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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 07.10.2003
Aktenzeichen: 4 Bs 292/03
Rechtsgebiete: AMG, PharmBetrV


Vorschriften:

AMG § 69 Abs. 1 Satz 1
AMG § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5
PharmBetrV
Fehlt es bei der Herstellung von biologischen Arzneimitteln aus tierischen Ausgangsstoffen (hier: Organe von Kälbern) an den durch den sog. EG-Leitfaden sowie die ministeriellen Zoonosen-Empfehlungen zur Vermeidung der Übertragung von Zoonosen (typische Tierkrankheiten) vorgeschriebenen Qualitätskontrollen an den Ausgangsstoffen sowie dem Fertigprodukt und sog. Inprozesskontrollen (im Verlaufe der Herstellung), darf die zuständige Behörde deshalb mangels Durchführung der vorgeschriebenen Qualitätskontrollen gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG das Inverkehrbringen der Arzneimittel untersagen. Der Hersteller kann insoweit nicht einwenden, bei der Produktion eine Technik zu verwenden, bei der in den Ausgangsstoffen möglicherweise vorhandene infektiöse Erreger herausgefiltert bzw. abgetötet werden.
4 Bs 292/03

Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht, 4. Senat, durch die Richter Sinhuber, Pauly und Wiemann am 07. Oktober 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11. Juni 2003 aufgehoben und der Antrag vom 28. April 2003 abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe:

