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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 3 Bs 94/07
Rechtsgebiete: GG, HmbSOG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
HmbSOG § 14 Abs. 3 Satz 5
HmbSOG § 14 Abs. 4
HmbSOG § 14 Abs. 5
1. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an einem sichergestellten Fahrzeug nach § 14 Abs. 3 Satz 5 HmbSOG steht im Ermessen der Behörde. Es stellt keinen Ermessensfehler dar, dass die Behörde eine Interessenabwägung im Einzelfall erst dann vornimmt, wenn der Kostenpflichtige konkrete Gründe vorträgt, die es seines Erachtens unzumutbar machen, sich das Zurückbehaltungsrecht entgegen halten zu lassen.

2. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts wird nicht dadurch unzulässig, dass der Kostenpflichtige geltend macht, zur Begleichung der Kosten nicht in der Lage zu sein und den drohenden Eigentumsverlust durch Verwertung des sichergestellten Fahrzeugs nicht abwenden zu können. Dies gilt auch dann, wenn die Verwertung wegen des geringen Werts des Fahrzeugs nur einen Teil der Kostenforderung decken kann.

3. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts kann im Einzelfall gegen das Übermaßverbot verstoßen, wenn der Kostenpflichtige glaubhaft macht, die Kosten nicht kurzfristig begleichen zu können und das sichergestellte Fahrzeug aus zwingenden Gründen dringend und unverzüglich zu benötigen.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht

Beschluss

3 Bs 94/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 3. Senat, durch die Richter Korth, Niemeyer und Dr. Daum am 22. Mai 2007 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 27. März 2007 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.000,-- Euro festgesetzt.

2. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. März 2007 geändert, soweit damit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt worden ist. Dem Antragsteller wird für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt bewilligt.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antragsteller möchte im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes erreichen, dass ihm sein wegen verbotswidrigen Parkens abgeschlepptes und bei der Verwahrstelle der Antragsgegnerin sichergestelltes Fahrzeug wieder ausgehändigt wird, ohne dass er zuvor die Kosten der Sicherstellung und Verwahrung begleichen muss. Außerdem begehrt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

I.

Die Beschwerde gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg.

1. Der in H wohnende Antragsteller ist Halter eines erstmals im Juni 1980 zugelassenen VW-Wohnmobils. Die Antragsgegnerin veranlasste am 24. Januar 2007, dass das Fahrzeug abgeschleppt und in der Fahrzeugverwahrstelle im Ausschläger Weg 179 in Verwahrung genommen wurde. Grund für die Abschleppmaßnahme war der Umstand, dass das Fahrzeug am Standort auf einem Parkplatz abgestellt war, der nur mit laufender Parkuhr benutzt werden durfte, die zulässige Höchstparkdauer von einer Stunde nach der Einschätzung der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Anordnens der Abschleppmaßnahme aber bereits um mehr als zwei Stunden überschritten war. Das Fahrzeug befindet sich seitdem in der Verwahrstelle, weil die Antragsgegnerin dessen Herausgabe von der Begleichung der (sich täglich um weitere Verwahrgebühren von 8,50 Euro erhöhenden) Abschleppkosten abhängig macht, der Antragsteller diese Leistung aber nicht erbracht hat.

