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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 13.06.2003
Aktenzeichen: 2 Bs 181/03
Rechtsgebiete: HWG


Vorschriften:

HWG § 19 Abs. 1
1. Werden Kraftfahrzeuge oder Anhänger als Werbeträger auf öffentlichen Wegen abgestellt, ist es für die Annahme einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung erforderlich, dass die Vorrangigkeit des Werbezwecks gegenüber der Absicht eines Abstellens zur anschließenden Wiederinbetriebnahme durch objektive Anhaltspunkte hinreichend deutlich wird.

2. Solche Anhaltspunkte können sich vor allem aus der Gestaltung der Fahrzeuge, der Dauer der Abstellung, der Wahl des Abstellortes oder der Art und weise der konkreten Aufstellung ergeben.


2 Bs 181/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch die Richter K. Schulz, Probst und Thorwarth am 13. Juni 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. März 2003 abgeändert.

Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragstellerin gegen die Untersagungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 11. Juni 2002 (W/BA 110-682/02) und vom 18. Juni 2002 (W/BA 110-704/02) wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die für sofort vollziehbar erklärten Untersagungen, ihre mit Werbeaufschrift versehenen Fahrzeuge auf bestimmten öffentlichen Wegeflächen abzustellen.

Die Antragstellerin betreibt in Hamburg-Rahlstedt, B-Straße 53, einen Geschäftsbetrieb für Vorrichtungen zum Einbruch- und Sonnenschutz. Zu ihren Betriebsfahrzeugen gehört ein Kleinlastwagen - Ford Transit - und ein zweiachsiger Kraftfahrzeuganhänger, die sie zeitweise in ca. 350 m Entfernung zu ihrem Betriebssitz in den Parkbuchten der B-Straße stadtauswärts abstellt. In diesem Bereich befinden sich zwei Baumärkte sowie ein großflächiger Lebensmittelhandel. Der Kleinlastwagen und der Anhänger werden je nach Auftragslage in wechselnden Abständen für den Betrieb eingesetzt. Der Anhänger hat einen festen geschlossenen Aufbau mit Stehhöhe, der im Innenraum mit Halterungen für sperrige Gegenstände ausgerüstet und über zwei Türen im Heck zugänglich ist. Auf allen Seiten sind sowohl der Kleinlastwagen als auch der Anhänger mit Aufschriften und stilisierten Bildern versehen, mit denen auf den Betrieb, seine Geschäftsadressen und sein Leistungsangebot aufmerksam gemacht wird.

Nachdem die Antragsgegnerin festgestellt hatte, dass der Transporter mit angekuppeltem Anhänger dort vom 4. bis zum 10. Juni 2002, 7.00 Uhr, und erneut am 11. Juni 2002 stand, erließ sie am selben Tag eine Verfügung, mit der sie der Antragstellerin unter Anordnung des Sofortvollzuges untersagte, den Anhänger im Bezirksamtsbereich zu Werbezwecken auf öffentlichen Wegeflächen abzustellen. Das Abstellen erfolge zu Werbezwecken und sei deshalb eine ungenehmigte Sondernutzung öffentlicher Wegeflächen. Der Sofortvollzug sei anzuordnen, da sonst der Zweck der unerlaubten Werbung voll erreicht und die Verfügung ohne praktische Bedeutung sei.

Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin am 20. Juni 2002 Widerspruch ein.

In der Zeit vom 14. bis zum 18. Juni 2002 stellte die Antragsgegnerin fest, dass in dem fraglichen Bereich nunmehr der Transporter allein abgestellt war und untersagte mit Bescheid vom selben Tag das Abstellen in gleicher Weise unter Anordnung des Sofortvollzugs.

Auch gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Juni 2002 Widerspruch ein.

Mit ihren Widersprüchen machte die Antragstellerin geltend, dass es sich weder bei dem Transporter noch bei dem Anhänger um eigens zu Werbezwecken hergerichtete Fahrzeuge handle, sondern dass sie in unterschiedlichen Abständen für den Betrieb eingesetzt würden. Die Fahrzeuge seien beschriftet, wie es auch bei anderen Firmenfahrzeugen üblich sei. Das Parken auf der Straße direkt vor dem Geschäft blockiere eine Fahrspur der Bundesstraße und führe zu einer Gefahrenquelle.

Am 15. Juli 2002 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche. Es sei ein Bereich gewählt worden, der möglichst nahe zu dem Betriebsgrundstück liege, in dem andere Verkehrsteilnehmer möglichst wenig behindert würden und in dem das Diebstahls- und Einbruchsrisiko geringer als in einer Seitenstraße sei. Auf dem Betriebsgelände sei der Parkraum zu knapp.

Die Antragsgegnerin wendete sich gegen den Antrag. Die Fahrzeuge seien in dem fraglichen Bereich überwiegend zu Werbezwecken abgestellt worden. Dafür spreche vor allem die werbliche Gestaltung der Fahrzeuge, der Zeitraum des Abstellens und der für Werbung günstige Standort in der vielbefahrenen Straße vor einem Baumarkt, in dem mit Waren des mit den Fahrzeugen beworbenen Segments gehandelt werde. Es gebe keinen anderen Grund, an jener Stelle die Firmenfahrzeuge abzustellen, da genug Parkraum auf dem Betriebsgelände und auch in dessen Nähe zur Verfügung stehe.

