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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 04.12.2008
Aktenzeichen: 4 Bs 229/08
Rechtsgebiete: HmbVwVfG, AufenthG


Vorschriften:

HmbVwVfG § 9
HmbVwVfG § 14 Abs. 3
AufenthG § 60 a Abs. 5 Satz 4
AufenthG § 58 Abs. 1
AufenthG § 59 Abs. 2
1. Auf die Ankündigung der Abschiebung, die die Ausländerbehörde einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer zuvor angedroht hat, ist § 14 Abs. 3 HmbVwVfG weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.

2. Soweit ein Ausländer das Bundesgebiet nach einer ausländerrechtlichen oder asylverfahrensrechtlichen Entscheidung unverzüglich zu verlassen hat und er auf Grund einer ausdrücklichen Erlaubnis in einen anderen Staat einreisen darf (hier "Titre de Voyage" für Guinea), ist die (Ermessens-)Entscheidung der Ausländerbehörde betreffend die Wahl dieses Staates als Ziel der Abschiebung nicht deshalb fehlerhaft, weil der Ausländer nach seinen Angaben die Staatsangehörigkeit des Staates nicht besitzt, in den er abgeschoben werden soll.

3. Die Abschiebung eines Ausländers mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ist nicht schon wegen der Möglichkeit ausgeschlossen, dass ihm bei seiner Ankunft im Zielstaat der Abschiebung von den dortigen Behörden (etwa wegen nicht ausreichender Personalersatzpapiere) die Einreise in das Land verweigert wird und somit der Rücktransport des Ausländers nach Deutschland erfolgen muss. Vor den Nachteilen eines erfolglosen Abschiebungsversuchs ist der Ausländer grundsätzlich nur dann zu bewahren, wenn es als ausgeschlossen erscheint, dass eine Einreise in den Zielstaat der Abschiebung erfolgen kann.


Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Beschluss

4 Bs 229/08

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Pradel, Wiemann und Meins am 4. Dezember 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 28. November 2008 geändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.

Aus den von ihr dargelegten Gründen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) ist die angefochtene Entscheidung zu ändern und der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Abschiebungsschutzes abzulehnen. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin vorläufig untersagt, den - nach illegaler Einreise im Jahre 2003 bestandskräftig ausgewiesenen und seitdem wegen fehlender Ausreisedokumente geduldeten - Antragsteller vor Erlass einer neuen Abschiebungsankündigung in die Republik Guinea abzuschieben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Abschiebung des Antragstellers sei zur Zeit rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin, die seinen Aufenthalt im Bundesgebiet länger als ein Jahr geduldet habe, ihm die Abschiebung nicht ordnungsgemäß angekündigt habe. Zwar sei dem Antragsteller bei seiner Anhörung am 3. Juni dieses Jahres die Abschiebung nach Guinea nach wiederholter Duldung (erneut) angedroht und insoweit die Frist des § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG eingehalten worden. Diese Ankündigung sei jedoch nicht ordnungsgemäß gewesen. Denn sie sei weder gegenüber dem damaligen, der Antragsgegnerin bekannten Verfahrensbevollmächtigen des Antragstellers erfolgt noch sei der Bevollmächtigte zumindest nachrichtlich von der Ankündigung der Abschiebung in die Republik Guinea in Kenntnis gesetzt worden. Darin liege ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 HmbVwVfG. Dieser Verstoß sei auch nicht als bloße Formverletzung unbeachtlich, da § 14 Abs. 3 HmbVwVfG die verfassungsrechtlich gebotene Herstellung der "Waffengleichheit" zwischen Verwaltung und Bürger bezwecke.

Gegen diese Begründung für die Gewährung einstweiligen Abschiebungsschutzes bringt die Antragsgegnerin mit der Beschwerde im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einem Verstoß gegen § 14 Abs. 3 HmbVwVfG ausgegangen. Diese Vorschrift sei nur im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 9 HmbVwVfG beachtlich. Hierbei handele es sich jedoch ausschließlich um die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet sei. Im vorliegenden Verfahren ginge es jedoch lediglich um einen Realakt, auf den deshalb § 14 Abs. 3 HmbVwVfG nicht anzuwenden sei.

