer wirtschaftlichen Organisation der gebührenfinanzierten Beklagten zurücktreten. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Kosten für die Herstellung, den Betrieb und die Unterhaltung von Grundstücksentwässerungsanlagen nach der gesetzgeberischen Wertung grundsätzlich dem jeweiligen Eigentümer zur Last fielen. Eine hiervon abweichende Ausnahmesituation sei nicht vorhanden. Insbesondere sei der zu erwartende Kostenaufwand nicht unzumutbar hoch. Den Klägern bleibe rechtlich und tatsächlich die relativ kostengünstige Möglichkeit, das aufgehobene Siel zusammen mit dem Nachbarn zu sanieren und privat weiter zu betreiben.

Gegen das ihnen am 25. August 2000 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. September 2000 die Zulassung der Berufung beantragt. Das Berufungsgericht hat die Berufung mit Beschluss vom 22. Juli 2002, den Klägern zugestellt am 26. Juli 2002, wegen besonderer Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.

Mit ihrer am 23. August 2002 eingegangen Berufungsbegründung tragen die Kläger über ihren erstinstanzlichen Vortrag hinaus vor:

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 HmbAbwG lägen nicht vor. Eine Auslegung des Begriffs "benötigt" in der Vorschrift ergebe, dass eine Aufhebung aus wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht komme. Eine Aufhebung solle nach dem klaren Willen des Gesetzgebers nur möglich sein, wenn dem betreffenden Grundstück eine neue und bessere Entwässerungsanlage zur Verfügung gestellt werde. Soweit das Verwaltungsgericht darauf verweise, dass eine Änderung des Entwässerungssystems auch aus wirtschaftlichen Gründen nach § 4 Abs. 1 Sätze 4 und 5 HmbAbwG zulässig sei, stütze dies dessen Argumentation nicht, sondern zeige das Gegenteil. Gerade weil an anderer Stelle des Gesetzes die Einbeziehung wirtschaftlicher Gesichtspunkte ausdrücklich zugelassen werde, sei im Umkehrschluss davon auszugehen, dass bei § 4 Abs. 4 Satz 1 HmbAbwG allein auf die konkret technische Verbesserung einzelner Abwasseranlagen abzustellen sei. Diese Auslegung entspreche dem erkennbaren Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Beklagte solle durch die Freistellung von der Bindung an alte Abwasseranlagen eine uneingeschränkte Möglichkeit zur Nutzung des technischen Fortschritts und zur weiteren Modernisierung erhalten. Die teleologische Auslegung der Bestimmung lege es aber nicht nahe, die Handlungsmöglichkeiten der Beklagten über diesen vom Gesetzgeber gewollten Umfang hinaus weiter auszudehnen. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht dargelegt, dass ihnen mit den Sielen in der S-Str. und im E.-weg weder eine neuere noch einer bessere Entwässerungsmöglichkeit zur Verfügung stehe. Im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 1 HmbAbwG bestünden zudem erhebliche Zweifel daran, dass eine öffentliche Abwasseranlage rechtmäßig aufgehoben werden könne, obwohl sich die äußeren Umstände in keiner Weise verändert hätten. Die in der Vorschrift gewählte Formulierung, dass öffentliche Abwasseranlagen, die nicht mehr zur Abwasserbeseitigung benötigt würden, aufgehoben werden könnten, mache deutlich, dass konkrete Veränderungen hinsichtlich der Entwässerungsmöglichkeiten eingetreten sein müssten, damit eine Aufhebung erfolgen könne. Vorliegend habe sich an den Entwässerungsbedingungen für das klägerische Grundstück seit einem Jahrhundert nichts geändert. Anlass sei allein der Verkauf des Flurstücks Nr. B an die Eigentümer des Grundstücks S-Str. 37 und 39, der unter der irrtümlichen Annahme erfolgt sei, dass das in diesem ehemaligen Sielschutzstreifen befindliche Siel nicht mehr genutzt werde. Eine Veränderung der Entwässerungsmöglichkeiten sei auch nicht dadurch eingetreten, dass eine Instandsetzung der Entwässerungsanlagen notwendig geworden sei. Hierbei handele es sich nicht um eine besondere Situationsveränderung, sondern um einen normalen Vorgang, da Abwasseranlagen in regelmäßigen Abständen überprüft und ggf. repariert oder erneuert werden müssten. Dabei handele es sich um eine Aufgabe nach § 4 Abs. 1 Satz 2 HmbAbwG, die von der Beklagten regelmäßig wahrzunehmen sei. Im Übrigen habe die Beklagte das ihr nach der Regelung zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Die Vorhaltung eines öffentlichen Sieles schaffe einen Vertrauenstatbestand, der zwar nicht einer Aufhebung der öffentlichen Abwasseranlage generell entgegenstehe, aber zu einer sorgfältigen Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwinge. Dieses sei unberücksichtigt geblieben. Das Verwaltungsgericht beziehe sich in seiner Entscheidung in der Sache zu Unrecht auf eine Entscheidung des Berufungsgerichts vom 8. März 1994 (Bf VI 31/93). In jenem Fall sei es um die Durchsetzung der Interessen der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung gegangen, weil in dem aufgehobenen Siel die Abwässer ungeklärt in Elbe geleitet worden seien, während das alternativ zur Verfügung stehende Siel die Abwässer einer Vorbehandlung in einer Kläranlage zuführe. Soweit das Verwaltungsgericht die Verhältnismäßigkeit lediglich an der Fortführung des aufgehobenen Siels als private Grundstücksentwässerungsanlage messe, widerspreche dies dem Umstand, dass eine Aufhebung von öffentlichen Abwasseranlagen allein aus wirtschaftlichen Gründen gerade nicht zulässig sei. Die Verhältnismäßigkeit lasse sich mithin nicht dadurch herstellen, sie auf die Nutzung des aufgehobenen Siels als private Grundstücksentwässerungsanlage zu verweisen. Schließlich verstoße die Ermessensausübung auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn die Beklagte im konkreten Einzelfall das öffentliche Siel aufhebe, aber solches nicht in anderen Fällen der Mehrfacherschließung erfolge. Dem Gleichbehandlungsgrundsatz werde nur dann entsprochen, wenn die Beklagte darlegen könne, dass sie in Fällen der Mehrfacherschließung nach einem bestimmten Konzept planmäßig in vergleichbaren Fällen ebenso entscheide.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 9. August 2000 abzuändern und die Aufhebungsverfügung vom 5. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 27. Mai 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt im Hinblick auf die Berufungsbegründung vor:

