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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 12.09.2006
Aktenzeichen: 3 Bs 461/04
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 7 Satz 1
AufenthG § 25 Abs. 3
Dass ein diabeteskranker Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, der bis zu seiner Ausreise im Gebiet der heutigen Republika Srpska gelebt hat, im Fall seiner Rückkehr dorthin die notwendige medizinische Versorgung seiner Diabeteserkrankung, insbesondere mit Insulin, erhält, ist nach derzeit erkennbarer Sachlage zweifelhaft. Dies gilt auch im Hinblick auf dessen Möglichkeit, diese Versorgung im Gebiet der bosnischkroatischen Föderation zu erlangen.
HAMBURGISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

3 Bs 461/04

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Kollak und Niemeyer am 12. September 2006 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 12. Oktober 2004 geändert. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Endentscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg über die Klage vom 4. Januar 2002 (21 VG 76/02), soweit diese vom Antragsteller zu 3) erhoben worden ist, untersagt, den Antragsteller zu 3) abzuschieben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragsteller zu 1) und 2) tragen hinsichtlich des gesamten Verfahrens die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu je 2/3 sowie jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten. Der Antragsteller zu 3) trägt hinsichtlich des gesamten Verfahrens 1/4 seiner eigenen außergerichtlichen Kosten sowie je 1/12 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin. Die Antragsgegnerin trägt hinsichtlich des gesamten Verfahrens die Gerichtskosten und ihre eigenen außergerichtlichen Kosten zu je 3/12 sowie die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 3) zu 3/4.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und - insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hamburg - für das Verfahren erster Instanz auf jeweils 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde hat nach Maßgabe des Beschlusstenors teilweise Erfolg.

Die Prüfung der mit der Beschwerde dargelegten Gründe ergibt, dass der angefochtene Beschluss mit der dort gegebenen Begründung keinen Bestand haben kann, soweit er sich auf den Antragsteller zu 3) bezieht. Damit ist das Beschwerdegericht insoweit berechtigt und verpflichtet, ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO über die Beschwerde in eigener Kompetenz zu entscheiden; insoweit hat die Beschwerde auch überwiegend Erfolg (III.) Soweit die Beschwerde von den Antragstellern zu 1) und 2) erhoben worden ist, ist sie zurückzuweisen (II.).

I.

1. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Antragsteller mit der Begründung abgelehnt, dass der erforderliche Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die Abschiebung der Antragsteller nach Bosnien und Herzegowina sei im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich. Insbesondere bestünden keine Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG.

Die bei dem Antragsteller zu 1) diagnostizierten Erkrankungen geböten nicht die Annahme, dass diese sich in Bosnien und Herzegowina erheblich verschlimmern würden; nach der Auskunftslage (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 4.5.2004) sei davon auszugehen, dass dort ausreichende Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Auch hinsichtlich der von ihm geltend gemachten psychischen Erkrankung sei nicht erkennbar, dass sich diese bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina in einem Ausmaß verschlimmern würde, dass mit einer zumindest annähernd lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes gerechnet werden müsse.

Dies gelte auch für die Antragstellerin zu 2), die eine posttraumatische Belastungsstörung geltend mache. Unabhängig davon, ob die weitere medikamentöse Behandlung sowie die nur in geringem Umfang stattfindende Gesprächstherapie nicht auch in Bosnien und Herzegowina möglich wären, vermöge die Kammer nicht davon auszugehen, dass bei einem Ausbleiben der Fortsetzung der in Deutschland begonnenen Behandlung Folgen für die Antragstellerin zu 2) eintreten könnten, die in den Bereich der oben genannten Lebensgefahr reichten.

Auch im Hinblick auf den Antragsteller zu 3) könne die Kammer nicht vom Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG ausgehen. Soweit auch er eine posttraumatische Belastungsstörung geltend mache, gälten die Ausführungen zur Antragstellerin zu 2) entsprechend. Allerdings verkenne die Kammer nicht, dass dieser Antragsteller insgesamt schwer erkrankt sei und insbesondere der Betreuung bedürfe sowie auf die lebenslange Einnahme von Insulin angewiesen sein werde mit den damit zusammenhängenden Kontrollen und ärztlichen Untersuchungen; bei längerem Ausbleiben der erforderlichen Insulingabe sei auch mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit der Eintritt einer von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG erfassten Gesundheitsgefährdung anzunehmen. Von einer nennenswerten Unterbrechung der Insulingabe sei jedoch nicht auszugehen, da der Antragsteller zu 3) zunächst im Zusammenhang mit der Abschiebung einen für einen Monat ausreichenden Medikamentenvorrat erhalte und er vor Ort in die Hände eines Arztes übergeben werde; sodann sei es Sache des Heimatstaats, für seine medizinische Betreuung und Versorgung im erforderlichen Umfang zu sorgen. Soweit dort eine Selbstbeteiligung an der regelmäßigen Versorgung mit Insulin (laut seinen Angaben in Höhe von etwa 190,-Euro monatlich) gefordert werden sollte, werde es den Antragstellern möglich sein, diese Kosten mit Hilfe ihrer im Bundesgebiet verbleibenden Angehörigen aufzubringen.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Duldung nach § 55 Abs. 3 AuslG (dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen) seien ebenfalls nicht erfüllt.

