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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 17.10.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 1304/07
Rechtsgebiete: TVG Tarifverträge, BBergG


Vorschriften:

TVG Tarifverträge: Bau 1
BBergG § 4
Die Gewinnung von Erdwärme im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung eines Grundstücks ist keine Urproduktion.
10 Sa 1303/07 10 Sa 1164/07 10 Sa 1284/07 10 Sa 1304/07 10 Sa 1305/07

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 03.07.2007 - 2 Ca 2776/07 abgeändert und die Beklagte verurteilt,

1. der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

1.1 wieviele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Juli bis September 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in d. jeweils genannten Monat(en) angefallen sind,

1.2 wieviele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten - ausgenommen sind geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) - in den Monaten Juli bis September 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in d. genannten Monat(en) angefallen sind,

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu Nr. 1.1 23.310,00 €

zu Nr. 1.2 465,00 €

Gesamtbetrag: 23.775,00 €.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Auskünfte nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu erteilen und im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung zu leisten.

Die Klägerin ist die A.. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie nimmt die Beklagte auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) auf Auskunft und bedingte Entschädigungszahlung hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer und der Angestellten für den Zeitraum Juli bis September 2006 in Anspruch.

Die Beklagte betreibt einen Betrieb, in welchem geothermische Bohrungen zur Gewinnung von Erdwärme durchgeführt werden. Bei diesem Verfahren wird durch Sonden, die mittels Bohrungen ins Erdreich eingebracht werden, Erdwärme als Energiequelle erschlossen und zu Heizungs-, Kühlungs- und Lüftungszwecken sowie zur Warmwasserbereitung nutzbar gemacht. Die Beklagte plant und führt die Erdbohrungen selbst durch und verlegt die Sonden nebst den erforderlichen Anschlussarbeiten und der abschließenden Verpressung der Bohrungen. Arbeitszeitlich entfielen bis zum Anschluss an das Heizsystem, welcher nicht von der Beklagten ausgeführt wird, 10 % der Tätigkeiten auf die Baustelleneinrichtung, 25 % auf Bohrarbeiten, 10 % auf das Vorbereiten und Verbinden der Sondenrohre zum Einbau, 20 % auf den Einbau der Sondenrohre mit Verpressarbeiten und Druckprüfungen, 5 % auf Anschlussarbeiten im horizontalen Bereich - Verlängern der Sondenrohre im bauseitig oder vom Subunternehmer hergestellten Rohrgraben mit Druckprüfung - und 30 % auf die Montage der Verteileranlage und Anschlussarbeiten an die jeweilige Wärmepumpe mit Befüllung der Sondenrohre zum Transport der Umweltwärme (Kältemittel) und Durchführung der Druckprüfungen. Die erstmalige Inbetriebnahme der Bohrgeräte bedarf der Genehmigung der Bergbehörde. Die ordnungsgemäße Erhaltung des Bohrgeräts ist der Behörde gegenüber turnusgemäß durch einen Sachverständigen mitzuteilen (vgl. die Prüfberichte Anlage B1 - B5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007, Bl. 17 - Bl. 21 d. A. in 10 Sa 1304/07). Die Bohrungen erreichen eine Tiefe zwischen 80 m und mindestens 100 m , wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob auch Bohrungen bis zur Tiefe von 160 m anfallen. Die Erdsonde selbst ist ein Kunststoffschlauch, welcher ein Glykol-Wasser-Gemisch enthält.

Am 23. Februar 2000 fand vor Gründung der Beklagten ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Geschäftsführer der Beklagten statt, desen Inhalt streitig ist. Auf die Anfrage einer Fa. B. vom 10. April 2000 (vgl. B. 76 - 79 d.A. in 10 Sa 1305/07) teilte die C. mit Schreiben vom 20. April 2000 mit, dass diese Firma nach den derzeitigen Angaben nicht verpflichtet sei, Urlaubskassenbeiträge zu zahlen (vgl. Bl. 75 d.A. in 10 Sa 1305/07). Mit Schreiben vom 12. August 2003 teilte die Firma D. der Klägerin mit, dass sie Erdsondenbohrungen für Wärmepumpenanlagen plane und ausführe, ohne dazu eigene gewerbliche Arbeitnehmer zu beschäftigen (vgl. Bl. 72 d.A. in 10 Sa 1305/07). Mit Schreiben vom 25. August 2003 teilte die Klägerin dieser Firma mit, dass sie mit der Tätigkeit der Planung und Ausführung von Erdsondenbohrungen für Wärmepumpenanlagen nicht am Sozialkassenverfahren des Baugewerbes teilnehme und verpflichtet sei mitzuteilen, wenn sich der Tätigkeitsschwerpunkt auf die Ausführung baugewerblicher Arbeiten im Tarifsinn verlagere (vgl. Bl. 27 d.A. in 10 Sa 1304/07).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte auskunftspflichtig sei, da sie im Klagezeitraum in ihrem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Bohrtätigkeiten verrichtet habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagtenseite zu verurteilen,

