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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 15.09.2008
Aktenzeichen: 3 Bs 26/08
Rechtsgebiete: PBZugV


Vorschriften:

PBZugV § 1
Das Merkmal eines "schweren" Verstoßes gegen strafrechtliche Vorschriften im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBZugV ist nicht nach allgemeinen strafrechtlichen Kategorien, sondern - nicht anders als bei den in § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PBZugV aufgeführten Verstößen gegen für den ordnungsgemäßen Unternehmensbetrieb wichtige Rechtsvorschriften - im Hinblick auf die personenbeförderungsrechtliche Zuverlässigkeitsbeurteilung zu bestimmen.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

3 Bs 26/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth und Bertram sowie die Richterin Huusmann am 15. September 2008 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine Genehmigung zur Ausübung des Gelegenheitsverkehrs mit einer Taxe zu erteilen, mit der Erwägung abgelehnt, aufgrund ihrer Verurteilung durch das Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 16. Juni 2006 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, wegen in der Zeit von 2000 bis 2003 im Taxiunternehmen ihres Ehemannes begangener Beihilfe zum Betrug in 26 Fällen sowie in vier Fällen zur Steuerhinterziehung sei sie unzuverlässig im Sinne des Personenbeförderungsrechts. Die Taten stellten insbesondere in Anbetracht ihrer großen Zahl, des langen Tatzeitraumes und der Höhe des angerichteten Schadens von über 122.000,-- Euro schwer wiegende Verstöße im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (vom 15.6.2000, BGBl. I S. 851 - PBZugV -) dar; dem Strafurteil sei zu entnehmen, dass die Antragstellerin als für die Lohnbuchhaltung und die Meldungen gegenüber Kassen Zuständige und über alle Vorgänge Informierte einen gewichtigen Beitrag zu den Taten geleistet habe. Die Taten seien auch weiterhin personenbeförderungsrechtlich beachtlich, da sie erst Ende Juni 2009 nicht mehr in ein Führungszeugnis aufzunehmen sein würden. Der Umstand, dass die Antragstellerin zwischenzeitlich - aufgrund der auf zwei Jahre befristeten, in Unkenntnis der Straftaten erteilten Genehmigung vom November 2005 - beanstandungsfrei ihren Betrieb geführt habe, könne sie nicht entlasten.

Die Antragstellerin tritt mit ihrer Beschwerde der Ansicht des Verwaltungsgerichts entgegen, sie habe eine im Sinne des Personenbeförderungsrechts schwere Straftat begangen. Vielmehr handele es sich - in Abgrenzung zu schweren Straftaten wie Raub oder Mord und zu mittelschweren Straftaten, die bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr anzunehmen seien - um eine leichte Straftat. Da der Vorwurf einer schweren Straftat für einen Taxenunternehmer zu einer zwangsweisen Einstellung des Betriebes führe, sei die Bewertung der Straftat zumindest ähnlich dem Beamtenrecht vorzunehmen; insoweit sei zu beachten, dass eine Verurteilung zu einer 11-monatigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, nicht zu dem Verlust des Beamtenstatus führen würde.

