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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: 4 Bs 149/08
Rechtsgebiete: HundeG


Vorschriften:

HundeG § 2 Abs. 2 Nr. 2
Nach einem einzigen Beißvorfall kann regelmäßig nicht schon die Feststellung getroffen werden, ein daran beteiligter Hund habe sich gegenüber Mensch oder Tier als bissig erwiesen und sei deswegen als gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG einzustufen. Ein solcher Vorfall dürfte allerdings in der Regel ein ausreichender Anlass dafür sein, dass der Hund einem Wesenstest im Sinne von § 5 HundeG unterzogen wird.
Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

4 Bs 149/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch den Richter Wiemann, die Richterin Huusmann und den Richter Meins am 29. Oktober 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 24. Juli 2008 geändert.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Sicherstellungsanordnung in Nr. 2 der Verfügung vom 10. Juli 2008 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer Entscheidung über den Widerspruch angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt drei Viertel und die Antragsgegnerin ein Viertel der Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat nur zum Teil Erfolg.

Der Antragstellerin ist einstweiliger Rechtsschutz gegen die Anordnung der Sicherstellung ihres Hundes zunächst für die Dauer des Widerspruchverfahrens zu gewähren. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Zeitraums sowie der Anordnung des Maulkorbzwangs und der Verpflichtung, den Hund einer Kommission zur Bestimmung der Rasse vorzuführen (Verfügung vom 3.7.2008), bleibt die Beschwerde dagegen ohne Erfolg.

1. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die von der Antragsgegnerin im Bescheid vom 10. Juli 2008 angeordnete Sicherstellung des Hundes der Antragstellerin im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, dieser Hund sei als (individuell) gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeG anzusehen, für den die Antragstellerin die nach §§ 14 ff. HundeG notwendige Haltererlaubnis nicht habe und auch voraussichtlich nicht erhalten könne. Der Hund der Antragstellerin habe sich im Juni dieses Jahres bei einer Auseinandersetzung mit einem anderen Hund, der wegen der dabei erlittenen Verletzungen habe eingeschläfert werden müssen, als bissig erwiesen. Das folge aus den Aussagen der beteiligten Hundeführer sowie den Erklärungen der Amtstierärztin und der Ärztin, die den verletzten Hund nach dem Vorfall behandelt habe. Danach habe der Hund der Antragstellerin sich nicht lediglich artgerecht gegen einen Angriff gewehrt, sondern sich in Tötungsabsicht in den gegnerischen Hund (einen Dackel) verbissen.

Dagegen macht die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde geltend, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung im Hinblick auf den Beißvorfall einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt und deshalb zu Unrecht angenommen, ihr Hund habe sich als bissig erwiesen. Dieser habe sich nur im Rahmen eines bei Hunden artgerechten Aggressionspotentials gegen den Angriff des unangeleinten Dackels gewehrt. Dass dieser dabei schwere Verletzungen im Kopf- und Halsbereich erlitten habe, sei entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht auf ein übersteigertes und unangemessenes Aggressionsverhalten zurückzuführen. Hierfür sei vielmehr zum einen das unausgeglichene Kräfte- und Größenverhältnis der beteiligten Hunde und zum anderen der Umstand maßgeblich, dass der Dackel durch Fußtritte von einem erneuten Angriff auf ihren Hund habe abgehalten werden müssen. Dieser Geschehensablauf werde auch durch die bereits eingereichten eidesstattlichen Versicherungen von Frau M. i, die ihren Hund bei dem Vorfall an der Leine geführt habe, und Herrn C. bestätigt, auf dessen Zuruf die Hunde getrennt worden seien.