1. der Klägerin auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,

1.1 wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des 6. Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten Juli bis September 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind,

1.2 wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des 6. Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten - ausgenommen sind geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 des 4. Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) - in den Monaten Juli bis September 2006 in dem Betrieb der Beklagten seither beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den genannten Monaten angefallen sind,

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu Nr. 1.1 23.310,00 €

zu Nr. 1.2 465,00 €

Gesamtbetrag: 23.775,00 €.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass sie nicht auskunftspflichtig sei, da sie dem Geltungsbereich des VTV nicht unterfalle. Bei geothermischen Bohrungen zur Gewinnung von Erdwärme handele es sich um Bohrarbeiten, welche nicht baugewerblicher Art seien. Die Beklagte hat behauptet, der größte Anteil der Arbeitszeit der von ihr beschäftigten Arbeitnehmer entfalle nicht auf die Bohrtätigkeiten, sondern auf die Planung und die Sondeneinbringung. Es würden Tiefbohrungen bis 160 m durchgeführt, wobei Bohrungen über 100 m, die inzwischen die Regel seien, genehmigt werden müssten.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage mit Urteil vom 03. Juli 2007 - 2 Ca 2776/06 - abgewiesen. Es hat unter anderem ausgeführt, dass es für den betrieblichen Geltungsbereich des VTV im Allgemeinen ausreiche, wenn eine Beispielstätigkeit aus dem Katalog des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV überwiegend ausgeübt werde, so dass es auf eine weitere Darlegung des Zusammenhangs mit Bauarbeiten im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. I - III VTV nicht mehr ankomme. Das gelte auch für Bohrarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 6 VTV. Weitere Voraussetzung für die Eröffnung des Geltungsbereichs sei jedoch, dass die entsprechende Arbeit "gewerblich" geleistet werde. Der Gewerbebegriff umfasse alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet seien und fortgesetzt ausgeübt würden. Ausgeschlossen seien die Urproduktion, die freien Berufe und der öffentliche Dienst. Urproduktion sei die Gewinnung von Roh- und Naturerzeugnissen. Die Erdwärme stelle ein Naturerzeugnis dar und sei vergleichbar mit anderen Bodenschätzen. Die von der Beklagten durchgeführten Bohrarbeiten verfolgten allein den Zweck, die vorhandene Erdwärme nutzbar zu machen, so dass die betriebliche Tätigkeit der Beklagten der Urproduktion zuzurechnen sei.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 02. August 2007 zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 31. August 2007 und die Berufungsbegründung nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 12. November 2007 am 02. November 2007 bei Gericht eingegangen.

