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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 3 Bs 458/04
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 11 Abs. 2
Ein ausgewiesener Ausländer kann nicht die Erteilung einer Betretenserlaubnis zum Zweck des Besuchs seiner im Bundesgebiet lebenden minderjährigen Tochter beanspruchen, wenn sich dieser Zweck aller Voraussicht nach deshalb nicht erreichen lässt, weil der Ausländer damit rechnen muss, wegen einer Anordnung der Staatsanwaltschaft nach § 456 a Abs. 2 StPO zur Verbüßung der Restfreiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung längerfristig inhaftiert zu werden.
3 Bs 458/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Fligge und Niemeyer am 27. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. September 2004 wird insoweit verworfen, als sie sich gegen die dort ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin richtet, die Eintragung des Antragstellers zu 1) im Schengener Informationssystem (SIS) "vorläufig bis zu einer Entscheidung des OVG Hamburg über den Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil in der Sache 20 K 3800/2003 vom 14. Juni 2004 zu löschen".

Im Übrigen wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 30. Septem-ber 2004 auf die Beschwerde der Antragsgegnerin geändert. Die diesbezüglichen Anträge der Antragsteller (Eilantragsschrift vom 28.6.2004, S. 2, erster Spiegelstrich) werden abgelehnt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Antragsteller zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde ist teilweise unzulässig (I.); soweit sie im Übrigen zulässig ist, hat sie auch in der Sache Erfolg (II.).

I.

Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Ausspruch in Nr. 2 des Tenors in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts richtet, durch den die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist, die Eintragung des Antragstellers zu 1) im Schengener Informationssystem (SIS) "vorläufig bis zu einer Entscheidung des OVG Hamburg über den Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil in der Sache 20 K 3800/2003 vom 14. Juni 2004 zu löschen". Der Zulässigkeit der Beschwerde steht hinsichtlich der Aufrechterhaltung dieses Teiles ihres Begehrens entgegen, dass insoweit das Rechtsschutzbedürfnis der Antragsgegnerin entfallen ist, nachdem das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 16. November 2004 über den Antrag auf Zulassung der Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil in dem Hauptsacheverfahren 20 K 3800/2003 (3 Bf 294/04) entschieden hat. Durch diesen Beschluss ist die ursprünglich für die Antragsgegnerin mit dieser Verpflichtung verbunden gewesene Beschwer weggefallen, weil sich, worauf das Beschwerdegericht die Beteiligten im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bereits mit seinem Beschluss vom 17. November 2004 (betreffend die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses) hingewiesen hat, diese Regelung mit Ablauf der angeordneten Geltungszeit erledigt hat. Da die Antragsgegnerin diese Änderung der Sach- und Rechtslage nicht - was zulässig gewesen wäre - zum Anlass genommen hat, die Beschwerde insoweit für erledigt zu erklären, ist die Beschwerde insoweit als unzulässig zu verwerfen.

II.

Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig und begründet.

Gegenstand der zunächst nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkten Prüfung im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist (angesichts der Teilunzulässigkeit der Beschwerde) nur noch die Regelung unter Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses vom 30. September 2004, mit der das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin verpflichtet hat, "die Wirkung der erfolgten Ausweisung und Abschiebung des Antragstellers bis zur Rechtskraft des Urteils in der Sache 20 K 3800/2003 auf den 30. September 2004 zu befristen ...". Der in der Eilantragsschrift vom 28. Juni 2004 (S. 2) unter dem zweiten Spiegelstrich gestellte Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Eintragung des Antragstellers zu 1) im Schengener Informationssystem (SIS) zu löschen, ist dagegen nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens: Über diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit der Regelung unter Nr. 2 des Tenors seines Beschlusses vom 30. September 2004 entschieden, und diese Regelung hat sich, wie bereits ausgeführt, inzwischen erledigt. Eine Anschlussbeschwerde mit dem Antrag, diese vom Verwaltungsgericht angeordnete Regelung nicht nur "bis zu einer Entscheidung des OVG Hamburg über den Antrag der Antragsgegnerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil in der Sache 20 K 3800/2003", sondern auch über diesen Zeitpunkt hinaus gelten zu lassen, haben die Antragsteller nicht erhoben.

Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt, dass der angefochtene Beschluss (Ausspruch Nr. 1 des Tenors) mit der vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründung keinen Bestand haben kann. Unter diesen Umständen ist das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet, seine Beschwerdeentscheidung ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO an Hand der für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allgemein geltenden Maßstäbe zu treffen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.12.2003 - 3 Bs 415/02).

Die Anträge der Antragsteller bleiben, soweit sie noch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind (s.o.), ohne Erfolg.

1. Der noch streitgegenständliche Antrag des Antragstellers zu 1) ist abzulehnen. Nach der derzeit erkennbaren Sach- und Rechtslage kann er vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf das von ihm geltend gemachte Recht auf Einreise in das Bundesgebiet nicht beanspruchen.

