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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 10.06.2009
Aktenzeichen: 2 Bs 71/09
Rechtsgebiete: BezVG, VwGO


Vorschriften:

BezVG § 21
BezVG § 34
VwGO § 123 Abs. 1
1. Das Recht der Vertrauensleute eines zustande gekommenen Bürgerbegehrens auf Durchführung eines Bürgerentscheids ist so lange in Form einer Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig, wie die Bezirksversammlung dem Anliegen nicht unter Wahrung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 7 Satz 1 BezVG zugestimmt hat.

2. Die Zustimmung der Bezirksversammlung zu einem zustande gekommenen Bürgerbegehren, die nach § 32 Abs. 7 BezVG die Durchführung eines Bürgerentscheids über den Gegenstand des Bürgerbegehrens entfallen lässt, liegt nur dann vor, wenn die Bezirksversammlung den Fragen des Bürgerbegehrens in unveränderter oder in einer von den Vertrauensleuten des Bürgerbegehrens gebilligten Form zustimmt.

Abseits allenfalls geringfügiger redaktioneller Korrekturen fehlt es hieran, wenn die Bezirksversammlung ihre Zustimmung zu einer vom Bezirksamt veränderten Fassung des Begehrens erklärt, die dieses aufgrund seiner Rechtsauffassung über die Grenzen des Entscheidungsrechts der Bezirksversammlung gemäß § 21 BezVG formuliert hat.

3. Eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehren i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 BezVG setzt materiell nicht mehr voraus, als dass es um eine Angelegenheit geht, in der die Bezirksversammlung - mit Ausnahme von Personalentscheidungen und Entscheidungen über den Haushalt gemäß § 32 Abs. 1 BezVG - Beschlüsse fassen kann (wie OVG Hamburg, Urt. v. 14.11.2002 - 2 Bf 452/00).

4. Ob sich die Fragestellung des Bürgerbegehrens eindeutig innerhalb der der Bezirksversammlung durch § 21 BezVG gezogenen Grenzen hält, ist erst nach Durchführung des Bürgerentscheids in entsprechender Anwendung von § 22 BezVG zu prüfen (wie OVG Hamburg, Urt. v. 14.11.2002 - 2 Bf 452/00). Anderes gilt nur für solche Bürgerbegehren, deren Inhalt in so eklatanter Weise gegen die Rechtsordnung, z.B. die Strafgesetze verstößt, dass bereits die öffentlich werbende Aktivität für das Begehren mit ihr unvereinbar ist (wie OVG Hamburg, Beschl. v. 5.5.1999, NordÖR 1999, 408 f.).


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

2 Bs 71/09

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, am 10. Juni 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 14. April 2009 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller, die die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens "Hände weg vom Isebek" sind, begehren die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel, dass die Organe des Bezirks Eimsbüttel Maßnahmen zu unterlassen haben, die einer Durchführung eines Bürgerentscheids zuwiderlaufen.

Am 19. August 2008 zeigte der Antragsteller zu 3. das Bürgerbegehren "Händeweg vom Isebek" schriftlich beim Bezirksamt Eimsbüttel an. Nach einem Beratungsgespräch im Bezirksamt tags darauf, in dem es um die Formulierung der Fragestellung gegangen war, änderte er diese ab und zeigte das Bürgerbegehren am 21. August 2008 erneut an. Es enthielt nunmehr die zu entscheidende Fragestellung:

"Sind Sie für die Erhaltung und die naturnahe Gestaltung des Grünzugs am Isebekkanal zwischen Weidenstieg und Hoheluftbrücke, seine vollständige Bewahrung vor strukturverändernden Abholzungen, vor Bebauung, Versiegelung und anderen beeinträchtigenden Nutzungen, seine Erweiterung auf den Bereich zwischen U-Bahnhof Hoheluftbrücke und Isebekkanal, seine Ausweisung als öffentliche Grün- und Erholungsanlage unter dem Namen Isebek-Park mit Unterschutzstellung der ökologisch wertvollen Ufergehölze, sowie für die entsprechende Änderung des Bebauungsplans Hoheluft-West 13/Harvestehude 12?"