Damit wird die tragende Begründung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ernsthaft in Zweifel gezogen. Denn zum einen ist unstreitig, dass die in § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG für den Fall einer längerfristigen Aussetzung der Abschiebung eines an sich vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, der dieser Pflicht nicht freiwillig nachkommt, vorgesehene Ankündigung der Abschiebung in einen aufnahmebereiten Staat selbst kein (anfechtbarer) Verwaltungsakt, sondern - wie die Abschiebung selbst - ein schlichter Realakt ist (vgl. etwa OVG Bautzen, Beschl. v. 10.9.2004, SächsVBl 2005, 13, 14; VGH München, Beschl. v, 12.8.2004, 24 CE 04.1958, juris; VGH München, Urt. v. 15.12.2003, InfAuslR 2004, 252 f.; Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 60 a Rdn. 254, m.w.N.). Auf solche Realakte der Verwaltung ist zum anderen nach der insoweit eindeutigen Regelung in § 9 HmbVwVfG die Vorschrift über die Beteiligung von Bevollmächtigen und Beiständen nach § 14 Abs. 3 HmbVwVfG nicht anzuwenden. Damit ist der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die hiervon ausgegangen ist und daraus auf eine nicht ordnungsgemäße Abschiebungsankündigung geschlossen hat, die maßgebliche Grundlage entzogen.

Dem Antragsteller ist der begehrte vorläufige Rechtschutz gegen seine für den morgigen Tag (5.12.2008) vorgesehene Abschiebung nach Guinea aber auch nicht aus anderen Gründen zu gewähren, die bei der danach gebotenen Vollprüfung seines Begehrens gegebenenfalls zu berücksichtigen sein könnten.

Insoweit könnte zunächst zu erwägen sein, ob die Regelung des § 14 Abs. 3 HmbVwVfG auf die in § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG vorgesehene Ankündigung der Abschiebung für den hier unstreitig vorliegenden Fall der Duldung von mehr als einem Jahr zumindest entsprechend anzuwenden ist (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Auflage, Rdn. 6). Hierfür sind aber weder einfachgesetzliche Gründe ersichtlich noch ist die sinngemäße Anwendung der Regelung über die Beteiligung von Bevollmächtigten und Beiständen im Rahmen einer Abschiebungsankündigung verfassungsrechtlich geboten. Im Einzelnen:

Die Abschiebung ist ein spezialgesetzlich geregelter Fall unmittelbaren Zwangs (in Form eines Realakts), mit der die vollziehbare Ausreisepflicht eines Ausländers, der dieser Pflicht nicht freiwillig nachkommt, zwangsweise durchgesetzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.11.1987, EZAR 1988, 137 Nr. 10; VGH München, Urt. v. 15.12.2003, InfAuslR 2004, 252 f.). Diese Maßnahme ist gemäß § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG einem länger als ein Jahr geduldeten Ausländer mit einer Frist von einem Monat anzukündigen, und diese Ankündigung ist - bei weiterer Duldung - gegebenenfalls zu wiederholen. Hierdurch soll der Ausländer, dessen Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt war, in Stand gesetzt werden, sich auf die bevorstehende Aufenthaltsbeendigung einzustellen und seine hiesigen Angelegenheiten zu regeln. Soweit die Abschiebung wie hier (entsprechend der vorangegangenen Regelung in der Abschiebungsandrohung) in einen aufnahmebereiten Drittstaat erfolgen soll, wird dem Ausländer durch die entsprechende Ankündigung auch die Möglichkeit eingeräumt, insoweit gegebenenfalls um einstweiligen Rechtsschutz nachzusuchen. Hier hatte die Antragsgegnerin dem Antragsteller bereits mit Schreiben vom 12. September 2006 die Abschiebung in die Republik Guinea angekündigt.