2. Die Beschwerde hält dem (u. a.) entgegen, das Verwaltungsgericht habe die für den Antragsteller zu 3) mit einer Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina verbundenen gesundheitlichen Gefährdungen nicht hinreichend beachtet, indem es sich mit der erfolgten flugärztlichen Untersuchung, der von der Antragsgegnerin in Aussicht gestellten Mitgabe eines Insulinvorrats für einen Monat und seiner Übergabe in ärztliche Obhut in Bosnien und Herzegowina begnügt habe. Der Antragsteller zu 3) benötige hochwertiges Insulin und eine intensive Kontrolle durch ausgewiesene Diabetologen. Eine Behandlung des Antragstellers zu 3) in Bosnien und Herzegowina sei schlechterdings nicht auf dem Wege einer Medikamenten-Mitgabe zu ermöglichen, die nicht ausreiche, um die aufgezeigten gesundheitlichen Risiken zu beseitigen. Die Beschwerde nimmt insoweit Bezug auf ein Attest des Internisten und Diabetologen Dr. Kal... vom 21. Oktober 2004, wonach der Betreuungsaufwand für den Antragsteller zu 3) wegen seiner geistigen Retardierung und Persönlichkeitsstörung besonders hoch ist, bereits in Hamburg trotz sehr engagierter Betreuung durch das Diabetes-Team der Praxis nur eine allenfalls befriedigende Diabetes-Einstellung möglich war und jede weitere Steigerung seines Blutzucker-Langzeitwerts (der bei maximal 6,5 bis 7,0 Prozent liegen sollte) von 8,0 Prozent um einen Prozentpunkt zu einer Steigerung des mikro- und makrovaskulären Risikos um 20 bis 30 Prozent führt.

Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 2) habe das Verwaltungsgericht angesichts der zahlreichen vorgelegten Atteste (Anl. 15 bis 29 zur Klage- und Antragsschrift vom 30.9.2004) mangels eigener Sachkunde nicht, wie geschehen, ohne Einholung sachkundiger gutachterlicher Stellungnahmen annehmen dürfen, dass ihrer Abschiebung keine Hindernisse entgegenstünden; der von der Antragsgegnerin beauftragte Flugarzt habe die Antragstellerin zu 2) nicht wegen der posttraumatischen Belastungsstörung konsultiert.

II.

Hinsichtlich der Antragsteller zu 1) und 2) bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Aus den mit ihr im Rahmen der Beschwerdebegründungsfrist dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht insoweit nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, ergibt sich nicht, dass diesen Antragstellern der beantragte vorläufige Rechtsschutz zu gewähren wäre.

1. Bezüglich des Antragstellers zu 1) tritt die Beschwerde der Annahme des Verwaltungsgerichts, seine Erkrankungen seien in Bosnien und Herzegowina behandelbar, so dass dort von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG (nunmehr: § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) nicht auszugehen sei, nicht entgegen; die Beschwerde befasst sich ausschließlich mit der gesundheitlichen Situation der Antragsteller zu 2) und 3). Die unter "1." erfolgte pauschale Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen setzt sich mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts nicht auseinander.

2. Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 2) führt die Beschwerde ebenfalls nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses. Die als Anlage 15 - 29 zu der Klage- und Antragsschrift vorgelegten Atteste bieten keine hinreichende Grundlage für die Annahme, dass für sie bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina gesundheitsbedingt eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestünde. Erheblich in diesem Sinne ist eine Gefahr, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers in dem betreffenden Staat wesentlich oder gar lebensbedrohlich, also in außergewöhnlich schwerer Weise verschlechtern würde.

Die orthopädischen Atteste vom 31. März 2000 und vom 6. Februar 2001 bescheinigen Wirbelsäulenprobleme und damit verbundene Beschwerden, die nicht bedrohlich sein dürften; des weiteren ergibt sich daraus nicht, ob und ggf. welche Erkrankungen und Beschwerden welchen Ausmaßes zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung (November 2004) noch bestanden haben.