Der Antragsteller hat am 29. Januar 2007 beim Verwaltungsgericht beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm das Fahrzeug unter Zurückstellung ihres Zahlungsanspruchs (von seinerzeit 486,31 Euro) herauszugeben. Zur Begründung hat er u.a. vorgetragen, er sei nicht in der Lage, die geforderten Gebühren zu bezahlen. Er erhalte gemeinsam mit Ehefrau und Tochter Leistungen gemäß SGB II, von denen nach dem Abzug der Mietkosten für die gesamte Familie ein Betrag von lediglich 675,- Euro übrig bleibe. Auch habe er noch Schulden. Er sei auf die Benutzung des Fahrzeugs angewiesen, da er zu 50% gehbehindert sei und er ohne Begleitperson nicht mehr als 100 Meter Gehstrecke zurücklegen könne. Zwar benötige er mangels beruflicher Tätigkeit das Auto nicht aus beruflichen Gründen, doch brauche er es für die Erledigung des täglichen Einkaufs, für die Behördengänge und insbesondere für die regelmäßigen Arztbesuche; so habe z.B. sein Orthopäde seine Praxis in . Die Antragsgegnerin handele unter diesen Umständen rechtswidrig, indem sie hinsichtlich des Fahrzeugs ein Zurückbehaltungsrecht geltend mache. Ein Zurückbehaltungsrecht stehe auch im öffentlichen Recht unter dem Vorbehalt, dass Treu und Glauben im Einzelfall seine Ausübung verbieten könnten. So liege es hier: Die Verfahrensweise der Antragsgegnerin sei unverhältnismäßig, weil sie darauf hinaus laufe, dass er wegen seiner fehlenden finanziellen Möglichkeiten zur Auslösung des Fahrzeugs schließlich sein Eigentum daran verliere, weil die Antragsgegnerin es bei weiterhin ausbleibender Zahlung der Gebühren verwerten werde. Die Antragsgegnerin werde durch eine Verwertung des nahezu wertlosen Fahrzeugs voraussichtlich gerade die Verwertungskosten selbst decken können, nicht jedoch die Verwaltungs- und Abschleppkosten; somit könne der Zweck des Zurückbehaltungsrechts, diesbezüglichen Einnahmeverlusten vorzubeugen, im vorliegenden Fall nicht erreicht werden. Desweiteren sei nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts überhaupt Ermessen ausgeübt habe, wie dies nach der Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 3 Satz 5 HmbSOG erforderlich sei.

Die Antragsgegnerin hat die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts aufrechterhalten und dazu u.a. vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, dass der Antragsteller absolut auf das Fahrzeug angewiesen sei. Außerdem seien die Sicherstellung des Fahrzeugs und die damit verbundenen Kostenfolgen für den Antragsteller kein überraschendes Ereignis gewesen. Sein Fahrzeug sei nämlich bereits am 8. April 2006 und am 17. Mai 2006 jeweils wegen Parkens im Haltverbot in der abgeschleppt und in die Verwahrstelle verbracht worden, wo er das Fahrzeug jeweils wieder ausgelöst habe. In einem weiteren Fall habe der Antragsteller am 28. November 2006 das Fahrzeug unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz abgestellt; der daraufhin eingeleitete Abschleppvorgang sei abgebrochen worden, weil das Fahrzeug vor dem Eintreffen des Abschleppfahrzeugs entfernt worden sei. Der vorliegende Abschleppvorgang sei bei dem Fahrzeug des Antragstellers somit der vierte innerhalb eines Jahres. Wer tatsächlich unabweisbar auf sein Fahrzeug angewiesen und zudem noch vermögenslos sei, werde jedoch in aller Regel ein umsichtigeres Parkverhalten an den Tag legen und nicht wiederholt neue Abschlepp- und Verwahrungsvorgänge mit den damit verbundenen Kostenfolgen riskieren.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 27. März 2007 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Antragsgegnerin übe rechtmäßig gemäß § 14 Abs. 3 Satz 5 HmbSOG ein Zurückbehaltungsrecht an dem Fahrzeug des Antragstellers aus. Eine summarische Prüfung führe zu dem Ergebnis, dass das Fahrzeug zu Recht abgeschleppt und sichergestellt worden und das Zurückbehaltungsrecht entstanden sei. Seine Ausübung begegne keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar stehe diese im Ermessen der Antragsgegnerin; wegen der Häufigkeit und Gleichartigkeit der Fallgestaltungen sei es jedoch nicht zu beanstanden, wenn im Regelfall die Aushändigung des Fahrzeugs von der Bezahlung der Abschlepp- und Verwahrungskosten abhängig gemacht werde. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht im vorliegenden Fall unverhältnismäßig wäre, seien nicht ersichtlich. Dies gelte auch im Hinblick auf den Vortrag des Antragstellers, dass er nicht über die finanziellen Mittel zur Auslösung des Fahrzeugs verfüge.