Die Klägerin wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, dass die Durchführung von Erdsondenbohrungen und die Herstellung einer Erdwärmeanlage nicht der Urproduktion unterfalle, da die Beklagte kein rohes Naturerzeugnis gewinne und keine Erwärme fördere, sondern eine Anlage für ein bestimmtes Bauvorhaben schaffe. Die Wärme werde erst dann "gefördert", wenn der Heizungsbauer den Hochdruckanschluss in Gang gesetzt habe. Die Beklagte stelle eine Anlage her, mit welcher nach dem Heizungseinbau Erdwärme genutzt werden könne. Außer Bohrarbeiten (§ 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 6 VTV) würden auch Isolierarbeiten (Nr. 9) ausgeführt und Rohrleitungsbau (Nr. 25) verrichtet, da die Rohre mit Bentonit vergossen und die Sondenrohre auch horizontal verlegt würden. Urproduktion läge nicht vor, da die Erdwärme im Zusammenhang mit der Grundstücksnutzung freigesetzt werde, § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG. Die Beklagte unterhalte keinen Betrieb des Heizungsbauergewerbes, da sie den Hochdruckanschluss nicht ausführen dürfe und im Übrigen die Rückausnahme von § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV vorläge. Einen Vertrauenstatbestand, dass die Beklagte nicht in Anspruch genommen werde, habe die Klägerin durch die Schreiben an Dritte nicht geschaffen. Das Gespräch am 23. Februar 2000 habe eine andere GmbH betroffen und es sei zugesichert worden, dass die Beklagte sich nach Gründung erneut melden werde, was nicht geschehen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 03.07.2007, Az. 2 Ca 2776/06, abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig nach Maßgabe der vom Kläger erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge zur tariflichen Auskunftserteilung bei bedingter Entschädigungszahlung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Ansicht, die Nutzbarmachung von Erdwärme für Dritte unterfalle nicht dem Geltungsbereich des VTV, da es sich um Urproduktion handele. Sie - die Beklagte - gewinne den Rohstoff, den der Bauherr sodann im Sinne einer Verarbeitung nutze. Vom Begriff der Urproduktion würden auch entsprechende Vorbereitungstätigkeiten erfasst. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG regele lediglich die Anwendbarkeit dieses Gesetzes, was nichts daran ändere, dass die Tätigkeit als solche Urproduktion bleibe. Bei Bohrungen über 100 m Tiefe bestünde eine Anzeigepflicht gem. § 127 BBergG. Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin handele treuwidrig, da dem Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer vor der Unternehmensgründung am 23. Februar 2000 erklärt worden sei, dass für den Tätigkeitsbereich der Geothermie eine Teilnahmeverpflichtung nicht bestünde. Auch verstoße die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da sie den Firmen D. und B. mitgeteilt habe, dass die Planung und Ausführung von Erdsondenbohrungen für Wärmepumpenanlagen nicht zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren führe. Im Übrigen - so die Ansicht der Beklagten - unterfalle sie als Heizungsbauer der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2Abschn. VII Nr. 12 VTV. Die Rückausnahme liege nicht vor, da lediglich 25 % der Arbeitszeit auf Bohrtätigkeit entfalle und arbeitszeitlich überwiegend die Sonde verlegt und Anschlussarbeiten verrichtet würden. Dämm- und Isolierarbeiten würden nicht ausgeführt. Auch Rohrleitungsbau werde nicht verrichtet, da die Erdwärmesonden selbst keine Rohrleitungen, sondern spezielle Kunststoffschläuche seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der Berufungsschriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Klägerin hat sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO.

Die Berufung der Klägerin ist begründet, denn die Beklagte unterfiel im Klagezeitraum dem Geltungsbereich des VTV. Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren ist § 21 VTV, wonach der Arbeitgeber der Kasse auf dem ihm zur Verfügung gestellten Formular monatlich spätestens bis zum 15. des Folgemonats die näher bezeichneten Auskünfte zu erteilen hat. Anspruchsgrundlage für den Entschädigungsanspruch ist § 61 Abs. 2 ArbGG.

Voraussetzung für die Auskunftspflicht ist, dass der Betrieb der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV fiel. Gemäß § 1 Abs. 2 VTV fallen Betriebe des Baugewerbes unter den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind das Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber Leistungen im Sinn der Bestimmungen der Abschnitte I - IV erbracht werden (BAG 18. Januar 1984 - 4 AZR 140/83 - AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich prozentual zu 25 % Bohrarbeiten, zu 10 % das Vorbereiten und Verbinden der Sondenrohre zum Einbau, zu 20 % der Einbau der Sondenrohre mit Verpressarbeiten und Druckprüfungen und zu 5 % Anschlussarbeiten im horizontalen Bereich (Verlängern der Sondenrohre im bauseitig oder vom Subunternehmer hergestellten Rohrgraben mit Druckprüfung) anfielen. Bei den Bohrarbeiten handelt es sich unabhängig von der Tiefe der Bohrung, wie vom Arbeitsgericht näher ausgeführt, um eine Tätigkeit im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 6 VTV. Bei den übrigen genannten Tätigkeiten handelt es sich um Rohrleitungsbau im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV, wobei die Vorbereitung und Verbindung der Sondenrohre zum Einbau Zusammenhangstätigkeit darstellt. Insoweit ist es unschädlich, dass es sich bei den Erdwärmesonden um Kunststoffschläuche handelt, die mit einem Gemisch gefüllt sind. Ein bestimmtes Material, aus dem die Rohre bestehen müssen, wird in dem Fallbeispiel nicht vorausgesetzt. Zu Recht spricht auch die Beklagte selbst von Sondenrohren. Es handelt sich dabei eben um Rohre, durch die Wärme geleitet wird. Es kann dahinstehen, was es mit dem Arbeitszeitanteil von 30 % auf sich hat, der auf die Montage der Verteileranlage und Anschlussarbeiten entfällt. Auch kann dahinstehen, mit welchem arbeitszeitlichen Anteil die Baustelleneinrichtung als Zusammenhangstätigkeit den Bohrarbeiten und dem Rohrleitungsbau jeweils zuzurechnen ist. Schließlich kann dahinstehen, ob entsprechend der Behauptung der Klägerin auch Dämm- und Isolierarbeiten im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 9 VTV anfielen. Die Beklagte bestreitet das, ohne allerdings ausdrücklich zu der Behauptung der Klägerin Stellung zu nehmen, dass die Sondenrohre mit Bentonit, einem Stoff, der Wasser bindet, die Entstehung von Hohlräumen beim Gefrieren verhindert und damit letztlich der Isolierung dient, vergossen werden.