Zwar hat der Antragsteller zu 1) nach wie vor ein Rechtsschutzinteresse für die Aufrechterhaltung seines diesbezüglichen Begehrens (a). Der Antragsteller zu 1) hat jedoch einen Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO, die ihm die Einreise in das Bundesgebiet vor dem rechtskräftigen Abschluss des auf die Befristung der Wirkungen der ihm gegenüber erfolgten Ausweisung und Abschiebung gerichteten Hauptsacheverfahrens ermöglichen soll, nicht glaubhaft gemacht. Ein derartiger Anspruch besteht nach der derzeit erkennbaren Sach- und Rechtslage weder im Sinne des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts (b) noch nach Maßgabe einer anderen Regelung, etwa in Gestalt einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Betretenserlaubnis (c).

a) Der Antragsteller zu 1) hat auch nach dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 ein Rechtsschutzinteresse für die Aufrechterhaltung seines o.g. Antrags, da er weiterhin durch die Sperrwirkung der ihm gegenüber verfügten Ausweisung und Abschiebung belastet wird. Denn die Sperrwirkung einer nach dem Ausländergesetz (1990) verfügten Ausweisung gilt gemäß § 102 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990, so lange sie nicht aufgehoben ist, auch gegenüber denjenigen Ausländern fort, die - was für die Antragsteller zu 1) und 2) allerdings bisher nicht feststeht, vgl. den Beschluss des Beschwerdegerichts im Hauptsacheverfahren (3 Bf 294/04) vom 16. November 2004 über die Zulassung der Berufung - von einem Freizügigkeitsrecht nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts Gebrauch machen wollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.12.1999, BVerwGE Bd. 110 S. 140, 149). Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller im Hauptsache-verfahren (2 Bf 294/04, Schriftsatz vom 17.1.2005, S. 10 f.) unter Hinweis auf die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 22. Dezember 2004 (Nr. 11.1.1.2 zum AufenthG) ausgeführt hat, die Rechtsgrundlage für das Einreise- und Auf-enthaltsverbot nach einer Ausweisung sei nunmehr § 11 Abs. 1 AufenthG, der gegenüber Unionsbürgern und deren Familienangehörigen aber nicht anwendbar sei, ergibt sich daraus nicht, dass mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes die Sperrwirkung der gegen-über dem Antragsteller zu 1) verfügten Ausweisung und Abschiebung entfallen wäre. Die fehlende Anwendbarkeit von § 11 Abs. 1 AufenthG auf Unionsbürger und ihre Familienange-hörigen beruht darauf, dass nunmehr für diesen Personenkreis eine speziellere Regelung über das Einreise- und Aufenthaltsverbot für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen und über die Befristung dieses Verbots in § 7 Abs. 2 FreizügG/EU geschaffen worden ist, die der allgemeinen Bestimmung des § 11 Abs. 1 AufenthG vorgeht (vgl. die o.g. Vorläufigen Anwendungshinweise, Nr. 11.1.1.2, Satz 2). Diese neue Regelung bezieht sich jedoch nur auf diejenigen Fälle, in denen die betreffenden Personen "ihr Freizügigkeitsrecht nach § 6 Abs. 1 oder Abs. 3 (FreizügG/EU) verloren haben", was voraussetzt, dass ihnen gegenüber auf der Grundlage des seit dem 1. Januar 2005 geltenden FreizügG/EU festgestellt worden ist, dass sie ihr Freizügigkeitsrecht verloren haben. Die noch vor Inkrafttreten des FreizügG/EU auf der Grundlage des Ausländergesetzes 1990 verfügten und bestandskräftig gewordenen Ausweisungen können demnach nicht darunter fallen, so dass es in diesen Fällen weiterhin keine gegenüber § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990 speziellere Regelung gibt und es bei dessen Anwendbarkeit auch gegenüber Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen bleiben muss (vgl. § 15 AufenthG/EWG 1980). Dem entspricht es, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU auch die Regelung in § 11 Abs. 2 AufenthG über die Betretenserlaubnis für entsprechend anwendbar erklärt, die voraussetzt, dass ein (ggf. auch nach dem AuslG 1990 begründetes) Einreise- und Aufenthaltsverbot fortdauert.