Aus der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4 HmbAbwG lasse sich lediglich entnehmen, dass eine öffentliche Abwasseranlage nicht allein deswegen im Sinne des Gesetzes nicht mehr benötigt werde, weil sie nach den örtlichen Gegebenheiten auch als Grundstücksentwässerungsanlage durch den Grundeigentümer betrieben werden könne und dieses für die Stadtentwässerung naturgemäß wirtschaftlicher sei. Liege jedoch, wie vorliegend, ein Fall der Überversorgung vor, würden öffentliche Abwasseranlagen nicht ersatzlos aufgehoben, so dass der Tatbestand des § 4 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes auch erfüllt sei, wenn die alternativen Entwässerungsmöglichkeiten nicht neuer oder besser seien. Die Berufungsbegründung sei methodisch fehlerhaft, weil sie eine Passage der Gesetzeserläuterungen so auslege, als ob es sich dabei um den Gesetzestext selbst handele. Die Gesetzeserläuterung charakterisiere aber lediglich den Regelfall. Dies bedeute nicht, dass nicht auch andere Fallkonstellationen unter das Gesetz subsumiert werden könnten, wenn dieses mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar und nach dem Gesetzeszweck angezeigt sei. Den entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts sei insofern nichts hinzuzufügen. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts beständen im vorliegendem Fall jedoch zwei bessere Entwässerungsmöglichkeiten in Gestalt der in den öffentlichen Wegen S-Str. und E.-weg verlegten öffentlichen Siele. Besser seien diese Entwässerungsmöglichkeiten deshalb, weil der Grundeigentümer direkt und auf kurzem Wege an Abwasseranlagen im öffentlichen Grund anschließen könne und keine Beeinträchtigung von Privatgrundstücken durch Instandsetzungs- oder Wartungsarbeiten stattfinde. Dagegen stellten derartige Arbeiten an Abwasseranlagen in Privatgrund - auch bei grundbuchrechtlicher Sicherung - stets einen störenden Eingriff dar, der die Nutzung und im Falle von Aufgrabungen im Zuge der Instandsetzung die Integrität des Grundstücks beeinträchtige. Entgegen der Auffassung der Kläger liege auch eine Veränderung der äußeren Umstände vor. Eine solche liege in der eingetretenen Sanierungsbedürftigkeit des streitigen Sielabschnitts. Entgegen der Auffassung der Kläger könne sie im Rahmen der Ermessensausübung auch den Umstand berücksichtigen, dass die Reparaturkosten für die aufgehobene Sielanlage bei einer privaten Fortnutzung geringer seien als ein Neuanschluss an eines der öffentlichen Siele. Die von den Klägern angegeben Kosten für die Herstellung einer neuen Hausanschlussleitung seien deutlich überhöht. Sowohl die Errichtung einer Anschlussleitung zum Siel in der S-Str. als auch eine solche zum Siel im E.-weg verursachten erheblich niedrigere Kosten, so dass kein Ermessensfehler vorliege.

Die Sachakten der Beklagten (4 Bände) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Sachakten und die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger hat auch in der Sache Erfolg.

Die verfügte Aufhebung des öffentlichen Siels unter dem ehemaligen Flurstück B verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung der Beklagten nach § 4 Abs. 4 Satz 1 Hamburgisches Abwassergesetz vom 21.2.1984 (GVBl. S. 45) - vorliegend anwendbar nach dem Stand des Änderungsgesetzes vom 29.5.1996 (GVBl. S. 80) - HmbAbwG - ist jedenfalls ermessensfehlerhaft.

