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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 26.09.2007
Aktenzeichen: 2 Bs 188/07
Rechtsgebiete: HBauO


Vorschriften:

HBauO § 6
1. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten scheidet in der Regel aus, wenn die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen eingehalten werden. An diesem Grundsatz ist auch nach Inkrafttreten der Neufassung der Hamburgischen Bauordnung vom 14. Dezember 2005 festzuhalten. Ob dies auch unter dem Gesichtspunkt einer erdrückenden Wirkung gilt, bleibt offen.

2. Soweit ein Grundstückseigentümer die bauordnungsrechtlich erforderlichen Abstandsflächen nicht einhält und dieser Umstand nicht durch eine öffentlichrechtliche Beschränkung der Bebaubarkeit des benachbarten Grundstücks abgesichert ist, kann er gegenüber einem auf dem benachbarten Grundstück zu errichtenden Neubau, der seinerseits die erforderlichen Abstandsflächen einhält, grundsätzlich keine Berücksichtigung jener Nachteile geltend machen, die sich aus der Unterschreitung der Abstandsflächen auf seinem Grundstück ergeben.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

2 Bs 188/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch den Richter Dr. Ungerbieler sowie die Richterinnen Haase und Sternal am 26. September 2007 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 18. Juli 2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht, die erstinstanzliche Entscheidung zu ändern und der Antragstellerin nach §§ 80 a, 80 Abs. 5 VwGO vorläufigen Rechtsschutz gegen die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 24. April 2007 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses mit vier Wohneinheiten auf dem Grundstück X........ zu gewähren. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt und deshalb dem Interesse des Beigeladenen an der unverzüglichen Verwirklichung seines Vorhabens gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, die Schaffung vollendeter Tatsachen einstweilen zu verhindern, der Vorrang einzuräumen ist.

I. Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften rügt, weil die Bauaufsichtsbehörde die Bezirksversammlung im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens nicht oder jedenfalls nur unvollständig über das Vorhaben des Beigeladenen unterrichtet habe, ist eine Verletzung subjektiver Rechte der Antragstellerin nicht dargetan. Wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, würde ein solcher Verstoß, wenn er denn überhaupt vorliegen sollte, nicht dazu führen, dass die Baugenehmigung allein deshalb auf den Widerspruch der Antragstellerin als Nachbarin hin aufgehoben werden müsste. Selbst wenn das Gesetz dem Grundstücksnachbarn ein Recht auf Unterrichtung zubilligt, folgt daraus nicht ohne Weiteres, dass dem Nachbarn damit auch ein vom materiellen Recht unabhängiger, im Sinne eines subjektiven Rechts selbstständig durchsetzbarer Anspruch auf Verfahrensteilhabe eingeräumt ist. Vielmehr bedarf es dafür einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, aus der sich ergibt, dass eine solche selbstständige verfahrensrechtliche Rechtsposition vermittelt werden soll (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 17.1.2002, NordÖR 2002, 454, 455 m.w.N.). Stehen wie hier lediglich Unterrichtungs- oder ähnliche Rechte der Bezirksversammlung bzw. ihrer Ausschüsse und damit Dritter in Rede, so ist erst recht die Annahme verfehlt, dass derartige Rechte aus sich heraus eine klagfähige Position des Grundstücksnachbarn begründen könnten.

II. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es nicht darauf an, ob der Baustufenplan Bahrenfeld für das Baugrundstück nach wie vor wirksam eine zweigeschossige Bauweise festsetzt oder ob diese Festsetzung infolge einer - nach Ansicht der Antragstellerin - vorherrschenden eingeschossigen Bebauung funktionslos geworden ist und sich das Vorhaben des Beigeladenen deshalb insoweit nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt.

1. Sollte die Ausweisung von zwei Vollgeschossen nach wie vor wirksam sein, wäre die Antragstellerin selbst dann nicht per se in ihren Rechten verletzt, wenn das genehmigte Vorhaben nicht als zweigeschossiges Gebäude nebst Staffelgeschoss, sondern - wie sie geltend macht - als dreigeschossiges Gebäude zu qualifizieren sein sollte. Eine Verletzung ihrer Rechte ergäbe sich auch in diesem Falle nur dann, wenn entweder die Festsetzung der Geschosszahl, von der eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht erteilt worden ist, nachbarschützend wäre oder wenn sich das Bauvorhaben gegenüber der Antragstellerin als rücksichtslos erwiese (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, BVerwGE 82, 343). Beides ist hier nicht der Fall.