Ergänzend bleibt darauf hinzuweisen, dass das Gemeinschaftsrecht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst für einen Unionsbürger, der gemeinschaftsrechtlich wirksam ausgewiesen worden ist, kein Recht vorsieht, in den betreffenden Mitgliedstaat wieder einzureisen, solange sein Antrag auf Aufhebung des mit der Ausweisung verbundenen Aufenthaltsverbotes noch geprüft wird (vgl. EUGH, Urt. v. 18.5.1982, Slg. 1982 S. I - 1665 ff., Rdnr. 12 - Adoui und Cournaille; vgl. auch die Regelung in Art. 32 Abs. 2 der neuen Freizügigkeitsrichtlinie 2004/38/EG v. 29.4.2004). Gleiches dürfte in Fällen von Drittstaatsangehörigen gelten, die - wie der Antragsteller zu 1) - erst nach ihrer bestandskräftig gewordenen Ausweisung und Abschiebung einen Unionsbürger geheiratet haben, und in denen dieser in Begleitung des drittstaatsangehörigen Ehegatten in den Mitgliedstaat, der den drittstaatsangehörigen Ehegatten ausgewiesen hat, einreisen und dabei - was für die Antragsteller zu 1) und 2) allerdings bisher nicht feststeht, s.o. - von einem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen will. Soweit die Antragsteller meinen sollten, dass in derartigen Fällen infolge der Eheschließung das Einreise- und Aufenthaltsverbot gleichsam ersatzlos entfallen sei (vgl. zuletzt die Ausführungen ihres Prozessbevollmächtigten im Hauptsacheverfahren 3 Bf 294/04, Schriftsatz vom 17.1.2005, S. 10 f.), dürfte das Gemeinschaftsrecht eine solche Rechtsfolge nicht begründen. Dies liefe darauf hinaus, dass ein wegen schwerer Straftaten ausgewiesener Drittstaatsangehöriger nach der Eheschließung mit einem Unionsbürger, sofern dieser in den betreffenden Staat einreisen und dabei von einem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen will, dort in Begleitung des Unionsbürgers wieder einreisen und sich aufhalten könnte, ohne dass bei ihm (dem Drittstaatsangehörigen) - anders als bei denjenigen, die bereits zum Zeitpunkt der Ausweisung unter den Schutz der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit fielen, und bei denen die Frist für Einreise- und Aufenthaltsverbot noch nicht abgelaufen ist, vgl. nunmehr § 7 Abs. 2 FreizügG/EU - vorher zu prüfen wäre, ob eine materielle Änderung der Umstände eingetreten ist, die das Aufenthaltsverbot gerechtfertigt haben. Damit würden im Ergebnis Drittstaatsangehörige gegenüber Unionsbürgern deswegen privilegiert, weil sie (die Drittstaatsangehörigen) zum Zeitpunkt ihrer Ausweisung noch keinen Anknüpfungspunkt zu der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit hatten. Für eine derartige Privilegierung dürfte es gemeinschaftsrechtlich keine Rechtfertigung geben.

b) Der Antragsteller zu 1) hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Antragsgeg-nerin, die Wirkung der ihm gegenüber erfolgten Ausweisung und seiner Abschiebung vom 24. Februar 1999 "bis zur Rechtskraft des Urteils (des Verwaltungsgerichts vom 14. Juni 2004) auf den 30. September 2004 zu befristen ...". Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung dieser Entscheidung im wesentlichen auf sein o.g. Urteil Bezug genommen, in welchem es wiederum maßgeblich darauf abgestellt hat, dass der Antragsteller zu 1) als Familienangehöriger der Antragstellerin zu 2) freizügigkeitsberechtigt nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts sei und die Wirkungen der Ausweisung und der Abschiebung nach den für den Ausweisungsschutz für Freizügigkeitsberechtigte geltenden Maßstäben sofort zu befristen seien, da von ihm keine gegenwärtige erhebliche Gefahr mehr ausgehe, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Beschwerdegericht mit dem bereits erwähnten Beschluss vom 16. November 2004 (3 Bf 294/04) die Berufung zugelassen wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO); auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen. Dementsprechend kann auch der Tenor Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses nicht bestehen bleiben, zumal er darauf gerichtet ist, "die Einräumung einer Rechtsposition entsprechend dem Ausspruch in der Entscheidung im Klagverfahren" zu ermöglichen (vgl. S. 4 des Beschlussabdruckes).

Die zuletzt gemachten Ausführungen des Antragstellervertreters im Hauptsacheverfahren (2 Bf 294/04, Schriftsatz vom 17.1.2005 S. 1 - 6) zur Begründung seines dort gestellten Antrags, den dort erfolgten Zulassungsbeschluss vom 16. November 2004 wieder aufzuheben und den Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung abzulehnen, führen hier zu keinem anderen Ergebnis. Das Beschwerdegericht hat jenen Antrag mit Beschluss vom 27. Januar 2005, der den Beteiligten zusammen mit dem hier vorliegenden Beschluss bekannt gegeben wird, abgelehnt; auf die dortigen Ausführungen wird ergänzend Bezug genommen. Im Übrigen ergibt sich auch aus der in dem o.g. Schriftsatz genannten jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs jedenfalls nicht mit der für eine Glaubhaftmachung des hier geltend gemachten Anordnungsanspruchs erforderlichen Gewissheit, dass sich die Antragsteller zu 1) und 2) angesichts ihrer bisher deutlich gewordenen Pläne bei einer Reise nach Deutschland auf ein gemeinschaftsrechtlich begründetes Freizügigkeitsrecht berufen könnten:

Zum einen folgt aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Oktober 2004 in der Rechtssache C - 200/02 (Chen) nicht, dass die Antwort auf die Frage, ob ein Fall des Gebrauchmachens von der passiven Dienstleistungsfreiheit vorliegt, "einzig und allein nach der vorgesehenen Dauer des Aufenthalts" zu bemessen wäre (vgl. die Ausführungen auf S. 5 des Schriftsatzes v. 17.1.2005 im Hauptsacheverfahren 3 Bf 294/04). Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof in diesem Urteil lediglich ausgeführt, dass die Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit nicht gelten, wenn ein Angehöriger eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat für unbestimmte Dauer Dienstleistungen empfangen möchte (Rdnr. 22). Dies dürfte jedoch nicht den Umkehrschluss rechtfertigen, dass jegliche Art von Aufenthalt für eine bestimmte Dauer in einem anderen Mitgliedstaat von der passiven Dienstleistungsfreiheit gedeckt wäre.