a. Mit diesem Vortrag wird die entscheidungserhebliche Annahme des Verwaltungsgerichts, der Hund der Antragstellerin sei allein aufgrund eines Beißvorfalls (und ohne Ablegung eines für diese Feststellung vorgesehenen Wesenstest nach § 5 HundeG) bereits als ein gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG anzusehen, ausreichend in Frage gestellt. Es erscheint nach dem Beschwerdevorbringen zweifelhaft, ob ohne weitere Ermittlungen, insbesondere eine Befragung der den Beißvorfall beobachtenden Personen und/oder eine gutachtliche Stellungnahme der Tierklinik, in der der verletzte Hund zunächst versorgt worden ist, sowie die Durchführung eines (hier von der Amtstierärztin v. H. mehrfach angeregten) Wesenstests bereits im anhängigen Eilverfahren die Feststellung getroffen werden kann, der Hund der Antragstellerin habe sich als bissig erwiesen, sei deshalb als gefährlich im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG einzustufen und müsse deshalb sichergestellt werden.

Bei der danach auch im Beschwerdeverfahren ohne die Beschränkungen des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gebotenen Vollprüfung des Antragsbehrens in Bezug auf die hier streitige Sicherstellungsanordnung ist von Folgendem auszugehen:

Das Verwaltungsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass diese Anordnung in der Verfügung vom 10. Juli 2008 (dort Nr. 2) unabhängig davon Bestand hat, dass die Antragsgegnerin hierfür § 14 SOG i.V.m. § 23 Abs. 12 HundeG als Rechtsgrundlage aufgeführt hat. Die fragliche Sicherstellungsanordnung stellt der Sache nach unstreitig eine Maßnahme nach § 23 Abs. 9 HundeG dar, und Widerspruch und Klage dagegen haben nach § 23 Abs. 13 HundeG keine aufschiebende Wirkung. Die Antragstellerin wird eine gegebenenfalls negative Widerspruchsentscheidung insoweit auf die genannte Norm stützen können.

Ebenso zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Sicherstellungsanordnung vorliegen, wenn der Hund der Antragstellerin als gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG anzusehen sein sollte. In diesem Fall läge ein Verstoß im Sinne von § 23 Abs. 9 HundeG vor, da die Antragstellerin die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 HundeG notwendige Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes nicht besitzt und auch nicht geltend macht, hierauf einen Anspruch zu haben. Allerdings lässt sich nach derzeitigem Erkenntnisstand die danach entscheidungserhebliche Frage, ob der Hund der Antragstellerin im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG ein der Situation nicht angemessenes oder ausgeprägtes Aggressionsverhalten gegen Menschen oder Tiere zeigt bzw. gezeigt hat, (noch) nicht mit der notwendigen Sicherheit bejahen. Insoweit ist der Ausgang des Widerspruchsverfahrens in Bezug auf die Sicherstellungsanordnung als offen anzusehen und ist der Antragstellerin dagegen nach einer Interessenabwägung zunächst bis zum Abschluss des Vorverfahrens der begehrte vorläufige Rechtsschutz zu gewähren. Dazu im Einzelnen:

Bei der Entscheidung der Frage, ob die Voraussetzungen für die hier von der Antragsgegnerin nach § 23 Abs. 9 i.V.m. § 2 Abs. 2 HundeG verfügte Sicherstellungsanordnung vorliegen bzw. von der Antragsgegnerin nachgewiesen sind - Feststellung der (individuellen) Gefährlichkeit des Hundes der Antragstellerin -, ist zum einen zu berücksichtigen, das der Gesetzgeber an diese Feststellung in den §§ 14 ff. HundeG schwerwiegende Rechtsfolgen geknüpft hat. Die Einordnung als gefährlicher Hund nach Abs. 2 stellt ihn zunächst einem der vier in § 2 Abs. 1 HundeG genannten Kategoriehunden gleich und führt im Regelfall dazu, dass der Hundehalter seinen Hund (unabhängig von etwaigen Bindungen oder affektiver Motive) sogleich abzugeben hat. Denn regelmäßig dürfte ein anzuerkennendes Interesse an der Haltung eines gefährlichen Hundes im Sinne von § 15 Abs.1 Nr. 3 a HundeG (wie auch hier vom Verwaltungsgericht zu Recht angenommen) nicht vorliegen. Auch wenn insoweit zu berücksichtigen ist, dass § 2 Abs. 2 HundeG und die daran geknüpften Rechtsfolgen nach den §§ 14 ff. HundeG zulässige Regelungen der Gefahrenvorsorge darstellen (vgl. Beschl. des Senats vom 18.8.2008, 4 Bs 72/08, dort zu den Kategoriehunden nach § 2 Abs. 1 HundeG), darf die Schwere des mit der Einordnung eines Hundes als (individuell) gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift und insbesondere bei der Entscheidung der Frage, ob eines der dort genannten Regelbeispiele (Nr. 1 bis 4) vorliegt, nicht unberücksichtigt bleiben.