Die Atteste des Neurologen Kr... vom 20. August 2001, des Psychiaters Dr. R.. vom 4. April 2002 bis zum 11. Juni 2004 und des praktischen Arztes Dr. H.. vom 19. November 2002, 13. September 2003 und 4. Juni 2004 bieten ebenfalls keine hinreichende Grundlage für die Annahme, der Antragstellerin zu 2) drohe in Bosnien und Herzegowina eine erhebliche Gefahr für Leib oder Leben. Das Attest des Neurologen Kr.. vom 20. August 2001 beschreibt Schlafstörungen mit ausgeprägten Alpträumen und dafür ursächliche Ereignisse in Bosnien, und es enthält den Hinweis, die Antragstellerin zu 2) solle keinesfalls in ihr Heimatland zurückkehren; am Ende heißt es, es werde über eine psychotherapeutische Intervention nachgedacht, für die ein Zeitraum von 2 bis 3 Jahren angestrebt werden sollte. Diese Ausführungen deuten zwar darauf hin, dass eine Rückkehr der Antragstellerin zu 2) in ihr Heimatland wegen dort erlittener Erlebnisse mit psychischen Belastungen verbunden wäre; dass ein Leben dort für sie in existentiell bedrohlicher Weise unerträglich wäre, lässt sich ihnen jedoch nicht entnehmen. Die insgesamt 9 (im wesentlichen gleichlautenden) Atteste von Dr. R.. aus der Zeit vom 4. April 2002 bis zum 11. Juni 2004 bescheinigen der Antragstellerin zu 2) eine posttraumatische Depression. Sie sind jedoch wenig substantiiert im Hinblick auf den traumatisierenden Hintergrund (was nicht verwundert angesichts des von Dr. R.. in dem Attest vom 4.4.2002 selbst beschriebenen Umstandes, dass die Erhebung einer Anamnese wegen fehlender sprachlicher Verständigungsmöglichkeiten sehr schwierig sei), zeigen keine eigene Behandlungsperspektive auf und lassen nicht erkennen, ob eine Rückkehr der Antragstellerin zu 2) nach Bosnien und Herzegowina gesundheitlich einschneidende Folgen hätte. Der ab dem Attest vom 11. September 2003 regelmäßig erscheinende Satz "Aus nervenärztlicher Sicht besteht Reiseunfähigkeit" ist in dieser Pauschalität nicht nachvollziehbar, zumal nicht deutlich wird, was genau darunter zu verstehen sein soll; für eine Reiseunfähigkeit im Sinne einer Transportunfähigkeit bieten die Atteste keine Anhaltspunkte. Auch die Atteste des praktischen Arztes Dr. H.. vom 19. November 2002, 13. September 2003 und 4. Juni 2004 lassen nicht hinreichend tragfähig darauf schließen, dass eine Rückkehr der Antragstellerin zu 2) nach Bosnien und Herzegowina existentiell gefährdend wäre. Dr. H.. stellt dort die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung und beschreibt als Beschwerden "noch erhebliche Schlafstörungen mit gelegentlichen Alpträumen, Intrusionen und Vermeidungsverhalten sowie auch Zwangsgedanken" (vgl. das Attest vom 13.9.2003), gibt in den ersten beiden Attesten allerdings an, dass die Antragstellerin zu 2) - wegen ihrer Alltagsbelastungen -nur unregelmäßig zur supportiven Gesprächstherapie erscheine; in dem letzten Attest vom 4. Juni 2004 fehlen insoweit nähere Angaben. Angesichts dessen bleibt unklar, auf welcher Grundlage die Diagnose erstellt worden ist. Ebenso fehlt es damit an einer nachvollziehbaren und tragfähigen Grundlage für die im letzten Absatz des Attestes vom 13. September 2003 getroffene Aussage, die Patientin sei nicht "reisefähig", wenn das Ziel ihre ehemalige Heimat sein sollte, und im Falle einer "gewaltsamen" Rückführung drohten "Retraumatisierung und irreversible psychische Störungen mit nicht absehbaren Dauerfolgen". Die Annahme, dass eine Rückkehr an den Ort traumatisierender Ereignisse mehr als 10 Jahren danach noch zu einer Retraumatisierung führt, ist zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht zwingend und bedarf jedenfalls einer substantiierten Begründung, die sich eingehend mit dem jeweiligen Einzelfall befasst; daran fehlt es hier.