Die fristgerecht eingereichte und begründete Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat der Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz gegen das in dem Bescheid vom 16. April 2003 unter Anordnung des Sofortvollzugs verfügte Verbot, aus Organen von Kälbern hergestellte Arzneimittel in den Verkehr zu bringen, gewährt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Eine im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotene summarische Prüfung ergebe, dass der angefochtene Bescheid entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 5 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln - AMG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Dezember 1998 (BGBl I S. 3686) zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Apothekengesetzes vom 21.8.2002 (BGBl I S. 3352) gestützt werden könne und deshalb rechtswidrig sei. Insbesondere lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG nicht vor, wonach die zuständige Behörde (u.a.) das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen könne, wenn diese nicht die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln angemessene Qualität aufwiesen. Diese Vorschrift setze nach ihrem eindeutigen Wortlaut voraus, dass die zuständige Behörde einen konkreten Qualitätsmangel des Arzneimittels nachweise. Daran fehle es vorliegend. Denn die Antragsgegnerin begründe das Fehlen angemessener Qualität der von der Antragsgegnerin hergestellten Arzneimittel lediglich mit einem ihrer Ansicht nach fehlerhaften Herstellungsverfahren. Dies reiche für eine Untersagungsverfügung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG grundsätzlich nicht aus. Etwas anderes könne allenfalls im Falle eines evident fehlerhaften Herstellungsverfahrens gelten. Dies sei hier indes nicht der Fall. Denn die von der Antragstellerin verwendete Technik der sogenannten Nanofiltration gewährleiste, wie die Antragsgegnerin selbst einräume, grundsätzlich die Freiheit der produzierten Arzneimittel von infektiösen Erregern. Dass dies unter den konkreten Bedingungen in dem Betrieb der Antragstellerin nicht der Fall sei, habe die Antragsgegnerin nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere halte die Kammer das Bedenken der Antragsgegnerin, die Nanofiltration sei in der Herstellungspraxis der Antragstellerin in ihrer Erreger ausscheidenden Wirkungsweise zweifelhaft, aus physikalischen Gründen für unschlüssig. Denn wenn, wie die Antragsgegnerin geltend mache, die Filterporen durch abgefangene Erreger verstopft seien, ließen die Filter keine Flüssigkeit mehr passieren mit der Folge, dass das Herstellungsverfahren insgesamt unterbrochen werde und zwangsläufig - also ohne vorherige Zwischenkontrolle - ein neuer Filter eingesetzt werde müsse. Die angefochtene Verfügung könne ferner nicht auf § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG gestützt werden, wonach das Inverkehrbringen von Arzneimitteln auch dann untersagt werde könne, wenn die vorgeschriebenen Qualitätskontrollen nicht durchgeführt würden. Es sei schon zweifelhaft, ob sich, wie die Antragsgegnerin meine, die "vorgeschriebenen Qualitätskontrollen" aus anerkannten pharmazeutischen Regeln ergäben. Denn § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG enthalte diese Begriffe nicht, sondern spreche - anders etwa als § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG - schlicht von "vorgeschriebenen Qualitätskontrollen". Dies deute darauf hin, dass im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG vorgeschrieben nur solche Qualitätskontrollen seien, die sich aus konkreten, auf den jeweiligen Herstellungsprozess bezogenen Vorgaben ergäben. Diese Frage könne jedoch offen bleiben. Denn wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausgehe, dass sich die "vorgeschriebenen Qualitätskontrollen" aus anerkannten pharmazeutischen Regeln ergäben, wäre die angefochtene Untersagungsverfügung gleichwohl fehlerhaft, weil die Antragsgegnerin dort keine konkreten Qualitätskontrollen aufzeige, die die Antragstellerin nicht befolge und deren Unterbleiben eine Gefahr für Konsumenten der Arzneimittel zur Folge habe. Soweit die Antragsgegnerin das Herstellungsverfahren beanstande und insbesondere vermisse, dass die Antragstellerin das Rohmaterial (die Kälberorgane) nicht auf infektiöse Parameter untersuche und überdies keine Inprozesskontrollen durchführe, sei dies nicht berechtigt, weil die von der Antragstellerin angewandte Technik der Nanofiltration und PH-Wertabsenkung jedenfalls theoretisch eine Gewähr dafür biete, dass das Endprodukt, das Arzneimittel, keinerlei Erreger mehr enthalte. Einer Vorprüfung des Ausgangsmaterials (der Kälberorgane) bedürfe es damit nicht. Entsprechendes gelte für die von der Antragstellerin vermissten Inprozesskontrollen. Von dem Vorstehenden abgesehen habe die Antragstellerin auch das ihr nach § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG zustehende Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Dem angefochtenen Bescheid sei schon nicht zu entnehmen, dass sie überhaupt ihr Eingriffsermessen betätigt habe. Insbesondere aber habe sie sich nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob ein milderes Mittel als das Verbot des Inverkehrbringens der Arzneimittel in gleicher Weise geeignet wäre, Gefahren von dem Schutzgut des § 69 Abs. 1 AMG abzuwenden. Im Hinblick darauf, dass die Antragsgegnerin konkrete Qualitätsmängel der von der Antragstellerin hergestellten Arzneimittel nicht verifiziert und die Antragstellerin zudem grundsätzlich ihre Bereitschaft bekundet habe, der Kritik an ihrem Herstellungsverfahren Rechnung zu tragen, wäre als gleich geeignetes, aber milderes Mittel etwa zu erwägen gewesen, konkrete Auflagen zur Durchführung bestimmter Qualitätskontrollen bzw. zur Ausgestaltung des Herstellungsverfahrens als solchem zu machen. Derartige Auflagen hätten mit der Verpflichtung verbunden werden können, ihre Erfüllung in geeigneter Form nachzuweisen. Ferner wäre in Betracht gekommen, dies mit einem bis zur Erfüllung solcher konkreter Auflagen befristeten Verbot des Inverkehrbringens der Arzneimittel zu verbinden. Jedenfalls fehle ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, die auf unklarer und zweifelhafter tatsächlicher Grundlage beruhende und ohne nachvollziehbare Ermessensbetätigung getroffene Verfügung im Wege der sofortigen Vollziehung durchzusetzen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, die das Oberverwaltungsgericht nur prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), sind geeignet, die Annahme des Verwaltungsgerichts, der angefochtene Bescheid sei weder durch § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG noch durch § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. AMG gedeckt, ernstlich in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße gegen arzneimittelrechtliche Bestimmungen notwendigen Anordnungen. Insbesondere können sie das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn (u.a.) die vorgeschriebenen Qualitätskontrollen nicht durchgeführt werden (§ 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG). Auf diese Vorschrift dürfte die Antragsgegnerin vorliegend - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - die angefochtene Untersagungsverfügung mit Erfolg stützen können. Ob darüber hinaus auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG für ein behördliches Eingreifen vorliegen, kann daher offen bleiben.

