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Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 4 Bf 232/07
Rechtsgebiete: ARB 1/80


Vorschriften:

ARB 1/80 Art. 10 Abs. 1
1. Ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört und der im Besitz einer ordnungsgemäßen unbefristeten Arbeitsgenehmigung ist, kann sich in Bezug auf seinen aufenthaltsrechtlichen Status auf Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 berufen, auch wenn ihm Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 nicht zustehen (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 26.10.2006, Rs. C-4/05, Güzeli, NVwZ 2007, 187).

2. Die praktische Wirksamkeit von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 erfordert, dass ein türkischer Staatsangehöriger, dem die ordnungsgemäße Erlaubnis erteilt worden ist, im Gebiet eines Mitgliedstaates für eine bestimmte Zeit eine Beschäftigung auszuüben, während dieser gesamten Zeit seine Rechte aus dieser Erlaubnis ausüben kann (im Anschluss an EuGH, Urt. v. 2.3.1999, Rs. C-416/96, El-Yassini, NVwZ 1999, 1095, und Urt. v. 14.12.2006, Rs. C-97/05, Gattoussi, NVwZ 2007, 430).

3. Dem nationalen Gericht ist es verwehrt, die Wirksamkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 im Ergebnis dadurch auszuhöhlen, dass es einer dem türkischen Arbeitnehmer vom Mitgliedstaat erteilten ordnungsgemäßen Arbeitsgenehmigung, welche die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung übersteigt, von Anfang an und unter Bezugnahme auf nationale Bestimmungen (§ 285 Abs. 5 SGB III und § 8 Arbeitsgenehmigungsverordnung) Wirkungen für den aufenthaltsrechtlichen Status des Betroffenen gänzlich abspricht (im Anschluss an EuGH Urt. v. 14.12.2006, Rs. C-97/05, Gattoussi, NVwZ 2007, 430; im Ergebnis Abweichung von BVerwG, Urt. v. 1.7.2003, BVerwGE 118, 249).


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Im Namen des Volkes Urteil

4 Bf 232/07

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Pradel, Wiemann und Graf von Schlieffen sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Hinze und Kaufhold für Recht erkannt:

Tenor:

Soweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat, wird das Berufungsverfahren eingestellt.

Im Übrigen wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. Juli 2007 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Februar 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 29. August 2006 verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen.

Die Beklagte trägt drei Viertel, der Kläger ein Viertel der Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten des gesamten Verfahrens vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der 1969 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er wendet sich gegen die Rücknahme jeweils befristeter Aufenthaltserlaubnisse und begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen.

Der Kläger reiste erstmalig im Februar 1996 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Während des Asylverfahrens war er einer Aufnahmeeinrichtung in Leipzig zugewiesen. Im Juni 1997 heiratete der Kläger, der davor in der Türkei verheiratet war und dort zwei Kinder hat, die seinerzeit in Dortmund wohnhafte deutsche Staatsangehörige ............... . Der Kläger kehrte nach Ablehnung seines Asylantrags im Mai 1998 in seinen Heimatstaat zurück. Im Folgemonat reiste er mit einem Sichtmerk für eine Familienzusammenführung erneut in das Bundesgebiet ein und meldete sich unter der damaligen Anschrift seiner Ehefrau in Bochum an. Auf seinen Antrag erteilte ihm die Ausländerbehörde der Stadt Bochum im Juli 1998 eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die sie im Juni 1999 für zwei Jahre bis zum 2. Juli 2001 verlängerte. Daneben erteilte das Arbeitsamt Bochum dem Kläger am 29. September 1998 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung.

Der Kläger war von Februar bis November 1999 in Hamburg als Hilfskraft im Baugewerbe beschäftigt, und danach erneut ab September 2000 bei verschiedenen Hamburger Arbeitgebern. Die Beschäftigungsverhältnisse dauerten zunächst jeweils weniger als ein Jahr. Zum 1. Juli 2000 meldete sich der Kläger in Hamburg für die Wohnung .... Straße ....an. Unter dem 26. Juni 2001 beantragte er bei der Beklagten die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Seine Ehefrau war bis Juni 1999 in Bochum, danach in Aschersleben (Sachsen-Anhalt) und ab Mai 2001 bei ihrer Mutter in Magdeburg gemeldet. Der Kläger arbeitete zum Zeitpunkt des Verlängerungsantrags bei einer Baufirma in Hamburg, der ...... Bau und Verputz GmbH. Er gab auf Befragen an, er sei wegen der Arbeitsaufnahme nach Hamburg gezogen, seine Ehefrau sehe er alle vierzehn Tage. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin am 16. August 2001 eine bis 15. August 2003 gültige Aufenthaltserlaubnis. Mit Antrag vom 29. September 2003 begehrte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Er legte den mit Wirkung vom 3. November 2003 mit der Firma ............. Trockenbau geschlossenen Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen für die Monate November und Dezember 2003 sowie eine Bescheinigung seines Arbeitgebers vom 16. Januar 2004 vor, wonach er dort seit dem 3. November 2003 beschäftigt sei. Am 20. Januar 2004 erklärte er gegenüber der Ausländerbehörde, seit eineinhalb Jahren von seiner Ehefrau getrennt zu leben. Die Beklagte verlängerte die Aufenthaltserlaubnis am selben Tag bis 19. Januar 2006.

Nachdem der Beklagten im Juli 2005 bekannt geworden war, dass sich der Kläger in einem anderen Verwaltungsverfahren als getrennt lebend schon ab Februar 2000 bezeichnet hatte, hörte sie den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse an. Die Beklagte teilte ihm mit, nach ihren Ermittlungen habe schon seit Oktober 1999 keine eheliche Lebensgemeinschaft mehr bestanden. Der Kläger gab daraufhin an, er habe sich erst im November 2000 endgültig von seiner Ehefrau getrennt. Davor habe er sich an Wochenenden bei ihr aufgehalten und letztlich erfolglos versucht, sie zu einem Umzug "in den Westen" bzw. nach Hamburg zu überreden.

Im Dezember 2005/Januar 2006 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis bzw. die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. Als Zweck nannte er seine Erwerbstätigkeit, aus der er den Lebensunterhalt bestreite. Er legte eine Bescheinigung seines damaligen Arbeitgebers, der ..... GmbH in Hamburg vom 19. Dezember 2005 vor, wonach er bei ihr seit dem 1. November 2004 in einem unbefristeten und ungekündigten Arbeitsverhältnis stand.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2006 nahm die Beklagte die am 16. August 2001 und 20. Januar 2004 erteilten Aufenthaltserlaubnisse zurück. Zugleich lehnte sie den Antrag des Klägers auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bzw. auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ab und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Türkei an: Dem Kläger hätten die Aufenthaltserlaubnisse nicht erteilt werden dürfen, da die eheliche Lebensgemeinschaft nach den schriftlichen Angaben seiner Ehefrau keine zwei Jahre bestanden habe, sondern schon im Oktober 1999 aufgehoben worden sei. Der Kläger habe die Aufenthaltserlaubnisse mit falschen Angaben erwirkt, und deshalb seien auch sein Verlängerungsantrag sowie der Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis abzulehnen.

Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2006 zurück: Der Kläger habe entgegen seiner Behauptung nicht bis Herbst 2000 mit seiner Frau in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt. Schon im Februar 1999 habe er eine Arbeit in Hamburg aufgenommen. In der Folgezeit habe er mit Unterbrechungen bei verschiedenen anderen Arbeitgebern in Hamburg gearbeitet. Seine Frau habe im November 1999 gegenüber der Stadt Aschersleben angegeben, die Eheleute hätten sich im Oktober 1999 endgültig getrennt. Dem Kläger habe daher schon im Zeitpunkt der ersten Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis im August 2001 kein entsprechender Anspruch nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG und auch kein eheunabhängiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG zugestanden. Daneben habe der Kläger einen Verlängerungsanspruch auch nicht aus Art. 6 ARB 1/80 ableiten können, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mindestens ein Jahr bei demselben Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei. Die Rücknahme der deshalb zu Unrecht erteilten Aufenthaltserlaubnisse mit Wirkung für die Vergangenheit sei angesichts der falschen Angaben des Klägers über das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft auch im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. - Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 1. September 2006 zugestellt.