Zudem steht § 2 Abs. 2 HundeG in systematischem Zusammenhang mit § 5 HundeG. Der Gesetzgeber hat in dieser Vorschrift bestimmt, dass durch den Wesenstest überprüft wird, ob ein Hund eine gesteigerte Aggressivität oder Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren aufweist. Diese Voraussetzungen entsprechen in der Sache den in § 2 Abs. 2 HundeG genannten Merkmalen, bei deren Vorliegen ein Hund als gefährlicher Hund einzuordnen ist. Dementsprechend sieht § 23 Abs. 8 HundeG vor, dass die zur Durchführung dieses Gesetzes zuständige Behörde u.a. auch anordnen kann, dass ein Hundehalter den Hund bei einer von der zuständigen Behörde zu bestimmenden Stelle zur Prüfung der Gefährlichkeit (§ 2 Abs. 2 HundeG) vorzuführen oder auf eigene Kosten einen Wesenstest nach § 5 HundeG durchführen zu lassen hat. Dieser Test wird nach festgelegten Standards von anerkannten sachverständigen Personen oder Einrichtungen durchgeführt (vgl. dazu §§ 6 ff.der Durchführungsverordnung zum Hundegesetz - HundeGDVO - v. 21.3.2006, HmbGVBl. 115, 116, und Anlage 3 zu dieser Verordnung). Aus den genannten Erwägungen folgt, dass regelmäßig nicht schon nach einem einzigen Beißvorfall die Feststellung getroffen werden kann, ein daran beteiligter Hund habe sich gegenüber Mensch oder Tier als bissig erwiesen und sei deswegen als gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG einzustufen. Ein solcher Vorfall dürfte allerdings in der Regel ein ausreichender Anlass dafür sein, dass der Hund einem Wesenstest im Sinne von § 5 HundeG unterzogen wird. Nach dessen Ergebnis wird regelmäßig eine sichere Feststellung möglich sein, ob der an einem Beißvorfall beteiligte Hund grundsätzlich ein der Situation nicht angemessenes oder ausgeprägtes Aggressionsverhalten gegen Menschen oder Tiere zeigt.

Das schließt allerdings nicht aus, im Ausnahmefall schon nach einem ersten schweren Beißvorfall und ohne vorherige Anordnung oder Durchführung eines Wesenstests für einen bestimmten Hund die Merkmale des § 2 Abs. 2 HundeG und insbesondere das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erfüllung des Regelbeispiels nach Nr. 2 (Hund hat sich gegenüber Mensch oder Tier als bissig erwiesen) festzustellen. Hierfür ist jedoch erforderlich, dass - erstens - die Folgen der Hundeattacke für Mensch oder Tier nicht nur unbedeutend und geringfügig sind. Zudem kann - zweitens - der Nachweis der Bissigkeit eines Hundes im Sinne von Nr. 2 dieser Vorschrift im Hinblick auf die oben näher genannten einschneidenden Rechtsfolgen der Einstufung eines Hundes nach § 2 Abs. 2 HundeG und unter Verzicht auf die durch § 5 HundeG eröffneten weiteren Erkenntnismöglichkeiten nur dann angenommen werden, wenn die Beteiligung des Hundes an dem in Frage stehenden Beißvorfall und ein dabei gegebenenfalls zutage getretenes übersteigertes Aggressionsverhalten des Hundes außer Zweifel steht.