Zum anderen hat der Europäische Gerichtshof weder in seinem o.g. Urteil vom 19. Oktober 2004 in der Rechtssache C - 200/02 (Chen) noch in seinem Urteil vom 7. September 2004 in der Rechtssache C - 456/02 (Trojani) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 18 EGV zu einem nicht mehr durch sekundäres Gemeinschaftsrecht eingeschränkten Freizügigkeitsrecht führe, wie dies offenbar die Antragsteller annehmen (vgl. die Ausführungen auf S. 6 des o.g. Schriftsatzes vom 17.1.2005). Vielmehr hat der Europäische Gerichtshof in diesen Entscheidungen, wovon auch das Berufungsgericht in seinem o.g. Zulassungsbeschluss vom 16. November 2004 (S. 4) ausgegangen ist, gerade bestätigt, dass das in Art. 18 EGV normierte Recht "nicht absolut" sei, sondern "vorbehaltlich der im Vertrag und seinen Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen" bestehe, zu denen wiederum auch das in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 90/364/EWG bestimmte Erfordernis ausreichender Krankenversicherung und ausreichender Existenzmittel gehöre (vgl. EuGH, Urt. v. 19.10.2004, C - 200/02 - Chen -, Rdnrn. 26 f., InfAuslR 2004 S. 413; Urt. v. 7.9.2004, C - 456/02 - Trojani -, Rdnrn. 32 f., InfAuslR 2004 S. 417, 419).

Angesichts dessen ist ein Anordnungsanspruch für die unter Nr. 1 des Tenors des angefochtenen Beschlusses getroffene Regelung, die einer vorläufigen Vorwegnahme der in dem Hauptsacheverfahren (3 Bf 294/04) angestrebten Entscheidung (Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung) jedenfalls nahe kommt, aus derzeitiger Sicht nicht mit dem erforderlichen hohen Maß an Erfolgswahrscheinlichkeit gegeben.

c) Der Antragsteller zu 1) hat auch keinen Anordnungsanspruch für eine Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Erteilung einer ausländerrechtlichen Betretenserlaubnis glaubhaft gemacht. Dieses Begehren ist - trotz der anderweitigen Regelung unter Nr. 1 in dem Tenor des angefochtenen Beschlusses - Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, da der in der Eilantragsschrift vom 28. Juni 2004 (S. 2) unter dem ersten Spiegelstrich gestellte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zu 1) vorläufig eine Betretenserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen, gleichsam wieder auflebt, nachdem das Verwaltungsgericht insoweit keine Entscheidung getroffen und das Beschwerdegericht seine Beschwerdeentscheidung ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO an Hand der für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allgemein geltenden Maßstäbe zu treffen hat.

Zwar greifen die in diesem Zusammenhang von der Antragsgegnerin geltend gemachten Einwände nicht vollständig durch (aa), und es könnte die dargelegte familiäre Situation im Verhältnis zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 3) an sich für eine unbillige Härte i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (§ 9 Abs. 3 AuslG) sprechen, wenn dem Antragsteller zu 1) weiterhin langfristig die Möglichkeit vorenthalten würde, die Antragstellerin zu 3) in deren heimatlicher Umgebung zu besuchen und zu erleben (bb). Einem - zur Ermessensreduzierung bei der Antragsgegnerin führenden und die diesbezügliche Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden - Anordnungsanspruch des Antragstellers zu 1) auf Erteilung einer Betretenserlaubnis steht derzeit jedoch entgegen, dass die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht haben, dass der Antragsteller zu 1) im Falle seiner Einreise in das Bundesgebiet und seines Aufenthalts in Hamburg davor sicher wäre, zwecks Verbüßung des mehrjährigen Restes seiner Haftstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom . Juni 1996 ( ) verhaftet zu werden (cc).

aa) Soweit die Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat, das Begehren der Antragsteller sei im Hinblick auf die Frage der Erteilung einer Betretenserlaubnis für den Antragsteller zu 1) zu unbestimmt, da § 9 Abs. 3 AuslG 1990 (vgl. nunmehr § 11 Abs. 2 AufenthG) nicht vorsehe, einem Ausländer generell das zeitweilige Betreten des Bundesgebietes zu erlauben (Schriftsatz vom 1.7.2004), hätte dies für sich genommen es nicht ausgeschlossen, dem Antragsteller zu 1) überhaupt eine Betretenserlaubnis zu erteilen und ihm (erforderlichenfalls) insoweit vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren. Auch wenn das Begehren der Antragsteller in seiner gesamten Tragweite ("vorläufiges" Einreise- und Aufenthaltsrecht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Befristungsverfahrens) nicht von § 11 Abs. 2 AufenthG gedeckt sein dürfte, wäre die Antragsgegnerin allein dadurch nicht daran gehindert, dem Antragsteller zu 1) eine mit dieser Bestimmung zu vereinbarende, zeitlich und ggf. auch räumlich begrenzte Betretenserlaubnis zu erteilen. Auch ein solche Regelung dürfte in dem Begehren der Antragsteller im Sinne eines Teilerfolges mit enthalten sein.