Mit Schreiben vom 21. August 2008 erklärte das Bezirksamt die Anzeige des Bürgerbegehrens für bewirkt. Mit Schreiben vom 5. September 2008 stellte es fest, dass am 29. August 2008 ein Drittel der für das Zustandekommen des Bürgerbegehrens erforderlichen Unterschriften bei ihm abgegeben worden seien, so dass die dreimonatige Sperrwirkung des § 32 Abs. 5 Satz 1 BezVG eingetreten sei. Mit Bescheid vom 23. Januar 2009, dem Antragsteller zu 1. am 24. Januar und den Antragstellern zu 2. und 3. am 26. Januar 2009 zugestellt, stellte das Bezirksamt fest, dass das Bürgerbegehren gemäß § 32 Abs. 3 BezVG zustande gekommen sei. Unter 2. erklärte es das Bürgerbegehren mit folgendem Inhalt für zulässig:

"(1) Das Bezirksamt Eimsbüttel wird aufgefordert, sämtliche geplanten oder bereits begonnenen Grünordnungsmaßnahmen entlang des Grünzugs am Isebekkanal, zwischen Weidenstieg und Hoheluftbrücke, einzustellen, insbesondere jegliche strukturverändernden Abholzungen, Versiegelungen, Bebauungen und andere beeinträchtigende Nutzungen, die die Erhaltung und die naturnahe Gestaltung des Grünzugs gefährden, wie z.B. die Rodung von Bäumen und Sträuchern bei der Instandsetzung des Geh- und Radweges zwischen Weidenstieg und Bundesstraße, zu unterlassen.

(2) Dem Bezirksamt Eimsbüttel wird empfohlen, den Bebauungsplanentwurf Hoheluft-West13/Harvestehude 12 im Bereich zwischen Isebekkanal, U-Bahnhof Hoheluftbrücke und der westlichen Grenze des Plangebiets dahingehend zu ändern, dass die bisher als Straßenverkehrs- und Mischgebietsflächen ausgewiesenen Flächen nunmehr als Erweiterung des Grünzugs an dem Isebekkanal als öffentliche Grünflächen festgesetzt werden.

(3) Die Bezirksversammlung Eimsbüttel empfiehlt der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, ein Verfahren zur Übernahme der bestehenden Flächen des Grünzugs am Isebekkanal, zwischen Weidenstieg und Hoheluftbrücke, sowie für den Fall der künftigen Festsetzung öffentlicher Grünflächen im Bebauungsplan Hoheluft 13/Harvestehude 12 zwischen Isebekkanal, U-Bahnhof Hoheluftbrücke und der westlichen Grenze des Plangebiets, unter dem Namen ,Isebek-Park' in das Verzeichnis über Grün- und Erholungsanlagen einzuleiten und zugleich ein naturschutzrechtliches Verfahren zur Unterschutzstellung der ökologisch wertvollen Ufergehölze zu betreiben."

Das Bezirksamt führte zu der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens aus: Da es in einem einzigen Satz mehrere Gegenstände zusammenfasse, die zum Teil positiv, zum Teil negativ formuliert seien, und es deshalb nicht möglich wäre, dass die Bezirksversammlung einen entsprechenden Beschluss mit dem gleichen Wortlaut fasse, seien die einzelnen Gegen-stände des Bürgerbegehrens getrennt zu betrachten. Diese seien dabei insbesondere nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck auszulegen. In diesem Zusammenhang sei u.a. festzustellen, dass ein Beschluss der Bezirksversammlung - die Zustimmung zur Feststellung des Bebauungsplans Hoheluft-West13/Harvestehude 12 zu verweigern, sollte die im Bürgerbegehren bezeichnete Fläche zwischen Isebekkanal, U-Bahnhof Hoheluftbrücke und westlicher Plangrenze nicht als öffentliche Grünanlage ausgewiesen werden - rechtswidrig und das Bürgerbegehren wegen der Überschreitung der Grenzen des Entscheidungsrechts der Bezirksversammlung i.S.d. § 21 BezVG unzulässig wäre. Zu Gunsten des Bürgerbegehrens werde daher die Forderung "Sind Sie für die Erweiterung [des Grünzugs ...] auf den Bereich zwischen U-Bahnhof Hoheluftbrücke und Isebekkanal und die entsprechende Änderung des Bebauungsplans Hoheluft-West13/Harvestehude 12", als rechtlich nicht bindende, aber fachlich zu berücksichtigende Empfehlung der Bezirksversammlung an das Bezirksamt ausgelegt, den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan so zu ändern, dass für den betroffenen Bereich statt der Ausweisung als Mischgebiets- und Verkehrsflächen öffentliche Grünfläche festgesetzt werde. In dieser Auslegung sei das Bürgerbegehren zulässig.