Abgesehen von dem zivilrechtlichen Grundsatz, dass eine finanzielle Leistungsunfähigkeit den Schuldner nicht von der Verpflichtung zur Erbringung der Leistung befreie, diene die Sicherstellung und Verwahrung des Fahrzeugs nach dessen Abschleppen mit den damit verbundenen Kostenfolgen unter generalpräventiven Gesichtspunkten dem Zweck, Verkehrsteilnehmer dazu anzuhalten, die Verkehrsregeln stets zu befolgen. Diese verhaltenslenkende Funktion würde nicht hinnehmbar beeinträchtigt, falls die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts an dem Fahrzeug von der Zahlungsfähigkeit des Verantwortlichen abhängig gemacht würde. Überdies würde hierdurch eine nicht gerechtfertigte Privilegierung tatsächlich oder angeblich finanziell leistungsschwacher Polizeipflichtiger bewirkt. Desweiteren habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, zwingend auf die Nutzung des Fahrzeugs angewiesen zu sein. Für Arztbesuche oder andere zwingende Wege könne er das gut ausgebaute öffentliche Verkehrsnetz nutzen. Schließlich sei die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts auch nicht deswegen unverhältnismäßig, weil das Fahrzeug laut den Angaben des Antragstellers nahezu wertlos sei. Zum einen berühre ein solcher Umstand nicht den Zweck des Zurückbehaltungsrechts, den Zahlungspflichtigen zur Begleichung der Kosten anzuhalten; zum anderen sei es allein das wirtschaftliche Risiko der Antragsgegnerin, im Einzelfall diese Kosten auch durch die Verwertung des Fahrzeugs nicht realisieren zu können.

Mit seiner Beschwerde gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts trägt der Antragsteller vor (vgl. im Einzelnen nachfolgend unter "2."), ein Zurückbehaltungsrecht der Antragsgegnerin bestehe im vorliegenden Fall nicht. Selbst wenn es doch bestünde, habe die Antragsgegnerin von dem ihr nach § 14 Abs. 3 HmbSOG insoweit eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht; selbst wenn sie dies doch getan hätte, sei ein Festhalten an dem Zurückbehaltungsrecht unverhältnismäßig.

Die Antragsgegnerin hält dem u. a. entgegen, das Zurückbehaltungsrecht laufe nicht ins Leere: Sofern der Antragsteller das Fahrzeug nicht durch die Zahlung der Gebühren auslöse, werde das Verwertungsverfahren eingeleitet, damit sie, die Antragsgegnerin, daraus befriedigt werden könne. Zwar sei der Ertrag einer Verwertung ungewiss, dieses Risiko liege aber bei ihr selbst. Sofern der Erlös die entstandenen Kosten nicht decke, bekomme sie zumindest einen Teil der Kosten sofort erstattet. Sie habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Insbesondere habe sie berücksichtigt, dass der Antragsteller seit 2006 bereits vier Mal wegen unzulässigen Parkens aufgefallen sei. Gerade wenn er nicht zur Zahlung fähig sei, sollte er regelgerecht parken. Es sei rechtsmissbräuchlich, sich hinterher auf Zahlungsunfähigkeit zu berufen und sein Fahrzeug ohne Zahlung herauszuverlangen. Ferner habe sie berücksichtigt, dass der Antragsteller mit seinem Fahrzeug hafte und nicht nachweislich vorgetragen habe, auf die Nutzung des Wohnmobils angewiesen zu sein.

2. Die von dem Antragsteller mit der Beschwerde vom 10. April 2007 dargelegten Gründe, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO ausschließlich zu prüfen hat, führen nicht zum Erfolg der Beschwerde. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht den begehrten vorläufigen Rechtsschutz zu Unrecht versagt hätte.

a) Der Antragsteller trägt vor, ein Zurückbehaltungsrecht der Antragsgegnerin an seinem Fahrzeug bestehe nicht. Dessen Ausübung komme im vorliegenden Fall einer unzulässigen Rechtsausübung gleich, da der Zweck des Zurückbehaltungsrechts, eine zügige Bezahlung der offenen Kosten zu gewährleisten und Außenstände zu verhindern, wegen der Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Antragstellers und seiner damit verbundenen Unfähigkeit, das Fahrzeug auszulösen, nicht erreichbar sei. Vielmehr führe die Vorgehensweise der Antragsgegnerin faktisch zur Verwertung des Fahrzeugs nach § 14 Abs. 4 HmbSOG und komme damit nicht bloß, wie dies dem Wesen des Zurückbehaltungsrechts entspreche, der Geltendmachung einer Einrede gleich, sondern einer unzulässigen Aufrechnung.