a) Von der Ausweisung von Baugebieten abgesehen, die kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung hat und deren Einhaltung im vorliegenden Fall nicht in Frage steht, dient ein Bebauungsplan bzw. Baustufenplan mit Rücksicht auf seine städtebauliche Ordnungsfunktion für ein Plangebiet zunächst öffentlichen Interessen. Ob darüber hinaus einer Festsetzung nachbarschützender Charakter zukommt, muss im Einzelfall für die jeweilige Ausweisung durch Auslegung ermittelt werden (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 17.1.2002, a.a.O. S. 455 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats eröffnen Ausweisungen über das Maß der baulichen Nutzung, um die es hier geht, grundsätzlich keine nachbarlichen Abwehrrechte (vgl. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 22.5.2007, 2 Bs 101/07; Urt. v. 17.1.2002, a.a.O., S. 455). Die Antragstellerin zeigt mit ihrer Beschwerde nicht auf, dass hier ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte.

b) Die Beschwerdebegründung lässt auch nicht erkennen, dass das genehmigte Wohngebäude gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Dieses Gebot beinhaltet nicht, jede Beeinträchtigung eines Nachbarn zu vermeiden. Ein Nachbar kann lediglich solche Nutzungsstörungen abwehren, die als rücksichtslos zu werten sind. Davon kann erst die Rede sein, wenn die mit dem genehmigten Bauvorhaben verbundenen Beeinträchtigungen bei der Nutzung des eigenen Grundstückes bei einer Abwägung, in der die Schutzwürdigkeit der Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung und die Interessen des Bauherrn zu berücksichtigen sind, für den Nachbarn billigerweise unzumutbar erscheinen (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 5.8.1983, BVerwGE 67, 334; OVG Hamburg, Urt. v. 17.1.2002, a.a.O., S. 457). Dafür ist hier auch dann nichts ersichtlich, wenn man - den Einwänden der Antragstellerin folgend - unterstellt, dass das genehmigte Gebäude drei Vollgeschosse aufweist, und deshalb berücksichtigt, dass bei einer Beurteilung in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO unter Berücksichtigung der Interessenbewertung des § 31 Abs. 2 BauGB die Interessen des Bauherrn tendenziell ein geringeres Gewicht haben als bei der Beurteilung einer plankonformen Bebauung nach dem unmittelbaren Maßstab des § 15 Abs. 1 BauNVO (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.10.1989, a.a.O.).

aa) Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten scheidet in der Regel aus, wenn die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen eingehalten werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.1.1999, NVwZ 1999, 879; OVG Hamburg, Beschl. v. 6.6.2007, 2 Bs 97/07 sowie st. Rspr.). An diesem Grundsatz ist auch nach Inkrafttreten der Hamburgischen Bauordnung vom 14. Dezember 2005 (HmbGVBl. S. 525, 563) festzuhalten, durch welche die zuvor in Wohngebieten grundsätzlich 1 H betragende, für bestimmte Fallgruppen auf 0,75 H bzw. 0,5 H reduzierte Tiefe der Abstandsflächen (vgl. § 6 Abs. 9 Satz 1 und 2 Nr. 1 bis 3 HBauO 1986) auf einheitlich 0,4 H abgesenkt worden ist (§ 6 Abs. 5 Satz 1 HBauO). Wie der Begründung des Gesetzentwurfs (Bü-Drucks. 18/2549 S. 34 und 42) entnommen werden kann, ist der Gesetzgeber dabei ausdrücklich davon ausgegangen, dass das Maß von 0,4 H ausreichend ist, um die bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen an den Zugang von Licht, Luft und Sonne, den Brandschutz und den "Sozialabstand" zu sichern. Diese gesetzgeberische Bewertung indiziert im Hinblick auf die genannten Belange auch weiterhin, dass der Nachbar ein mehr an Rücksichtnahme aus tatsächlichen Gründen nicht verlangen kann. Dass Baustufenpläne keine Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen enthalten, gibt entgegen der Auffassung der Antragstellerin zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Die Antragstellerin legt nicht nachvollziehbar dar, aus welchem Grunde insoweit anderes gelten sollte, zumal auch viele qualifizierte Bebauungspläne keine Festsetzungen bezüglich der hier in Rede stehenden seitlichen Grenzabstände enthalten.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Vorhaben des Beigeladenen die vorgeschriebenen Abstandsflächen einhält. Die von der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung angeführten Maße finden in den gesetzlichen Vorgaben zur Berechnung der Abstandsfläche und in den genehmigten Bauvorlagen keine Stütze. Nach § 6 Abs. 4 HBauO bemisst sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe, die rechtwinklig zur Wand gemessen wird. Wandhöhe ist das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wandaußenseite mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss mit der Wand. Die Höhe von Dächern mit einer Neigung von weniger als 70 Grad wird nur zu einem Drittel der Wandhöhe hinzugerechnet. Danach hat das Verwaltungsgericht die Wandhöhe zutreffend mit 6,88 m (zuzüglich 0,57 m Geländehöhendifferenz) beziffert. Die Höhe des Geländers der Dachterrasse spielt entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Rolle. Ebenso unzutreffend ist ihr Einwand, dass die Wand des 5 m breiten Treppenhauses bis zur Dachhaut hochgezogen sei. Die Wand schließt vielmehr bei 7,93 m (zuzüglich 0,57 m Geländehöhendifferenz) unterhalb des Schnittpunktes der Außenwand des zurückgesetzten dritten Geschosses mit der Dachhaut ab. Wie sich aus dem Abstandsflächennachweis in der genehmigten Bauvorlage 240/4 ergibt, ist die Abstandsfläche insoweit gesondert berechnet worden und das Maß von 0,4 H ebenfalls gewahrt. Die absolute Firsthöhe des Gebäudes ist infolge einer Dachneigung von nur 20 Grad für die Berechnung der Abstandsfläche unerheblich.