Soweit die Antragsgegnerin außerdem (möglicherweise) die Erforderlichkeit einer einstweiligen Anordnung mit der Erwägung in Frage stellen will, dass der Antragsteller zu 1) in Beglei-tung seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 2), wenn diese von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen wolle, ungehindert in das Bundesgebiet einreisen könne (vgl. den Schrift-satz vom 1.7.2004, S. 2, und die Beschwerdeschrift v. 7.10.2004, S. 3 unten), erscheint dies als zweifelhaft:

Wie bereits ausgeführt, gilt die Sperrwirkung einer nach dem Ausländergesetz 1990 verfügten Ausweisung gemäß § 102 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 AuslG 1990, so lan-ge sie nicht aufgehoben ist, auch gegenüber denjenigen Ausländern fort, die - was für die Antragsteller zu 1) und 2) allerdings bisher nicht feststeht, s.o. - von einem Freizügigkeitsrecht nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts Gebrauch machen wollen (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.12.1999, BVerwGE Bd. 110 S. 140, 149). Dies wiederum dürfte sich in Fällen der hier vorliegenden Art auch auf die Praxis der Gewährung bzw. der Versagung der Einreise an den deutschen Grenzen auswirken. Die förmliche Erteilung einer Betretenserlaubnis für den Antragsteller zu 1) würde diesem Problem entgegenwirken.

Außerdem stünde ein eventueller Anspruch des Antragstellers zu 1) auf Erteilung einer Betretenserlaubnis nicht unbedingt unter dem Vorbehalt, dass er bei der Einreise in das Bundesgebiet und während des diesbezüglichen Aufenthalts von der Antragstellerin zu 2) begleitet werden müsste. Denn ein eventueller Anspruch des Antragstellers zu 1) auf Erteilung einer Betretenserlaubnis, die seinen Aufenthalt zu dem Zweck ermöglichen sollte, die Antragstellerin zu 3) in ihrer Heimatstadt Hamburg zu besuchen, würde sich unmittelbar aus dem ("nationalen") Recht des § 11 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG herleiten, ohne dass es insoweit auf die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen zur Freizügigkeit ankäme; dementsprechend würde sein Recht auf Einreise und kurzfristigen Aufenthalt dann nicht davon abhängen, dass die Antragstellerin zu 2) von ihrem eigenen Freizügigkeitsrecht in Begleitung des Antragstellers zu 1) würde Gebrauch machen wollen.

bb) Nach § 11 Abs. 2 AufenthG kann einem ausgewiesenen oder abgeschobenen Aus-länder ausnahmsweise vor Ablauf der nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (bzw. gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG 1990) bestimmten Frist erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde.

Die von den Antragstellern dargelegte familiäre Situation im Verhältnis zwischen dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 3) könnte an sich für eine unbillige Härte i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG (§ 9 Abs. 3 AuslG) sprechen, wenn dem Antragsteller zu 1) weiterhin langfristig die Möglichkeit vorenthalten würde, die Antragstellerin zu 3) in deren heimatlicher Umgebung zu besuchen und zu erleben. Für die Beurteilung, ob ein solcher Härtefall vorliegt, sind insbesondere humanitäre oder gravierende persönliche Gründe (etwa schwere Erkrankungen von Familienangehörigen, Familienfeiern, Todesfälle) bedeutsam, die unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles eine begrenzte Durchbrechung der Sperrwirkung der Ausweisung bzw. Abschiebung gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 9.1.2001, InfAuslR 2001 S. 169, 170). Angesichts der von den Antragstel-lern im Einzelnen vorgetragenen und etwa durch die Stellungnahme des Jugendamtes vom 13. Mai 2004 und der Eheleute P. - zeitweilige Pflegeeltern der Antragstellerin zu 3) - vom 27. März 2004 plausibel gemachten familiären Situation der Antragsteller zu 1) und 3) könnte es - auch angesichts der bis auf weiteres fortgeltenden Befristungsentschei-dung der Antragsgegnerin, die keine kurzfristigen Besuchsperspektiven für den Antragstel-ler zu 1) erkennen lässt - eine unbillige Härte darstellen, dem Antragsteller zu 1) in näherer Zukunft die Möglichkeit vorzuenthalten, die Antragstellerin zu 3) in ihrer eigenen Umgebung zu erleben und ggf. vorteilhaft auf sie einzuwirken.