Während des Verfahrens erklärte die Antragsgegnerin u.a., dass ihre Untersagungsverfügung dahin zu verstehen sei, dass es der Antragstellerin untersagt worden sei, ihre mit Werbeaufschriften versehenen Betriebsfahrzeuge in den Parkbuchten vor dem Baumarkt in der B-Straße 66 abzustellen.

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 11. März 2003 ab. Die Untersagungsverfügung sei nach summarischer Prüfung zu Recht ergangen und die Anordnung zum Sofortvollzug gerechtfertigt. Die Aufstellung der Betriebsfahrzeuge in den Parkbuchten vor dem Baumarkt sei wegerechtlich unzulässig. Es handle sich um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung, da sie dort überwiegend zu Werbezwecken aufgestellt worden seien. Der Art und Weise des Abstellens und der Gestaltung der Fahrzeuge komme für die Beurteilung des Werbezwecks zwar nur geringe Bedeutung zu. Ausschlaggebend sei auch nicht, dass es sich bei dem gewählten Abstellplatz um eine werbewirksame Position handele und die Antragstellerin versuche, möglichst effektiv Werbung zu betreiben. Die Grenze des Gemeingebrauchs werde aber deshalb überschritten, weil bewusst ein werbewirksamer Standort gewählt worden sei, obwohl näher gelegene ebenso geeignete Parkmöglichkeiten vorhanden seien.

Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin im Wesentlichen geltend, dass es keine greifbaren und tragfähigen Gesichtspunkte gebe, die für überwiegende Werbezwecke bei der Wahl des Parkplatzes für ihre Firmenfahrzeuge sprächen. Die näher gelegenen Parkmöglichkeiten seien bei objektiver Betrachtung nicht vorzugswürdig.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und führt bei Prüfung der dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) auch in der Sache zum Erfolg. Ihr ist vorläufiger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren.

Es besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Untersagungsverfügungen, denn die Widersprüche dürften voraussichtlich Erfolg haben. Die Verfügungen werden nach dem derzeitigen Sachstand auch mit dem während des Eilverfahrens modifizierten Regelungsgehalt keinen Bestand haben können. Es dürfte sich bei dem Abstellen der Firmenfahrzeuge in der Parkbucht vor dem Baumarkt B-Straße 66 nicht um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung nach § 19 Abs. 1 HWG handeln, die nach § 61 Abs. 1 HWG mangels Erlaubnis untersagt werden könnte. Sie dürften vielmehr im Rahmen des Gemeingebrauchs öffentlicher Wegeflächen abgestellt worden sein. Soweit derzeit erkennbar ist, wird eine den Gemeingebrauch übersteigende Werbung mit dem Abstellen der Fahrzeuge an dem betreffenden Ort nicht betrieben.

Zum Gemeingebrauch gehört nach § 19 Abs. 1 Satz 1 HWG die Teilnahme am allgemeinen öffentlichen Verkehr, die sich gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 HWG im Rahmen der Widmung und den Vorschriften über den Straßenverkehr halten muss. Zur Teilnahme am allgemeinen öffentlichen Verkehr zählt auch das gem. § 12 Abs. 2 StVO zulässige Parken. Demgegenüber unterfällt Werbung auf öffentlichen Wegeflächen prinzipiell nicht dem Gemeingebrauch, sondern stellt eine über den Gemeingebrauch hinausgehende erlaubnispflichtige Sondernutzung dar. Bei dem Abstellen eines Fahrzeugs, das mit Werbung versehen ist, ist daher entscheidend, ob dies zum Zweck des Verkehrs - also der späteren Inbetriebnahme - oder vorrangig zu anderen Zwecken, hier zu Werbezwecken erfolgt (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Oktober 1983, BVerfGE 67, 299; BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1982, NJW 1982, S. 2332, OVG Hamburg, Beschluss vom 20. Dezember 1999 -2 Bf 444/98-). Werbung, die nur gelegentlich der Verkehrsteilnahme geschieht, liegt noch im Rahmen des Gemeingebrauchs.

Für die danach entscheidende Vorrangigkeit des Werbezweckes sind objektive Anhaltspunkte mit einer hinreichenden Deutlichkeit erforderlich. Sie können sich vor allem aus der Gestaltung des Fahrzeugs, der Dauer der Abstellung, der Wahl des Abstellortes oder der Art und Weise der konkreten Aufstellung ergeben.

Hier bestehen nach Aktenlage solche hinreichend deutlichen Anhaltspunkte nicht.