Am 2. Oktober 2006, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen: Die zurückgenommenen Aufenthaltserlaubnisse seien nicht rechtswidrig gewesen. Er habe sich erst im Herbst 2000 nach seinem endgültigen Umzug nach Hamburg von seiner Ehefrau getrennt. Ihm habe deshalb wegen der mehr als zweijährigen Ehebestandszeit ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 AuslG zugestanden. Im Übrigen verstoße die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80. Ihm sei nach der Einreise in das Bundesgebiet und der Erteilung der (befristeten) Aufenthaltserlaubnis auch eine Arbeitsgenehmigung erteilt worden, die nicht befristet gewesen sei. Die daraus folgenden Rechte stünden nach den zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften der Befristung bzw. Rücknahme eines Aufenthaltsrechts entgegen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Februar 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2006 zu verpflichten, dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen,

hilfsweise seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide bezogen.

Eine vom Verwaltungsgericht beabsichtigte Vernehmung der Ehefrau des Klägers und deren Mutter ist nicht zustande gekommen. Die Zeuginnen haben gegenüber dem Verwaltungsgericht per Telefax mitgeteilt, sie würden von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen und nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen. Das Verwaltungsgericht hat ihnen daraufhin mitgeteilt, sie könnten von ihrem Aussageverweigerungsrecht erst in der Verhandlung Gebrauch machen und müssten deshalb zu dem Termin erscheinen. Der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 26. April 2007 sind sie nicht gefolgt. Sie sind - trotz Verwarnung und Ankündigung der Verhängung eines Ordnungsgeldes sowie weiterer ordnungsgemäßer Ladung - auch zu dem Termin vom 7. Juni 2007 nicht erschienen. Die Beteiligten haben daraufhin im Verlauf der mündlichen Verhandlung auf eine Vernehmung der Ehefrau des Klägers und deren Mutter verzichtet.

Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2007 Herrn ........... als Zeugen zu der Frage vernommen, ob der Kläger bis zum Sommer 2000 zusammen mit seiner Ehefrau mehrmals in der Woche den Imbiss in Aschersleben, in dem der Zeuge tätig gewesen sei, aufgesucht habe. Hinsichtlich seiner Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 125 ff. der Gerichtsakte) verwiesen.

Mit Urteil vom 3. Juli 2007 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Aufenthaltserlaubnisse vom 16. August 2001 und vom 20. Januar 2004 zur Recht zurückgenommen, da der Kläger diese Erlaubnisse weder nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG noch nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG habe beanspruchen können. Nach seiner Einreise und der Erteilung der ersten Aufenthaltserlaubnis durch die Stadt Bochum im Juli 1998 habe der Kläger jedenfalls ab Februar 1999 in Hamburg gearbeitet und dort getrennt von seiner Ehefrau gelebt, die in Bochum, später in Aschersleben mit ihrer Mutter zusammen gewohnt habe. Den Nachweis für seine Behauptung, er und seine Ehefrau hätten trotz verschiedener Wohnorte gleichwohl noch bis Herbst 2000 eine eheliche Lebensgemeinschaft geführt, habe der Kläger nicht erbracht. Die Beklagte habe ihm auch keine Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 ARB 1/80 erteilen dürfen, da er die dafür notwendigen Beschäftigungszeiten nicht erfüllt habe. Ebenso wenig habe die Beklagte die Aufenthaltserlaubnis auf den Antrag vom 26. Juni 2001 deshalb verlängern müssen, weil das Arbeitsamt der Stadt Bochum dem Kläger zuvor im September 1998 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung erteilt habe. Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 habe die Beklagte insoweit nicht dazu verpflichtet, ihm die Fortsetzung der seinerzeit ausgeübten Beschäftigung durch Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu ermöglichen.

Auf den Antrag des Klägers hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom 28. Januar 2008, dem Kläger zugestellt am 31. Januar 2008, die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassen.

Mit der am 4. Februar 2008 eingegangenen Berufungsbegründung trägt der Kläger vor: Die Beklagte habe im Rahmen der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse, die ihm wegen der Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilt worden seien, nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG vorgelegen hätten. Vorliegend seien auch keine Umstände gegeben, die insoweit zu einer Umkehr der Beweislast führen würden. Darüber hinaus habe die Beklagte Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 nicht hinreichend beachtet. Nach der Rechtsprechung des Europäisches Gerichtshofs sei das aus dieser Norm folgende Diskriminierungsverbot dahin auszulegen, dass die Gewährung eines - auch ihm mit der unbefristeten Arbeitsgenehmigung eingeräumten - zeitlich unbeschränkten Zugangs zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Ableitung eines entsprechenden weitergehenden Aufenthaltsrechts führe. Eine vertragsergänzende "Gemeinsame Erklärung" der Vertragsstaaten, wie sie etwa für das Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Tunesien existiere und aus der sich gegebenenfalls eine Einschränkung der Tragweite des nach dem Assoziationsratsbeschluss zu beachtenden Diskriminierungsverbots ableiten lasse, bestehe im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 nicht.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 29. Mai 2008 hat der Kläger die Berufung insoweit zurückgenommen, als sie die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis betroffen hat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg auf Grund mündlicher Verhandlung vom 3. Juli 2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids 6. Februar 2006 und des Widerspruchsbescheids vom 29. August 2006 zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen bzw. auszustellen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bezieht sich im Übrigen zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtakte und die Ausländerakte des Klägers, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Soweit der Kläger die Berufung zurückgenommen hat, war das Berufungsverfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat im Übrigen Erfolg.

Die mit dem ursprünglichen Hilfsantrag weiter verfolgte Klage ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse und auf Verpflichtung zur Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse in dem angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).

Das Verwaltungsgericht ist im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Aufenthaltserlaubnisse nur nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden können (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 23.5.1995 BVerwGE 98, 298 ff.) und dass dies voraussetzt, dass dem Kläger ein Anspruch auf diese Aufenthaltsgenehmigungen nicht zustand und die jeweiligen Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnisse deshalb rechtswidrige Verwaltungsakte im Sinne der genannten Vorschrift waren. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der streitigen Aufenthaltsgenehmigungen nach § 48 HmbVwVfG haben indes nicht vorgelegen. Denn die Verlängerungen der Aufenthaltserlaubnisse im August 2001 und Januar 2004 waren nicht rechtswidrig. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder nach deren Beendigung wegen Erreichens der zweijährigen Ehebestandszeit beanspruchen konnte (1.). Auch aus Art. 6 ARB 1/80 ergaben sich keine Verlängerungsansprüche (2.). Ein Aufenthaltsrecht hat dem Kläger aber wegen der ihm zuvor erteilten unbefristeten Arbeitsgenehmigung im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 zugestanden (3.). Der Kläger hat auch einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis ausstellt (4.).

1. Die Rücknahme der beiden Aufenthaltserlaubnisse vom 16. August 2001 und vom 20. Januar 2004 scheitert nicht bereits daran, dass dem Kläger im Zeitpunkt deren Erteilung hierauf ein Anspruch im Hinblick auf seine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen oder als eigenständiges Aufenthaltsrecht nach Beendigung einer mindestens zweijährigen ehelichen Lebensgemeinschaft zustand.

a) Die Aufenthaltserlaubnis durfte nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG i.V.m. § 17 Abs. 1 AuslG erteilt bzw. verlängert werden, weil nach dem eigenen Vortrag des Klägers im August 2001 eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestand. Bei seiner Anhörung zur beabsichtigten Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse hat er im Juli 2005 gegenüber der Ausländerbehörde selbst angegeben, sich im November 2000 endgültig von seiner Ehefrau getrennt zu haben.

b) Die Aufenthaltserlaubnis war auch nicht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG zu verlängern. Ein Anspruch auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht im Sinne dieser Vorschrift hätte nur bestanden, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau mindestens zwei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hätte. Für eine besondere Härte im Sinne von Nr. 2 dieser Vorschrift und einen gegebenenfalls daraus folgenden Verlängerungsanspruch ist weder etwas vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Der Senat hat nicht die Erkenntnis gewinnen können, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau mindestens bis Anfang Juli 2000 gedauert hat. Auf diesen Zeitpunkt ist abzustellen, da dem Kläger nach seiner im Juni 1998 erfolgten Einreise in das Bundesgebiet erstmals am 2. Juli 1998 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Der Kläger und seine Ehefrau haben sich seit Februar 1999 getrennt an verschiedenen Orten aufgehalten. Der Kläger war seit Februar 1999 bei Hamburger Unternehmen beschäftigt und hielt sich regelmäßig in Hamburg auf. Seine Ehefrau lebte zunächst zusammen mit ihrer Mutter weiter in Bochum. Diese beiden Personen sind sodann offenbar im Juni 2000 zunächst nach Aschersleben (Sachsen-Anhalt) und später (wiederum zusammen) nach Magdeburg verzogen. Dass der Kläger zeitweise unter der Meldeanschrift seiner Ehefrau geführt worden ist - allerdings hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass auch insoweit größere Abweichungen vorliegen, vgl. UA S. 12 - und sich erst zum 1. Juli 2000 für die kurz zuvor angemietete Wohnung in der.... Straße ..... in Hamburg angemeldet hat, belegt bei den genannten tatsächlichen (Arbeits-)Verhältnissen noch keine gemeinsame Lebensführung bzw. keine eheliche Lebensgemeinschaft.