Angesichts dessen bestand entgegen der Beschwerde (vgl. die Beschwerdebegründung vom 12.11.2004, S. 6 f.) für das Verwaltungsgericht keine hinreichende Veranlassung, sich "sachkundiger gutachterlicher Feststellungen (zu) bedien(en)". Die Verwaltungsgerichte sind nicht schon deshalb zur Einholung von Sachverständigengutachten verpflichtet, weil der um Rechtsschutz nachsuchende Ausländer gesundheitliche Risiken im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland geltend macht. Ob sie sich sachverständiger Hilfe bedienen, liegt grundsätzlich in ihrem pflichtgemäßen Ermessen; sie sind dazu jedenfalls nicht verpflichtet, wenn - auch unter Berücksichtigung vorgelegter Atteste der behandelnden Ärzte - keine hinreichend tragfähigen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Rückführung in das Heimatland zu erheblichen Gefährdungen führen würde.

Soweit die Beschwerde beanstandet, dass das Verwaltungsgericht bei der Antragstellerin zu 2) kein inländisches Vollstreckungshindernis angenommen habe, greift dies nicht durch. Für eine gravierende gesundheitliche Gefährdung der Antragstellerin zu 2) durch eine Abschiebung unabhängig vom Zielstaat sind keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich; vielmehr haben auch die von ihr vorgelegten Atteste im Wesentlichen gerade darauf abgestellt, dass eine Rückkehr in ihr Heimatland vermieden werden solle. Dass die in einigen Attesten Dr. R.. enthaltene Aussage "Aus nervenärztlicher Sicht besteht Reiseunfähigkeit" nicht weiter führt, hat das Beschwerdegericht bereits ausgeführt.

3. Die Beschwerde der Antragsteller zu 1) und 2) hat auch nicht unter Blickwinkel von Art. 6 GG angesichts des Umstandes Erfolg, dass eine Abschiebung des Antragstellers zu 3) durch diesen Beschluss einstweilen untersagt wird.

Ein rechtliches Abschiebungshindernis aus Art. 6 GG liegt nur dann vor, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen durch Ausreise zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997, BVerwGE Bd. 106 S. 13, 17; OVG Hamburg, Beschl. v. 30.12.1998 - OVG Bs VI 191/96). Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt nicht ohne weiteres ein Anspruch, eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinen ausländischen Familienangehörigen im Bundesgebiet zu verwirklichen. Zwar hat die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen familiäre Bindungen angemessen zu berücksichtigen. Ein aus Art. 6 GG abgeleitetes rechtliches Abschiebungsverbot setzt jedoch voraus, dass die Betroffenen auf die Führung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet angewiesen sind. Demgemäß führt der Umstand, dass einzelne Familienangehörige ein Aufenthaltsrecht haben oder haben könnten, für sich genommen nicht dazu, dass auch die anderen, nicht aufenthaltsberechtigten Angehörigen aus Art. 6 GG ebenfalls ein Aufenthaltsrecht bekommen müssten; dies zeigen schon die Bestimmungen über den Ehe- und Familiennachzug (§§ 27 ff. AufenthG), die nicht nur einen Aufenthaltstitel eines zur Familie gehörenden Ausländers voraussetzen, sondern darüber hinaus (u. a. in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG) weitere Voraussetzungen normieren.

Es ist weder vorgetragen noch für das Beschwerdegericht sonst ersichtlich, dass der - volljährige - Antragsteller zu 3) bei einem Verbleib im Bundesgebiet darauf angewiesen wäre, aus familienspezifischen Gründen mit den Antragstellern zu 1) und 2) zusammen zu leben oder von diesen betreut zu werden. Zwar spricht angesichts der vorgelegten Atteste einiges dafür, dass der Antragsteller zu 3) der Anleitung im Rahmen seiner Diabetesbehandlung bedarf, und diese Anleitung ist bisher offenbar (jedenfalls auch) von der Antragstellerin zu 2) geleistet worden. Es liegt aber nicht nahe, dass allein die Antragstellerin zu 2) diese Hilfe leisten könnte: Zum einen leben weitere aufenthaltsberechtigte Angehörige der Antragsteller in Hamburg (vgl. den Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 11.10.2004), zum anderen wäre erforderlichenfalls auch an amtliche Hilfe zu denken (vgl. etwa §§ 53 ff. SGB XII bzw. §§ 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 AsylbLG).

III.

1. Bezüglich des Antragstellers zu 3) kann der angefochtene Beschluss mit der dort gegebenen Begründung unter Berücksichtigung der insoweit erfolgten Beschwerdebegründung dagegen keinen Bestand haben; damit ist das Beschwerdegericht insoweit berechtigt und verpflichtet, ohne die Beschränkung des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO über die Beschwerde in eigener Kompetenz zu entscheiden (zu dieser Folge vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 9.12.2003 - 3 Bs 415/02).