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der Verletzungen, die der am Vorfall vom 11. Juni 2008 beteiligte andere Hund erlitten hat, zwar zweifelsfrei die erste der genannten Voraussetzungen gegeben. Dagegen fehlt es bisher noch an sicheren Feststellungen dazu, wie sich der Beißvorfall tatsächlich abgespielt hat und ob die schweren Verletzungen des beteiligten Dackels zweifelsfrei auf ein übersteigertes Aggressionsverhalten des Hundes der Antragstellerin im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG zurückzuführen sind.

Allerdings kommt nach den vom Verwaltungsgericht genannten Umständen in Betracht, dass sich der Hund der Antragstellerin nach weiteren Ermittlungen im Widerspruchsverfahren in diesem Sinne als gefährlich erweist. Sicher ist das jedoch nicht. Die Aussagen von Frau M. , die den Hund geführt hat, über den Ablauf des fraglichen Vorfalls am 11. Juni 2008 sind lediglich in einem Polizeibericht vom selben Tag erwähnt. Die Polizeibeamten haben den Beißvorfall nicht selbst beobachtet. Eine protokollierte Vernehmung von Frau M. , die sie unterzeichnet hätte, haben sie nicht durchgeführt. Die von Frau M. nunmehr an Eides Statt versicherten Erklärungen über die Einzelheiten des Vorfalls, nach denen der Hund den Dackel nach dessen Angriff lediglich am Genick gefasst und nach kurzer Zeit auf den Zuruf ihres Lebensgefährten, Herrn C. , fallen gelassen habe, können vor diesem Hintergrund nicht von vornherein als unglaubhaft beurteilt werden. Die Hundeführerin könnte im Rahmen einer Beweisaufnahme ebenso vernommen werden wie Herr C. , der nach seinen insoweit übereinstimmenden Angaben in der eidesstattlichen Versicherung vom 16. Juli 2008 die Hunde getrennt und dem Dackel danach möglicherweise durch Fußtritte weitere Verletzungen zugefügt hat.

Die Beobachtungen der Amtstierärztin v. H. anlässlich der Vorstellung des Hundes der Antragstellerin am 27. Juni 2008 - u.a. hoher Erregungslevel, nervöses Verhalten, Bellen wegen verschiedener Geräusche, lässt sich streicheln - lassen für sich allein eine Einstufung des Hundes der Antragstellerin als gefährlich im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG offenkundig nicht zu. Diese Beobachtungen entsprechen nicht ansatzweise den Erkenntnissen, die durch einen Wesenstest nach § 5 HundeG und die dabei von einem Hund zu bewältigenden Stresssituationen zu erwarten sind (vgl. dazu insbesondere Anlage 3 zu §§ 6 HundeGDVO). Die Amtstierärztin hat insoweit zunächst selbst die Durchführung eines solchen Test angeregt und nur für den Fall als entbehrlich bezeichnet, dass der Hund der Antragstellerin ohnehin als Katergorie-1-Hund einzustufen sein sollte (Vermerk vom 26.6.2008 und vom 3.7.2008).