Dass die Abschiebung - etwa in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 3 HmbVwVfG - nicht nur dem Ausländer, sondern auch bzw. zuerst einem etwaigen Bevollmächtigen des Ausländers anzukündigen ist, lässt sich insoweit dem Wortlaut des § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG nicht entnehmen. Dies ist auch nicht nach dem o.g. Sinn und Zweck dieser Vorschrift oder deshalb geboten, um - wie das Verwaltungsgericht der Sache nach unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 15. Januar 1999 (InfAuslR 1999, 200, 201) offenbar angenommen hat - dem sich aus Verfassungsrecht ergebenden Grundsatz der "Waffengleichheit" zwischen Bürger und Staat Geltung zu verschaffen. Diese Notwendigkeit der "Waffengleichheit" kann sich zwar dann - wie vom Verwaltungsgericht weiter ausgeführt - auch auf dem Gebiet des Ausländerrechts aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dem rechtsstaatlichen Prinzip sowie dem Prinzip des fairen Verfahrens und dem Gleichheitsgebot ergeben, wenn - wie von § 14 Abs. 3 HmbVwVfG vorausgesetzt - im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens im Sinne von § 9 HmbVwVfG die Ausländerbehörden eine nach außen wirkende Tätigkeit entfalten, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass einer verbindlichen, in Rechte des Ausländers eingreifenden oder Vergünstigungen gewährenden oder vorenthaltenden Regelung gerichtet ist. Bei der Abschiebungsankündigung handelt es sich jedoch nicht (wie oben ausgeführt) um eine insoweit bevorstehende oder vollzogene Regelung mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen im Sinne von § 35 Satz 1 HmbVwVfG, welche eine Beteiligung eines Bevollmächtigen des Ausländers nach § 14 Abs. 3 HmbVwVfG gebietet. In dem hier streitigen Zusammenhang der Aufenthaltsbeendigung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers beschränkt sich die Anwendung dieser (Beteiligungs-)Vorschrift vielmehr auf die - dem schlichten Realakt der Abschiebung und ihrer Ankündigung vorausgehende - Androhung der Abschiebung nach §§ 58 Abs. 1 und 2, 59 Abs. 1 AufenthG. Diese Maßnahme, welche die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall mit der Ausweisungsverfügung vom 27. Juni 2003 verbunden hat, ist als Verwaltungsakt der Anfechtung zugänglich. Soweit sich ein Ausländer in diesem Stadium eines Bevollmächtigten bedient (wie hier der Antragsteller im Rahmen des Ausweisungsverfahrens), hat die Ausländerbehörde § 14 Abs. 3 HmbVwVfG zu beachten und sich im Regelfall an den Bevollmächtigten zu wenden und ihm sodann (wie hier geschehen) den Verwaltungsakt bekannt zu geben (§ 41 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG). Das stellt sicher, dass im Fall einer bevorstehenden Aufenthaltsbeendigung die vom Verwaltungsgericht genannte, verfassungsrechtlich gebotene "Waffengleichheit" gewahrt ist und der Ausländer etwaige Gründe gegen die Abschiebungsandrohung mit anwaltlicher Hilfe fristgerecht vorbringen und gegebenenfalls den Vollzug der Abschiebungsandrohung durch einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aufhalten kann.

Dagegen besteht bei einer nachfolgenden Abschiebung bzw. ihrer - nur nach länger als einjähriger Aussetzung notwendigen - Ankündigung keine vergleichbare Lage. Durch diesen bloßen Realakt wird die Abschiebungsandrohung lediglich faktisch vollzogen; sie ist selbst keine Regelung im Sinne von § 35 Satz 1 HmbVwVfG, die gegenüber dem betroffenen Ausländer auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und bei deren Gestaltung ein etwaiger Bevollmächtigter nicht übergangen werden dürfte.

Im Übrigen steht es einem Ausländer, dem die Abschiebung nach § 60 a Abs. 5 Satz 4 AufenthG unter Beachtung der Monatfrist angekündigt worden ist, frei, eine bereits bevollmächtigte Person bzw. einen Rechtsanwalt damit zu beauftragen, etwaige Gründe gegen die Abschiebung gegenüber der Ausländerbehörde vorzubringen und/oder beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Abschiebungsschutz nachzusuchen. Das hat der Antragsteller hier mit dem vorliegenden Eilantrag vom 18. November 2008 und mit einem Schreiben vom selben Tag an die Ausländerbehörde, mit dem er die Feststellung von Abschiebungshindernissen hinsichtlich Guinea beantragt hat, auch getan. Auch insoweit ist die mittelbare Anwendung des § 14 Abs. 3 HmbVwVfG nicht deshalb geboten, um den Anspruch des Ausländers auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG zu wahren. Denn die Befugnis eines Ausländers, sich in Bezug auf eine drohende Aufenthaltsbeendigung gegenüber der Ausländerbehörde durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen, wird nicht dadurch eingeschränkt, dass die hier streitige Abschiebung bzw. deren Ankündigung selbst kein Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 HmbVwVfG ist (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. § 14 Rdn. 3).