Darüber, welche Qualitätskontrollen gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG "vorgeschrieben" sind, bestehen entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keine ernsthaften Zweifel. Sie ergeben sich, wie die Beschwerde zutreffend ausführt, aus § 6 Abs. 1 der Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer (PharmBetrV) vom 8. März 1985 (BGBl I S. 546 mit späteren Änderungen). Danach sind sowohl Arzneimittel als auch deren Ausgangsstoffe nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln auf die erforderliche Qualität zu prüfen. Zu den anerkannten pharmazeutischen Regeln in diesem Sinne gehören, wie zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig ist, u.a. der auf den Richtlinien 91/356/EWG und 91/412/EWG beruhende und von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichte "Leitfaden für die gute Herstellungspraxis" von Arzneimitteln (sogenannter EG-Leitfaden) sowie die vom Bundesminister für Gesundheit in Zusammenarbeit mit dem Bundesgesundheitsamt, dem Paul-Ehrlich-Institut und der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tier erarbeiteten "Empfehlungen zur Minderung des Infektionsrisikos durch Zoonosenerreger und sonstiger Erreger von Tierinfektionen bei der Herstellung von Arzneimitteln" (Zoonosen-Empfehlungen) vom 15. August 1991 (BAnz. Nr. 164 vom 3. September 1991). In diesen unumfänglichen und für die Hersteller von Arzneimittel verbindlichen Regelwerken wird die herausragende Bedeutung von Qualitätskontrollen zur Vermeidung von Gefahren für Patienten an zahlreichen Stellen hervorgehoben. Überdies werden dort Qualitätskontrollen nicht nur am Fertigprodukt und seinen Ausgangsstoffen, sondern grundsätzlich auch sog. Inprozesskontrollen (d.h. Kontrollen und Prüfungen im Verlaufe der Herstellung eines pharmazeutischen Produkts) vorgeschrieben (EG-Leitfaden: Vorwort sowie S. 3, 7, 23, 25, 51 bis 54). Bei der Herstellung biologischer Arzneimittel, insbesondere solcher, bei denen - wie vorliegend - Ausgangsstoffe von Wirbeltieren verwendet werden und deshalb die Gefahr der Übertragung von Zoonosen (d.h. typische Tierkrankheiten) auf Menschen droht, werden weitere Vorsichtsmaßnahmen angeordnet, vor allem besonders eingehende Kontrollen der Ausgangsstoffe auf die Anwesenheit möglicher infektiöser Erreger wie z.B. Viren (vgl. EG-Leitfaden S. 81 f., 87; Zoonosenempfehlungen, allgemeine Bemerkungen und Ziff. 5.1).

Aus alledem folgt, dass bei der Herstellung von Arzneimitteln, insbesondere von biologischen Arzneimitteln, bei denen Ausgangsstoffe verwendet werden, die möglicherweise Krankheitserreger von Tieren enthalten, Qualitätskontrollen schlechterdings unverzichtbar sind. Sie sind durch § 6 Abs. 1 PharmBetrV sowohl an den Ausgangsstoffen als auch am Arzneimittel als dem Entdprodukt und damit auch im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - auch dann "vorgeschrieben", wenn der Hersteller eines Arzneimittels, wie vorliegend, vorgibt, bei der Herstellung des Arnzeimittels eine Technik anzuwenden, bei der in Ausgangsstoffen möglicherweise vorhandene infektiöse Erreger herausgefiltert bzw. abgetötet werden.