Eine verlässliche schriftliche Erklärung der Tierärztin M. , die den verletzten Dackel unmittelbar nach dem Beißvorfall in einer tierärztlichen Klinik versorgt hat, liegt bisher nicht vor. Das Schreiben der Tierklinik Prof. H. an die Hundehalterin vom 1. Juli 2007, das in die Sachakte gelangt ist, ist an die Halterin des verletzten Hundes gerichtet und darf nach einem ausdrücklichen Vermerk auf Seite 2 nicht für juristische Zwecke verwertet werden. Soweit die Amtstierärztin ihre Einschätzung vom 27. Juni 2008, der Hund der Antragstellerin sei nach § 2 Abs. 2 HundeG einzustufen, offenkundig vorrangig auf ein Telefongespräch mit Frau M. gestützt hat (der Hund der Antragstellerin habe in Tötungsabsicht den Dackel verletzt), begegnet eine allein darauf gestützte Feststellung Bedenken. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Tierärztin ihre Aussage insoweit auf der Grundlage einer Sachverhaltsschilderung der Amtstierärztin gemacht hat, die derzeit noch nicht als gesichert anzusehen ist. Insoweit dürfte es angezeigt sein, die Tierärztin im anhängigen Widerspruchsverfahren als Zeugin zu hören oder eine schriftliche Stellungnahme der Tierklinik einzuholen. Darin könnte auch dazu Stellung genommen werden, ob der von der Antragstellerin geschilderte Geschehensablauf (Verletzung des angreifenden Hundes durch Fußtritte) nach der Art der Verletzungen (u.a. Trümmerfraktur des Nasenrückens) möglich ist.

Bei dem danach offenen Ausgang des Widerspruchsverfahrens überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, ihren Hund jedenfalls zunächst für dessen Dauer behalten zu dürfen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Sicherstellungsanordnung. Die Antragsgegnerin hat es insoweit in der Hand, durch eine beschleunigte Durchführung einer Beweisaufnahme und eine zügige Entscheidung über den Widerspruch die Zeit zu begrenzen, für die das Beschwerdegericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung angeordnet hat. Auch wird für diesen gegebenenfalls kurzen Zeitraum dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Gefahrenvorsorge dadurch ausreichend Rechnung, dass der Hund der Antragstellerin, der bis auf den genannten Vorfall bisher offenbar nicht durch Gefährdung oder Belästigungen von Menschen oder Tieren aufgefallen ist, außerhalb des Hauses zunächst ähnlich einem gefährlichen Hund zu halten und zu führen ist. Das ergibt sich zum einen aus der (bestandskräftigen) Verfügung vom 19. Juni 2008, mit der die Antragsgegnerin angeordnet hat, dass der Hund der Antragstellerin auf öffentlichen Wegeflächen an einer 1,50 m langen Leine zu führen ist. Zum anderen muss der Hund auch einen Maulkorb tragen, weil die Beschwerde der Antragstellerin in Bezug auf diese Anordnung (Bescheid vom 3.7.2008, dort Nr. 1) aus den nachfolgenden Gründen ohne Erfolg bleibt. Das gilt im Übrigen auch für die Anordnung der Vorführung des Hundes vor der Kommission nach § 23 Abs. 8 HundeG zum Zweck der Rassebestimmung (Bescheid vom 3.7.2008, Nr. 2), die nach Zurückweisung der Beschwerde sofort vollziehbar ist und der Antragsgegnerin die Möglichkeit eröffnet, nach entsprechenden Feststellungen Maßnahmen auf der Grundlage der §§ 2 Abs. 1, 23 Abs. 2 und 9 HundeG zu ergreifen.

b. Die danach im Rahmen einer Interessenabwägung gebotene Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Sicherstellungsverfügung ist allerdings auf den im Tenor genannten Zeitpunkt zu begrenzen. Aus den genanten Gründen ist nicht auszuschließen, dass gegebenenfalls durchzuführende weitere Ermittlungen bzw. ein Wesenstest zu der Feststellung führen können, dass der Hund der Antragstellerin als gefährlicher Hund im Sinne von § 2 Abs. 2 HundeG einzustufen ist.