cc) Einem sich im Wege der Ermessensreduzierung ergebenden Anspruch des Antrag-stellers zu 1) gegen die Antragsgegnerin auf Erteilung einer Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2 Satz 1 AufenthG steht gegenwärtig aber entgegen, dass der Antragsteller zu 1) im Falle seiner Einreise und seines Aufenthalts in Hamburg nicht davor sicher wäre, zwecks Verbüßung des mehrjährigen Restes seiner Haftstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Hamburg vom . Juni 1996 verhaftet zu werden.

aaa) Vielmehr dürfte eine solchermaßen begründete Inhaftierung des Antragstellers zu 1) im Falle seiner Einreise in das Bundesgebiet tatsächlich zu erwarten sein: Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat mit ihrer Verfügung vom . April 1998 nach § 456 a Abs. 2 StPO angeordnet, dass im Falle der Rückkehr des Antragstellers zu 1) die Vollstreckung der Reststrafe nachgeholt werde. Diese Verfügung gilt weiterhin, wie die Staatsanwaltschaft Hamburg mit Schreiben vom 29. Dezember 2004 auf entsprechende Nachfrage des Beschwerdegerichts bestätigt hat, ohne dass ihres Erachtens daran durch den (durch Bescheid der Justizbehörde vom .4.2001 zudem widerrufenen) Gnadenerweis der Justizbehörde vom . Februar 1999 etwas geändert worden wäre. Dem entspricht es, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg gegenüber dem Antragsteller zu 1) am . März 1999 einen (nach wie vor bestehenden, vgl. das Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 18. Januar 2005) Vollstreckungshaftbefehl für den Fall seiner Rückkehr in das Bundesgebiet erlassen hat und er weiterhin bundesweit zur Festnahme ausgeschrieben ist. Von dieser Sachlage hat das Beschwerdegericht auszugehen, ohne dass es (schon im Hinblick auf seine Rechtswegzuständigkeit) etwa die Möglichkeit hätte, diese Maßnahmen aufzuheben. Soweit der Antragstellervertreter deren Rechtmäßigkeit in Abrede stellt (vgl. seine Schriftsätze vom 18.1.2005 und vom 24.1.2005), ist er gehalten, ggf. die dafür vorgesehenen Wege außerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beschreiten.

bbb) Im Übrigen dürfte die Rechtsansicht des Antragstellervertreters, wegen des (seines Erachtens nach wie vor wirksamen) Gnadenerweises der Justizbehörde vom . Februar 1999 sei eine Inhaftierung des Antragstellers zu 1) im Falle seiner Einreise in das Bundesgebiet zur Vollstreckung der Reststrafe unzulässig (vgl. den Schriftsatz vom 13.12.2004, S. 2), nicht zutreffen. Wie die Justizbehörde als Gnadenbehörde mit dem Widerrufsbescheid vom . April 2001 klargestellt hat, sollte die mit dem Gnadenerweis vom . Februar 1999 "bis auf weiteres" verfügte Unterbrechung der Strafvollstreckung nach ihrem Willen nur die vorzeitige Ausreise des Antragstellers zu 1) nach Chile ermöglichen, ihn aber nicht für den Fall der Rückkehr in das Bundesgebiet davor bewahren, die dann noch offene Restfreiheitsstrafe zu verbüßen. Sofern es angesichts dieses (auch objektiv naheliegenden) Willens der Gnadenbehörde überhaupt noch eines förmlichen Widerrufs des Gnadenerweises vom . Febru-ar 1999 bedurft hätte, dürfte dies jedenfalls mit dem genannten Bescheid vom . April 2001 geschehen sein. Dieser Bescheid dürfte dem Antragsteller zu 1) gegenüber mit der Über-sendung einer Kopie an seinen Prozessbevollmächtigten gemäß der Verfügung vom 28. August 2002 (vgl. die Anl. <"c"> zum Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 29.12.2004) mit dem Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 18. September 2002 (vgl. die Anl. <"d"> zum Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 29.12.2004) auch bekannt gegeben und wirksam geworden sein, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller mit Schreiben vom 28. August 2002 - unter Vorlage einer Vollmacht des Antragstellers zu 1) in Sachen "Straf-vollstreckungsangelegenheit, Gnadenangelegenheit" (vgl. die Anl. <"b"> zum Schreiben der Staatsanwaltschaft vom 29.12.2004) - in dessen Auftrag ausdrücklich um die Zusendung (u.a.) des Widerrufsbescheides gebeten hatte (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.4.1997, BVerwGE Bd. 104 S. 301, 313 f.; im Übrigen vgl. zu den Voraussetzungen und Möglichkeiten einer wirksamen Bekanntgabe im Verwaltungsverfahren Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 41 Rdnrn. 4 c, 5, 30 und 30 a). Soweit der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller die Wirksamkeit der Bekanntgabe des Widerrufsbescheides gegenüber dem Antragsteller zu 1) nunmehr mit dem Hinweis bestreitet, in dem Vollstreckungsheft der Staatsanwaltschaft befinde sich ein Original der Widerrufsentscheidung zwecks Zustellung an den Antragstel-ler zu 1) persönlich für den Fall, dass dieser "persönlichen Kontakt mit der Staatsanwalt-schaft" habe (vgl. den Schriftsatz vom 18.1.2005, S. 2), dürfte dies nichts an der Wirksamkeit der o.g. Bekanntgabe des Widerrufsbescheides durch die Staatsanwaltschaft - die inzwischen die Zuständigkeit für Gnadenangelegenheiten von der Justizbehörde übernommen hatte - ändern. Ob es sich bei dieser Bekanntgabe zugleich um eine förmliche Zustellung gehandelt hat, ist für die Wirksamkeit der Entscheidung unerheblich (zur Gleichrangigkeit einer schriftlichen Bekanntgabe von Justizverwaltungsakten für das Auslösen der Rechtsmittelfrist vgl. im Übrigen § 26 Abs. 1 EGGVG). Die weiterhin geäußerte Auffassung des Antragstellervertreters, eine Vertretung sei "in solchen Gnadenverfahren im Übrigen nicht vorgesehen" (Schriftsatz vom 18.1.2005, S. 2) bzw. eine Stellvertretung sei "bei Gnadenentscheidungen nicht zulässig" (Schriftsatz vom 24.1.2005, S. 2), ist nicht belegt und mangels Begründung auch nicht nachvollziehbar. Dem entspricht es, dass im vorliegenden Fall der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller den Antragsteller zu 1) ausweislich seines Schreibens an die Justizbehörde vom 28. August 2002 - unter Vorlage einer Vollmacht des Antragstellers zu 1) u.a. in der "Gnadenangelegenheit" - tatsächlich in dessen Gnadenangelegenheit vertreten hat.