Am 26. Februar 2009 erhoben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Klage (Az. 13 K 475/09) und kündigten als Antrag an,

"den Bescheid der Beklagten vom 23.01.09 hinsichtlich Ziff. 2. aufzuheben und festzustellen, dass das Bürgerbegehren mit folgendem Inhalt ... zulässig ist:

(1) Das Bezirksamt Eimsbüttel wird aufgefordert, den Grünzug am Isebek-Kanal zwischen Weidenstieg und Hoheluftbrücke zu erhalten und naturnah zu gestalten, ihn vor strukturverändernden Abholzungen, vor Bebauung, Versiegelung und anderen beeinträchtigenden Nutzungen zu bewahren und ihn entsprechend dem geltenden Baustufenplan auf den Bereich zwischen U-Bahnhof Hoheluftbrücke und Isebek-Kanal zu erweitern. Insbesondere sind folgende Maßnahmen zu unterlassen:

a. die geplanten Rodungen von Bäumen und Sträuchern bei der Instandsetzung des Geh- und Radweges zwischen Weidenstieg und Bundesstraße.

b. die geplanten Ausbauten am Ende des Isebek-Kanals am Weidenstieg. Die dort bereits gerodeten Bereiche sind naturnah wieder herzustellen.

(2) Die Bezirksversammlung stimmt einem von der Bezirksverwaltung festgestellten Bebauungsplan Hoheluft 13/Harvestehude 12 nur zu, wenn auf die Bebauung, Vermauerung und Privatisierung des Isebekufers, die Errichtung des bisher geplanten Büro- und Geschäftsgebäudes vor dem U-Bahn[hof] Hoheluftbrücke (Hoheluft-Kontor) mit einer versiegelten Fläche bis an den Isebekkanal sowie den Bau einer Tiefgarage mit Zufahrt über die Straße Kaiser-Friedrich-Ufer verzichtet wird und dieser Bereich, unter Anwendung des geltenden Baustufenplans, als öffentliche Grünfläche ausgewiesen wird.

(3) Das Bezirksamt Eimsbüttel wird aufgefordert, alle seine durch die Bezirksverwaltungsreform übertragenen Zuständigkeiten zu nutzen und einzusetzen, um gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt den Isebekkanal und alle ihn umgebenden Grünflächen als Öffentliche Grün- und Erholungsanlage unter dem Namen Isebek-Park ausweisen zu lassen. Dabei sollen die ökologisch wertvollen Ufergehölze unter besonderen Schutz gestellt werden, in das Biotopverbundsystem aufgenommen und entsprechend planerisch gesichert werden."

Die Bezirksversammlung Eimsbüttel stimmte in ihrer Sitzung am 26. Februar 2009 dem Bürgerbegehren i.d.F. des Bescheides vom 23. Januar 2009 zu.