Schließlich ergeben sich auch aus allgemeinem Vollstreckungsrecht keine Gründe für die Annahme, die Ankündigung der Abschiebung müsse in entsprechender Anwendung des § 14 Abs. 3 HmbVwVfG gegenüber einem etwaigen Bevollmächtigen oder einem Beistand des Ausländers angekündigt werden bzw. eine dieser Personen müsse jedenfalls neben dem Ausländer darüber in Kenntnis gesetzt werden. Soweit eine Maßnahme der Vollstreckung, die - wie hier die zwangsweise Durchsetzung einer vollziehbaren Ausreisepflicht - auf die Erzwingung von Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen gerichtet ist, selbst als Verwaltungsakt bzw. als anfechtbarer Vollstreckungsakt anzusehen ist (vgl. etwa §§ 18 Abs. 2, 20 Abs. 1, 75 Abs. 1 HmbVwVG, § 13 Abs. 1, 18 Abs. 2 VwVG des Bundes) - ergibt sich die erforderliche Beteiligung eines etwaigen Bevollmächtigten bzw. Beistandes des Pflichtigen aus § 9 i.V.m. § 14 Abs. 3 HmbVwVfG. Das gilt im vorliegenden Zusammenhang (wie oben ausgeführt) für die Androhung der Abschiebung nach §§ 58 Abs. 1 und 2, 59 Abs. 1 AufenthG, deren Vollziehbarkeit grundsätzlich Voraussetzung für den Realakt der Abschiebung des Ausländers und deren Ankündigung ist. Soweit es jedoch - nur noch - um den tatsächlichen Vollzug einer - durch vorangegangenen Verwaltungsakt geregelten - Vollstreckungsmaßnahme geht, sieht auch das allgemeine Vollstreckungsrecht eine vorherige Ankündigung des Vollstreckungsvollzugs gegenüber einem etwaigen Bevollmächtigen des Pflichtigen nicht vor.

Dem Antragsteller ist der begehrte vorläufige Schutz vor einer Abschiebung nach Guinea auch nicht aus anderen Gründen zu gewähren. Das gilt sowohl im Hinblick auf seine Behauptung, er komme aus Burkina Faso und er besitze nicht die Staatsangehörigkeit der Republik Guinea, als auch für seinen Einwand, hinsichtlich des vorgesehenen Zielstaates der Abschiebung bestünden Abschiebungshindernisse. Dazu im Einzelnen:

Die (Ermessens-)Entscheidung der Antragsgegnerin betreffend die Wahl des Zielstaates der Abschiebung ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht deshalb fehlerhaft, weil er nach seinen Angaben aus Burkina Faso stamme und keine Bindungen nach Guinea habe. Weder aus dem einfachen (Aufenthalts-)Recht noch aus höherrangigem Recht lässt sich - etwa unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - eine entsprechende Einschränkung des Entschließungsermessens der Antragsgegnerin bei ihrer Entscheidung ableiten, in welchen Staat sie einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer abschieben will (vgl. Beschl. d. Senats v. 6.9.2006, 4 Bs 251/06; v. 14.9.2006, 4 Bs 228/06; v. 26.3.2007, 4 Bs 71/07). Vielmehr lässt es das Aufenthaltsgesetz ausdrücklich zu, dass ein Ausländer, der - wie der Antragsteller - einer vollziehbaren Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt, auch in einen (Dritt-)Staat abgeschoben wird, in den er freiwillig einreisen darf (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Das Gesetz stellt hierfür neben der Aufnahmebereitschaft bzw. einer Aufnahmeverpflichtung des Zielstaates der Abschiebung keine weiteren Voraussetzungen wie etwa das Bestehen von Bindungen zu diesem Staat auf, und solche folgen auch nicht aus höherrangigem Recht. Soweit sich ein Ausländer wie hier - einerseits - in einem Staat aufhält, den er auf Grund einer ausländerrechtlichen Entscheidung unverzüglich zu verlassen hat (Ausweisungsverfügung vom 27.6.2003), und dieser Ausländer - andererseits - auf Grund einer ausdrücklichen Erlaubnis in einen anderen Staat einreisen darf, spricht nichts dafür, dass die Abschiebung des Ausländers in diesen Staat allein deshalb willkürlich bzw. unverhältnismäßig ist, weil er dessen Staatsangehörigkeit nicht besitzt bzw. zu dem Zielstaat der Abschiebung keine Bindungen bestehen (vgl. Beschl. d. Senats v. 6.9.2006, a.a.O.; v. 26.3.2007, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ist angesichts des Vorhandenseins einer Übernahmeerklärung der Immigrationsabteilung der am Flughafen Conakry (Guinea) ansässigen Polizeidienststelle davon auszugehen, dass dem Antragsteller, der über ein "TITRE DE VOYAGE" für die Rückführung verfügt, die Einreise in die Republik Guinea über den Flughafen Conakry gestattet werden wird.