Das Bestehen einer aufenthaltsrechtlich geschützten ehelichen Lebensgemeinschaft setzt zwar nicht notwendig das ständige Zusammenleben in einer häuslichen Gemeinschaft voraus. Eine eheliche Lebensgemeinschaft wird aber in der Regel durch eine gemeinsame Ehewohnung gekennzeichnet (vgl. dazu auch BVerwG, Urt. v. 9.12.1997, InfAuslR 1998, 272 f.; OVG Hamburg, Beschl.v. 1.6.2005, 4 Bs 427/04; VGH Kassel, Beschl.v. 24.7.2000, InfAuslR 2000, 494 ff.). Sofern dies nicht der Fall ist, kann von einer ehelichen Lebensgemeinschaft nur dann ausgegangen werden, wenn die Ehegatten einen intensiven persönlichen Kontakt pflegen, ihre tatsächliche eheliche Verbundenheit nach außen erkennbar und nachprüfbar in konkreter Weise in Erscheinung tritt und in der Ausgestaltung der Beziehung einen fassbaren Niederschlag findet. An den Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung einer ehelichen Lebensgemeinschaft bei getrennten Wohnungen sind insoweit strenge Anforderungen zu stellen. Es muss substantiiert dargelegt werden, aus welchen nachvollziehbaren Gründen, die nicht die ehelichen Bindungen berühren, die Ehegatten getrennte Wohnungen haben und welche nach außen erkennbaren und nachprüfbaren objektiven Umstände belegen, dass die Ehegatten trotz der räumlichen Trennung einen intensiven persönlichen Kontakt pflegen (OVG Hamburg, Beschl. v. 18.1.2007, 4 Bs 233/06; vgl. dazu auch VGH Kassel, Beschl.v. 24.7.2000, a.a.O.; VGH Mannheim Urt.v. 25.3.1998, EzAR 023 Nr 11; OVG Münster, Beschl. v. 5.11.1996, NWVwBl. 1997, 222). Das hat zur Folge, dass derjenige, der sich bei unterschiedlichen Aufenthaltsorten darauf beruft, dass gleichwohl noch eine eheliche Lebensgemeinschaft besteht, hierfür die materielle Beweislast trägt. Im Falle der Unaufklärbarkeit der Lebensverhältnisse hat er die Folgen zu tragen.

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Er hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren substantiiert dargelegt, dass er mit seiner deutschen Ehefrau trotz getrennter Wohnungen tatsächlich über mehr als zwei Jahre, nämlich - wie geltend gemacht - bis zum Herbst 2000 eine eheliche Lebensgemeinschaft geführt hat. Er hat keinerlei nach außen erkennbare und nachprüfbare objektive Umstände genannt, durch die eine solche Gemeinschaft belegt wird. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er lediglich behauptet, er habe sich in Hamburg nicht aufgehalten; Hamburg sei nur der Sitz seiner Arbeitgeber gewesen, die ihn auf Baustellen in verschiedenen Gebieten Deutschlands eingesetzt hätten. Mit dieser Behauptung werden keine konkreten Lebensverhältnisse dargetan, die einen Rückschluss auf das Bestehen einer Lebensgemeinschaft trotz räumlicher Trennung zulassen. Die Richtigkeit dieser Behauptung wird zudem durch den Abschluss des Mietvertrags über die Hamburger Wohnung in der .. .... Straße .... am 26./28. Juni 2000 sowie die darin gemachten Angaben widerlegt. Bereits der Abschluss dieses Mietvertrages zeigt, dass sich der Kläger tatsächlich schon zu einem früheren Zeitpunkt als behauptet in Hamburg aufgehalten hat. Hinzu kommt, dass er auch zuvor schon in Hamburg gewohnt hatte. So hat er in dem Mietvertrag als bisherige Anschrift eine Wohnung in der ebenfalls in Hamburg gelegenen .....allee .... angeben. Im Übrigen hat der Kläger seinen Vortrag insoweit darauf beschränkt, die - nach den obigen Ausführungen zutreffende - Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts zur Umkehr der Beweislast anzugreifen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Angaben des vom Verwaltungsgericht vernommenen Zeugen. Er hat lediglich - und das sehr vage - erklärt, den Kläger und seine Ehefrau in dem Imbiss in Aschersleben gesehen zu haben. Nähere Angaben, die auf das Bestehen einer Lebensgemeinschaft in dem hier fraglichen Zeitraum hätten schließen lassen können, hat der Zeuge nicht gemacht. Insofern wird auf die Beweiswürdigung im Urteil des Verwaltungsgerichts (Seite 13, Bl. 146 der Gerichtsakte) Bezug genommen, die der Senat teilt und die vom Kläger auch nicht angegriffen worden ist.

Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht davon absehen können, den Versuch zu unternehmen, den Sachverhalt weiter aufzuklären, insbesondere durch Vernehmung der Ehefrau des Klägers und deren Mutter oder des bereits vernommenen Zeugen. Eine Beweiserhebung zu den Umständen des Zusammenlebens trotz räumlicher Trennung war bereits deshalb entbehrlich, weil der Kläger - wie ausgeführt - keine konkreten Tatsachen benannt und unter Beweis gestellt hat, die über den Fortbestand einer ehelichen Lebensgemeinschaft hätten Aufschluss geben können. Es kommt hinzu, dass eine Vernehmung der Ehefrau des Klägers und ihrer Mutter auch nach Auffassung der Beteiligten, die schon im erstinstanzlichen Verfahren hierauf verzichtet haben, keinen Erfolg versprochen hätte.

2. Die Beklagte ist bei der Rücknahme der Aufenthaltserlaubnisse auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger in den maßgeblichen Verlängerungszeitpunkten (August 2001 und Januar 2004) keine Aufenthaltsrechte aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 herleiten konnte. Der Kläger war noch nicht mindestens ein Jahr bei demselben Arbeitgeber beschäftigt. Die im Februar 1999 aufgenommene Tätigkeit bei der Firma ...... dauerte nur acht Monate. Danach war der Kläger nach der eingereichten Bescheinigung über seinen Versicherungsverlauf (Bl. 214 der Ausländerakte) und der Mitgliedsbescheinigung der AOK Hamburg (Bl. 266 der Ausländerakte) zunächst nur kurzfristig (jeweils weniger als ein Jahr) und mit Unterbrechungen (arbeitslos) bei verschiedenen Hamburger Firmen beschäftigt. Eine längerfristige Arbeit hat der Kläger erst im November 2004 bei der Firma ...... in Hamburg aufgenommen, für die er Lohnabrechungen u.a. für Dezember 2005 eingereicht hat. Aus dieser letztgenannten Beschäftigung konnte der Kläger jedoch im Zeitpunkt des Ablaufs der ihm aus Ehegründen erteilten Aufenthaltserlaubnis noch keine Rechte auf Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 ableiten.

3. Dagegen fehlt es an der - für die Rücknahme der befristeten Aufenthaltserlaubnisse aus 2001 und 2004 notwendigen - Voraussetzung der rechtswidrigen Erteilung dieser Erlaubnisse deshalb, weil das Arbeitsamt Bochum dem Kläger im September 1998 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung erteilt hat und sich daraus in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 für den Kläger ein - von der Ehe unabhängiges - Aufenthaltsrecht ergeben hat.