Am 29. März 2009 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Mit Beschluss vom 14. April 2009, der Antragsgegnerin am 20. April 2009 zugestellt, hat das Verwaltungsgericht dieser im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, eine dem Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung durch die Bezirksorgane zu treffen. Zur Begründung heißt es in dem Beschluss, die Sperrwirkung des § 32 Abs. 5 Satz 1 BezVG bestehe mit hoher Wahrscheinlichkeit weiterhin. Daher sei die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Sperrwirkung zunächst zu beachten. Sie habe nicht durch die Zulässigkeitserklärung und den entsprechenden Beschluss der Bezirksversammlung ihr Ende gefunden, da der Bescheid vom 23. Januar 2009 in Wahrheit keine Zulässigkeitserklärung für das Bürgerbegehren darstelle, sondern dessen Zulässigkeit im Ergebnis ablehne. Die Antragsteller besäßen indes mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf Erklärung der Zulässigkeit ihres Bürgerbegehrens, wie es im Amtlichen Anzeiger 2008 S. 1840 bekannt gemacht und von den Bürgern unterstützt worden sei. Im Bescheid vom 23. Januar 2009 habe der Text des Bürgerbegehrens nicht verändert werden dürfen, jedenfalls nicht in der Weise, dass der erkennbare Wille der Bürger wesentlich verändert werde. Die Antragsteller hätten von Anfang an deutlich gemacht, dass es ihnen darum gehe, einen Bebauungsplan zu verhindern, der in den bestehenden Zustand eingreife. Das werde besonders plastisch durch das Motto des Bürgerbegehrens ausgedrückt: "Hände weg vom Isebek" verstehe jeder Bürger so, dass am Isebek nicht gerührt werden solle, auch wenn - aus der Sicht der Antragsteller - über Verbesserungen des gegenwärtigen Zustands nachgedacht werden könne. Wenn aber solche nicht beschlossen würden, sollten andere Planungen nicht rechtsverbindlich werden. Ob der amtlich bekannt gemachte Text in allen Details unverändert bleiben könne oder ob - wie es § 32 Abs. 7 BezVG vorsehe - mit den Vertrauensleuten noch eine andere Form abgestimmt werden sollte, könne offen bleiben. Denn eine ordnungsgemäße Zulässigkeitserklärung über das Bürgerbegehren (und nicht über einen anderen Text) sei bisher nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin werde dies nachzuholen haben. Das zentrale Anliegen des Bürgerbegehrens, einen unerwünschten Bebauungsplan zu verhindern, werde die Antragsgegnerin ohne besondere Interpretationsbemühungen als Begehren auffassen müssen, die Bezirksversammlung möge der Feststellung eines solchen Bebauungsplans nicht zustimmen. Ein Bürgerbegehren mit einem solchen Inhalt sei rechtlich zulässig (siehe VG Hamburg, Urt. v. 20.11.2007, NordÖR 2008, 167 ff.). Da die Antragsteller auf eine solche Zulässigkeitserklärung einen Anspruch besäßen, greife auch die Sperrwirkung des § 32 Abs. 5 BezVG. Am 22. April 2009 hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt, die von ihr am 14. Mai 2009 begründet worden ist.

II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beschwerde ist gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO unbegründet, da die mit ihr dargelegten Gründe, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist, keine Veranlassung geben, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.

1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend den Erlass einer Sicherungsanordnung i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO für statthaft erachtet. Da ein Fall des § 80 VwGO nicht vorliegt - in der Hauptsache ist eine Verpflichtungsklage, gerichtet auf den Erlass eines feststellenden Verwaltungsaktes über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, die richtige Klageart (siehe dazu OVG Hamburg, Urt. v. 14.11.2002, 2 Bf 452/00, S. 10 f. UA) -, sind die Absätze 1 bis 3 des § 123 VwGO gemäß dessen Absatz 5 anwendbar. Streitgegenstand ist die vorbeugende vorläufige Sicherung des Rechts der Bürgerinnen und Bürger, die das Bürgerbegehren "Händeweg vom Isebek" durch ihre Unterschrift unterstützt haben, auf Durchführung eines Bürgerentscheids mit der Fragestellung, wie sie der Anzeige des Bürgerbegehrens vom 21. August 2008 zugrunde gelegen hat. Das Recht der Unterzeichnenden auf Durchführung eines Bürgerentscheides ist im Übrigen so lange sicherungsfähig i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wie dem Anliegen unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 7 Satz 1 BezVG durch die Bezirksversammlung nicht zugestimmt worden ist.

2. Entgegen der Rechtsansicht der Antragsgegnerin ist dieses Recht auf Durchführung eines Bürgerentscheides nicht durch die am 26. Februar 2009 erfolgte Zustimmung der Bezirksversammlung Eimsbüttel zu dem Bürgerbegehren i.d.F. des Bescheides vom 23. Januar 2009 untergegangen. Ein Bürgerentscheid über den Gegenstand des Bürgerbegehrens wird gemäß § 32 Abs. 7 Satz 1 BezVG zwar nicht durchgeführt, sofern die Bezirksversammlung dem Anliegen des Bürgerbegehrens innerhalb von zwei Monaten unverändert oder in einer Form zugestimmt hat, die von den Vertrauensleuten gebilligt worden ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier aber, da eine Zustimmung durch die Bezirksversammlung in unveränderter oder gebilligter Form nicht vorliegt. Eine Zustimmung in unveränderter Form lässt allenfalls geringfügige redaktionelle Korrekturen zu, aber nicht die von dem Bezirksamt vorgenommene nach seiner Rechtsauffassung, an den Grenzen des Entscheidungsrechts der Bezirksversammlung (§ 21 BezVG) ausgerichtete Auslegung des Bürgerbegehrens. Denn diese Auslegung hat nicht nur den Wortlaut und den Inhalt der zu entscheidenden Fragestellung geändert, sondern sie ist auch entgegen der Annahme der Antragsgegnerin im Rahmen der Zulässigkeitsentscheidung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 BezVG weder rechtlich geboten noch zulässig (dazu sogleich unter 4.). Inhaltliche Änderungen sind jedenfalls darin zu sehen, dass das Bezirksamt die angezeigte Fragestellung um unterschiedliche Äußerungsformen (Entscheidung oder Empfehlung) und Adressaten ergänzt hat. In dieser Form haben die Antragsteller als Vertrauensleute der Unterzeichnenden die Zustimmung der Bezirksversammlung zum Bürgerbegehren auch nicht gebilligt.

