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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 06.01.2005
Aktenzeichen: 3 Bs 567/04
Rechtsgebiete: StAngRegG


Vorschriften:

StAngRegG a.F § 7 Abs. 1
StAngRegG a.F § 15 Abs. 1
Freiwilligkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 StAngRegG a.F. bedeutet, dass Deutschland aufgrund einer Willensbetätigung wieder verlassen wurde, die ohne unmittelbaren Zwang zustande gekommen ist.

Reist ein Kind unter 18 Jahren zusammen mit seiner personensorgeberechtigten Mutter aus, ist gemäß § 15 Abs. 1 StAngRegG a.F. deren Wille für die Freiwilligkeit der Ausreise maßgebend. Eine Verletzung des Aufenthaltsbestimmungsrechts des anderen Elternteils berührt die Freiwilligkeit der Ausreise des Kindes nicht.


3 Bs 567/04

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Jahnke und Niemeyer am 6. Januar 2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und in Abänderung der erstinstanz-lichen Streitwertfestsetzung auch für das erstinstanzliche Verfahren auf jeweils 2.500,-- Euro festgesetzt.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 1. Dezember 2004, mit dem u.a. ihr Antrag abgelehnt wurde, die aufschiebende Wirkung der Klage (10 K 5434/04) anzuordnen, mit der sie sich gegen die Einziehung ihres Personalausweises und Reisepasses wendet, ist nicht begründet. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, führen nicht zum Erfolg der Beschwerde.

1. Das Verwaltungsgericht Hamburg ist in seiner angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der verfügten Einziehung des Personalausweises und Reisepasses bestehen würden: Die Eintragung im Personalausweis und im Reisepass, dass die - 1983 in Polen geborene Antragstellerin - deutsche Staatsangehörige sei, treffe nicht zu. Nachdem sie 1986 mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Deutschland übergesiedelt sei, habe sie als Abkömmling ihres als Vertriebenen anerkannten Vaters zwar die Rechtsstellung einer Deutschen nach Art. 116 Abs. 1 GG erlangt. Aber diese Rechtsstellung habe sie gemäß § 7 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 StAngRegG a.F. (vom 22. Februar 1955, BGBl. I S. 65) wieder verloren, weil sie 1989 zusammen mit ihrer Mutter und Schwester nach Polen zurückgekehrt sei und dort bis August 2002 gelebt habe.

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts wendet die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde lediglich ein, dass sie 1989 nicht freiwillig im Sinne des § 7 Abs. 1 StAngRegG a.F. nach Polen zurückgekehrt sei. Sie sei bei der Ausreise minderjährig gewesen. Deshalb sei auf den Willen ihrer zur gemeinsamen Personensorge berechtigten Eltern abzustellen. Ihr Vater sei jedoch mit der Ausreise nach Polen nicht einverstanden gewesen. Aus seiner beigefügten eidesstattlichen Versicherung ergebe sich, dass seine ehemalige Ehefrau mit seinen Kindern ohne seinen Willen, Zustimmung und Wissen ausgereist sei.

2. Der Umstand, dass die 1989 erfolgte Ausreise der damals minderjährigen Antragstellerin gegen den Willen des zusammen mit der Mutter personensorgeberechtigten Vaters der Antragstellerin durchgeführt worden sein könnte, schließt die Annahme einer freiwilligen Ausreise der Antragstellerin nicht aus.

a) Freiwilligkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 StAngRegG a.F. bedeutet, dass das Bundesgebiet aufgrund einer Willensbetätigung wieder verlassen wurde, die ohne unmittelbaren Zwang wie z.B. durch Auslieferung, Abschiebung oder Verschleppung zustande gekommen ist (vgl.: VGH München, Urteil v. 2.6.1999 - 5 B 96.3705 -, Juris Rechtsprechungsdatenbank; Makarov/v. Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 3. Auflage, Stand: September 1982, StARegG § 7 Rdnr. 4; Renner in: Hailbronner/Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar, 3. Auflage, 2001, § 7 StAngRegG Rdnr. 4). Andere Umstände, die zum Entschluss geführt haben, Deutschland wieder zu verlassen und ins Vertreibungsgebiet zurückzukehren wie z.B. wirtschaftliche oder familiäre Gründe, schließen die Freiwilligkeit nicht aus. Bei Minderjährigen ist insoweit gemäß § 15 Abs. 1 StAngRegG a.F. auf den Willen des gesetzlichen Vertreters abzustellen.