Auch die weiteren Argumente des Antragstellervertreters in dem Schriftsatz vom 24. Januar 2005 sowie die dort beigefügte Anlage B 1 (Kopie der Rückseite des Originals der Widerrufsentscheidung der Justizbehörde vom .4.2001) können demnach zu keinem anderen Ergebnis führen: Soweit die Justizbehörde die Staatsanwaltschaft mit der dortigen Verfügung vom 17. April 2001 gebeten hatte, dem Antragsteller zu 1) den Bescheid "bei der Festnahme" auszuhändigen, berührt dies nicht die Wirksamkeit der o.g., von der Staatsanwaltschaft (als Gnadenbehörde) bewirkten Bekanntgabe des Bescheides mit ihrem Schreiben vom 18. September 2002. Die seinerzeit von der Justizbehörde gegenüber der Staatsanwaltschaft geäußerte - möglicherweise auf Unkenntnis des bereits bestehenden Haftbefehls der Staatsanwaltschaft vom . März 1999 beruhende - Bitte, einen Haftbefehl zu erlassen, vermag die "Wirksamkeit" dieses Haftbefehls ebenfalls nicht in Frage zu stellen.

ccc) Würde die Strafvollstreckungsbehörde einen Besuchsaufenthalt des Antragstellers zu 1) zum Anlass nehmen, ihn zwecks Verbüßung des Strafrestes zu inhaftieren, könnte das private Interesse des Antragstellers zu 1) an der Pflege seiner Beziehung zur Antragstellerin zu 3) nicht mehr gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner weiteren Fernhaltung vom Bundesgebiet überwiegen. Zum einen wäre die Erfüllung des angegebenen Aufenthaltszwecks, der Antragstellerin zu 3) in ihrer täglichen Umgebung helfend zur Seite zu stehen, nicht mehr gewährleistet, da für den Antragsteller zu 1) nach einer (gemäß derzeitigem Sachstand: langfristigen) Inhaftierung nur insofern eine Kontaktmöglichkeit zu der Antragstellerin zu 3) bestünde, als diese ihn im Rahmen der üblichen Möglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt besuchen könnte. Zum anderen dürfte ein gewichtiges öffentliches Interesse bestehen, einem Ausländer keine Betretenserlaubnis zu erteilen, wenn und solange seine Einreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass er - mit den entsprechenden Kostenfolgen und Belastungen für den Strafvollzug - zur Verbüßung einer mehrjährigen Restfreiheitsstrafe in Haft genommen würde (vgl. den Ausgangsbescheid der Antragsgegnerin vom 21.3.2003, S. 2 f.). Zur Ermöglichung kurzzeitiger Kontakte zwischen den Antragstellern zu 1) und 3) schließlich ist die Erteilung einer Betretenserlaubnis für den Antragsteller zu 1) nicht zwingend notwendig, da die Antragstellerin zu 3) ihn auch, wie in der Vergangenheit tatsächlich offenbar auch geschehen, im Vereinigten Königreich treffen kann (vgl. den Ausgangsbescheid vom 21.3.2003, S. 3).