Die Notwendigkeit einer Auslegung des Bürgerbegehrens lässt sich nicht, wie die Antragsgegnerin meint, aus dem Umstand ableiten, dass die Bezirksversammlung gemäß § 32 Abs. 7 BezVG die Möglichkeit hat, sich dieses zu Eigen zu machen. Sofern die Bezirksversammlung das Anliegen des Bürgerbegehrens in seiner ursprünglichen Form ebenso wie das Bezirksamt (teilweise) für materiell rechtswidrig gehalten haben sollte, konnte sie dieser Auffassung ohne weiteres dadurch Ausdruck verleihen, dass sie aus diesem Grunde das Bürgerbegehren (teilweise) nicht übernimmt. Andererseits hat das Bezirksamt gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 BezVG selbst - zutreffend - festgestellt, dass das Bürgerbegehren eine mit "Ja" oder "Nein" zu entscheidende Fragestellung enthält, so dass die Bezirksversammlung nicht daran gehindert war, ihm in unveränderter Form zuzustimmen. Dass Beschlüsse der Bezirksversammlung möglicherweise wegen eines Verstoßes gegen § 21 BezVG gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 BezVG der Beanstandung durch die Bezirksamtsleitung unterliegen, ist ein generelles Risiko. Dieses hat der Gesetzgeber billigend in Kauf genommen, als er es in § 32 Abs. 7 Satz 1 BezVG für zulässig erachtet hat, dass die Bezirksversammlung ein Bürgerbegehren in unveränderter, d.h. möglicherweise auch die Grenzen des § 21 überschreitender Form, übernehmen kann.

3. Soweit die Antragsgegnerin die Ausführungen des Verwaltungsgerichts rügt - es sei bereits zweifelhaft, welche Aufgabe eine Zulässigkeitserklärung nach § 32 Abs. 4 BezVG habe, es wäre vermutlich sinnvoller, wenn über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens bereits nach dessen Anzeige, spätestens nach Erreichen des Drittelquorums entschieden werde und dass sich eine Zulässigkeitserklärung, nachdem der Text des Bürgerbegehrens von der Antragsgegnerin bei dessen Anzeige für gesetzeskonform gehalten worden sei, eigentlich nur noch darauf beziehen könne, ob das notwendige Quorum gemäß § 32 Abs. 3 BezVG erreicht worden sei -, verhilft dies der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn bei diesen Einlassungen handelt es sich ausschließlich um beiläufige Bemerkungen, die rechtspolitischer Art bzw. nicht entscheidungserheblich sind.

4. Die Angriffe der Antragsgegnerin gegen die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts - die Antragsteller hätten den für den Erlass einer Sicherungsanordnung erforderlichen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass ein Anspruch auf die Feststellung bestehe, das Bürgerbegehren sei mit der angezeigten Fragestellung zulässig - greifen nicht durch.

In der Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (Urt. v. 14.11.2002, 2 Bf 452/00, S. 12 ff. UA) ist bereits geklärt, dass eine positive Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 BezVG materiell nichts weiter voraussetzt, als dass es um eine Angelegenheit geht, in der die Bezirksversammlung Beschlüsse fassen kann; hiervon ausgenommen sind Personalentscheidungen und Beschlüsse über den Haushalt (§ 32 Abs. 1 BezVG). Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin lässt sich weder aus § 32 BezVG noch der Systematik des Gesetzes ableiten, dass ein Bürgerbegehren nur zulässig ist, wenn sich die Fragestellung eindeutig innerhalb der Grenzen hält, die der Bezirksversammlung durch § 21 BezVG für Entscheidungen gezogen sind. Das zitierte Urteil des Senats vom 14. November 2002 bezieht sich zwar noch auf die alte Vorschrift des § 8a BezVG (HmbGVBl. 1998 S. 207), die heute geltende Nachfolgeregelung des § 32 BezVG enthält insoweit jedoch keine Änderungen. Demnach ist die von der Antragsgegnerin angestrengte Prüfung der Grenzen des § 21 BezVG nicht schon bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens vorzunehmen, sondern erst nach der Durchführung des Bürgerentscheids in entsprechender Anwendung des § 22 BezVG, so wie auch bei einem Beschluss der Bezirksversammlung die Prüfung erst vorgenommen wird, wenn er vorliegt. Anderes gilt nur für solche Bürgerbegehren, deren Inhalt - was hier nicht der Fall ist - in so eklatanter Weise gegen die Rechtsordnung, z.B. Strafgesetze verstößt, dass bereits die öffentlich werbende Aktivität für das Begehren mit ihr unvereinbar ist (OVG Hamburg, Beschl. v. 5.5.1999, NordÖR 1999, 408 f.).