2. Soweit es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Anordnung des Maulkorbzwangs und die Verpflichtung, den Hund der Kommission nach § 23 Abs. 8 HundeG vorzuführen (Verfügung vom 3.7.2008), anzuordnen, bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass die Antragsgegnerin diese Maßnahmen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen verfügen dürfte.

a. In Bezug auf den Widerspruch der Antragstellerin gegen den nach § 23 Abs. 6 HundeG angeordneten Maulkorbzwang kann dahinstehen, ob auch insoweit aus den für die Sicherstellungsverfügung genannten Gründen von einem offenen Verfahrensausgang auszugehen ist. Insoweit ist allerdings von Bedeutung, dass nicht erst die positive Feststellung nach § 2 Abs. 2 HundeG das Ermessen der Behörden für eine Anordnung gemäß § 23 Abs. 6 HundeG eröffnet. Vielmehr darf die zuständige Behörde das Halten eines Hundes u.a. durch die Anordnung des Maulkorbzwangs schon dann beschränken, wenn der Hund (lediglich) ein Menschen oder Tiere belästigendes Verhalten aufweist. Das kann auch auf Hunde zutreffen, die keine gefährlichen Hunde im Sinne von § 2 HundeG sind.

Der Antragstellerin ist gegen die Anordnung des Maulkorbzwangs aber auch bei einem insoweit unterstellten offenen Verfahrensausgang vorläufiger Rechtsschutz nicht zu gewähren. Denn insoweit überwiegt das öffentliche Interesse an einer effektiven Gefahrenvorsorge das Interesse der Antragstellerin, vorerst von den Nachteilen dieser Maßnahme verschont zu bleiben. Die mit dem Maulkorbzwang verbundenen Einschränkungen sind relativ geringfügig. Dagegen ist nach den obigen Ausführungen nicht auszuschließen, dass der Hund der Antragstellerin als gefährlicher Hund einzustufen ist. Das rechtfertigt es, dass die Antragstellerin ihren Hund in der Öffentlichkeit zunächst nur an der Leine und mit Maulkorb führt.

b. Schließlich hat das Verwaltungsgericht auch zu Recht die Anordnung der Antragsgegnerin nicht beanstandet, nach der die Antragstellerin ihren Hund der Kommission nach § 23 Abs. 8 HundeG zur Bestimmung der Rasse vorzuführen hat. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Hund phänotypische Merkmale aufweist, nach denen seine Einstufung als Kategorie-1-Hund ernsthaft in Betracht kommt, greift die Beschwerde nicht an. Dass diese Einschätzung, die auf verschiedenen amtstierärztlichen Berichten beruht, aus anderen Gründen unzutreffend sein könnte, ist auch sonst nicht ersichtlich. Soweit die Antragstellerin ferner meint, die Vorstellung ihres Hundes vor der Kommission zum Zweck der Rassebestimmung sei nicht notwendig, weil die Antragsgegnerin auf die Stellungnahmen ihrer Amtstierärzte zurückgreifen könne, lässt dieses Vorbringen die streitige Anordnung nicht ermessensfehlerhaft erscheinen. Vielmehr dürfte es sachgerecht sein, dass die Antragsgegnerin vor der Einstufung eines Hundes als gefährlicher Hund nach § 2 Abs. 2 bzw. Abs. 3 HundeG, welche mit den oben genannten weitreichenden Rechtsfolgen nach §§ 14 ff. HundeG verbunden ist, die in § 23 Abs. 8 HundeG vorgesehene Stelle zur Rassebestimmung einschaltet.

Soweit die Antragstellerin gegen die Vorführungsanordnung noch geltend macht, es fehle an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Arbeit der Gutachterkommission, kann auch dieser Einwand der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Das Beschwerdegericht hat dazu bereits im Beschluss vom 11. Januar 2008 (4 Bs 99/07) ausgeführt, dass die Einrichtung von Gutachtergremien nach § 23 Abs. 8 HundeG, die in ihrer rechtlichen Stellung nicht mit den Stellen zur Abnahme von Gehorsamsprüfungen und Wesenstests vergleichbar sind und die im Gegensatz zu diesen Stellen keine die Antragsgegnerin bindenden Feststellungen (zur Rassezugehörigkeit) treffen, nicht zu beanstanden ist. Das gilt auch soweit § 23 Abs. 8 HundeG selbst keine abstrakten gesetzlichen Regelungen zur Sicherung der Qualität der Gutachten enthält (Beschluss vom 11.1.2008, a.a.O.)

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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