Damit dringt der Antragsteller nicht durch. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts gemäß § 14 Abs. 3 Satz 5 HmbSOG wird nicht schon dadurch unzulässig, dass der Gebührenpflichtige erklärt, zur Begleichung der Kosten nicht in der Lage zu sein (vgl. dazu auch die nachfolgenden Ausführungen unter "c"). In dem Fall, dass sich diese Situation nicht ändert, bietet § 14 Abs. 4 Satz 2 HmbSOG allerdings die Möglichkeit der Verwertung, falls die weitere Aufbewahrung der sichergestellten Sache mit unverhältnismäßig großen Kosten verbunden ist; gerade bei einem geringwertigen Fahrzeug kann sich für die Antragsgegnerin eine solche Vorgehensweise anbieten, um wenigstens einen Teil der offenen Kosten decken zu können. Soweit dadurch der Herausgabeanspruch des Fahrzeughalters bzw. -eigentümers bzgl. des Fahrzeugs nicht mehr bloß mit einer Einrede der Antragsgegnerin behaftet ist, sondern erlischt, ist dies eine in § 14 Abs. 5 HmbSOG vorausgesetzte Rechtsfolge des Verwertungsrechts.

b) Der Antragsteller trägt weiter vor, die Antragsgegnerin habe von dem ihr nach § 14 Abs. 3 (Satz 5) HmbSOG eröffneten Ermessen keinen Gebrauch gemacht, sondern sich offenbar rechtsirrig als gebunden angesehen.

Diese Rüge greift ebenfalls nicht durch. Es trifft zwar vom rechtlichen Ansatz her zu, dass die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 14 Abs. 3 Satz 5 HmbSOG im Ermessen der Antragsgegnerin steht, auch wenn es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sondern um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung, die auf einer gleichgeordneten rechtlichen Ebene erfolgt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 26.5.1983, DVBl. 1983 S. 1074; Schwemer/Heinze, Hamburger SOG 2005, § 14 Rdnr. 16); die Weigerung, ein sichergestelltes Fahrzeug herauszugeben, ist rechtswidrig, wenn die Antragsgegnerin von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht (rechtmäßig) Gebrauch gemacht hat.

Im vorliegenden Fall ist bei der Antragsgegnerin jedoch kein Ermessensausfall festzustellen. Sie hat (vgl. ihren Schriftsatz vom 16.3.2007 und zuletzt die Beschwerdeerwiderung vom 26. April 2007) die Umstände des vorliegenden Einzelfalls berücksichtigt und sich entschlossen, das Zurückbehaltungsrecht weiterhin auszuüben; dies beruht nicht zuletzt darauf, dass der Antragsteller nach ihrer Würdigung nicht glaubhaft gemacht hat, zwingend auf das VW-Wohnmobil angewiesen zu sein. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Übrigen in Fällen der Sicherstellung verkehrsrechtswidrig abgestellter Fahrzeuge zunächst generell ihr Zurückbehaltungsrecht ausübt (bzw. den Betreiber der Verwahrstelle entsprechend anweist) und daran festhält, solange ihr keine Besonderheiten des Einzelfalls bekannt werden, die eine abweichende Bewertung gebieten, bedeutet ebenfalls keinen Ermessensausfall und ist auch nicht sonst ermessensfehlerhaft. Die Antragsgegnerin darf zunächst vom Regelfall ausgehen und bei ihrer Entscheidung für die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts an die typischen Gegebenheiten dieser Fallgruppe anknüpfen, die üblicherweise nicht erkennen lassen, weshalb die sofortige Zahlung der Sicherstellungs- und Verwahrungskosten Zug um Zug gegen die Herausgabe des Fahrzeugs unzumutbar sein sollte (vgl. OVG Münster, Urt. v. 26.5.1983, a. a. O. S. 1074 f.). Dementsprechend ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin erst dann eine Interessenabwägung im Einzelfall vornimmt, wenn der Betroffene konkrete Gründe vorträgt, die es seines Erachtens unzumutbar machen, sich das Zurückbehaltungsrecht entgegen halten zu lassen.