Der Betrieb der Beklagten wird auch nicht von der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Ziff. 12 VTV erfasst. Danach werden vom Geltungsbereich des VTV Betriebe des Zentralheizungsbauergewerbes nicht erfasst, soweit nicht Arbeiten der in Abschn. IV oder V aufgeführten Art ausgeführt werden. Wie oben dargelegt, werden im Betrieb der Beklagten zu mehr als 50 % Arbeiten ausgeführt, die unter Abschn. V fallen.

Allerdings wäre gleichwohl der Geltungsbereich des VTV nicht eröffnet, wenn die Beklagte keinen Betrieb des Baugewerbes unterhalten würde. Zur Anwendbarkeit des VTV gehört unter anderem, dass die entsprechende Tätigkeit "gewerblich" geleistet wird. Die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit ist damit ein allgemeines Tatbestandsmerkmal des betrieblichen Geltungsbereichs, das unabhängig von den Detailregelungen in den Abschnitten I - V vorliegen muss (BAG 03.08.2005 - 10 AZR 561/04 - EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 121). Der Gewerbebegriff, den die Bautarifvertragsparteien in Bezug genommen haben, umfasst alle erlaubten selbständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden. Ausgeschlossen ist die Urproduktion wie die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft und die Fischerei sowie die freien Berufe und der öffentliche Dienst. Die Urproduktion ist, allgemein gesprochen, die Gewinnung von rohen Naturerzeugnissen. Zur Urproduktion gehört deshalb auch das Bergwesen.

Erdwärme ist ein bergfreier Bodenschatz und unterfällt grundsätzlich den Regelungen des BBergG. In § 3 Abs. 3 Nr. 2 b BBergG ist ausdrücklich geregelt, dass als bergfreie Bodenschätze auch die Erdwärme und die im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien geltend. Das Eigentum an einem Grundstück erstreckt sich nicht auf die Erdwärme. Für die Aufsuchung der Erdwärme bedarf es grundsätzlich einer Genehmigung gem. § 7 BBergG und für die Gewinnung einer Bewilligung gem. § 8 BBergG.

Entgegen der Ansicht der Klägerin gewinnt die Beklagte auch Erdwärme. Jedenfalls steht ihre Tätigkeit in engem Zusammenhang mit dem Gewinnen dieser Energie. Richtig ist zwar, dass die Beklagte eine Anlage bzw. eine Vorrichtung für ein bestimmtes Bauvorhaben schafft und erst nach Fertigstellung des Bauvorhabens und Anschluss der Erdwärmegewinnungsanlage an die Heizungsanlage die Wärme gefördert wird. Insoweit besteht jedoch kein grundlegender Unterschied etwa zur Gewinnung von Öl oder sonstigen Produkten der Urproduktion. Wer mittels Bohrungen etwa Erdölfelder oder Feldspatvorkommen erschließt, ist Teil der Urproduktion auch dann, wenn er anschließend das Erdöl nicht selber fördert bzw. den Feldspat nicht selber abbaut (BAG 03.08.2005 - 10 AZR 561/04 - a. a. O.). Nichts anderes kann bei der Erdwärmegewinnung gelten, in deren Rahmen die Beklagte die erforderlichen Bohrarbeiten durchführt und die Sondenrohre so verlegt, dass sie anschließend an das Heizungssystem angeschlossen werden können. Dass die Erdwärme als solche anders als andere Bodenschätze wie Erdöl, Kohle etc. nicht verkauft wird, steht der Einordnung als Urproduktion nicht entgegen.