Soweit das OVG Lüneburg in einem Beschluss vom 18. April 2002 (AuAS 2002, Heft 11, S. 112, 113) die dort erstinstanzlich erfolgte Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Betretenserlaubnis zwecks Ermöglichung der Teilnahme des dort betroffenen Ausländers an einer Gerichtsverhandlung mit dem Hinweis bestätigt hat, die Entscheidung der Ausländerbehörde (nach § 9 Abs. 3 AuslG 1990) sei in solchen Fällen nicht an die Zustimmung der Staatsanwaltschaft gebunden, vermag dies das Beschwerdegericht jedenfalls im Hinblick auf den vorliegenden Fall nicht zu überzeugen. Auch wenn die Ausländerbehörde nicht an die Zustimmung der Staatsanwaltschaft "gebunden" ist, ändert dies nichts daran, dass es für die im Rahmen der Ermessensausübung vorzunehmende Interessenabwägung von erheblicher Bedeutung ist, ob der Aufenthaltszweck, der die Erteilung der Betre-tenserlaubnis rechtfertigen soll, durch die zu erwartende Inhaftierung des betreffenden Aus-länders vereitelt würde. In einem solchen Fall ist der Ermessensspielraum der Behörde jedenfalls nicht dahin reduziert, dass die Betretenserlaubnis erteilt werden müsste.

Angesichts dessen wäre es zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs auf Erteilung einer Betretenserlaubnis erforderlich gewesen, eine Zusage der Staatsanwaltschaft vorzulegen, den Antragsteller zu 1) im Sinne eines "sicheren Geleits" (vgl. für das gerichtliche Verfahren § 295 StPO) im Falle der Erteilung einer ausländerrechtlichen Betretenserlaubnis während deren Geltungsdauer nicht zur Verbüßung der Reststrafe zu verhaften, also etwa die Vollziehung des weiterhin bestehenden Vollstreckungshaftbefehls vom . März 1999 während der Geltungsdauer einer ausländerrechtlichen Betretenserlaubnis auszusetzen. Eine derartige Erklärung der Staatsanwaltschaft haben die Antragsteller trotz der diesbezüglichen Anfrage des Beschwerdegerichts vom 18. November 2004 jedoch nicht vorgelegt. Vielmehr hat ihr Prozessbevollmächtigter daraufhin mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2004 lediglich die Rechtsansicht kundgetan, auf die Zusage eines sicheren Geleits durch die Staatsanwaltschaft komme es seines Erachtens nicht an, da "die Gnadenentscheidung ..." (der Justizbehörde vom . Februar 1999) "... weiterhin wirksam" sei. Wie sich aus den oben gemachten Ausführungen ergibt, vermag das Beschwerdegericht dieser Ansicht nicht zu folgen; sie entspricht auch nicht der Auffassung der Staatsanwaltschaft Hamburg, deren Sichtweise als Strafvollstreckungs- und Gnadenbehörde entscheidend dafür ist, dass der Antragsteller zu 1) im Fall seiner Einreise in das Bundesgebiet mit seiner Inhaftierung zwecks Verbüßung der Restfreiheitsstrafe zu rechnen hätte.

2. Die Anträge der Antragstellerinnen zu 2) und 3) bleiben ebenfalls ohne Erfolg. Sie können nicht aus eigenem Recht etwas für den Antragsteller zu 1) fordern, was dieser selbst nicht beanspruchen kann. Insoweit wird ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Das Beschwerdegericht hat dabei den Teilstreitwert für den auf den Ausspruch unter Nr. 1 des angefochtenen Beschlusses bezogenen Antrag mit der Hälfte des Auffangstreitwertes (vgl. § 52 Abs. 2 GKG) angesetzt (2.500,-- Euro), ohne diesen im Hinblick auf den regelmäßig vorläufigen Charakter des einstweiligen Rechtsschutzes weiter zu mindern, da das diesbezügliche Begehren der Antragsteller (Erteilung einer Betretenserlaubnis) auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abgezielt hat (vgl. den "Streitwertkatalog 2004", Nr. 1.5, NVwZ 2004 S. 1327 ff.). Den Teilstreitwert für den auf die vorläufige Löschung im Schengener Informationssystem bezogenen Antrag hat das Beschwerdegericht mit einem Viertel des Auffangstreitwertes veranschlagt (1.250,-- Euro). Beide Teilstreitwerte sind zu addieren (§ 39 Abs. 1 GKG), was zu dem tenorierten Wert von 3.750,-- Euro führt.

Die Anträge der Antragstellerinnen zu 2) und 3) sind nicht in entsprechender Anwendung von § 5 ZPO als streitwerterhöhend berücksichtigt worden. Eine Zusammenrechnung der Werte in Fällen subjektiver Antragshäufung scheidet aus, wenn es sich um einen wirtschaftlich identischen Gegenstand handelt. Entsprechendes gilt, wenn Familienangehörige im Interesse ihrer familiären Gemeinschaft die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung für eines ihrer Mitglieder anstreben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.1.1991, NVwZ-RR 1991 S. 669, 670; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.3.2004 - 3 Bs 110/04). Ebenso zu behandeln sind Fälle der hier vorliegenden Art, in denen mehrere Familienangehörige für einen Angehörigen die Erteilung eines gemeinschaftsrechtlich hergeleiteten vorläufigen Betretensrechts bzw. die Erteilung einer ausländerrechtlichen Betretenserlaubnis oder die Löschung seiner Eintragung im Schengener Informationssystem begehren.

Ende der Entscheidung

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