Das o.g. Attest des Dr. K.. vom 21. Oktober 2004 deutet darauf hin, dass der Antragsteller zu 3) wegen geistiger Retardierung und Persönlichkeitsstörung dauerhaft einer besonders qualifizierten und intensiven diabetologischen Betreuung bedarf, um ernsthaften gesundheitlichen Gefährdungen vorzubeugen. Soweit die Beschwerde geltend macht, dass dies für ihn in Bosnien und Herzegowina nicht möglich sei, spricht einiges für die Richtigkeit dieses Vortrags angesichts der Auskunftslage zur dortigen medizinischen Versorgung (vgl. dazu die noch folgenden Ausführungen unter "2."). Vor diesem Hintergrund ist die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung nicht hinreichend tragfähig, um mit der - angesichts der in Rede stehenden gesundheitlichen Risiken -erforderlichen Gewissheit das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses bezogen auf eine Rückkehr des Antragstellers zu 3) nach Bosnien und Herzegowina auszuschließen. Der Umstand, dass ihm ein Insulinvorrat für einen Monat mitgegeben werden soll, ist insoweit unerheblich, da mit einer solchen Maßnahme nur den mit einer Abschiebung an sich für einen Übergangszeitraum verbundenen Problemen begegnet würde; damit könnte kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot, sondern allenfalls ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis beseitigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002, DVBl. 2003 S. 463, 464). Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, nach einer Übergabe des Antragstellers zu 3) in (flughafen-) ärztliche Obhut sei es Aufgabe seines Heimatstaats, für die erforderliche medizinische Betreuung zu sorgen, ist diese Vorsorge für sich genommen unzureichend, wenn - wie dies hier als jedenfalls gut möglich erscheint - dieser Staat die erforderliche Hilfe tatsächlich nicht leisten kann oder will.

2. Die Beschwerde des Antragstellers zu 3), über die das Beschwerdegericht somit im Wege einer eigenen, nicht mehr nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkten Prüfung entscheidet, hat nach Maßgabe des Beschlusstenors Erfolg. Der Antragsteller zu 3) hat sowohl den nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch als auch den notwendigen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (a); der Beschlusstenor erreicht in sachgerechter Weise den Zweck des hier gebotenen vorläufigen Rechtsschutzes (b).

a) Der nach § 123 VwGO erforderliche Anordnungsgrund liegt vor, da die Antragsgegnerin den Antragsteller zu 3), ohne weitere Verfahren abzuwarten, nach Bosnien und Herzegowina abschieben will (vgl. ihren Schriftsatz vom 14.1.2005).

Der ebenfalls erforderliche Anordnungsanspruch ist glaubhaft gemacht. Es besteht eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit, dass einer Abschiebung des Antragstellers zu 3) nach Bosnien und Herzegowina ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegensteht, was wiederum einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG begründen könnte.

aa) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche Gefahr für Leib oder Leben kann sich auch daraus ergeben, dass sich eine Krankheit des Ausländers im Falle seiner Rückkehr in den Heimatstaat erheblich verschlimmert, weil die dortigen Behandlungsmöglichkeiten unzureichend sind, oder weil eine notwendige Behandlung dort zwar im Prinzip geleistet werden kann, sie für den betreffenden Ausländer aber individuell (z. B. aus finanziellen Gründen) tatsächlich nicht zu erlangen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.10.2002, DVBl. 2003 S. 463, zur gleichlautenden Regelung in § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG 1990). Erheblich im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist eine Gefahr, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers in dem betreffenden Staat wesentlich oder gar lebensbedrohlich, also in außergewöhnlich schwerer Weise verschlechtern würde. Konkret ist die Gefahr, wenn sie sich voraussichtlich alsbald nach der Rückkehr des Ausländers realisieren würde. Im Fall des Antragstellers zu 3) spricht viel dafür, dass er bei einer Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina alsbald in eine in diesem Sinn erhebliche Gefahr geriete, weil eine hinreichende Behandlung seiner Diabeteserkrankung dort nicht gewährleistet wäre.

Die Diabeteserkrankung ist mit gravierenden, potentiell lebensbedrohlichen Gefahren verbunden, wenn sie nicht richtig behandelt wird, wobei der Behandlungs- und Betreuungsaufwand im Fall des Antragstellers zu 3) wegen seiner geistigen Retardierung und Persönlichkeitsstörung noch erhöht sein dürfte (vgl. das Attest des Diabetologen Dr. K-- vom 21.10.2004). Dass der Antragsteller zu 3) in Bosnien und Herzegowina die erforderliche Behandlung und Betreuung erhalten würde, erscheint nach der gegenwärtig erkennbaren Sachlage als zumindest zweifelhaft. In der Republika Srpska (RS), in deren Gebiet die Antragsteller zuletzt gelebt hatten (sowohl Pridvorci als auch Nevesinje liegen in der RS), ist Insulin nach dem neuesten Bericht des Auswärtigem Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Bosnien und Herzegowina vom 7. August 2006 überhaupt nicht mehr zu haben (Lagebericht S. 21). Ob der Antragsteller zu 3) die Möglichkeit hätte, sich (statt in der RS) im Gebiet der bosnisch-kroatischen Föderation (i. f.: Föderation) niederzulassen und dort das für ihn erforderliche Insulin sowie die notwendige ärztliche Behandlung und Betreuung zu erhalten, erscheint jedenfalls ungewiss:

Zum einen ist unklar, ob es ihm (ggf. gemeinsam mit den anderen Antragstellern) überhaupt gelingen könnte, einen Wohnsitz in der Föderation zu begründen. Zwar haben die Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina gemäß der dortigen Verfassung das Recht, sich überall im Staatsgebiet niederzulassen (Auskunft des AA an das VG Düsseldorf vom 20.1.2006, Antwort 1 a, Auskunft 2006/1 in der Asyldokumentation der hamburgischen Verwaltungsgerichte). Ob er dieses Recht praktisch ausüben könnte, erscheint allerdings fraglich. Für den Bezug staatlicher Leistungen (wie z. B. der Sozialhilfe oder der staatlichen Krankenversicherung) ist eine sog. Registrierung erforderlich (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH -, Auskunft vom 17.5.2006, S. 3, Auskunft G 2/06 Asyldokumentation); offenbar ist es jedoch üblich, dass die betreffende Gemeinde die Registrierung an das dortige Vorhandensein von Wohnraum (Eigentums/Mietwohnung) knüpft (vgl. SFH, Auskunft vom 17.5.2006, a. a. O.). Ob und wie die Antragsteller in der Föderation an Wohnraum gelangen könnten, erscheint unklar. Die deutsche Botschaft Sarajewo hat der Antragsgegnerin unter Anknüpfung an die Anfrage des Beschwerdegerichts vom 19. Januar 2005 mit Schreiben vom 11. Mai 2005 mitgeteilt: "Der Familie steht es frei, ihren Wohnort in BIH auszusuchen. Die Schließung von Sammelunterkünften ist das erklärte Ziel von BIH-Behörden, so dass die Unterbringung neuer Rückkehrer praktisch unmöglich ist"; angesichts dessen dürften eine Unterbringung des Antragstellers zu 3) in einer behördlich organisierten Unterkunft (etwa in Sarajewo) und eine daran anknüpfende Registrierung nicht möglich sein. Zudem führt das Auswärtige Amt in dem o. g. Lagebericht vom 7. August 2006 zum Thema Registrierung von Rückkehrern u. a. aus: "Ist die verlassene Wohnung beziehbar, ist eine Registrierung an einem anderen Ort als dem Wohnort nicht möglich. ... Bei Zerstörung oder Besetzung der Wohnung erfolgt die Registrierung anderswo, in der FBIH (sc. der Föderation) in dem Kanton, der dem Vorkriegswohnort am nächsten liegt" (Lagebericht, S. 24). Angesichts des Umstands, dass der Antragsteller zu 1) laut einer Bescheinigung der Gemeinde Nevesinje vom 23. November 2005 ein Wohnobjekt in Pridvorci besitzt, das einschließlich der Nebengebäude "verwüstet und nicht bewohnbar" ist (Anlage zum Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 23.12.2005), führt dies zu der Frage, in welchem Ort genau "anderswo" eine Registrierung erfolgen könnte. Die von der Antragsgegnerin auf die gerichtlichen Verfügungen vom 19. Januar 2005 und vom 1. Juni 2005 erwirkten Mitteilungen der Deutschen Botschaft Sarajewo vom 11. Mai 2005, 29. Juli 2005 und (als e-mail) vom 20. September 2005 bieten insoweit keinen Aufschluss.