Bestätigt wird dies durch folgende weitere Erwägung: Nach § 14 Abs. 1 Nr. 6 a AMG ist eine Erlaubnis zur Herstellung von Arzneimitteln zu versagen, wenn der Hersteller nicht in der Lage ist zu gewährleisten, dass die Herstellung oder Prüfung der Arzneimittel nach dem Stand der Wissenschaft und Technik vorgenommen wird. Die Erteilung einer Herstellungserlaubnis nach § 14 Abs. 1 AMG setzt mithin von vornherein ein Herstellungsverfahren voraus, dass eine angemessene Qualität des Arzneimittels insbesondere die Freiheit von infektiösen Erregern gewährleistet. Wenn das Arzneimittelgesetz, die Betriebsverordnung für pharmazeutische Unternehmer und anerkannte pharmazeutische Regeln gleichwohl ohne jede Einschränkungen Qualitätskontrollen des Fertigprodukts, seiner Ausgangsstoffe sowie Inprozesskontrollen vorschreiben, so kann daraus nur gefolgert werden, dass derartige Kontrollen unabhängig von der Art und der Güte des Herstellungsverfahrens vorgenommen werden müssen. Dies beruht ersichtlich auf der allgemeinen Erfahrung, dass auch im Verlaufe von Herstellungsverfahren, die dem Stand der Wissenschaft und Technik vollen Umfangs entsprechen, Unregelmäßigkeiten und Fehler auftreten können, die die Qualität eines Arzneimittels negativ zu beeinflussen vermögen.

Die nach alledem vorgeschriebenen Qualitätskontrollen führt die Antragstellerin nicht durch. Kontrollen der Ausgangsstoffe hält sie für nicht aussagekräftig und damit für sinnlos. Auch finden keine sog. Inprozsskontrollen und Kontrollen der Fertigprodukte statt. Unter diesen Umständen dürften die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG für eine Untersagungsverfügung gegeben sein. Demgegenüber kann sich die Antragstellerin, wie ausgeführt, auch nicht auf die Besonderheiten ihrer Herstellungsverfahren berufen.

Von dem Vorstehenden abgesehen hat die Antragstellerin auch nicht in der erforderlichen Weise glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2 ZPO), dass mit dem jetzt von ihr angewandten Herstellungsverfahren das Vorhandensein infektiöser Erreger theoretisch sicher ausgeschlossen werden kann. Diese Behauptung der Antragstellerin wird zwar in den von ihr im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Gutachten der Diplombiologen Dr. Loh und Dr. Immelmann (Bl. 50/52 d.A.) "aus naturwissenschaftlich-pharmazeutischer Sicht im Kern" als zutreffend bestätigt. Diese unsubstantierten Einschätzungen reichen indes zur Glaubhaftmachung nicht aus. Die Antragsgegnerin hat dem mit ausführlicher Begründung entgegengehalten, dass das von der Antragstellerin angewandte Verfahren der PH-Wertabsenkung und Nanofiltration lediglich theoretisch bzw. grundsätzlich zur Virusabreicherung geeignet sei, dass aber die Antragstellerin nicht nachgewiesen habe, dass unter den konkreten Herstellungsbedingungen in ihren Betriebsräumen mit den von ihr eingesetzten Materialien die Freiheit von infektiösen Erregern erreicht werde. Diesen eingehenden und in sich schlüssigen Einwendungen der Antragsgegnerin ist die Antragstellerin nicht hinreichend entgegen getreten, insbesondere nicht mit der Vorlage ergänzender, auf die Ausführungen der Antragsgegnerin detailliert eingehender Stellungnahmen der Diplombiologen Dr. Loh und Dr. Immelmann.