Die Erdwärmegewinnung durch die Beklagte fällt nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BBergG. Während § 2 Abs. 2 Ziff. 1 BBergG unter anderem bestimmt, dass das Gesetz für das Aufbereiten von bergfreien Bodenschätzen gilt, und § 4 Abs. 3 Satz 1 BBergG definiert, was unter "aufbereiten (Aufbereitung)" zu verstehen ist, nimmt Satz 2 die Weiterverarbeitung und die Neugewinnung ausdrücklich vom Begriff der Aufbereitung aus und regelt bezüglich der Erdwärme:

" ... ; die Nutzung von Erdwärme ist einer Weiterverarbeitung gleichzustellen."

Die Beklagte nutzt die Erwärme nicht, sie erschließt und gewinnt sie lediglich. Genutzt wird die Erdwärme sodann vom Bauherrn nach Anschluss der Heizungsanlage.

Die Tätigkeit der Beklagten ist jedoch gemäß § 4 Abs. 2 Nr.1 BBergG vom Geltungsbereich gemäß § 2 Abs. 1 BBergG ausgenommen. In § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG ist zunächst geregelt, dass das Gewinnen von Bodenschätzen im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 BBergG das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusammenhängenden, vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten ist. Darunter fällt auch die Erdwärmegewinnung. Dann jedoch heisst es:

" ...; ausgenommen ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen

1. in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung. ..."

Das Gewinnen von Erdwärme durch die Beklagte auf den jeweiligen Grundstücken steht im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung. Der Gesetzgeber hat damit die oberflächennahe Nutzung der Geothermie entsprechend der Begriffsbestimmung in § 4 Abs. 2 Ziff. 1 BBergG nicht als eine Tätigkeit angesehen, die der Gewinnung von Bodenschätzen dient (so LAG Berlin-Brandenburg 16.11.2007 - 8 Sa 2058/06 - n. v. / Juris). Soweit der Gesetzgeber die oberflächennahe Nutzung der Geothermie aus der Begriffsbestimmung der Gewinnung von Bodenschätzen ausgenommen hat, kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht mehr auf die allgemeine Definition der Urproduktion zurückgegriffen werden. Das Bundesberggesetz regelt das Bergwesen. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 GewO findet die Gewerbeordnung auf das Bergwesen nur insoweit Anwendung, als es ausdrückliche Bestimmungen enthält. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG regelt u.a., dass es sich bei der grundstücksbezogenen Geothermie im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung nicht um das Gewinnen von Bodenschätzen handelt. Damit ist diese Tätigkeit aus dem sachlichen Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 BBergG und somit aus dem Bereich des Bergwesens ausgenommen.

§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG differenziert auch nicht danach, ob die notwendigen Bohrungen bis 100 m oder tiefer gehen, sodass dahin stehen kann, ob die von der Beklagten behaupteten Bohrungen von "inzwischen" in der Regel bis 160 m den Klagezeitraum betrafen und genehmigungspflichtig sind.

Da die Beklagte nicht Mitglied einer der tarifvertragschließenden Parteien des VTV war, war sie nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Allerdings war der VTV im streitgegenständlichen Zeitraum für allgemeinverbindlich erklärt worden, weshalb die Rechtsnorm des Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 5 Abs. 4 TVG erfassen.

Die Klägerin handelt nicht treuwidrig, wenn sie die ihr zustehenden Ansprüche geltend macht. Es kann dahinstehen, was genau Inhalt des am 23. Februar 2000 geführten Gesprächs war. Selbst wenn die Klägerin damals geäußert hätte, dass die noch zu gründende Beklagte mit der von ihr verrichteten Tätigkeit nicht dem Geltungsbereich des VTV unterfallen werde, würde es sich dabei um die Mitteilung einer unzutreffenden Rechtsansicht handeln. Die Tarifbindung der Beklagten besteht kraft Allgemeinverbindlicherklärung des VTV, an welcher die Äußerung einer falschen Rechtsansicht nichts zu ändern vermag.

Auch ein etwaiger Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Verhältnis zu den Firmen B. und D. -zugunsten der Beklagten unterstellt, dass diese Firmen von der Klägerin nicht ggf. rückwirkend zur Auskunftserteilung oder Beitragszahlung herangezogen wurden - vermag an der Tarifbindung nichts zu ändern. Abgesehen davon hätte die Firma D. unabhängig von dem Inhalt des Mitteilungsschreibens der Klägerin vom 25. August 2003 bereits deshalb von der Klägerin nicht zu Auskünften oder Beiträgen bzgl. der gewerblichen Arbeitnehmer herangezogen werden können, da diese Firma nach ihrer Angabe keine eigenen gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigte.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, da sie unterlegen ist § 91 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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