Die Antragsgegnerin berücksichtigt in ihren Darlegungen nicht hinreichend, dass die rechtliche Verbindlichkeit eines Bürgerentscheides nicht das vordringliche Ziel eines Bürgerbegehrens ist. Das Bürgerbegehren ist vielmehr eine Form der direkten Demokratie, die den wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohnern eines Bezirks nicht nur die Möglichkeit gibt, unmittelbar auf Entscheidungen der Bezirksversammlung einzuwirken, sondern auch politische Meinungen, und sei es in der unverbindlichen Form einer Empfehlung, lediglich zu äußern. Ob sich ein Bürgerentscheid rechtlich endgültig durchsetzt, steht dabei ohnehin unter dem Vorbehalt der Befugnis des Senats, im Einzelfall Weisungen zu erteilen bzw. die Angelegenheit selbst zu erledigen (§ 42 Satz 2 BezVG). Ob der mit der Durchführung eines Bürgerentscheides verbundene Aufwand die erhofften Früchte trägt, ist auch nach einer positiven Zulässigkeitsentscheidung immer offen, weil ungewiss bleibt, ob die Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen (§ 32 Abs. 9 Satz 2 BezVG) erreicht wird. Eine gerichtliche Überprüfung der Vereinbarkeit der Fragestellung eines Bürgerbegehrens mit § 21 BezVG würde im Übrigen einen Zeitverlust mit sich bringen, der in Widerspruch zu dem gesetzgeberischen Ziel eines zügigen Verfahrensablaufs steht, wie es in der Verpflichtung des Bezirksamts nach § 32 BezVG zum Ausdruck kommt, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Bürgerbegehrens über dessen Zulässigkeit zu entscheiden (Absatz 4 Satz 1) und spätestens vier Monate nach der Zulässigkeitsentscheidung einen Bürgerentscheid durchzuführen (Absatz 7 Satz 1). Die Wirksamkeit und der Erfolg eines Bürgerbegehrens sind nicht zuletzt auch in hohem Maße von einem zügigen Verfahrensablauf abhängig, damit sich die zu entscheidende Fragestellung nicht durch reinen Zeitablauf überholt oder zusehends an Interesse verliert.

Dass die angezeigte Fragestellung, durchweg Angelegenheiten betrifft, in denen die Bezirksversammlung Beschlüsse fassen kann (siehe dazu §§ 19 Abs. 2 Satz 2, 27 Abs. 1 Satz 1 BezVG), ist von der Antragsgegnerin in dem angegriffenen Bescheid vom 23. Januar 2009 zutreffend zugrunde gelegt worden und wird von ihr in der Beschwerde auch nicht in Zweifel gezogen. Da die Antragsgegnerin zudem bei der Anzeige des Bürgerbegehrens das Vorliegen der formellen Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 BezVG bereits geprüft und zu Recht bejaht hat, ist deshalb ohne Weiteres von der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens auszugehen. Auf die vom Verwaltungsgericht erörterte Frage, wie das Bürgerbegehren richtigerweise auszulegen ist, kommt es für die Zulässigkeitsentscheidung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 BezVG nicht an. Infolgedessen wird die Antragsgegnerin über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens erneut entscheiden zu haben, damit spätestens nach vier Monaten über dessen Gegenstand ein Bürgerentscheid durchgeführt werden kann, sofern nicht die Bezirksversammlung dem Anliegen des Bürgerbegehrens innerhalb von zwei Monaten unverändert oder in einer Form zustimmt, die von den Antragstellern gebilligt wird.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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