c) Der Antragsteller trägt mit der Beschwerde vor, die Antragsgegnerin könne ihr Ermessen nur dahin rechtmäßig ausüben, dass sie von dem Zurückbehaltungsrecht nicht mehr weiter Gebrauch mache und ihm das Fahrzeug zurückgebe. Die weitere Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei für das Erreichen des gesetzlich vorgesehenen Zwecks untauglich, da die Antragsgegnerin ihre Forderung auf solche Weise nicht durchsetzen könne; selbst eine anschließende Verwertung des Fahrzeugs führe auf Grund seines hohen Alters nicht zum Ausgleich der Kosten. Eine weitere Aufrechterhaltung des Zurückbehaltungsrechts sei daher unverhältnismäßig und rechtsmissbräuchlich.

Auch dieses Argument greift nicht durch. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an dem sichergestellten Fahrzeug soll es der Antragsgegnerin in der Tat ermöglichen, ihre Kostenforderung effizienter durchzusetzen und Einnahmeverlusten vorzubeugen (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, Bürgerschaftsdrucksache 17/2810 vom 27.5.2003, Seite 4). Das Zurückbehaltungsrecht hat dabei eine Druck- und eine Sicherungsfunktion (vgl. OVG Münster, Urt. v. 26.5.1983, a.a.O., S. 1075). Es ist grundsätzlich mit diesem Zweck vereinbar, wenn die Antragsgegnerin auch in solchen Fällen weiter von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch macht, in denen der Kostenpflichtige geltend macht, die Kosten nicht begleichen zu können. Zum einen - dies entspricht der Druckfunktion - ist es möglich, dass der Kostenpflichtige sich das nötige Geld unter dem Druck der Situation doch noch anderweitig besorgt, etwa durch Darlehen von Freunden oder Verwandten, und das Fahrzeug gegen Begleichung aller Kosten auslöst; dem entspricht es, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag in entsprechenden Fällen in der jüngeren Vergangenheit das erforderliche Geld bereits auf solche Weise aufgebracht hat. Zum anderen - dies entspricht der Sicherungsfunktion - bleibt der Antragsgegnerin ansonsten die Möglichkeit, das Fahrzeug nach § 14 Abs. 4 Satz 2 HmbSOG zu verwerten und aus dem Erlös zumindest einen Teil ihrer Kostenforderung sofort decken zu können. Würde sie demgegenüber das Fahrzeug ohne vorherige Begleichung der Kosten an einen erklärtermaßen Zahlungsunfähigen herausgeben, so wäre es so gut wie sicher, dass ihre Kostenforderung auf absehbare Zeit vollständig unbeglichen bliebe; dies würde dem genannten Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Daran würde auch eine Sicherungsübereignung des Fahrzeugs unter Aushändigung des Fahrzeugbriefs an die Antragsgegnerin (vgl. die Beschwerdeschrift, Seite 3) nichts ändern, da sich daraus (gerade bei erkennbar alten und geringwertigen Fahrzeugen) keine mit einer Versteigerung des Fahrzeugs aus eigenem unmittelbaren Verwahrungsbesitz heraus vergleichbaren Verwertungsmöglichkeiten ergeben würden.

Alldem steht nicht entgegen, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts im Einzelfall gegen das Übermaßverbot verstoßen kann. Maßgeblich ist dabei insbesondere, ob der Kostenpflichtige glaubhaft macht, die Kosten nicht kurzfristig begleichen zu können und das Fahrzeug aus zwingenden Gründen dringend und unverzüglich zu benötigen (vgl. die o.g. Bürgerschaftsdrucksache 17/2810, a.a.O.). Dagegen dürfte es keine rechtlich tragfähige Erwägung sein, die Sicherstellung des Fahrzeugs aus "generalpräventiven" Gründen in dem Sinne aufrecht zu erhalten, dass andere Verkehrsteilnehmer sich dadurch veranlasst sehen sollen, die Verkehrsregeln einzuhalten (so aber wohl der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts, BA S. 4 unten), da eine solche Zielrichtung nicht dem o.g. Zweck der gesetzlichen Regelung in § 14 Abs. 3 Satz 5 HmbSOG entsprechen dürfte. Aus dem gleichen Grund erschiene es zweifelhaft, das Zurückbehaltungsrecht geltend zu machen, um den im konkreten Fall betroffenen Verkehrsteilnehmer aus gleichsam "spezialpräventiven" Gründen zur künftigen Beachtung der Verkehrsregeln zu veranlassen. Eine gemessen an dem o. g. Gesetzeszweck im Einzelfall unangemessen schwerwiegende Folge der weiteren Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts wird nicht dadurch angemessen, dass dies auf Dritte oder auf den im Einzelfall Betroffenen "abschreckend wirkt".