Zum anderen erscheint es als zweifelhaft, ob der Antragsteller zu 3) im Falle einer Wohnsitzgründung in der Föderation dort die Leistungen der staatlichen Krankenversicherung beziehen könnte, und ob diese ggf. ausreichen würden, um schwerwiegende gesundheitliche Schäden zu verhindern. Die Mitteilungen der Botschaft Sarajewo vom 29. Juli 2005 und vom 20. September 2005 beantworten die Fragen des Beschwerdegerichts aus der Verfügung vom 1. Juni 2005 insoweit nicht hinreichend. Ergänzend bleibt darauf hinzuweisen, dass auch in der Föderation die medikamentöse Versorgung von staatlich Krankenversicherten offenbar ungleichmäßig und unstetig ist. Das Auswärtige Amt weist im Lagebericht vom 7. August 2006 (S. 23) darauf hin, dass selbst die sog. Pflichtarzneimittel ("Medikamente, die ständig verfügbar und für Patienten weitgehend kostenlos zu beziehen sein sollten") in manchen Kantonen nur gegen Entrichtung des vollen Preises zu erhalten sind, weil dort die jährlich zu aktualisierenden diesbezüglichen Listen nicht existieren, und dass überhaupt der tatsächliche Umfang der Versicherungsleistungen je nach Finanzkraft der Kantone deutliche Unterschiede aufweise, was sich auf die Selbstbeteiligung der Patienten auswirke (entsprechende Aussagen enthielten auch bereits die vorherigen Lageberichte, vgl. den Lagebericht vom 4.5.2004, S. 29; Lagebericht vom 2.2.2005, S. ; 31; Lagebericht vom 29.8.2005, S. 34). Angesichts dessen bleibt unklar, ob der Antragsteller zu 3) - sofern es ihm gelänge, im Gebiet der Föderation Mitglied der staatlichen Krankenversicherung zu werden - das für ihn notwendige Insulin und die erforderliche begleitende ärztliche Versorgung über die staatliche Krankenversicherung erhalten würde. Laut der Mitteilung der Deutschen Botschaft Sarajewo an die Antragsgegnerin ist zudem die Abgabe von Insulin an Patienten gegen Entgelt in Bosnien und Herzegowina illegal. Vor diesem Hintergrund genügt auch die (auf der o. g. Mitteilung der deutschen Botschaft Sarajewo vom 11.5.2005 basierende) Auskunft des Ärztlichen Dienstes des Einwohnerzentralamts vom 18. Mai 2005 an die dortige Rechtsabteilung (Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 23.5.2005) nicht, um die genannten Unklarheiten zu beseitigen. Zu den genannten offenen Fragen kommt dort hinzu, dass diese Auskunft sich nur auf eine "Liste BIH aus 1999" stützen kann und nicht deutlich wird, ob es sich bei den dort als in Bosnien und Herzegowina "vorhanden" bezeichneten Medikamenten um Pflichtarzneimittel der staatlichen Krankenversicherung handelt.

Die von der Antragsgegnerin nach § 72 Abs. 2 AufenthG eingeholte Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vom 5. September 2005 führt zu keinem anderen Ergebnis. Soweit sie sich überhaupt zu der Frage der Versorgung der Diabeteserkrankung des Antragstellers zu 3) in Bosnien und Herzegowina äußert, trägt sie keinerlei eigene Erkenntnisse bei, sondern nimmt lediglich Bezug auf den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, der sich mit dieser Frage aber ebenfalls nicht näher beschäftigt hat.

Soweit schließlich das OVG Münster in einem Beschluss vom 14. Juni 2005 (AuAS 2005 S. 189 f.) ausgeführt hat, es entspreche seit dem Jahr 2000 der übereinstimmenden Auskunftslage, dass Diabetes mellitus in Bosnien und Herzegowina grundsätzlich behandelt werden könne (Insulin sei in ausreichendem Maße verfügbar und werde gegen Rezeptvorlage kostenlos an Patienten abgegeben), ergibt sich aus den bereits genannten Gründen auch daraus für das Beschwerdegericht keine Bewertung zu Lasten des Antragstellers zu 3). Dies gilt nicht zuletzt auch deswegen, weil die insoweit vom OVG Münster zitierten Erkenntnisquellen aus dem Zeitraum von Januar 2000 und bis März 2003 stammen und somit die hier zugrunde gelegten, aktuelleren Auskünfte nicht berühren können.

bb) Sofern der Abschiebung des Antragstellers zu 3) nach Bosnien und Herzegowina ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegensteht, spricht viel dafür, dass ihm nach § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zusteht. Ausschlussgründe nach § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sind nicht ersichtlich; die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen im Sinne des § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG müssen nach § 5 Abs. 3 Halbsatz 1 AufenthG nicht erfüllt sein.

b) Die somit festzuhaltenden Unklarheiten und Zweifel gehen jedenfalls im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens zu Lasten der Antragsgegnerin. Angesichts der für den Antragsteller zu 3) bestehenden Risiken und der für ihn auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter überwiegt sein Interesse an einer Aussetzung der Abschiebung.