1. Dahinstehen kann, ob die Aufhebungsentscheidung der Beklagten überhaupt ergehen durfte, bevor die Kläger und möglicherweise andere betroffene dingliche Nutzungsberechtigte gemäß § 16 Abs. 2 HmbAbwG zum Anschluss an ein anderes ihnen zur Verfügung stehendes öffentliches Siel aufgefordert worden sind oder zwischen der Beklagten und der für den Erlass solcher Bescheide zuständigen Behörde der Freien und Hansestadt Hamburg Einvernehmen darüber hergestellt worden ist, dass das streitige Siel für die Grundstücksentwässerung nicht mehr benötigt wird und diese Behörde bereit ist, Bescheide über eine entsprechende Anschlussverpflichtung an ein anderes Siel, hier an jenes in der S-Str., zu erlassen. Fehlt es hieran, kann die Aufhebung eines öffentlichen Siels durch die Beklagte die Konsequenz haben, dass eine Sielleitung faktisch für einen zeitlich unabsehbaren Zeitraum wie eine öffentliche Sielleitung fortzubetreiben ist, weil die Aufhebung bestehender Grundstücksanschlüsse aufgrund von § 16 Abs. 2 HmbAbwG nicht erfolgt oder nicht erfolgen kann. Der streitige Sachverhalt lässt erkennen, dass solche Konstellationen ernstlich in Betracht kommen. Die Beklagte hat die Aufhebung verfügt, ohne dass ein Einvernehmen mit der für die Grundstücksentwässerung zuständigen Behörde bestand und klar war, dass die Kläger zur Umschließung verpflichtet werden würden.

2. Die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Aufhebung des streitigen Siels, das eine öffentliche Abwasseranlage i.S.v. § 1 Abs. 4 HmbAbwG war und faktisch weiterhin ist, sind im Ergebnis allerdings erfüllt. Nach § 4 Abs. 4 HmbAbwG "können öffentliche Abwasseranlagen" aufgehoben werden, die "nicht mehr zur Abwasserbeseitigung benötigt" werden.

a) In diesem Zusammenhang steht nicht in Frage, dass es sich bei der streitigen Leitung zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung der Beklagten um eine öffentliche Abwasseranlage i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 HmbAbwG handelte. Der privatrechtliche Verkauf des Flurstücks B durch das Bezirksamt X der Freien und Hansestadt Hamburg und der im Kaufvertrag enthaltene Passus, die auf dem Grundstück verlaufende Sielleitung werde mitverkauft, konnte die Eigenschaft der Leitung als öffentliche Abwasseranlage nicht beseitigen.

b) Zwischen den Beteiligten nicht streitig ist ferner, dass die Sielleitung für Zwecke der Straßenentwässerung oder für den weiteren Transport von Abwässern auf dem Weg zu einer Kläranlage nicht mehr benötigt wird. Eine Transportfunktion, die die Leitung als im Gefälle liegende Verbindungsleitung zwischen den Sielen in der S-Str. und dem E.-weg hatte, ist nach Einschätzung der hierfür im Jahre 1990 zuständig gewesenen Abteilung der Baubehörde nicht (mehr) erforderlich. Konsequenz dessen ist, dass einer teilweisen Aufhebung der Sielleitung nichts entgegenstand, soweit sie in ihrem oberen Teil zwischen dem Anschlusspunkt an das Siel S-Str. und einem von den Nachbarn der Kläger im Jahre 1994 im Bereich des ersten Einlaufs aus einem der angeschlossenen Grundstücke nach einer Verstopfung auf deren Grundstück neu gesetzten Revisionsschacht eine weitere Funktion nicht hatte. Eine isolierte Aufhebung dieses Abschnitts kann subjektive Rechte der Kläger nicht beeinträchtigen. Dass das Berufungsgericht die angegriffene Aufhebungsverfügung insoweit nicht teilweise aufrechterhalten hat, beruht darauf, dass es sich hierbei um einen lediglich sehr kurzen und nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht hinreichend genau bezeichnungsfähigen Abschnitt der Sielleitung handelt.

c) Auch für die Grundstücksentwässerung wird die streitige Sielleitung nach dem Regelungsgefüge des Hamburgischen Abwassergesetzes im Rechtssinne nicht mehr als öffentliches Siel benötigt.

Ein Siel wird für die Grundstücksentwässerung nicht mehr benötigt, wenn alle noch angeschlossenen Grundstücke technisch - jedenfalls mittels einer Abwasserhebeanlage - zugleich unmittelbar in ein anderes öffentliches Siel an einer besielten Grundstücksfront entwässern können (so auch im Ergebnis OVG Hamburg, Urt. v. 8.3.1994, Bf VI 31/93).