Nach diesen Maßstäben verstößt die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht gegen das Übermaßverbot, indem sie ihr Zurückbehaltungsrecht weiterhin ausübt: Der Antragsteller hat einen zwingenden und unverzüglichen Bedarf an dem Fahrzeug nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht haben dies zutreffend ausgeführt, ohne dass die Beschwerde dem etwas entgegen zu setzen hätte.

d) Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, die Verfahrensweise der Antragsgegnerin verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und gegen das Eigentumsrecht (Art. 14 Abs. 1 GG), da sie gerade bei finanziell leistungsschwachen Bürgern ausnahmslos den Verlust des Eigentums an dem Fahrzeug verursache, führt auch dies nicht zum Erfolg.

aa) Der Gleichheitssatz verlangt, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Damit ist es vereinbar, wenn die Antragsgegnerin gegenüber den Eigentümern bzw. Haltern von Fahrzeugen, die wegen verkehrsrechtswidrigen Abstellens sichergestellt worden sind, ihr Zurückbehaltungsrecht einheitlich ausübt und dies grundsätzlich nicht von den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen des Betroffenen abhängig macht. Die betreffenden Sachverhalte - Sicherstellung von verbotswidrig geparkten Fahrzeugen, Aushändigung des Fahrzeugs nur gegen Begleichung der Kosten - sind im wesentlichen gleich; der Umstand, dass ein zahlungsfähiger Bürger die Höhe der Kosten der Sicherstellung und Verwahrung finanziell als weniger schmerzhaft empfinden wird als ein "armer" Bürger, und er das Fahrzeug u.U. leichter auslösen kann, steht dem nicht entgegen. Dem entspricht es, dass der Gleichheitssatz es auch nicht gebietet, bei der Höhe der Gebühren der Sicherstellung und Verwahrung selbst nach den Einkommens- oder Vermögensverhältnissen der Betroffenen zu unterscheiden (zu den demgegenüber im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge gegebenen Möglichkeiten und Grenzen einer gebührenrechtlichen Anknüpfung an die Einkommenshöhe vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.3.1998, BVerfGE Bd. 97 S. 332, 344 ff., am Beispiel von Kindergartengebühren). Wesentlich ungleiche Sachverhalte, die es rechtfertigen oder gebieten könnten, gegenüber einem finanziell leistungsschwachen Bürger trotz Gefährdung der Kostenforderung auf die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts an dem Fahrzeug zu verzichten - und ihn damit ungleich, nämlich besser zu behandeln als andere Kostenpflichtige - dürften nur in den o. g. Fällen vorliegen, in denen sonst angesichts besonderer Umstände des Einzelfalls gegen das Übermaßverbot verstoßen würde.

bb) Die Verfahrensweise der Antragsgegnerin verstößt auch nicht gegen das Eigentumsrecht. Der Eigentumsverlust einer polizeirechtlich sichergestellten Sache durch Versteigerung ist zwar ein Eingriff in das Eigentumsrecht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG; diese Art des Eigentumsverlustes wird jedoch im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine gesetzliche Regelung (§ 14 Abs. 4 Satz 2 HmbSOG) nach Maßgabe der dort normierten Voraussetzungen und Grenzen ermöglicht.

e) Die abschließend erfolgte pauschale Bezugnahme des Antragstellers "auf seine Ausführungen erster Instanz" kann schon deshalb nicht zum Erfolg führen, weil der Antragsteller sich damit nicht mit der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Streitgegenstand ist hier nicht die Frage, ob der Antragsteller von der Begleichung der Kosten der Sicherstellung und Verwahrung bis zu deren abschließender Überprüfung in einem (eventuellen) Rechtsmittelverfahren vorläufig verschont werden soll; vielmehr geht es darum, ob er sein Fahrzeug trotz bisher fehlender Begleichung dieser Kosten wieder zurück erhält. Die Bedeutung der Sache liegt daher für den Antragsteller darin, sein Fahrzeug wieder nutzen zu können. Bei der zahlenmäßigen Bewertung dieses Interesses folgt das Beschwerdegericht der Einschätzung des Verwaltungsgerichts.