Hinzu kommt folgendes: Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass mit ihrer Technik der Nanofiltration und PH-Wertabsenkung Viren mit einer Größe von weniger als 20 Nanometern nicht vom weiteren Herstellungsprozess ausgeschlossen werden könnten. Dies sei vielmehr nur mit Hilfe der sogenannten Polymerase-Kettenreaktion möglich. Die Antragstellerin hat indes nicht substantiiert behauptet oder gar glaubhaft gemacht, dass sie diese Technik tatsächlich bei der Herstellung der Arzneimittel anwendet. Hierauf hat bereits die Antragsgegnerin, die die Betriebsräume der Antragstellerin in der Zeit vom 24. bis 28. März 2003 durch mehrere Bedienstete inspizierte und dabei offenbar keine Hinweise auf die Technik der Polymerase-Kettenreaktion fand, mehrfach ausdrücklich hingewiesen (u.a. auf S. 4 der Antragserwiderung vom 19.5.2003), ohne dass die Antragstellerin dies im weiteren Verlauf des Eilverfahrens zum Anlass genommen hat, ihr Vorbringen insoweit ergänzen und zu belegen. Aus diesem Grunde kann nicht als glaubhaft angesehen werden, dass mit ihrem Herstellungsverfahren das Vorhandensein infektiöser Erreger theoretisch sicher ausgeschlossen werden kann.

Die angefochtene Untersagungsverfügung ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht ermessensfehlerhaft. Auch dies hat die Antragsgegnerin mit der Beschwerdebegründung zutreffend dargelegt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, ob sie bei festgestellten Verstößen gegen arzneimittelrechtliche Bestimmungen Maßnahmen gegen den Hersteller ergreift (Sander, Arzneimittelrecht, Kommentar § 69 AMG Anm. 2; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Anm. 4 zu § 69 AMG; Rehmann, Arzneimittelgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 69 Rdnr. 2). Dieses Ermessen ist indes, wie die Antragsgegnerin mit der Beschwerde der Sache nach zutreffend geltend macht, in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die vorgeschriebenen Qualitätskontrollen gänzlich unterbleiben, und deshalb Gefahren für die Konsumenten von Arzneimitteln drohen, regelmäßig im Sinne eines Einschreitens gegen den Arzneimittelhersteller eingeschränkt (Rehmann a.a.O. § 69 Rdnr. 5). Hier versteht sich das Ergebnis der Ermessensentscheidung von selbst, sodass es keiner besonderen Begründung dafür bedarf.

Die Untersagungsverfügung verstößt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Insbesondere wäre nicht, wie das Verwaltungsgericht meint, als milderes Mittel in Betracht gekommen, der Antragstellerin konkrete Auflagen bezüglich der Qualitätskontrollen und der Ausgestaltung des Herstellungsverfahrens als solchem zu machen. Damit verkennt das Verwaltungsgericht, wie die Beschwerde zutreffend vorbringt, dass Arzneimittel unter der alleinigen Verantwortung des Herstellers (bzw. des Herstellungsleiters) herzustellen und hinsichtlich ihrer Qualität zu prüfen sind (vgl. §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 PharmBetrV sowie EG-Leitfaden S. 23 und Zoonosen-Empfehlungen: Allgemeine Anmerkungen), und dass die Antragsgegnerin demzufolge grundsätzlich nicht befugt ist, der Antragstellerin ein konkretes Herstellungsverfahren oder konkrete Qualitätskontrollen vorzuschreiben. Unterlässt demzufolge, wie vorliegend, der Hersteller von Arzneimitteln die vorgeschriebenen Qualitätskontrollen, so hat die zuständige Behörde nur die Möglichkeit, entweder die Erlaubnis zur Herstellung der Arzneimittel gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AMG zu widerrufen bzw. das Ruhen der Erlaubnis anzuordnen oder aber - als milderes Mittel - zunächst gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AMG das Inverkehrbringen der Arzneimittel zu untersagen.

Schließlich begegnet die Anordnung des Sofortvollzugs der Untersagungsverfügung keine rechtlichen Bedenken. Sie ist, wie es in der Untersagungsverfügung zutreffend heißt, zum Schutz der Bevölkerung vor möglicherweise gesundheitsgefährdenden Arzneimitteln und damit im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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