Wie sich aus einer Gesamtschau der gesetzlichen Regelungen ergibt, kommt es für die Frage, ob ein Siel noch benötigt wird, grundsätzlich ausschließlich auf sieltechnische und mithin objektive Aspekten an. Denn der hamburgische Gesetzgeber macht an verschiedenen Stellen des Abwassergesetzes deutlich, dass er der Beklagten sogar aufgibt, die Entwässerung von Grundstücken in einer für die Abwasserbeseitigung in ihrer Gesamtheit möglichst wirtschaftlichen Form zu betreiben. Hierbei mutet er den an ein entbehrliches Siel angeschlossenen Grundstücksinhabern grundsätzlich zu, die damit verbundenen Kosten einer Umstellung für die Grundstücksanschlussleitungen und evtl. weitere Folgemaßnahmen auf den Grundstücken selbst zu tragen. Solches ergibt sich z.B. aus § 4 Abs. 1 Satz 4 HmbAbwG, der generell die Änderung des Entwässerungssystems aus technischen und wirtschaftlichen Gründen zulässt, § 9 Abs. 1 Satz 3 HmbAbwG, der behördliche Anordnungen zu Anschlussänderungen im Bereich des Trennsielsystems ermöglicht, und aus § 16 Abs. 1 HmbAbwG, der die Grundstücksinhaber auf entsprechende Anordnung der Beklagten verpflichtet, in diesen Fällen den Grundstücksanschluss jeweils auf eigene Kosten an die Veränderung anzupassen. Zwar betrifft die Frage der Systemänderung (nur) die Frage des Übergangs vom Gefälle- zum Drucksystem bzw. vom Mischwasser- zum Trennsystem (vgl. Amtl. Begründung, Bürgerschafts-Drs. 9/4264, S. 9 zu § 4 Abs. 1; OVG Hamburg, Urt. v. 8.3.1994, Bf VI 31/93). Dennoch zeigen diese weitergehenden Veränderungsmöglichkeiten, dass es der Beklagten möglich sein muss, Veränderungen im Sielnetz vorzunehmen, die nicht zugleich mit einer Systemumstellung verbunden sind, sondern innerhalb des Systems der Optimierung oder Anpassung an den Bedarf dienen. Denn vielfältige Gründe von der sich wandelnden Bebauung bis zur technischen Fortentwicklung können auch ohne Systemwechsel Veränderungen des Sielnetzes nahe legen und Siele auch in Bezug auf Grundstücksentwässerungen überflüssig machen. Es kann nicht Auffassung des Gesetzgebers gewesen sein, in diesem Bereich die vorhandenen Zustände zu zementieren, während er bei weitergehenden Umstellungen der Beklagten einen großen Spielraum einräumt. Die Regelungen zur Aufhebung (auch) einer einzelnen Sielleitung in § 4 Abs. 4 HmbAbwG einerseits und § 16 Abs. 2 HmbAbwG hinsichtlich der Lastentragung durch die Anschließer stellen insoweit eine konsequente Ergänzung dar.

Für die betroffenen Grundstücksinhaber geht das Gesetz dabei in § 14 Abs. 1 HmbAbwG auch generell davon aus, dass diese die Kosten der Errichtung einer Hebeanlage wie für eine erforderliche Rückstausicherung (§ 14 Abs. 2 und 3 HmbAbwG) zu tragen haben. Nur in Ausnahmefällen kann die Beklagte auf ein Begehren des Anschließers im Ermessensweg gestatten, das Abwasser aus tatsächlichen (§ 8 Abs. 2 HmbAbwG) oder wirtschaftlichen Gründen (§ 8 Abs. 4 HmbAbwG) an einer anderen Stelle an das öffentliche Netz zu übergeben. Mehrkosten einer besonderen Anschlusslösung auf der öffentlichen Seite hat dieser ggf. ebenfalls zu tragen (§ 8 Abs. 1 S. 2 2. Halbsatz HmbAbwG). Das Gesetz unterscheidet insoweit nicht zwischen der Neuanlage von Grundstücksanschlüssen und deren Änderung im Zuge von Veränderungen im öffentlichen Sielsystem.

Diesem Verständnis steht die Begründung des Gesetzgebers zu § 4 Abs. 4 HmbAbwG (Bürgerschafts-Drs. 9/4264, S. 9 f.) nicht entgegen. Offenbar anknüpfend an die Formulierung in Satz 3 dieser Vorschrift, eine aufgehobene Entwässerungsanlage könne zur Entwässerung eines oder mehrerer Grundstücke als private Grundstücksentwässerungsanlage zugelassen werden, wird dort ausgeführt:

"Nach dem im Abwasserrecht geltenden Anschluss- und Benutzungszwang ist es allerdings nicht denkbar, dass Hamburg öffentliche Abwasseranlagen ersatzlos aus wirtschaftlichen Gründen aufhebt und dadurch wenigen bisher angeschlossenen Grundstücken den Betrieb und die Unterhaltung aufgehobener Anlagen aufzwingt. Diese Aufhebung soll allein für den Fall gelten, dass dem betreffenden Grundstück eine neue, bessere Entwässerungsmöglichkeit zur Verfügung steht, der Eigentümer diese Möglichkeit aber, aus welchem Grund auch immer, nicht nutzen will."