Anhaltspunkte dafür, dass sich das Vorhaben des Beigeladenen trotz Einhaltung der Abstandsflächen wegen einer Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder Besonnung oder wegen entstehender Einsichtsmöglichkeiten ausnahmsweise als rücksichtslos erweisen könnte, sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Soweit die Antragstellerin unter pauschalem Hinweis auf die Bauordnungen anderer Bundesländer einen Lichteinfallswinkel von mindestens 45 Grad für erforderlich hält, kann offen bleiben, ob dieser hier gewährleistet ist. Denn jedenfalls lässt weder das hamburgische Bauordnungsrecht derartige Anforderungen erkennen noch gewährleistet das Rücksichtnahmegebot eine bestimmte Dauer oder "Qualität" der natürlichen Belichtung oder die unveränderte Beibehaltung einer insoweit zuvor gegebenen Situation. Soweit sich die Antragstellerin außerdem durch Einsichtsmöglichkeiten, insbesondere von der Dachterrasse und dem Balkon auf der Ostseite des Gebäudes des Beigeladenen, beeinträchtigt sieht, sind diese Beeinträchtigungen zumutbar. Einblicksmöglichkeiten von Nachbargrundstücken in Gärten, Terrassen und Fenster sind unter den Bedingungen der sich in einer Großstadt notwendigerweise verdichtenden Bebauung nicht zu vermeiden und damit eine grundsätzlich hinzunehmende Selbstverständlichkeit. Erst wenn die Einsichtsmöglichkeiten ein unübliches Maß erreichen, sind sie als rücksichtslos zu bewerten. Davon ist hier nicht auszugehen.

bb) Ob für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch unter dem Gesichtspunkt einer erdrückenden Wirkung in der Regel kein Raum ist, wenn die nach § 6 Abs. 5 HBauO erforderliche Tiefe der Abstandsfläche von 0,4 H eingehalten wird, kann offen bleiben. In Fällen, in denen unter der Geltung des alten Rechts das so genannte Schmalseitenprivileg des § 6 Abs. 9 Satz 2 Nr. 2 HBauO 1986 zum Tragen gekommen wäre, erscheint die Verringerung der Tiefe der Abstandsfläche von 0,5 H auf 0,4 H eher unbedeutend, zumal nach § 6 Abs. 6 Satz 2 HBauO 1986 Dächer erst bei einer Neigung von mehr als 45 Grad bei der Berechnung der Abstandsfläche zu berücksichtigen waren. Dies könnte in derartigen Fällen - auch wenn die Verhinderung eines "Einmauerns" nach den Gesetzesmaterialien möglicherweise nicht (mehr) zu den Schutzgütern des § 6 HBauO gehört - nahe legen, auch weiterhin (vgl. zur bisherigen Rspr. z.B. OVG Hamburg, Beschl. v. 13.9.2005, 2 Bf 334/03; v. 30.12.2003, 2 Bs 567/03 und v. 11.12.2000, 2 Bf 86/01) davon auszugehen, dass eine unzumutbare erdrückende Wirkung eines Vorhabens gegenüber der Nachbarschaft regelmäßig ausscheidet, wenn dieses die vorgeschriebene Abstandsfläche wahrt. Anderes könnte in Fällen gelten, in denen - wie hier - die Tiefe der Abstandsfläche nach altem Recht 1 H betragen hätte und damit die Absenkung auf 0,4 H auch in tatsächlicher Hinsicht wesentlich deutlichere Veränderungen mit sich bringen dürfte (vgl. auch OVG Bautzen, Beschl. v. 20.10.2005, BauR 2006, 1104). Die Fragen bedürfen aber keiner Vertiefung. Denn jedenfalls lässt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles - die im Übrigen auch schon das Verwaltungsgericht gewürdigt hat - nicht feststellen, dass von dem Vorhaben des Beigeladenen eine erdrückende Wirkung ausgeht.