Die Gestaltung des Zugfahrzeugs und des Anhängers bietet keine Anhaltspunkte dafür, sie dienten vorrangig Werbezwecken. Die auf ihnen befindliche Werbung ist nach den bei der Akte befindlichen Fotografien zwar deutlich wahrnehmbar, geht aber über das bei Firmenfahrzeugen häufig vorzufindende Maß der Werbebeschriftung glatter Fahrzeugflächen nicht hinaus. Der Aufbau des Anhängers dient nicht dazu, möglichst große Beschriftungsflächen zu schaffen, sondern entspricht den funktionalen Anforderungen, die der Betrieb der Antragstellerin an ein derartiges Transportmittel stellt. Der Transporter hat ebenfalls keine zusätzlich montierten Werbeflächen. Es ist ohnehin wenig wahrscheinlich, dass ein voll funktionsfähiges Transportfahrzeug jüngerer Bauart, das ein erhebliches Kapital bindet und laufend nicht nur unwesentliche feste Kosten verursacht, nicht vorrangig zur Wiederinbetriebnahme abgestellt wird.

Die Dauer der bisher festgestellten Abstellvorgänge läßt ebenfalls keine Schlüsse auf einen vorrangigen Werbezweck zu. Der aktenkundige Zeitraum von knapp sieben bzw. fünf Tagen, in dem der Transporter mit angekuppeltem Anhänger bzw. der Transporter allein in der Parkbucht vor dem Baumarkt stand, ist bei den nicht laufend für den Betrieb benötigten Fahrzeugen nicht übermäßig lang und ist auch straßenverkehrsrechtlich zulässig. Für das Parken von Gespannen und Kleinlastwagen besteht nach der Straßenverkehrsordnung grundsätzlich keine zeitliche Begrenzung. Selbst wenn der Anhänger ohne Zugfahrzeug während dieser Zeiträume dort abgestellt worden wäre - was noch eher auf Werbezwecke hindeuten könnte, als ein Abstellen eines jederzeit einsatzbereiten Gespanns oder Transporters - würde sich dieser Vorgang noch im Rahmen des straßenverkehrsrechtlich Zulässigen halten, denn nach § 12 Abs. 3 b Satz 1 StVO darf ein Kraftfahrzeuganhänger ohne Zugfahrzeug zwei Wochen im öffentlichen Verkehrsraum geparkt werden.

Die Art und Weise der Aufstellung deutet nicht auf ein besonderes Gewicht des Werbezweckes hin. Die Fahrzeuge wurden ordnungsgemäß parallel zum Bordstein in der Parkbucht abgestellt. Sie wurden im übrigen auch für Werbezwecke nicht günstig platziert. Nach den vorliegenden Fotografien hatten hinter dem Gespann weitere Fahrzeuge abgestellt werden können und stand hinter dem Transporter ein Baum, so dass die Sicht auf die Werbeaufschrift aus dem Blickwinkel vorbeifahrender Fahrzeuge weitgehend verdeckt war.

Die vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellte Wahl des Aufstellungsortes in der Nähe von Baumärkten ist nicht hinreichend aussagefähig. Straßenverkehrsrechtlich ist es nicht geboten, die Wahl eines Parkplatzes unter dem Gesichtspunkt zu rechtfertigen, dass er so nahe wie möglich zur eigenen Wohnung oder Betriebsstätte liegt. Auf den Vorrang des Werbezweckes kann daher nicht schon daraus geschlossen werden, dass nicht die nächstgelegene Abstellmöglichkeit gewählt worden ist, an der ein - auch unter Berücksichtigung von § 12 Abs. 3 a StVO - zulässiges Parken möglich gewesen wäre. Angesichts dieser grundsätzlich bestehenden Freiheit bei der Wahl eines Parkplatzes kann der Vorrang des Werbezweckes aus der Wahl des Aufstellungsortes nicht schon hergeleitet werden, wenn bei der Wahl eines geeigneten Parkplatz auch die Werbewirkung der zu parkenden Fahrzeuge als gewollte Auswirkung berücksichtigt worden ist. Hinreichend deutlich erkennbar wird der Vorrang des Werbezwecks aus der Wahl des Aufstellungsortes erst, wenn er sich unter dem Gesichtspunkt des Parkens nicht mehr als sinnvoll erklärbar darstellt. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn er zeitaufwändige Fußwege und Fahrstrecken oder den Einsatz zusätzlicher Verkehrsmittel erforderlich macht, um von der Wohnung oder der Betriebsstätte her die Wiederinbetriebnahme zu ermöglichen oder wenn die Abstellmöglichkeiten auf einem gesicherten Betriebsgelände so beschaffen sind, dass sich das Abstellen im öffentlichen Straßenraum als unnötiges Eingehen eines Diebstahls- oder Beschädigungsrisikos darstellt. Dafür spricht hier nichts. Kurze Fußwege, wie sie hier mit drei Minuten Gehzeit für etwa 350 m Strecke angegeben werden, stellen keinen ernstlichen Zeitaufwand dar und führen auch bei Wiederinbetriebnahme der Fahrzeuge nicht zu einem ernstlichen zusätzlichen Aufwand. Nach dem derzeitigen Sachstand spricht auch alles dafür, dass die Abstellmöglichkeiten auf dem Betriebsgelände beengt sind.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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