Damit macht der Gesetzgeber mit dem ersten Satz - bereits für die Tatbestandsebene und mit Blick auf den Anschlusszwang aus § 6 HmbAbwG naheliegend - deutlich, dass wirtschaftliche Gründe die Aufhebung eines öffentlichen Siels der Beklagten in jenen Fällen nicht rechtfertigen können, in denen ein Siel (nur) der Grundstücksentwässerung eines oder mehrerer Grundstücke dient und keine weiteren Siele für die Entwässerung bereitstehen. Wenn es im zweiten Satz heißt, dass die Aufhebungsmöglichkeit allein für den Fall des Bereitstehens einer besseren Entwässerungsmöglichkeit gelten solle, so mag dies nach dem dargestellten Regelungszusammenhang zwar beispielhaft die Konstellation beschreiben, die dem Gesetzgeber als Anlass seiner Regelung vorgeschwebt hat, kann jedoch den nicht ausdrücklich erwähnten Fall einer qualitativ gleichwertigen Mehrfachbesielung nicht ausschließen sollen. Es wäre mit dem Gebot eines wirtschaftlichen Betriebs der Sielanlagen nicht vereinbar, eine überflüssige Mehrfachbesielung nur aufrechthalten erhalten zu müssen, um den betroffenen Grundeigentümern Umschließungskosten zu ersparen, die ihnen aus ähnlichem Anlass grundsätzlich zugemutet werden.

Nach diesen Maßstäben wird das von der Beklagten aufgehobene Siel nicht mehr benötigt. Es ist nach heutigen Maßstäben für das Grundstück der Kläger genauso wie für das Grundstück S-Str. 37 und 39 möglich, an das Siel in der S.-Str. anzuschließen. Nach der historischen Entwicklung spricht zwar alles dafür, dass die streitige Sielleitung noch zum Zeitpunkt der Errichtung des jetzigen Wohnhauses auf dem klägerischen Grundstück in den zwanziger Jahren auch technisch benötigt wurde, um die Entwässerung dieses Grundstücks wie des Nachbargrundstücks sicherzustellen, und dass diese Betrachtungsweise auch dem Entsorgungskonzept des seinerzeitigen Entsorgungsträgers entsprach. Denn die bei der Sachakte befindlichen Netzdarstellungen lassen erkennen, dass die Abwasserbeseitigung der hangabwärts an den öffentlichen Wegen liegenden Grundstücke in den steilen Hangbereichen des E.-bergs durchweg durch Gefälleleitungen und vielfach durch vergleichbare Stichleitungen wie im vorliegenden Fall erfolgte. Infolge der seit der Besielung eingetretenen technischen Fortentwicklung ist allerdings nicht zweifelhaft, dass es heute technisch möglich ist, alle auf der Südseite der S-Str. liegenden Gebäude über das in dieser Straße liegende Siel zu entsorgen. Dieses wird auch von den Klägern für ihr Gebäude nicht bestritten; sie halten lediglich den wirtschaftlichen Aufwand für unzumutbar, der für sie erforderlich ist, um eine fachgerechte Abwasserhebeanlage mit allen erforderlichen Folgemaßnahmen herzustellen.

3. Der Umstand, dass eine Sielleitung zum Zweck der Grundstücksentwässerung sieltechnisch nicht mehr benötigt wird, hat jedoch nach der Konzeption des Gesetzes nicht zur Folge, dass diese nunmehr zwingend aufzuheben wäre. Dieser Umstand eröffnet lediglich das Ermessen der Beklagten, über eine Aufhebung zu entscheiden. Anders als in der Fallgruppe, in der den Anliegern der Anschluss an eine qualitativ bessere Entwässerungsmöglichkeit vermittelt wird und damit auch das Ziel einer umweltunschädlichen Abwasserbeseitigung für die Umschließung spricht, kommt in den Fällen einer (lediglich) gleichwertigen Zweiterschließung der umfassenden Ermessensausübung unter Einbeziehung aller Aspekte und damit auch der für die Anlieger durch die Veränderung der privaten Bestandteile der Grundstücksentwässerungsanlage entstehenden Nachteile eine gewichtige Bedeutung zu.

Letzteres zeigt sich in der Regelung des § 8 Abs. 4 HmbAbwG, mit der der Gesetzgeber zu erkennen gibt, dass es die topografischen Verhältnisse für einen Anschließer wirtschaftlich unzumutbar und damit unverhältnismäßig machen können, der gesetzliche Vorgabe zur Entwässerung in ein höher gelegenes Siel zu folgen. Die dahinter stehende Einschätzung muss erst recht gelten, wenn nicht der erstmalige Anschluss eines Grundstücks in Rede steht, bei dem im Zuge der baulichen Gestaltung die Anforderungen der Entwässerung rechtzeitig eingeplant werden können, sondern wenn durch die Veränderung auf Seiten der Beklagten in eine bestehende Gebäudestruktur eingegriffen wird. Die gesetzliche Regelung ist insofern lediglich Ausdruck des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips, das die Beklagte auch im Rahmen ihrer Ermessensausübung zu wahren hat.