Im Übrigen ist dem Antragsteller der begehrte Abschiebungsschutz auch nicht deshalb zu gewähren, weil aus den vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss genannten Gründen die Möglichkeit bestehen könnte, dass dem Antragsteller die Einreise nach Guinea verweigert wird. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Beschwerdegerichts (vgl. z.B. Beschl. v. 26.3.2004, 3 Bs 93/04; Beschl. v. 28.12.2004, 3 Bs 575/04, juris, Leitsatz NordÖR 2005, 346; Beschl. v. 26. 3.2007, 4 Bs 71/07; Beschl. v. 27.4.2007, 4 Bs 59/07), dass die Abschiebung eines Ausländers mit ungeklärter Staatsangehörigkeit nicht wegen der Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass ihm bei seiner Ankunft im Zielstaat der Abschiebung von den dortigen Behörden (etwa wegen fehlender bzw. nicht ausreichender Personalersatzpapiere) die Einreise in das Land verweigert wird und somit der Rücktransport des Ausländers nach Deutschland erfolgen muss. Die Nachteile eines erfolglosen Abschiebungsversuchs sind als solche für den Ausländer nicht so groß, dass die Antragsgegnerin zu verpflichten wäre, vor der Abschiebung sicherzustellen, dass er im Zielstaat der Abschiebung Aufnahme findet. Vor diesen Nachteilen wäre der Ausländer allenfalls zu bewahren, wenn es als ausgeschlossen erscheint, dass eine Einreise in den Zielstaat der Abschiebung erfolgen kann. Hierfür enthält der Vortrag des Antragstellers, der sich im Wesentlichen auf seine Behauptung, er komme aus Burkina Faso beschränkt, keine durchgreifenden Anhaltspunkte und solche sind derzeit auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere sind dem Senat, der in der jüngsten Vergangenheit mehrfach in mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbaren Fallkonstellationen über Abschiebungsschutz für afrikanische Zielstaaten zu entscheiden hatte, keine Fälle bekannt geworden, in denen Ausländer, die mit einem "TITRE DE VOYAGE" nach Guinea zurückgeführt worden sind, nicht in diesen Staat einreisen durften und wieder in das Bundesgebiet zurückkehren mussten.

Schließlich hat der Antragsteller mit seinem Eilantrag 18. November 2008 auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote betreffend die Republik Guinea vorgebracht, die die Antragsgegnerin vor einer Abschiebung in diesen Staat zu prüfen und gegebenenfalls zu beachten hätte. Der Antragsteller hat zwar mit dem an die Antragsgegnerin gerichteten Schreiben vom selben Tag, das seinem Inhalt nach offenkundig keinen Asylantrag im Sinne von §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 2 Satz 2 AsylVfG darstellt, den Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen für den Zielstaat Guinea gestellt und insoweit behauptet, er sei - wie sich aus bei der Ausländerbehörde eingereichten ärztlichen Attesten ergebe - in ständiger ärztlicher Behandlung. Mit diesem allgemein gehaltenen Vortrag, den der Antragsteller nicht weiter substantiiert hat und für den sich auch in den Akten der Antragsgegnerin keine näheren Hinweise finden, wird nicht ausreichend dargelegt, dass seiner Abschiebung in die Republik Guinea zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG entgegen stehen könnten. Denn es ist weder ersichtlich, dass der Antragsteller tatsächlich ernsthaft krank ist, noch dass eine von ihm nicht näher bezeichnete Krankheit nicht in Guinea behandelt werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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