Aus dieser Vertragsbestimmung und der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof - EuGH -) zu dem darin enthaltenen Diskriminierungsverbot sowie den Entscheidungen dieses Gerichts zu inhaltsgleichen Vorschriften in Europa-Mittelmeer-Abkommen, welche die Gemeinschaft mit verschiedenen anderen Staaten geschlossen hat (u.a. Marokko und Tunesien) ergibt sich, dass der Kläger auf der Grundlage der ihm erteilten unbefristeten Arbeitsgenehmigung nach Ablauf der Gültigkeit der (nicht zurückgenommenen) Aufenthaltserlaubnisse deren Verlängerung beanspruchen konnte. Die Verlängerungen sind aus diesem Grund nicht rechtswidrig gewesen und durften deshalb von der Beklagten nicht nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG zurückgenommen werden. Denn durch die Erteilung einer unbefristeten Arbeitsgenehmigung sind dem Kläger in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen worden, ohne dass diese Rechte mit dem Ablauf der Befristung der von der Stadt Bochum erteilten Aufenthaltserlaubnis oder der späteren Rücknahme der von der Beklagten erteilten Aufenthaltserlaubnisse erloschen sind (hierzu unter a). Es lässt sich auch nicht feststellen, dass dieses Recht auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung aus Gründen des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, oder deshalb gerechtfertigt war, weil der Kläger das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet von Anfang an erschlichen hatte (hierzu unter b). Im Einzelnen:

a) Die hier maßgebliche Regelung des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 lautet:

"Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft räumen den türkischen Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein, die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgeltes und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausschließt."

Diese Regelung entspricht Art. 37 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG Türkei. Der Assoziationsrat hat das Diskriminierungsverbot dementsprechend in den Beschluss 1/80 über die Entwicklung der Assoziation übernommen.

aa) Ein türkischer Arbeitnehmer wie der Kläger kann sich auf das Verbot der Diskriminierung nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 in Bezug auf seinen aufenthaltsrechtlichen Status berufen. Die Systematik des Beschlusses ARB 1/80 steht nicht entgegen. Ein türkischer Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört und der im Besitz einer ordnungsgemäßen unbefristeten Arbeitsgenehmigung ist, ist nicht gehindert, sich in Bezug auf seinen aufenthaltsrechtlichen Status auf Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 zu berufen, auch wenn ihm mangels der erforderlichen Beschäftigungsdauer Rechte aus Art. 6 ARB 1/80 (noch) nicht zustehen bzw. im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht zugestanden haben.

Das folgt aus dem Urteil des EuGH vom 26. Oktober 2006 (Rs. C-4/05, Güzeli, NVwZ 2007, 187). In dieser Entscheidung, die auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 29. Dezember 2004 (NVwZ 2005, 136) hin ergangen ist, hat der EuGH zunächst Ausführungen dazu gemacht, unter welchen Voraussetzungen im Ausgangsfall der dortige Kläger sich gegebenenfalls auf Art. 6 ARB 1/80 berufen könne, und er hat sodann u.a. ausgeführt, dass eine Berufung auf Art. 10 Abs.1 ARB 1/80 zur Begründung eines Aufenthaltsrechts (nur) dann ausgeschlossen sei, wenn der türkische Staatsangehörige nach Prüfung durch das nationale Gericht nicht die Voraussetzung der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt erfülle. Das bedeutet, dass sich ein türkischer Staatsangehöriger dann, wenn er dem regulären Arbeitsmarkt angehört, auf das Diskriminierungsverbot berufen kann, auch wenn er die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht auf Grund der Regelungen des Art. 6 ARB 1/80 nicht erfüllt. Damit ist der EuGH der gegenteiligen Auffassung des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen vom 23. März 2006 (Rechtsprechungssammlung - Slg. - 2006, I-10279; juris) nicht gefolgt. Der Generalanwalt hatte ausgeführt, dass sich die Frage eines Aufenthaltsrechts eines türkischen Staatsangehörigen infolge einer Arbeitsberechtigung ausschließlich nach Art. 6 ARB 1/80 richte und dass im Anwendungsbereich des Beschlusses ARB 1/80 diese spezielle Regelung die Rechte türkischer Arbeitnehmer abschließend erfasse. Daneben könne sich aus dem Diskriminierungsverbot nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 kein Anspruch auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels ergeben (vgl. Schlussantrag, Rn. 53, 54).

Durch die Rechtsprechung des EuGH ist ferner geklärt, dass eine Bestimmung wie Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80, die ein assoziationsrechtliches Diskriminierungsverbot enthält, in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar ist. Diese Bestimmung enthält unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und nach Gegenstand und Art des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen (vgl. EuGH, Urt. v. 8.5.2003, Rs. C-171/01, Slg. 2003, I-04301; Urt. v. 2.3.1999, Rs. C-416/96, El-Yassini, NVwZ 1999, 1095, dort zu Art. 40 Abs. 1 des Kooperationsabkommens zwischen der EWG und Marokko; Urt. v. 4.12.2006, Rs. C-97/05, Gattoussi, NVwZ 2007, 430, dort zu dem Diskriminierungsverbot nach Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommens EG-Tunesien).

Der Kläger erfüllte die notwendigen Voraussetzungen, unter denen sich danach türkische Staatsangehörige grundsätzlich auf Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 berufen können. Er gehörte zu den maßgeblichen Zeitpunkten als Arbeitnehmer dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates an (vgl. EuGH, Urt. v. 26.10.2006, Rechtssache C-4/05, Güzeli, NVwZ 2007, 187, Rn. 50, 51). Zum Zeitpunkt der Verlängerung der letzten (nicht zurückgenommenen) befristeten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft im August 2001 arbeitete der Kläger ausweislich der Mitgliedsbescheinigung der AOK Hamburg bei der Firma ....... Bau- und Verputz GmbH in Hamburg. Diese Tätigkeit hatte er bereits zum 9. April 2001 aufgenommen; sie endete am 5. Oktober 2001. Zum Zeitpunkt der weiteren Verlängerung dieser Aufenthaltserlaubnis im Januar 2004 arbeitete der Kläger bei der Firma ............ Trockenbau. In beiden Fällen handelte es sich um reguläre Beschäftigungsverhältnisse, aus denen der Kläger Erwerbseinkommen erzielte.

bb) Das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 hinderte die Beklagte daran, die Aufenthaltserlaubnisse zurückzunehmen.

Bei der Bestimmung von Tragweite und Grenzen des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 in Bezug auf sich daraus gegebenenfalls ergebende Aufenthaltsrechte eines türkischen Arbeitnehmers für die Dauer der erlaubten Beschäftigung sind diejenigen Grundsätze maßgeblich, die der EuGH für Diskriminierungsverbote in den Bestimmungen des Art. 40 Abs. 1 des Kooperationsabkommens zwischen der EWG und Marokko und des Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommens EG-Tunesien in den Urteilen vom 2. März 1999 (Rs. C-416/96, El-Yassini, NVwZ 1999, 1095 ) und vom 14. Dezember 2006 (Rs. C-97/05, Gattoussi, NVwZ 2007, 430 ) aufgestellt hat. Das ergibt sich aus Folgendem:

Wie bereits oben ausgeführt, räumen gemäß Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft den türkischen Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein, die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgeltes und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausschließt. Diese Regelung entspricht inhaltlich dem Diskriminierungsverbot des Art. 40 Abs. 1 des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 27. April 1976 (BGBl 1978 II S. 690; im Folgenden: Kooperationsabkommen EWG-Marokko) sowie dem im wesentlichen wortgleichen Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und dem Königreich Marokko andererseits vom 26. Februar 1996 (BGBl II 1998 S. 1811; im Folgenden: Europa-Mittelmeer-Abkommen EG-Marokko), welches das vorgenannte Kooperationsabkommen EWG-Marokko abgelöst hat. Dessen Artikel 40 lautete wie folgt:

"Jeder Mitgliedstaat gewährt den Arbeitnehmern marokkanischer Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt.

Marokko gewährt den in seinem Hoheitsgebiet beschäftigten Arbeitnehmern, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, die gleiche Behandlung."

Nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil vom 2. März 1999 (Rs. C-416/96, El-Yassini, NVwZ 1999, 1095) untersagt es die genannte Bestimmung einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht, es abzulehnen, die Aufenthaltserlaubnis eines marokkanischen Staatsangehörigen, dem er die Einreise und die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt hat, für die gesamte Dauer dieser Beschäftigung zu verlängern, wenn der ursprüngliche Grund für die Gewährung des Aufenthaltsrechts bei Ablauf der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr besteht. Dass ein solches Vorgehen der zuständigen nationalen Behörden den Betroffenen dazu zwingt, sein Arbeitsverhältnis im Aufnahmemitgliedstaat vor dem mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbarten Termin zu beenden, ändert daran grundsätzlich nichts (vgl. Leitsatz 3 und Rn. 66 ff. des Urteils El-Yassini). Anders verhält es sich nach der Rechtsprechung dieses Gerichts nur, wenn dem Betroffenen durch ein derartiges Vorgehen das Recht auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung, das ihm durch eine von der zuständigen nationalen Behörde ordnungsgemäß erteilte Arbeitserlaubnis erteilt wurde, die länger als die Aufenthaltserlaubnis war, entzogen würde, ohne das Gründe des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, dies rechtfertigten. Ob dies der Fall ist, ist nach Auffassung des EuGH von dem nationalen Gericht zu beurteilen (vgl. Leitsatz 3 und Rn. 67 des Urteils El-Yassini). Zur Begründung hat der EuGH im Urteil El-Yassini weiter ausgeführt, die praktische Wirksamkeit von Art. 40 Abs. 1 des Abkommens EWG-Marokko ("effet utile") erfordere es, dass ein marokkanischer Staatsangehöriger, dem ordnungsgemäß die Erlaubnis erteilt worden sei, im Gebiet eines Mitgliedstaats für eine bestimmte Zeit eine Beschäftigung auszuüben, während dieser gesamten Zeit seine Rechte aus dieser Bestimmung ausüben könne (Rn. 66).

Diese Grundsätze hinsichtlich der Beachtung des Diskriminierungsverbots bei Entscheidungen der Ausländerbehörden über den weiteren Aufenthalt von Ausländern hat der EuGH im Urteil vom 26. Oktober 2006 (Rs. C-4/05, Güzeli, InfAuslR 2007, 1 ff.) auf türkische Staatsangehörige übertragen, soweit sie sich als Arbeitnehmer grundsätzlich auf das assoziationsrechtliche Diskriminierungsverbot des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 berufen können. Im Ausgangsfall war einem türkischen Arbeitnehmer, der nach Heirat einer Deutschen zunächst eine befristete Aufenthaltserlaubnis und daneben eine unbefristete Arbeitsgenehmigung erhalten hatte, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft versagt worden.

Im Urteil Güzeli hat der EuGH ausgeführt, dass eine Berufung auf Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 zur Begründung eines Aufenthaltsrechts (nur) dann ausgeschlossen sei, wenn der türkische Staatsangehörige nach Prüfung durch das nationale Gericht nicht die Voraussetzung der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt erfülle. Für den gegenteiligen Fall - dass eine Berufung auf das assoziationsrechtliche Diskriminierungsverbot zulässig und bei der Entscheidung über den aufenthaltsrechtlichen Status des türkischen Arbeitnehmers zu beachten sei - hat der EuGH auf seine Auslegung der "vergleichbaren" (Urteil Güzeli, a.a.O., Rn. 52) Vorschrift des Art. 40 des Kooperationsabkommen EWG-Marokko im Urteil vom 2. März 1999 (C-416/96, El-Yassini, a.a.O.) hingewiesen, der zufolge es einem Mitgliedstaat zwar grundsätzlich nicht untersagt sei, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines marokkanischen Staatsangehörigen, dem dieser Mitgliedstaat die Einreise und die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt habe, abzulehnen, wenn der ursprüngliche Grund für die Gewährung des Aufenthaltsrechts bei Ablauf der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr bestehe, es sich jedoch anders verhalte, wenn der Aufnahmemitgliedstaat dem marokkanischen Wanderarbeitnehmer in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen habe. Weiter hat der EuGH auch in dieser Rechtssache seine Auffassung wiederholt, es sei Sache des vorlegenden (nationalen) Gerichts, festzustellen, ob eine solche Fallgestaltung vorliege (vgl. Rn. 52, 53).

Der EuGH hat inzwischen seine Rechtsprechung zur Bedeutung eines assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots für den aufenthaltsrechtlichen Status eines Ausländers im Urteil vom 14. Dezember 2006 (Rechtssache C-97/05, Gattoussi) zu der im Wesentlichen mit Art. 40 Kooperationsabkommen EWG-Marokko und mit Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 inhaltsgleichen Regelung in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommens EG-Tunesien wiederholt und vertieft. Diese Regelung lautet:

"(1) Jeder Mitgliedstaat gewährt den Arbeitnehmern tunesischer Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt.

(2) Absatz 1 gilt hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen für alle tunesischen Arbeitnehmer, die dazu berechtigt sind, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine befristete nichtselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben.

(3) Tunesien gewährt den in seinem Hoheitsgebiet beschäftigten Arbeitnehmern, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sind, die gleiche Behandlung."

In der genannten Entscheidung, die auf dem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG des Verwaltungsgerichts Darmstadt beruht (Beschl. v. 25.1.2005, InfAuslR 2005, 135 ff.), hat der EuGH im Anschluss an das Urteil El-Yassini vom 2. März 1999 (a.a.O.) u.a. ausgeführt (Rn. 36 bis 43): Es sei festzustellen, dass das Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommen, das nicht die Verwirklichung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zum Gegenstand habe, es einem Mitgliedstaat grundsätzlich nicht untersage, Maßnahmen in Bezug auf das Aufenthaltsrecht eines tunesischen Staatsangehörigen zu ergreifen, der zunächst die Erlaubnis zum Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat und zur Aufnahme einer Berufstätigkeit dort erhalten habe. Dass ein solches Vorgehen den Betroffenen dazu zwinge, sein Arbeitsverhältnis im Aufnahmemitgliedstaat vor dem mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbarten Termin zu beenden, ändere daran grundsätzlich nichts. Allerdings ergebe sich entgegen der Ansicht der deutschen Regierung aus dieser Auslegung nicht, dass ein tunesischer Staatsangehöriger sich in keinem Fall auf das Diskriminierungsverbot des Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens berufen könne, um eine Maßnahme anzufechten, die ein Mitgliedstaat ergriffen habe, um sein Aufenthaltsrecht zu beschränken. Denn es könne nicht angenommen werden, dass die Mitgliedstaaten über das Diskriminierungsverbot des Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens verfügten, indem sie dessen praktische Wirksamkeit durch Bestimmungen des nationalen Rechts beschränkten. Eine solche Möglichkeit würde zum einen die Bestimmungen eines von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommens beeinträchtigen und zum anderen die einheitliche Anwendung dieses Verbots in Frage stellen. Insbesondere könne, wie der Gerichtshof bereits in der Rechtssache El-Yassini entschieden habe, der Aufnahmemitgliedstaat dann, wenn er dem Wanderarbeitnehmer ursprünglich in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen habe, die Situation dieses Arbeitnehmers nicht aus Gründen in Frage stellen, die nicht dem Schutz eines berechtigten Interesses des Staates, wie der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit dienten. Der Begriff der öffentlichen Ordnung setze nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Insoweit hat der EuGH Bezug genommen auf seine Urteile vom 28. Oktober 1975 (Rs. C-36/75, Rutili, Slg. 1975, 1279, Rn. 28), vom 10. Februar 2000 (Rs. C-340/97, Nazli, Slg. 2000, I-957, Rn. 57), und vom 25. Juli 2002 (Rs. C-459/99, MRAX, Slg. 2002, I-6591, Rn. 79). Der EuGH hat sodann im Urteil Gattoussi weiter ausgeführt, in Anbetracht der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit gelte das zuvor Gesagte erst recht, wenn der Aufnahmemitgliedstaat die Aufenthaltserlaubnis nachträglich befristet habe. Nach allem sei Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens dahin auszulegen, dass er Wirkungen auf das Recht eines tunesischen Staatsangehörigen entfalte, sich im Gebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten, wenn dieser Staatsangehörige von diesem Mitgliedstaat eine ordnungsgemäße Genehmigung erhalten habe, eine Berufstätigkeit für eine die Dauer seiner Aufenthaltserlaubnis übersteigende Zeit auszuüben.