Im Rahmen der Ermessensausübung hatte die Beklagte vorliegend insbesondere die Folgen für jene Grundstücke und ihre Eigentümer zu berücksichtigen, denen durch die Aufhebung eine Veränderung ihrer Grundstücksanschlüsse zugemutet wird, selbst wenn der Gesetzgeber für den Regelfall davon ausgeht, dass die mit einer Umschließung typischerweise verbundenen Kosten diesen zumutbar sind. Denn der Anlass, der zur Aufhebung einer Sielleitung führen kann, wie die örtlichen Verhältnisse sind so vielgestaltig, dass der Gesetzgeber selbst nur den Regelfall im Blick haben konnte. Zudem hat er in mehrfacher Hinsicht deutlich gemacht, dass einerseits nicht alle wirtschaftlichen Erwägungen auf Seiten der Beklagten eine Aufhebung einer Sielleitung rechtfertigen und andererseits auch die Kosten für betroffene Grundstücksinhaber unzumutbar hoch sein können.

An einer ordnungsgemäßen Ausübung des Ermessens seitens der Beklagten fehlt es. Dies gilt sowohl für ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid als auch für die weiteren Ausführungen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren, soweit in diesen eine Ergänzung der Ermessensausübung i.S.v. § 114 Satz 2 VwGO gesehen werden könnte. Sie entsprechen nicht den Anforderungen, die an eine Ermessensausübung zu stellen sind, wenn nicht kein qualitativ besseres Siel als Ersatz zur Verfügung steht.

Zutreffend hat insoweit bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Siel in der S-Str. nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung keine neue und bessere Entwässerungsmöglichkeit für die Kläger bietet. Alle im betroffenen Bereich belegenen Siele stammen aus einer historisch weitgehend einheitlichen Besielungsphase und weisen hinsichtlich ihrer Dimensionierung und sonstigen Struktur keine Unterschiede von Gewicht auf. Das von der Beklagten im Widerspruchsbescheid behauptete höhere Alter der streitigen Stichleitung gegenüber dem Siel in der S-Str. ist unbelegt und im Hinblick auf den Zeitraum irrelevant, während dessen alle Sielleitungen gemeinsam in Benutzung stehen. Ein verständiger Betrachter wird angesichts eines unstreitigen Nutzungszeitraums aller betroffenen Siele von mindestens 100 Jahren nicht annehmen, aufgrund des Alters gäbe es insoweit abstrakte Qualitätsunterschiede zwischen beiden Sielen. In den Sachakten der Beklagten ist auch das Siel in der S-Str. als "erneuerungsbedürftig" beschrieben und ist von der Rechtsvorgängerin der Beklagten ursprünglich eine Entbehrlichkeit des Stichsiels (nur) für den Fall der Erneuerung des Siels in der S-Str. erwogen worden. Dessen Erneuerung ist bis zur Widerspruchsentscheidung nicht erfolgt. Das Siel in der S-Str. ist auch nicht besser zur Entwässerung geeignet. Die Beklagte hat keine Gesichtspunkte dargetan - solche sind auch im übrigen nicht ersichtlich -, aufgrund derer das Siel in der S-Str. eine qualitativ bessere Abwasserentsorgung als die bisherige Leitung ermöglicht. Dass dieses Siel abstrakt für die Entsorgung des klägerischen Grundstücks geeignet (geworden) ist, beruht ferner nicht auf Maßnahmen der Beklagten, sondern ausschließlich auf dem Umstand, dass nach Errichtung des klägerischen Gebäudes technische Möglichkeiten gebrauchsfähig geworden sind, die es innerhalb des Verantwortungsbereichs der Kläger technisch ermöglichen, auch einen Anschluss an das Siel S-Str. herzustellen. Dadurch wird dieses Siel selbst aber nicht bereits zu einem "besseren" Siel. Von dem von der Beklagten als vergleichbar angeführten Fall des vor dem Berufungsgericht geführten Rechtsstreits Bf VI 31/93 unterscheidet sich die hier streitige Aufhebung deutlich. Dort wurde ein Siel aufgehoben, das das Abwasser im Ergebnis ungeklärt in die Elbe abführte, während ein Anschluss mittels einer Hebeanlage an ein anderes zur Verfügung stehendes Siel dazu führte, dass dieses zwar nicht in ein neues Siel, aber in ein solches abgeleitet werden sollte, das in die Kläranlage der Beklagten entwässert. Dass insoweit eine qualitativ "bessere" Entwässerungsmöglichkeit bestand, ist nicht zweifelhaft; auf diesen Umstand hat das Gericht seinerzeit auch maßgeblich abgestellt.

