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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 2 So 103/08
Rechtsgebiete: GVG, AufenthG


Vorschriften:

GVG § 17 Abs. 1 Satz 2
AufenthG § 23
AufenthG § 104a
1. Der Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird durch die Aufenthaltszwecke bestimmt und begrenzt, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet. Ein Aufenthaltsbegehren aus humanitären Gründen (Abschnitt 5 des Kapitels 2 des AufenthG) erfasst auch die im Laufe eines bereits anhängigen Berufungsverfahrens neu eingeführten Regelungen zum Bleiberecht für sog. Altfälle.

2. Erlässt die Ausländerbehörde während des Berufungsverfahrens gesonderte ablehnende Bescheide auf Anträge zum Bleiberecht für Altfälle, können die ablehnenden Bescheide in das anhängige Berufungsverfahren einbezogen werden, ohne dass eine Klageänderung vorliegt.

Auch ein formell bestandskräftig gewordener ablehnender Bescheid hindert das Gericht in einem derartigen Fall allerdings nicht, die Verpflichtung des beklagten Beteiligten auszusprechen, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

2 So 103/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 2. Senat, durch den Richter Dr. Ungerbieler und die Richterinnen Haase und Sternal am 17. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 15. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von den Antragstellern beabsichtigte Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt. Die Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO), da sie infolge anderweitiger Rechtshängigkeit der Sache gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG unzulässig wäre.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, verfolgen die Antragsteller bereits in dem vor dem beschließenden Senat anhängigen Berufungsverfahren 2 Bf 21/07 einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Der Streitgegenstand einer Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird durch die Aufenthaltszwecke bestimmt und begrenzt, aus denen der Ausländer seinen Anspruch herleitet (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.2007, BVerwGE 129, 226). Im Berufungsverfahren stützen die Antragsteller ihr Klagebegehren in tatsächlicher Hinsicht auf humanitäre Gründe, wie sie in Abschnitt 5 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes normiert sind. Dieses Begehren ist nach jeder in Betracht kommenden Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes zu beurteilen und erfasst damit auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der im Laufe des Prozesses erlassenen Weisung der Behörde für Inneres Nr. 1/2006 vom 29. November 2006 bzw. nach der durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) eingeführten Altfallregelung des § 104 a AufenthG (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.2007, a.a.O.; Urt. v. 27.6.2006, BVerwGE 126, 192, 194). Für eine weitere Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit Rücksicht auf die Bleiberechts- bzw. Altfallregelung ist deshalb kein Raum.

Daran ändert auch nichts, dass die Antragsgegnerin die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowohl nach der Weisung Nr. 1/2006 als auch nach § 104 a AufenthG nunmehr durch gesonderten Bescheid vom 21. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2008 abgelehnt hat. Gegenstand einer Verpflichtungsklage ist die Rechtsbehauptung des Klägers, einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts zu haben, den die Behörde durch ihren ablehnenden Bescheid zu Unrecht verneint habe. Die Behauptung, durch den Ablehnungsbescheid in eigenen Rechten verletzt zu sein, stellt ebenso wie das Begehren, ihn aufzuheben, lediglich ein unselbstständiges Element dieser weitergehenden Rechtsbehauptung dar. Ein Antrag auf Aufhebung des Ablehnungsbescheides als einem dem behaupteten Anspruch entgegenstehendes Hindernis ist daher für die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO ebenso wenig notwendig wie eine Aufhebung des Ablehnungsbescheides in einem der Verpflichtungsklage gemäß § 113 Abs. 5 VwGO stattgebenden Urteil (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.5.1987, DVBl. 1987, 1004 f. m.w.N.; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 113 Rn. 33, § 121 Rn. 30; Kilian in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 121 Rn. 51; Gerhard in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bd. II, Stand März 2008, § 113 Rn. 64), wenngleich beides in der Praxis aus Gründen der Klarstellung weitgehend üblich ist. In Anwendung dieser Grundsätze ist weiter geklärt, dass es keine Änderung des Streitgegenstands und deshalb auch keine nach § 91 VwGO zu beurteilende Klageänderung darstellt, wenn die Behörde ihren ursprünglichen Ablehnungsbescheid im Laufe des Prozesses durch einen neuen Ablehnungsbescheid ersetzt und der Kläger nunmehr diesen als Angriffsgegenstand in das Verfahren einbezieht (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.5.1987, a.a.O.). Nichts anderes kann gelten, wenn die Behörde - wie hier - ohne Aufhebung des vorherigen Bescheides in Verkennung der Reichweite des Streitgegenstands der bereits rechtshängigen Sache einen weiteren Ablehnungsbescheid erlässt. Die Behauptung des Klägers, auch durch diesen neuen Ablehnungsbescheid in seinen Rechten verletzt zu werden, ist wiederum nur ein unselbstständiges Element seiner weitergehenden, der anhängigen Klage unverändert zugrundeliegenden Rechtsbehauptung, einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts zu haben. Der Kläger kann daher den neuen Ablehnungsbescheid und einen etwaigen Widerspruchsbescheid ohne Weiteres in seine Verpflichtungsklage einbeziehen.

Von dieser Möglichkeit haben die Antragsteller im Berufungsverfahren 2 Bf 21/07 auch mit Schriftsatz vom 16. April 2008 Gebrauch gemacht. Mit dem Eingang dieses Schriftsatzes vor Ablauf der durch Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 2. April 2008 in Lauf gesetzten Rechtsmittelfrist ist gewährleistet, dass der ablehnende Bescheid vom 21. März 2007 nicht unabhängig vom Ausgang des Berufungsverfahrens in Bestandskraft erwächst. Es bedarf deshalb auch keiner isolierten Anfechtungsklage gegen diesen Bescheid, um dem anderenfalls, d.h. bei Bestandskraft möglicherweise entstehenden - unzutreffenden - Eindruck zu begegnen, es läge unabhängig vom Ausgang des Berufungsverfahrens eine bindende Entscheidung vor (vgl. zu dieser Fallgestaltung OVG Hamburg, Beschl. v. 17. 9.2008, 2 So 111/08; OVG Lüneburg, Beschl. v. 7.9.2007, 8 PA 83/07, juris).

Eine Kostenentscheidung ist im Beschwerdeverfahren gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst.

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