Dieser Auffassung des Europäischen Gerichtshofs zur aufenthaltsrechtlichen Wirkung "überschießender" Arbeitserlaubnisse bei der Auslegung des hier entscheidungserheblichen Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 schließt sich der erkennende Senat an. Denn das Berufungsgericht ist als nationales Gericht im Interesse der einheitlichen Anwendung des Europarechts grundsätzlich gehalten, die vom EuGH vorgegebene Auslegung anzuwenden (vgl. dazu EuGH, Urt. v. 6.10.1982 - Rs. C-283/81, CILFIT, Slg. 1982, 3415, Rn 16).

Durch diese Entscheidung des EuGH ist geklärt, dass Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens - und mithin auch der damit inhaltlich identische Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 - dahin auszulegen ist, dass bei der Entscheidung der Ausländerbehörden über die Genehmigung des weiteren Aufenthalts eine dem Ausländer ordnungsgemäß erteilte unbefristete Arbeitsgenehmigung zu berücksichtigen ist und im Einzelfall ein weitergehendes Aufenthaltsrecht begründen kann. Dem steht nicht entgegen, dass die Arbeitsgenehmigung nach dem deutschen Recht in ihrer Wirksamkeit von dem Aufenthaltsrecht abhängig ist. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Dem Vorlageersuchen des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 25. Januar 2005 und dem Urteil des EuGH vom 14. Dezember 2006 (a.a.O.) lag ein mit den vorliegenden Verhältnissen vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Der Kläger des Vorlageverfahrens, ein tunesischer Staatsangehöriger, hatte 2002 eine deutsche Staatsangehörige geheiratet und war im selben Jahr mit einem Visum zur Familienzusammenführung in das Bundesgebiet eingereist. Ihm wurde im September 2002 erstmals eine bis September 2005 befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Im Oktober desselben Jahres erteilte das Arbeitsamt der Stadt Darmstadt dem dortigen Kläger eine unbefristete Arbeitsgenehmigung, auf Grund derer er in der Folgezeit unselbstständig tätig war. Nachdem seine Ehefrau im Mai 2004 erklärt hatte, seit April getrennt zu leben, befristete der Oberbürgermeister der dortigen Beklagten im Juni 2004 die noch gültige Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf den Tag der Zustellung der Verfügung.

Ferner sind dem EuGH in dem Verfahren Gattoussi u.a. auch diejenigen Normen des deutschen Rechts bekannt gewesen, welche die Abhängigkeit der Erteilung und des Fortbestandes einer (unbefristeten) Arbeitsgenehmigung von dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis betreffen, also insbesondere § 284 SGB III und §§ 5, 8 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArgV). Auf die durch diese nationalen Bestimmungen begründete Abhängigkeit auch einer nicht befristeten Arbeitsgenehmigung von der befristeten Aufenthaltserlaubnis hatte das Verwaltungsgericht Darmstadt in seinem Vorlagebeschluss vom 25. Januar 2005 ausdrücklich hingewiesen (InfAuslR 2005, 135, Rn. 21). Auch der Generalanwalt hatte in seinem Schlussantrag vom 6. April 2006 im Verfahren Gattoussi unter Nennung der entsprechenden Vorschriften auf die Abhängigkeit der Arbeitserlaubnis von dem aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers hingewiesen (juris, Rn. 20 und Anhang Rn. 21 ff.). Insoweit hat der EuGH im Urteil Gattoussi die entsprechenden deutschen Vorschriften teilweise selbst zitiert. Deshalb ist davon auszugehen, dass er ihren Inhalt bei seiner Entscheidung über das Vorlageersuchen gekannt und offenbar berücksichtigt hat (vgl. Rn. 7 bis 9).

Schließlich ist dem EuGH in Verfahren Gattoussi auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bekannt gewesen, die dieses Gericht im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 3. März 1999 (Rechtssache C-416/96, El-Yassini, NVwZ 1999, 1095) entwickelt hat. Nach der vom Bundesverwaltungsgericht in den Urteilen vom 1. Juli 2003, (1 C 18/02, BVerwGE 118, 249 ff., und 1 C 32/02, InfAuslR 2004, 54) vertretenen Auffassung vermittelt eine unbefristete Arbeitsgenehmigung nach deutschem Recht kein von der Aufenthaltsgenehmigung unabhängiges, gleichsam überschießendes Recht auf Fortsetzung einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit und auf weiteren Aufenthalt nach dem Diskriminierungsverbot in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens/Marokko. Denn nach deutschem Recht gewähre jede Arbeitsgenehmigung nur eine vom Fortbestehen der Aufenthaltserlaubnis abhängige Rechtsposition. Diese Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts hatte das Verwaltungsgericht Darmstadt in seinem Vorlagebeschluss zitiert und die genannten, entscheidungserheblichen Gründe auszugsweise wiedergegeben (InfAuslR, a.a.O., Rn. 21). Mit seinem nachfolgenden Urteil vom 14. Dezember 2006 in der Rechtssache Gattoussi (a.a.O.) ist der EuGH dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich zwischenzeitlich die obergerichtliche Rechtsprechung überwiegend angeschlossen hatte (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 6.4.2004, NVwZ-RR 2005, 285; VGH München, Beschl. v. 14.6.2005, 24 ZB 05.242, juris; OVG Münster, Beschl. v. 25.7.2005, 18 B 983/05, und v. 22.6.2007, InfAuslR 2007, 331; a.A. VG Aachen, Vorlagebeschluss v. 19.12.2004, InfAuslR 2005, 136; und VG Darmstadt, Vorlagebeschluss v. 25.1.2005, InfAuslR 2005, 135; VGH Mannheim, Urt. v. 27.9.2007, InfAuslR 2008, 3; siehe auch Haibronner NVwZ 2007, 415), insoweit der Sache nach entgegen getreten (wie hier VGH Mannheim, Urt. v. 27.9.2007, a.a.O.).

Das folgt zwar nicht schon zwingend aus einer insoweit bestehenden "Begründungsdivergenz" der Entscheidungen des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts zur Tragweite assoziationsrechtlicher Diskriminierungsverbote. Der EuGH hat sich bei der Beantwortung der Vorlagefrage und bei seiner Auslegung der einschlägigen völkervertraglichen Regelungen sowie bei der Bewertung der (rechtlichen) Bedeutung einer vom Mitgliedstaat erteilten längerfristigen Arbeitsgenehmigung für den aufenthaltsrechtlichen Status des Ausländers zwar nicht ausdrücklich mit den Gründen des Bundesverwaltungsgerichts in den genannten Entscheidungen auseinander gesetzt. Allerdings ist den - knappen - Erwägungen des EuGH im Urteil Gattoussi gleichwohl zu entnehmen, dass dieses Gericht der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die zu einer faktischen Bedeutungslosigkeit selbst einer unbefristeten Arbeitsgenehmigung für den Aufenthaltsstatus eines Ausländers führt, nicht folgt, weil dadurch nach Ansicht des EuGH das Diskriminierungsverbot des Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens für die davon erfassten Ausländer, denen die Mitgliedstaaten langfristige Arbeitsgenehmigungen erteilt haben, faktisch wirkungslos würde. Das kommt in den Passagen des Urteils Gattoussi zum Ausdruck, in denen sich der EuGH mit den Einwänden der Bundesregierung auseinandersetzt. Insoweit führt der EuGH aus, entgegen der Ansicht der deutschen Regierung ergebe sich aus seiner Auslegung des Diskriminierungsverbot im Urteil El-Yassini nicht, dass ein tunesischer Staatsangehöriger sich in keinem Fall auf das Diskriminierungsverbot des Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens berufen könne, um eine Maßnahme anzufechten, die ein Mitgliedstaat ergriffen habe, um sein Aufenthaltsrecht zu beschränken. Denn es könne nicht angenommen werden, dass die Mitgliedstaaten über das Diskriminierungsverbot des Art.64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer-Abkommens verfügten, indem sie dessen praktische Wirksamkeit durch Bestimmungen des nationalen Rechts beschränkten. Eine solche Möglichkeit würde zum einen die Bestimmungen eines von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommens beeinträchtigen und zum anderen die einheitliche Anwendung dieses Verbots in Frage stellen (vgl. Rn. 38, 39).