Der von der Beklagten geltend gemachte Gesichtspunkt, dass bei einem Anschluss an das Siel S-Str. eine kürzere Anschlussleitung zum öffentlichen Siel bestehe, greift ebenfalls nicht, weil für einen solchen Vergleich zu unterstellen ist, dass das streitige Siel weiterhin als öffentliches Siel zur Verfügung steht. Dass die Anschlussleitung auf privatem wie auf öffentlichem Grund bis zum "alten" Übergabepunkt länger, aufwendiger oder sonst schlechter wäre, ist weder ersichtlich noch von der Beklagten in irgendeiner Weise begründet worden.

Soweit die Beklagte geltend macht, die Kläger seien aufgrund der Belegenheit ihres Grundstücks auch in der Lage, ihre Grundstücksentwässerung durch einen eigenen Anschluss unmittelbar in das Siel im E.-weg vorzunehmen, liegt dem nach allen erkennbaren Umständen eine unzutreffende Sachverhaltsannahme zugrunde. Nach einem bei den Sachakten befindlichen Vermerk der Abteilung Grundstücksentwässerung der Umweltbehörde (Vermerk Amt für technischen Umweltschutz - E 110 - an SE 04 vom 5. August 1994) ist solches angesichts der tiefgegründeten Hangbollwerke und der topografischen Verhältnisse auf dem Grundstück mit vertretbarem wirtschaftlichen Aufwand nicht möglich. Die Ausführungen der Beklagten lassen diese Gegebenheiten unberücksichtigt und gehen deshalb von einem unvollständigen bzw. unzutreffenden Sachverhalt aus.

Gleichermaßen darf die Beklagte die Kläger im Rahmen einer fehlerfreien Ermessenausübung nicht darauf verweisen, die Entsorgung über die frühere öffentliche Sielleitung in ihrer Eigenschaft als Privatleitung der Eigentümer des Nachbargrundstücks vorzunehmen, sofern sie die Kosten für einen Anschluss an das Siel in der S-Str. nicht tragen wollten. Denn nach § 8 Abs. 1 HmbAbwG besteht für dem Anschlusszwang unterliegende Grundstücke grundsätzlich ein Anspruch auf unmittelbaren Anschluss an ein öffentliches Siel. Im Hangbereich kann die Beklagte nach § 8 Abs. 4 HmbAbwG zwar - auf Antrag des Betroffenen - gestatten, die Entwässerung hangabwärts über ein privates (Unterlieger-)Grundstück vorzunehmen, wenn die Inanspruchnahme durch Erklärung dieses Nachbarn gesichert ist. Schon hieran fehlt es aber. Unabhängig von der Frage der Bereitschaft der Kläger zu einer solchen Lösung, ist die Ableitung über das Nachbargrundstück nicht gesichert. Die Nachbarn der Kläger sind zwar von der Freien Hansestadt Hamburg im Kaufvertrag über das Sielgrundstück hierzu verpflichtet worden. Sie sind jedoch zur Erfüllung dieser Verpflichtung bisher anscheinend nicht bereit, und die Rechtsvorgängerin der Beklagten, deren Nichthandeln sich die Beklagte als ausgegliederter Teil der öffentlichen Verwaltung der Freien und Hansestadt Hamburg zurechnen lassen muss, hat ebenfalls keine Anstalten unternommen, die Voraussetzungen zu schaffen, unter denen eine solche Lösung jedenfalls einen rechtlich tragfähigen Rahmen erlangen könnte. Dass die Beklagte die Kläger auf eine solche Lösung der Grundstücksentwässerung verweisen kann, wenn keine zumutbare Anschlussmöglichkeit an das Siel in der S.-St. besteht, erscheint im übrigen aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

Die im Widerspruchsbescheid geltend gemachte Reparaturbedürftigkeit des streitigen Sieles vermag die Ermessensentscheidung in der vorliegenden Konstellation ebenfalls allein nicht zu tragen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte nach der Aktenlage Gleiches für das Siel in der S-Str. ermittelt, ohne dass ein Anlass zu aktuellen Maßnahmen gesehen wurde, und bestätigt die seitdem offenbar unveränderte und problemlose Entwässerung über das streitige Siel, dass die Schäden jedenfalls nicht so bedeutsam sind, dass sie zum damaligen Zeitpunkt ohne weitergehende Ermessenserwägungen über die wirtschaftlichen Folgen für die Kläger eine Aufhebung des Sieles rechtfertigen konnten. Manches spricht im übrigen dafür, dass der erst später erfolgte Verweis auf die zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht bekannte konkrete Reparaturbedürftigkeit des Siels und die Möglichkeit der Kläger, die Leitung im Einvernehmen mit den Nachbarn als private Anschlussleitung weiter zu benutzen, insoweit letztlich zur Rechtfertigung der Entscheidung diente, den Verkauf des Grundstücks nicht rückgängig machen zu müssen oder für ein öffentliches Siel auf einem Privatgrundstück Entschädigungsleistungen gegenüber dem Grundstückseigentümer (vgl. § 4 Abs. 2 HmbAbwG) erbringen zu müssen.