Das Nebeneinander einer dreigeschossigen und einer eingeschossigen Bebauung erzeugt als solches noch keine erdrückende Wirkung (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 17.1.2002, a.a.O., S. 457). Auch sonst ist ein grobes Missverhältnis zwischen den Baukörpern nicht zu erkennen. Dass die Firsthöhe des Gebäudes des Beigeladenen mit 11,60 m die Firsthöhe des Gebäudes der Antragstellerin um rund 5 m überragt, ist nicht als ungewöhnlich anzusehen. Eine Differenz in dieser Größenordnung ist häufiger anzutreffen, z.B. weil Dächer unterschiedlich gestaltet sind oder weil ein Grundstückseigentümer - wie hier die Antragstellerin - die Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht ausnutzen kann oder will. Auch von der Gebäudelänge geht eine Wirkung, die den Eindruck des Eingemauertseins vermitteln könnte, nicht aus. Wie sich aus den genehmigten Bauvorlagen ergibt, hat das Gebäude des Beigeladenen eine Länge von 20,10 m und ist damit sogar geringfügig kürzer als das Gebäude der Antragstellerin, das nach dem Auszug aus der Liegenschaftskarte (Vorlage 240/1) etwa 20,75 m misst. Selbst wenn Letzteres unzutreffend sein sollte - im von Architekten erstellten Lageplan (Vorlage 240/4) ist das Gebäude der Antragstellerin nur mit einer Länge von etwa 16,60 m verzeichnet -, würde sich daraus aber noch keine rücksichtslose Abriegelung ihres Grundstücks ergeben. Denn das Vorhaben des Beigeladenen nimmt nicht einmal die Hälfte der etwa 47 m langen gemeinsamen Grundstücksgrenze ein. Soweit die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung ein anderes Zahlenwerk aufmacht, wird dies den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht. Weder erscheint es gerechtfertigt, den Anbau an ihrem Wohnhaus deshalb außer Betracht zu lassen, weil er mit einem Flachdach versehen ist, noch kann der Länge des Hauses des Beigeladenen der Balkon auf der Ostseite hinzugerechnet werden. Auch der Abstand des Vorhabens des Beigeladenen zur Grundstücksgrenze der Antragstellerin, der zwischen 2,98 m und 3,61 m beträgt, gibt für eine erdrückende Wirkung nichts her, zumal das Grundstück der Antragstellerin in östlicher, südlicher und westlicher Richtung frei von größerer Bebauung ist und auf diese Weise entlastet wird. Darüber hinaus ist die von der Antragstellerin empfundene Enge wesentlich darauf zurückzuführen, dass ihr eigenes Haus teilweise nur einen Abstand von weniger als 1 m zum Grundstück des Beigeladenen einhält. Unabhängig davon, ob und ggf. aus welchen Gründen diese Stellung des Baukörpers seinerzeit ohne gleichzeitige Eintragung einer öffentlich-rechtlichen Baubeschränkung auf dem Nachbargrundstück genehmigt worden ist, hat die Antragstellerin jedenfalls keinen Anspruch darauf, dass der Beigeladene bei der Gestaltung der Bebauung seines eigenen Grundstücks nunmehr die Nachteile ausgleicht, die dem Grundstück der Antragstellerin aufgrund der grenznahen Bebauung anhaften.