b) Die elterliche Sorge für die Antragstellerin einschließlich deren gesetzlicher Vertretung stand - nach dem Vortrag der Antragstellerin - zum Zeitpunkt der Ausreise 1989 ihren Eltern gemeinsam zu. Gemäß § 1627 BGB üben die Eltern die elterliche Sorge, zu der das Aufenthaltsbestimmungsrecht des § 1631 Abs. 1 BGB gehört, in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes aus. Das heißt, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht ein eigenständiges Recht jedes Elternteils ist. Die Mutter der Antragstellerin hat durch die Mitnahme der Antragstellerin nach Polen ihr Recht ausgeübt, den Aufenthalt der Antragstellerin zu bestimmen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass diese Entscheidung der Mutter der Antragstellerin durch unmittelbaren Zwang herbeigeführt worden und damit nicht freiwillig im Sinne des § 7 Abs. 1 StAngRegG a.F. sein könnte.

c) Durch die Ausübung ihres Aufenthaltsbestimmungsrechts hat die Mutter der Antrag-stellerin zwar das Aufenthaltsbestimmungsrecht des Vaters der Antragstellerin verletzt, wenn es zutreffen sollte, dass die Mitnahme der Antragstellerin gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters der Antragstellerin erfolgt ist. Aber die Verletzung des - ebenfalls eigenständi-gen - Aufenthaltsbestimmungsrechts des Vaters der Antragstellerin ist kein Umstand, der die Annahme einer nicht freiwilligen Ausreise der Antragstellerin im Sinne des § 7 Abs. 1 StAngRegG a.F. begründet. Die Ausreise der Antragstellerin ist gleichwohl trotz des entge-genstehenden Willen ihres Vaters ohne unmittelbaren Zwang auf die Willensentscheidung ihrer Mutter erfolgt. Die Auseinandersetzung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ihrer Eltern betrifft allein deren Innenverhältnis. Insofern hätte es im Übrigen nahe gelegen, dass der Vater der Antragstellerin sein Aufenthaltsbestimmungsrecht auch gerichtlich durchsetzt, wenn er es zum Zeitpunkt der Ausreise der Antragstellerin 1989 tatsächlich als verletzt angesehen haben sollte.

d) Im Hinblick hierauf kann dahin gestellt bleiben, ob das Verwaltungsgericht die Nichtvorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Vaters der Antragstellerin zu Lasten der Antragstellerin hätte werten dürfen, wie die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde bemängelt. Ebenso kommt es für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren nach dem oben Ausgeführten nicht darauf an, ob auch das Verhalten der Antragstellerin nach Erreichen der Volljährigkeit für die Beurteilung der Freiwilligkeit ihrer Ausreise von Bedeutung ist, und was die Schwester der Antragstellerin bei ihrer Vorsprache bei der Antragsgegnerin am 17. Dezem-ber 2002 tatsächlich erklärt hatte.

II.

Die - nicht zusätzlich begründete - Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beschluss vom 1. Dezember 2004 ist nicht begründet, weil der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 10 K 5434/04 zu Recht abgelehnt wurde.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 2 VwGO, 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1, 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des KostRMoG vom 5. Mai 2004.

Dabei setzt das Gericht den Streitwert für die Einziehung der Ausweispapiere auf 2.500,-- Euro fest, weil in der Hauptsache der für das vorliegende Eilverfahren zu halbierende Auffangwert zugrunde zu legen ist. Eine Addition der Streitwerte wegen der Einziehung eines Personalausweises und eines Reisepasses ist im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt. Denn trotz unterschiedlicher Anspruchsgrundlagen besteht der eigentliche Streit darin, ob die Antragstellerin deutsche Staatsangehörige ist, was nur einheitlich beantwortet werden kann und keine unterschiedlichen Auswirkungen bei den Anspruchsgrundlagen für die Einziehung der Ausweispapiere hat.

IV.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist mangels hinreichender Erfolgsaussicht abzulehnen (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).

Ende der Entscheidung

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