Allerdings wird der Gesichtspunkt der Reparaturbedürftigkeit eines Siels im Falle einer Erschließung eines oder mehrerer Grundstücke durch mehrere gleichwertige Siele an sich auch dessen Aufhebung im Ermessenswege rechtfertigen können, wenn die erforderliche Abwägung zwischen dem erforderlichen Aufwand für die Reparatur und den den Grundstücksinhabern jeweils zugemuteten Kosten ergibt, dass letztere nicht in unverhältnismäßiger Weise durch die erforderlichen Umschließungskosten belastet werden. Gehen die den Grundstücksinhabern zugemuteten Anschlusskosten nicht über das übliche Maß eines Neuanschlusses hinaus und stehen für das betroffene Siel hohe Sanierungskosten an, kann eine solche Abwägung eher zu Lasten der Grundstücksinhaber ausfallen. Umgekehrt ist es naheliegend, dass eine Aufhebung eines Siels aus Anlass einer erforderlichen geringfügigen Reparatur mit Blick auf die stets zu wahrende Verhältnismäßigkeit i.e.S. nur sehr schwer zu rechtfertigen ist, wenn zugleich den betroffenen Grundstücksinhabern durch eine Umschließung an eine andere, qualitativ gleichwertige Sielleitung erheblich höhere Kosten zugemutet werden. Solches dürfte z.B. der Fall sein, wenn die einzelnen betroffenen Grundstücksinhaber für einen neuen Grundstücksanschluss jeweils deutlich mehr aufwenden müssen als ein durchschnittlicher neuer Hausanschluss kostet und die Gesamtsumme der Anschlusskosten zugleich jene deutlich übersteigen, die die Beklagte für den aufzugebenden Sielabschnitt an Reparaturaufwendungen zu tragen hätte. Denn in einer solchen Fallkonstellation ist es vor dem Hintergrund der Erwägungen der Gesetzesbegründung zu § 4 Abs. 4 HmbAbwG auch unter dem Gesichtspunkt eines wirtschaftlichen Betriebs des Sielnetzes schwer zu begründen, wenn Grundstücksinhabern Kosten der Umschließung auferlegt werden, die deutlich über jenen liegen, die eine Sanierung des Siels kosten würde, ohne dass ein qualitativ besseres öffentliches Siel für den Anschluss zur Verfügung steht.

Eine diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Abwägung ist in der Ermessensausübung der Beklagten nicht erkennbar. Die konkreten Kosten für die einzelnen Maßnahmen sind unberücksichtigt geblieben. Werden die im Raum stehenden Kosten für einen Anschluss der Kläger an das Siel in der S-Str. tatsächlich einen Betrag von ca. 200.000.- DM erreichen und die Sanierungskosten der Sielleitung lediglich 65.000.- DM betragen, liegt ein Verstoß gegen die zu wahrende Verhältnismäßigkeit i.e.S. vor. Die Kläger hätten in diesem Fall nahezu die dreifache Summe der "ersparten" Erneuerungsaufwendungen der Beklagten aufzubringen. Zudem würde die Ungleichgewichtigkeit der Lastenverteilung dadurch verschärft, dass letztlich sie allein den Umstellungsaufwand zu tragen hätten, weil ihre Grundstücksnachbarn durch den Erwerb des Grundstücks von der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine eigene zugängliche Belegenheit am öffentlichen Weg E.-weg i.S.v. § 6 Abs. 1 HmbAbwG erlangt haben, über die sie in das dortige Siel entwässern können, und sie damit nicht auf die Benutzung des Siels in der S-Str. angewiesen und den damit verbundenen Anschlusskosten ausgesetzt wären. Im Ergebnis wälzt die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin auf diese Weise wirtschaftlich die Veränderung des Sielnetzes einseitig allein auf die Kläger ab, indem sie selbst für den Bereich der streitigen Leitung das System der Gefälleentwässerung der südseitigen Grundstücke der S-Str. aufgegeben hat, im selben Moment aber allen außer den Klägern betroffenen Nachbarn diese - wie sie selbst durchaus unterstellt - finanziell günstigere Anschlussmöglichkeit wiederum eingeräumt hat. Vor diesem Hintergrund spricht Vieles dafür, dass eine Verhältnismäßigkeit der Maßnahme selbst dann noch nicht gegeben sein dürfte, wenn sich die Anschlusskosten der Kläger auf die Hälfte der im Raum stehenden Summe reduzieren lassen sollten.

Dabei kann die Verhältnismäßigkeit der den Grundstückseigentümern zuzumutenden Kosten auch danach differieren, ob die Beklagte mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG mit der Aufhebung der Sielleitung eine planvolle Umsetzung eines Konzepts auf Veränderung der gesamten Entwässerung im Bereich mit anderen vergleichbaren Grundstücksverhältnissen verfolgt hat. Hierfür bieten die Sachakten und die Antwort auf eine Nachfrage des Berufungsgerichts bisher allerdings keine Hinweise.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nrn. 10 und 11, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich.



Ende der Entscheidung

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