cc) Sofern die Antragstellerin weiter geltend macht, dass das Gebäude des Beigeladenen aufgrund seiner Dimensionierung nicht mit der vorhandenen Bebauung im Einklang stehe und eine Veränderung des Gebietscharakters auslöse, ergibt sich auch daraus keine Verletzung ihrer Rechte. Der Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters, welchen die Antragstellerin vor Augen haben mag und dessen erfolgreiche Geltendmachung eine tatsächliche Beeinträchtigung nicht voraussetzt, bezieht sich lediglich auf die Art der baulichen Nutzung (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.9.1993, BVerwGE 94, 151). Ein Widerspruch zur Wohngebietsausweisung steht hier indes nicht in Rede. Das Gebot der Rücksichtnahme schützt den Nachbarn weder vor Veränderungen des vorhandenen Wohnmilieus noch vermittelt es einen Anspruch auf Wahrung einer Harmonie mit der vorhandenen Bebauung. Vielmehr ist es darauf beschränkt, im Einzelfall Störungen abzuwehren, die dem Nachbarn billigerweise nicht zumutbar sind.

2. Sollte die im Baustufenplan Bahrenfeld festgesetzte Zahl der Vollgeschosse im hier maßgeblichen Bereich funktionslos sein und sich das Bauvorhaben deshalb insoweit - wie die Beschwerde geltend macht - nach § 34 BauGB beurteilen, wäre die Antragstellerin durch das genehmigte Vorhaben ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzt. § 34 BauGB gewährt nicht generell Nachbarschutz (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 19.10.1995, NVwZ 1996, 888). Die Ausführungen der Beschwerde, die sich mit der objektiv-rechtlichen Frage beschäftigen, ob sich das Vorhaben des Beigeladenen hinsichtlich der Zahl der genehmigten Geschosse i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, sind deshalb ohne Belang. Dasselbe gilt, soweit die Antragstellerin von einer faktischen rückwärtigen Baugrenze ausgeht und geltend macht, dass diese jedenfalls durch den Balkon auf der Ostseite des Vorhabens des Beigeladenen überschritten werde. Ein unmittelbar durch eine faktische Baugrenze vermittelter Nachbarschutz kommt nicht in Betracht (vgl. auch OVG Bautzen, Beschl. v. 20.10.2005, a.a.O.). Die Abwehrrechte der Antragstellerin sind deshalb im Anwendungsbereich des § 34 BauGB wiederum auf das Gebot der Rücksichtnahme beschränkt, dessen Verletzung sich hier aber - wie dargelegt - nicht feststellen lässt.

III. Die Antragstellerin kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragsgegnerin den Grundstückseigentümern in dem betreffenden Gebiet zur Wahrung nachbarlicher Belange jahrzehntelang aufgegeben habe, abweichend von der im Baustufenplan Bahrenfeld festgesetzten Zahl von zwei Vollgeschossen lediglich eingeschossig zu bauen. Selbst wenn eine solche Praxis bestanden haben sollte - was bereits nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin zweifelhaft ist, weil sie die eingeschossige Bebauung in anderem Zusammenhang selbst auf den tatsächlichen Zuschnitt der Grundstücke zurück-führt -, würde sich daraus aber keine Verletzung ihrer Rechte ergeben. Entscheidungen der Bauaufsichtsbehörde stehen der Beschlussfassung der zuständigen Organe über einen Bebauungsplan nicht gleich. Es fehlt daher ersichtlich an einer planerischen Entscheidung, anhand derer sich beurteilen ließe, ob eine bestimmte Vorgabe nachbarschützend sein oder ausschließlich städtebauliche Ziele verfolgen soll.

IV. Ohne Belang ist schließlich, ob das Grundstück der Antragstellerin - wie sie geltend macht - durch das genehmigte Vorhaben einen Wertverlust erleidet. Einen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, dass ein Nachbar im Baurecht einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung bewahrt zu werden, gibt es nicht. Abwehransprüche sind insoweit nur dann gegeben, wenn die Wertminderung die Folge einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist, d.h. die Folge der dem Betroffenen unzumutbaren Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeiten seines Grundstücks, oder der Verletzung einer anderen nachbarschützenden Norm (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.11.1997, NVwZ-RR 1998, 540; OVG Hamburg, Beschl. v. 27.10.2005, 2 Bf 320/03 m.w.N.). Für diese Voraussetzungen ist hier nichts ersichtlich, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt

V. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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