II.

1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für das Eilverfahren in erster Instanz richtet, hat sie Erfolg.

Der Antragsteller kann gemäß den vorgelegten Unterlagen nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung in erster Instanz nicht aufbringen (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Zum insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der PKH-Bewilligungsreife (Eingang der Stellungnahme der Antragsgegnerin mit beigefügter Sachakte am 19.2.2007) hatte die mit dem Eilantrag beabsichtigte Rechtsverfolgung auch hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von §§ 166 VwGO, 114 ZPO:

Für die Annahme hinreichender Erfolgsaussichten im Sinne des Prozesskostenhilferechts genügt bereits eine gewisse, nicht bloß entfernte Wahrscheinlichkeit des Erfolgs der beabsichtigten Rechtsverfolgung. Denn die Prüfung der Erfolgsaussichten im Prozesskostenhilfeverfahren darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung seitens einer unbemittelten Partei unverhältnismäßig zu erschweren und die Gewährung der Prozesskostenhilfe von einem schon hoch wahrscheinlichen oder gar sicheren Prozesserfolg abhängig zu machen; die Rechtsverfolgung würde sonst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorverlagert (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.1.1994, Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33). Der dem Gericht bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten zukommende Entscheidungsspielraum wird durch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG begrenzt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.2.2004, NJW 2004 S. 1789). Diese Grenze wird überschritten, wenn dem Unbemittelten durch überspannte Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht der weitgehend gleiche Zugang zu Gericht ermöglicht wird wie dem Bemittelten (vgl. BVerfG, a. a. O.).

Nach diesem Maßstab war der Eilantrag zum o. g. Zeitpunkt der PKH-Bewilligungsreife noch nicht als von vornherein aussichtslos anzusehen. Erst die weitere Prüfung durch das Verwaltungsgericht im Laufe des dortigen Eilverfahrens hat die erforderliche Klarheit erbracht, dass der Eilantrag abzulehnen war (vgl. etwa die mit der Hinweisverfügung des Verwaltungsgerichts vom 13.3.2007 aufgeworfenen Fragen zur persönlichen Betroffenheit des Antragstellers). Dies bestätigt der Umstand, dass das Verwaltungsgericht zunächst mit Beschluss vom 2. März 2007 einen Vergleichsvorschlag nach § 106 Satz 2 VwGO gemacht und es ausweislich der genannten Hinweisverfügung vom 13. März 2007 auch noch nach der Ablehnung jenes Vergleichsvorschlags durch die Antragsgegnerin für möglich gehalten hat, dass die Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts unverhältnismäßig sein könnte.

2. Das Beschwerdegericht versteht den Antragsteller (trotz des insoweit nicht eindeutig formulierten Antrags unter Nr. 2 der Beschwerdeschrift) dahin, dass er auch für das vorliegende Beschwerdeverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten begehrt. Dieser Antrag bleibt ohne Erfolg, da die mit der Beschwerde (soweit sie auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtet gewesen ist) beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt hat (§§ 166 VwGO, 114 ZPO). Anders als im Eilverfahren in erster Instanz hat im Beschwerdeverfahren zum (hier) maßgeblichen Zeitpunkt der PKH-Bewilligungsreife eine nur noch entfernte Erfolgswahrscheinlichkeit für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bestanden; insoweit wird auf die oben unter "I.2." gemachten Ausführungen Bezug genommen. Der Streitgegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist wegen der alleinigen Prüfung auf die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) eingeschränkt; insoweit bestand weder Aufklärungsbedarf zum Sachverhalt noch waren schwierige oder unklare Rechtsfragen zu lösen.



Ende der Entscheidung

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