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in den Urteilen vom 1. Juli 2003 (a.a.O.) jedoch gerade unter Bezugnahme auf solche nationalen Bestimmungen (insbesondere §§ 284, 288 SGB III und die Vorschriften Arbeitsgenehmigungsverordnung) angenommen, dass dem Diskriminierungsverbot in Art. 64 des Europa-Mittelmeer-Abkommens in Bezug auf den Aufenthalt eines Ausländers, auch wenn und soweit ihm Behörden der Bundesrepublik eine unselbständige Beschäftigung längerfristig erlaubt hatten, praktisch keine Wirkung zukommt. Das beruhte offenkundig auf der Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, der EuGH habe es dem nationalen Gericht (allein) überlassen wollen zu prüfen, ob der Mitgliedstaat dem Arbeitnehmer in Bezug auf die Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt eingeräumt hat. Für diese Annahme boten möglicherweise noch Formulierungen des EuGH im Urteil vom 2. März 1999 im Verfahren El-Yassini einen Anhalt. Insoweit hatte der EuGH den 3. Leitsatz dieser Entscheidung, in dem zunächst ausgeführt ist, der Betroffene könne sich auf ein Verbot der Diskriminierung berufen, wenn ihm durch Ablehnung einer weiteren Aufenthaltserlaubnis das Recht auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung, das ihm durch eine von der zuständigen nationalen Behörde ordnungsgemäß erteilte Arbeitserlaubnis erteilt wurde, die länger als die Aufenthaltserlaubnis war, entzogen würde, ohne dass Gründe des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, dies rechtfertigten, mit der - nicht weiter differenzierten - Formulierung abgeschlossen, es sei Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob dies der Fall ist (vgl. auch Rn. 64).

Aus den späteren Urteilen vom 26. Oktober 2006 im Verfahren Güzeli und vom 14. Dezember 2006 im Verfahren Gatoussi ergibt sich jedoch, dass der EuGH dem nationalen Gericht (nur) die Entscheidung der Fragen überantwortet hat, ob - zum einen - in der vom nationalen Gericht zu entscheidenden Rechtssache eine mit den genannten Entscheidungen des EuGH vergleichbare Ausgangslage gegeben ist (der Betroffene also zum regulären Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats gehört und eine die Dauer des Aufenthaltsrechts übersteigende ordnungsgemäße Arbeitsgenehmigung faktisch vorliegt), und ob - zum anderen - eine gleichwohl vor Ablauf der Arbeitserlaubnis erfolgte Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bzw. eine Befristung oder Rücknahme der Aufenthaltsgenehmigung aus Gründen des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, gerechtfertigt ist. Dagegen ist es dem nationalen Gericht - wie sich nunmehr insbesondere aus dem Urteil Gattoussi eindeutig ergibt - verwehrt, die Wirksamkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots durch eine Auslegung des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 (wie bei der Auslegung vergleichbarer Vertragsbestimmungen) im Ergebnis dadurch auszuhöhlen, dass es einer dem türkischen Arbeitnehmer vom Mitgliedstaat erteilten ordnungsgemäßen Arbeitsgenehmigung, welche die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung übersteigt, von Anfang an und unter Bezugnahme auf nationale Bestimmungen aufenthaltsrechtliche Wirkungen gänzlich abspricht. Insoweit hat der EuGH nämlich in den genannten Entscheidungen die noch im Urteil El-Yassini verwendete (missverständliche) Erwägung nicht mehr wiederholt, der Betroffene könne sich auf ein Diskriminierungsverbot (nur dann) berufen, wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass der Aufnahmemitgliedstaat ihm in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen hätte (dort Rn. 64). Vielmehr hat der EuGH im Urteil Güzeli - nach Darlegung der allgemeinen Grundsätze bei Auslegung von Vertragsbestimmungen, die ein Diskriminierungsverbot beinhalten - insoweit nur noch ausgeführt, es sei Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob eine solche Fallgestaltung im Ausgangsverfahren vorlag, wobei insbesondere die Verurteilung von Herrn Güzeli wegen Verstoßes gegen die in seiner Aufenthaltserlaubnis enthaltenen Auflagen zu berücksichtigen sei. Dieser mögliche, nach Zurückverweisung vom vorlegenden Verwaltungsgericht Aachen zu prüfende Verstoß hätte jedoch nur die Zugehörigkeit des türkischen Staatsangehörigen zum regulären (deutschen) Arbeitsmarkt betroffen und (nur) dieser Umstand hätte nach Auffassung des EuGH zur Nichtanwendung von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 geführt. Einen Ausschluss der Berufung auf das Diskriminierungsverbot nach dieser Bestimmung zur Begründung eines mit der Arbeitsgenehmigung "deckungsgleichen" Aufenthaltsrechts hat der EuGH - auch angesichts der ihm bekannten Rechtslage in Deutschland (Abhängigkeit der Arbeitserlaubnis von der Aufenthaltsgenehmigung) - dagegen nicht erwogen.

Schließlich fehlt in dem Urteil Gattoussi auch die Formulierung aus dem Urteil El-Yassini, es sei Sache des nationalen Gerichts festzustellen, ob der Aufnahmemitgliedstaat dem betroffenen Arbeitnehmer in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen hat. Auch dies ist ersichtlich nicht ohne Absicht geschehen und dem Umstand geschuldet, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Erwägung des EuGH in seinen Urteilen vom 1. Juli 2003 (a.a.O.) zum Anlass genommen hatte, Art. 64 des Mittelmeer-Europa-Abkommens für den deutschen Rechtskreis in einer Weise auszulegen, die nach Ansicht des EuGH im Ergebnis zur Wirkungslosigkeit dieser vertraglichen Bestimmung führen würde.

Unabhängig von einer insoweit fehlenden (ausdrücklichen) "Begründungsdifferenz" in den Urteilen des EuGH und denjenigen des Bundesverwaltungsgerichts ist jedenfalls eine eindeutige "Entscheidungsdifferenz" festzustellen. Denn der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht haben im Urteil Gattoussi (a.a.O.) bzw. in den Urteilen vom 1. Juli 2003 (a.a.O.) auf der Grundlage vergleichbarer Sachverhalte, die beide Deutschland und die hiesige Rechtslage betrafen, aus den genannten (assoziationsrechtlichen) Diskriminierungsverboten unterschiedliche rechtliche Folgen gezogen. Während das Bundesverwaltungsgericht einer - die Geltung der Aufenthaltserlaubnis übersteigenden - Arbeitsgenehmigung keine aufenthaltsrechtliche Wirkung beigemessen hat, ist nach der Entscheidung des EuGH zu Art. 64 Abs. 1 des Europa-Mittelmeer Abkommens (und sind dementsprechend vergleichbare Antidiskriminierungsvorschriften) dahin auszulegen, dass er Wirkungen auf das Recht eines Betroffenen entfaltet, sich im Gebiet eines Mitgliedstaats aufzuhalten, wenn er von diesem Mitgliedstaat eine ordnungsgemäße Genehmigung erhalten hat, eine Berufstätigkeit für eine die Dauer seiner Aufenthaltserlaubnis übersteigende Zeit auszuüben.