Das Beschwerdegericht gewährt den somit gebotenen vorläufigen Rechtsschutz nach Maßgabe des Beschlusstenors, weil dadurch - anders als mit dem Antrag aus der Eilantragsschrift vom 30. September 2004, an dessen Wortlaut das Gericht nach §§ 123 Abs. 3 VwGO, 938 Abs. 1 ZPO nicht gebunden ist - der Rechtsschutzzweck sachgerecht erreicht wird. Dieser Antrag ist in der gestellten Weise nicht sachdienlich, weil er an die zugleich erhobene vorbeugende Unterlassungsklage anknüpft, deren Erfolgsaussichten zweifelhaft sind: Auch wenn man ihre Zulässigkeit unterstellt (vorbeugender Rechtsschutz gegenüber Realakten unterliegt nicht den gleichen Einschränkungen wie solcher gegenüber Verwaltungsakten, vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, Vorb. § 40 Rdnr. 35), ist es nicht ersichtlich, dass der dem Klagantrag nach ohne jegliche zeitliche Begrenzung begehrte Unterlassungsschutz so beansprucht werden könnte. Für einen Teilerfolg dieser Klage im Sinne eines bloß vorübergehenden bzw. zeitlich begrenzten Abschiebungsschutzes (etwa im Hinblick auf das unter dem Aktenzeichen 21 VG 76/2002 beim Verwaltungsgericht anhängige Klagverfahren, vgl. dazu die folgenden Ausführungen) dürfte es ebenfalls keine tragfähige Grundlage geben, da der Antragsteller zu 3) insoweit kein Hauptsacheverfahren in Gestalt einer vorbeugenden Unterlassungsklage benötigt, sondern um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen kann. Sachgerechter ist es daher, den vorläufigen Rechtsschutz des Antragstellers zu 3) mit der (auch) von ihm erhobenen Klage zu verknüpfen, welche nach wie vor beim Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 21 VG 76/2002 anhängig ist. Jene Klage war zunächst gerichtet auf die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz 1990, was sich nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 ohne weiteres umdeuten lässt in eine Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (vgl. den Rechtsgedanken in § 101 Abs. 2 AufenthG), die wiederum (mit hinreichender Erfolgsaussicht, vgl. dazu die obigen Ausführungen) auf § 25 Abs. 3 AufenthG gestützt werden kann. Dass diese Klage bisher vornehmlich mit einer Traumatisierung (auch) des Antragstellers zu 3) und weniger mit seiner Diabeteserkrankung begründet worden ist, ist unschädlich; ausweislich der Ausführungen der Antragsgegnerin in dem Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2001 ist Gegenstand jenes Verfahrens nicht bloß die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis wegen Traumatisierung nach der Weisung 1/2000 (gewesen), sondern die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus allen in Betracht kommenden Gründen (vgl. die dortigen Ausführungen S. 2 zu § 30 Abs. 3 und 4 AuslG). Ebenso unerheblich ist es, dass der Antragsteller zu 3) in dem Klagverfahren 21 VG 76/2002 nicht von dem Prozessbevollmächtigten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vertreten wird, sondern von einem anderen Rechtsanwalt (A... N..).

Das Beschwerdegericht gewährt den vorläufigen Rechtsschutz allerdings nicht, wie mit dem Hauptantrag in der Eilantragsschrift vom 30. September 2004 begehrt, bis zum rechtskräftigen ("bestandskräftigen") Abschluss des maßgeblichen Hauptsacheverfahrens, sondern nur bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Endentscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache 21 VG 76/2002. Damit trägt es dem Umstand Rechnung, dass diese Klage zwar nach derzeit erkennbarer Sach- und Rechtslage gute Erfolgsaussichten hat, der Ausgang dieses Hauptsacheverfahrens aber letztlich nicht sicher vorherzusehen ist. Dem entspricht es, dass der Antragsteller zu 3) zwar nicht vollständig, aber überwiegend obsiegt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Beschwerdegericht hat die jeweiligen Obsiegens- und Unterliegensanteile berücksichtigt. Danach ist der überwiegend obsiegende Antragsteller zu 3) von den auf sein Verfahren entfallenden Kosten im Umfang von 3/4 freizuhalten. Die vollständig unterliegenden Antragsteller zu 1) und 2) haben die auf ihre Verfahren entfallenden Kosten zu tragen; die teils obsiegende und teils unterliegende Antragsgegnerin ist entsprechend an den Verfahrenskosten zu beteiligen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG. Danach veranschlagt das Beschwerdegericht den Streitwert in beiden Instanzen für die Antragsteller jeweils mit der Hälfte des Auffangwerts (jeweils 3 x 2.500,- Euro). Ein Streitwert von jeweils nur einem Viertel des Auffangwerts wäre zu niedrig, da die Antragsteller mit ihren Eilanträgen nicht bloß vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung, § 60 a AufenthG) erreichen wollen, sondern die Gewährung von Abschiebungsschutz während eines Hauptsacheverfahrens, mit dem sie einen Daueraufenthalt anstreben.

Ende der Entscheidung

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