Mit diesem Vorbringen wird der Ansatz des Verwaltungsgerichts nicht erschüttert, die abgeurteilten Straftaten der Antragstellerin als schwere Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PBZugV zu werten. Die Antragstellerin verkennt mit ihren Ausführungen, dass es nicht auf die von ihr vertretene allgemeine strafrechtliche Kategoriebildung - ähnlich der Unterscheidung zwischen Vergehen und Verbrechen gemäß § 12 StGB - ankommt, sondern auf einen spezifisch personenbeförderungsrechtlichen Begriff. Eine formale, allein am Strafmaß orientierte Schranke kann insoweit allenfalls über § 1 Abs. 2 Satz 2 PBZugV § 32 Abs. 2 BZRG entnommen werden, wonach bestimmte Verurteilungen - etwa nach Absatz 2 Nr. 5 b) der Vorschrift zu Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Monaten - keine Aufnahme in das Führungszeugnis und damit (möglicherweise) auch keine unmittelbare personenbeförderungsrechtliche Berücksichtigung finden sollen. Ein wesentlicher Maßstab für die inhaltliche Bestimmung des in diesem Zusammenhang maßgeblichen Schweregrades ergibt sich demgegenüber aus dem Vergleich mit dem Katalog sonstiger schwerer Verstöße nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PBZugV, die ebenfalls maßgebliche Anhaltspunkte für eine Unzuverlässigkeit bilden, ohne dass es - anders als nach Nr. 1 der Vorschrift - insoweit einer rechtskräftigen Verurteilung bedürfte. Der für die Rechtsanwendung entscheidende Unterschied zwischen den Fällen nach Nr. 1 und Nr. 2 besteht für den von Nr. 2 inhaltlich beschriebenen Sachbereich der Verstöße gegen für den ordnungsgemäßen Unternehmensbetrieb wichtige Rechtsvorschriften nicht in der Gewichtigkeit des Rechtsverstoßes, sondern darin, dass hier nicht eine rechtskräftige Verurteilung Tatbestandsvoraussetzung ist, sondern das jeweilige, den Rechtsverstoß begründende Handeln als Sachverhalt von der Genehmigungsbehörde selbst festgestellt werden muss. Liegen also - wie hier - rechtskräftig abgeurteilte Verstöße gegen strafbewehrte sozial- und abgabenrechtliche Pflichten (aus unternehmerischer Tätigkeit) vor, so ist der maßgebliche Schweregrad im Sinne von Nr. 1 der Vorschrift gleich zu beurteilen wie nach Nr. 2 der Vorschrift. Hierauf bezogen hat das Verwaltungsgericht überzeugend - und ohne dass die Antragstellerin dem zur Sache entgegen getreten wäre - ausgeführt, dass die von der Antragstellerin in dem Taxiunternehmen ihres Ehemannes in mitverantwortlicher Stellung über drei Jahre in 26 bzw. vier Fällen geleistete Beihilfe zu Verstößen gegen abgabenrechtliche und sozialversicherungsrechtliche Bestimmungen mit Schäden bei Sozialversicherern und Fiskus von insgesamt über 122.000,-- Euro als schwere Verstöße zu werten sind. Der Hinweis der Antragstellerin auf beamtenrechtliche Bestimmungen, wonach die rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat zu Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zur Beendigung des Beamtenverhältnisses führt (vgl. u.a. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG), legt demgegenüber mangels Vergleichbarkeit keinen entsprechenden Maßstab für die personenbeförderungsrechtliche Zuverlässigkeitsbeurteilung nahe. Die Antragstellerin übersieht, dass bei einer von einem Beamten begangenen Straftat, die mit einem geringeren Strafmaß belegt wäre, die anschließende disziplinarrechtliche Würdigung ebenfalls zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen kann, sowie, dass die Beendigung des Beamtenverhältnisses mit dem Verlust auch des Versorgungsanspruchs (vgl. § 49 Satz 1 BBG) für den Betroffenen grundsätzlich tiefer greifende Folgen hat als die - in Bezug auf die fragliche Straftat des Genehmigungsbewerbers - durch das bei Tilgungsreife eintretende Verwertungsverbot (§ 51 BZRG) zeitlich beschränkte personenbeförderungsrechtliche Sperrwirkung der eingetragenen Verurteilung.

Auch die Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe es nicht gebührend berücksichtigt, dass sie ihren Betrieb zwei Jahre lang beanstandungsfrei geführt habe, ist nicht geeignet, die Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss zu dieser Frage zu erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass es bei Vorliegen einer schweren strafrechtlichen Verurteilung auf eine Abwägung mit Umständen, die für eine Zuverlässigkeit sprechen könnten, nicht ankomme. Die Antragstellerin legt mit ihrer Beschwerde entgegen dem Erfordernis nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht dar, warum diese Begründung unzutreffend sein sollte.

Entsprechendes gilt für das Vorbringen, es sei "erstaunlich", dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit den Ausführungen auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 15. Januar 2008 auseinandergesetzt habe, bzw. es falle offenbar schwer, das widersprüchliche Verhalten der Antragsgegnerin zu rechtfertigen; auch insoweit ist nicht dargelegt, warum dies rechtsfehlerhaft sein sollte. Im Übrigen ist der in Bezug genommene Vortrag - wonach in einem inhaltlich nicht näher beschriebenen anderen Fall trotz abgabenstrafrechtlicher Verurteilung eine Genehmigung erteilt worden sei - rechtlich unerheblich, da es für die streitgegenständliche Genehmigung bzw. ihre Versagung nach § 13 Abs. 1 PBefG auf die gerichtlich voll überprüfbare Zuverlässigkeit und damit nicht auf eine gegebenenfalls dem Gleichbehandlungsgebot zu unterwerfende Beurteilungspraxis der Antragsgegnerin ankommt.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG. Entsprechend Nr. 47.4 des Vorschlags im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (DVBl. 2004, 1525) setzt das Beschwerdegericht den Streitwert für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - mit dem zwar in teilweiser Vorwegnahme der Hauptsache die Erteilung einer Genehmigung beantragt wird, dies jedoch mit gegenüber der Hauptsache weiterer zeitlicher Beschränkung (vgl. auch OVG Hamburg, Beschl. v. 20.6.2008, 3 Bs 48/08, juris) - in Höhe der Hälfte des für das Klageverfahren anzunehmenden Streitwerts an, der für die streitgegenständliche Taxigenehmigung mit 15.000,-- Euro zu veranschlagen wäre.

Ende der Entscheidung

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