Im vorliegenden Fall stellt sich im Übrigen nicht die Frage, ob der Rechtsprechung des EuGH zur Bedeutung assoziationsrechtlicher Diskriminierungsverbote auf den aufenthaltsrechtlichen Status von davon erfassten Arbeitnehmern gegebenenfalls deshalb nicht zu folgen ist, weil der EuGH die von den Vertragsstaaten zu Art. 64 Europa-Mittelmeer-Abkommen EG-Tunesien (und zu weiteren derartigen Abkommen) abgegebene "Gemeinsame Erklärung" nicht beachtet hat, nach der für die Erteilung, die Verlängerung oder die Verweigerung einer Aufenthaltsgenehmigung ausschließlich die Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten sowie die geltenden bilateralen Übereinkünfte zwischen Tunesien (sowie den sonst betroffenen Mitgliedstaaten) maßgeblich sind (zur Bedeutung einer solchen Erklärung (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.7.2003, BVerwGE 118, 249; siehe auch VGH Mannheim, Urt. v. 27.9.2007, a.a.O.; zur Kritik an der Nichtberücksichtigung der "Gemeinsamen Erklärung" in der Rechtsprechung des EuGH vgl. Hailbronner, NVwZ 2007, 415 ff.). Eine solche "Gemeinsame Erklärung", die bei der Auslegung gegebenenfalls zu beachten sein könnte und die einer Übernahme der Auslegungsgrundsätze in den Urteilen des EuGH entgegen stehen könnte, haben die Europäische Gemeinschaft und die Republik Türkei weder zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei noch zu Art. 37 des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen abgegeben, den der Assoziationsrat in Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 übernommen hat.

b) Die Entziehung des Rechts des Klägers auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung, das ihm durch die Erteilung einer unbefristeten Arbeitserlaubnis eingeräumt worden war, durch Rücknahme der 2001 und 2004 erteilten Aufenthaltserlaubnisse war auch nicht aus Gründen des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich durch Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt. Der Begriff der hier insoweit allein in Betracht kommenden öffentlichen Ordnung setzt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (Urt. v. 28.10.1975, Rs. 36/75, Rutili, Slg. 1975, 1279, Rn. 28; v. 10. 2. 2000, Rs. C-340/97, Nazli, Slg. 2000, I-957, Rn. 57; und v. 25.7.2002, Rs. C-459/99, MRAX, Slg. 2002, I-6591, Rn. 79). Ein solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.

Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass der Kläger in seinem Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 26. Juni 2001 und bei seiner Anhörung zu diesem Antrag am selben Tag gegenüber der Ausländerbehörde nicht alle diejenigen Umstände genannt hat, die seinerzeit für die Entscheidung darüber notwendig gewesen sind, ob der Kläger eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG oder nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AuslG beanspruchen konnte. Insoweit spricht Einiges dafür, dass der Kläger nicht offenbart hat, schon seit Februar 1999 in Hamburg gearbeitet zu haben und seit dieser Zeit von seiner deutschen Ehefrau - jedenfalls räumlich - getrennt zu leben. Der Kläger hat seine Angaben seinerzeit eher vage gehalten und nur angegeben, er sei wegen der Arbeitsaufnahme nach Hamburg gezogen und er sehe seine Ehefrau alle vierzehn Tage. Insoweit kann dahinstehen, ob der Kläger durch dieses Verhalten gegebenenfalls den Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG erfüllt haben könnte. Jedenfalls würden unrichtige oder unvollständige Angaben im Aufenthaltserlaubnisantrag noch keinen Sachverhalt begründen, durch den eine hinreichend schwere Gefährdung begründet würde, welche ein Grundinteresse der Gesellschaft berühren könnte.

Schließlich lässt sich auch nicht feststellen, dass der Kläger deshalb aus dem Anwendungsbereich des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 fällt, weil er sich das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet und die deshalb erteilte unbefristete Arbeitsgenehmigung erschlichen haben könnte. Das wäre der Fall, wenn der Kläger zu keiner Zeit beabsichtigt hätte, mit seiner deutschen Ehefrau, die er im Juni 1997 geheiratet hat, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu führen, wenn also eine sog. Scheinehe vorgelegen haben sollte. Für diesen Fall - Erschleichen des Visums zum Zwecke des Familiennachzugs und der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis sowie der darauf beruhenden unbefristeten Arbeitsgenehmigung durch die Stadt Bochum bzw. das Arbeitsamt Bochum - wären die Arbeitsberechtigung des Klägers und ein dazu erforderliches Aufenthaltsrecht nicht durch das Verbot der Diskriminierung nach Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 geschützt (vgl. EuGH, Urt. v. 2.3.1999, Rs. C-416/96, El-Yassini, NVwZ 1999, 1095, Rn. 7; Urt. v. 24.1.2008, Rs. C-294/06, Payir, Akyuz und Ozturk, juris, Rn. 40; OVG Hamburg, Beschl. v. 19.3.2008, 4 Bs 161/07).

Hier fehlen aber ausreichende Anhaltspunkte für die Feststellung einer sog. Scheinehe. Dafür reicht es nicht aus, dass der Kläger und seine Ehefrau im Zeitpunkt der Eheschließung an verschiedenen Orten gelebt haben (Leipzig bzw. Dortmund) und dass der Kläger nach negativem Abschluss des Asylverfahrens zunächst ausgereist ist und das Visumsverfahren zum Zweck der Familienzusammenführung durchgeführt hat. Aus der Ausländerakte ergibt sich, dass sich der Kläger bereits am 17. Juni 1997 und damit unmittelbar nach der am 11. Juni 1997 erfolgten Eheschließung um eine Befreiung von der Aufenthaltsbeschränkung bemüht hat, um zu seiner Ehefrau nach Dortmund zu reisen. Ihm wurde in der Folgezeit mehrfach für jeweils längere Zeiträume erlaubt, den Bereich seiner Aufenthaltsgestattung zu verlassen und sich in Dortmund, später in Bochum aufzuhalten (vgl. Bl. 40, 60, 68, 74 der Ausländerakte). Das Visumsverfahren hat er offensichtlich deshalb durchgeführt, weil sich die Ausländerbehörden sowohl in Sachsen als auch in Bochum für unzuständig gehalten hatten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen (vgl. Bl. 97 und 98 der Ausländerakte). Soweit das Verwaltungsgericht eine Scheinehe deshalb für möglich gehalten hat, weil der Kläger den Namen seiner Ehefrau in den verschiedenen Erlaubnisanträgen nur sehr unzulänglich wiedergegeben hat, reicht das angesichts der eher komplizierten Schreibweise des Namens seiner Ehefrau - ............. - zur Feststellung einer nur vorgegebenen Ehe ebenfalls nicht aus. Konkrete Anhaltspunkte, die für das Vorliegen einer sog. Scheinehe sprechen könnten und die dem Berufungsgericht hätten Anlass geben können, den Sachverhalt weiter aufzuklären, hat auch die Beklagte nicht dargelegt.

4. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis ausstellt. Für dieses mit der Verpflichtungsklage verfolgte Begehren ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.9.2007, DVBl. 2008, 108, m.w.N.).

Dieser Anspruch folgt aus § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 AufenthG. Danach ist ein Ausländer, dem nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei ein Aufenthaltsrecht zusteht, (nur) verpflichtet, das Bestehen des Aufenthaltsrechts durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nachzuweisen, sofern er weder eine Niederlassungserlaubnis noch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt. Die Aufenthaltserlaubnis wird in diesem Fall auf Antrag deklaratorisch ausgestellt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dem Kläger steht derzeit ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 zu. Der Kläger ist - wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nachgewiesen hat - seit dem 4. Oktober 2006 und damit über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr durchgehend bei demselben Arbeitgeber, nämlich der ........... Bau GmbH, beschäftigt und bezieht aus dieser Beschäftigung ein regelmäßiges Erwerbseinkommen. Diese Beschäftigung ist auch ordnungsgemäß im Sinne der genannten Regelung; dem Kläger stand während der Dauer dieser Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht zu. Dieses ergibt sich - wie oben ausgeführt - jedenfalls aus Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80. Überdies erfüllte der Kläger bereits im Zeitpunkt des Ablaufs der zuletzt erteilten und nach den obigen Darlegungen zu Unrecht zurückgenommenen Aufenthaltsgenehmigung im Januar 2006 wegen der bis zu diesem Zeitpunkt seit November 2004 ausgeübten Tätigkeit bei der Firma ...... GmbH bereits die Voraussetzungen des ersten Spiegelstrichs des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 ARB 1/80. Diese Tätigkeit übte er nach seinen unstreitigen Angaben in seinem weiteren Verlängerungsantrag vom 19. Januar 2006 auch zu diesem Zeitpunkt noch aus, sodass ihm seinerzeit bereits eine Aufenthaltserlaubnis zur Fortsetzung dieser Tätigkeit hätte erteilt werden müssen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.

Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache hinsichtlich eines Aufenthaltsrechts auf Grund von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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