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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.04.2008
Aktenzeichen: 10 Sa 557/07
Rechtsgebiete: BBergG, TVG


Vorschriften:

BBergG § 3
BBergG § 4
TVG § 1
Die oberflächennahe Gewinnung von Erdwärme ist keine Urproduktion (Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg 16. November 2007 - 8 Sa 2058/06 -).
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 16. Januar 2007 - 8 Ca 307/06 - wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass dieses Urteil auf die Anschlussberufung der Klägerin abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.572,69 EUR (in Worten: Zwanzigtausendfünfhundertzweiundsiebzig und 69/100 Euro) zu zahlen.

2. Die Beklagte wird des weiteren verurteilt, der Klägerin auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular darüber Auskunft zu erteilen, wie viele Angestellte, die nach den Vorschriften des sechsten Sozialgesetzbuches - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten in den Monaten September 2005 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den genannten Monaten angefallen sind; für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen: 300,00 EUR (in Worten: Dreihundert und 00/100 Euro).

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung und der Anschlussberufung.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Auskünfte nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu erteilen und im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung zu leisten, sowie darüber, ob die Beklagt an den Kläger Beiträge zu entrichten hat.

Die Klägerin ist die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Sie ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Sie hat erstinstanzlich die Beklagte auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) in ursprünglich drei getrennten Verfahren, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden sind, auf Auskunft und bedingte Entschädigungszahlung hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer und der Angestellten für den Zeitraum September 2005 bis Juni 2006 in Anspruch genommen.

Die Beklagte unterhält einen Betrieb, in welchem arbeitszeitlich zu 90% Kernbohrungen für Baugrund- und Bodenuntersuchungen zur Erstellung von Gutachten und zu arbeitszeitlich 10% geophysikalische Untersuchungen und Grundwassererschließungen ausgeführt werden. Die Beklagte ist in der Handwerksrolle als Brunnenbauer beschränkt auf Bohrarbeiten für Baugrund- und Bodenuntersuchungen sowie für Grundwassererschließung eingetragen (vgl. Bl. 50 d.A.). Gewerberechtlich ist die Beklagte mit den Tätigkeiten: Baugrundbohrungen, Grundwassererschließung, Erdtiefensonden, Erdbohrarbeiten jeglicher Art angemeldet. Die Beklagte ist Mitglied der Tiefbau-Berufsgenossenschaft in A. Das Arbeitsamt B kam in seiner Prüfungsniederschrift vom 06. Oktober 2004 zu dem Ergebnis, dass im Betrieb der Beklagten baufremde Leistungen verrichtet werden (vgl. Bl. 29 - 32 d.A.).

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum dem Geltungsbereich des allgemeinverbindlichen Verfahrenstarifvertrages unterfallen sei. Sie hat behauptet, im Betrieb der Beklagten seien von den Arbeitnehmern arbeitszeitlich gesehen überwiegend, d.h. zu mehr als 50% ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, folgende Arbeiten ausgeführt worden: Bohrarbeiten (Kernbohrungen) für Baugrund- und Bodenuntersuchungen zur Erstellung von Gutachten und Baugrundbohrungen. Auch bei den von der Beklagten behaupteten Bohrungen für Erdwärmetiefensonden handele es sich um eine baugewerbliche Tätigkeit. Eine Aufrechnung mit Erstattungsansprüchen sei gem. § 18 Abs. 5 VTV ausgeschlossen. Etwaige Erstattungsansprüche müsse die Beklagte gegenüber der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK) geltend machen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagtenseite zu verurteilen, ihr auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular Auskunft darüber zu erteilen, wie viele gewerbliche Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten in den Monaten September 2005 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden, welche Bruttolohnsumme und welche Sozialkassenbeiträge insgesamt für diese Arbeitnehmer in den jeweils genannten Monaten angefallen sind; wie viele Angestellte, die eine nach den Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten - ausgenommen sind nur geringfügig Beschäftigte im Sinn des § 8 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) - in den Monaten September 2005 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den jeweils genannten Monaten angefallen sind;

2. für den Fall, dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:

zu Ziffer 1.1: € 28.330,00

zu Ziffer 1.2: € 300,00

insgesamt: € 28.630,00.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ihr Betrieb im Klagezeitraum nicht dem Geltungsbereich der allgemeinverbindlichen Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterfallen sei. Sie hat behauptet, neben den Kernbohrungen für Baugrund- und Baubodenuntersuchungen sowie neben den geophysikalischen Untersuchungen auch Grundwasseruntersuchungen und Bohrungen für Erdwärme durchgeführt zu haben. Hinsichtlich der Erdwärme führe die Beklagte die Bohrarbeit aus, während der Heizungsbauer sodann die Sonde einführe und sie einbaue. Die Bohrungen der Beklagten dienten nicht der Errichtung eines Bauwerks und stünden auch mit der Errichtung eines Bauwerks nicht in Zusammenhang. Sofern die Beklagte einen Betrieb des Baugewerbes unterhalte, stünde ihr für die Jahre 2003 bis 2006 ein Urlaubserstattungsanspruch zu.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 16. Januar 2007 - 8 Ca 307/06 - der Klage stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt, die Auskunftsverpflichtung der Beklagten folge aus § 21 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 28. Dezember 1999 in seiner jeweils für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen, für allgemeinverbindlich erklärten Fassung. Unstreitig seien im Betrieb der Beklagten zu mehr als 50% der betrieblichen Arbeitszeit Kernbohrungen für Baugrund- und Bodenuntersuchungen zur Erstellung von Gutachten ausgeführt worden. Bei diesen Tätigkeiten handele es sich um Bohrarbeiten im Sinn des § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 6 VTV. Unter Bohrarbeiten im Sinne dieser Vorschrift würden solche Arbeiten verstanden, die herkömmlicherweise im Baugewerbe mittels Bohrgeräten ausgeführt würden. Dazu gehörten die Entnahme von Bodenproben mittels Bohrungen, die Bestandteil des Ausbildungsberufsbildes des Brunnenbauers und des Tiefbaufacharbeiters seien. Diese Bohrarbeiten müssten nicht im Zusammenhang mit anderen baulichen Leistungen stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müsse ein Zusammenhang mit baulichen Leistungen nur dann im Rahmen der Tätigkeitsbeispiele des § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV verlangt werden, wenn ein entsprechender Zusammenhang ausdrücklich erwähnt sei. Doch selbst wenn man sich auf den Standpunkt stelle, dass § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 6 VTV nicht alle Bohrarbeiten erfasse, sondern nur solche, die herkömmlicherweise im Baugewerbe mittels Bohrgeräten ausgeführt würden, so ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Denn auch in diesem Fall stünden die Bohrungen zum Zwecke der Entnahme von Bodenproben zur Untersuchung des Baugrundes im Zusammenhang mit der Bauwerkserstellung. Für die rechtliche Bewertung des Verfahrens sei ohne Belang, dass die Arbeitsverwaltung festgestellt habe, dass der Betrieb der Beklagten nicht winterbauumlagepflichtig sei. Die Gerichte für Arbeitssachen seien bei der Beurteilung der Sozialkassenpflicht an die rechtliche und tatsächliche Würdigung der Verwaltungsbehörde über die Geltung oder Nichtgeltung der §§ 209 ff. SGB III nicht gebunden. Etwaige Erstattungsansprüche könne die Beklagte gegenüber der Klägerin zurzeit nicht geltend machen, da der Arbeitgeber über die Erstattungsforderungen gem. § 18 Abs. 5 VTV nicht verfügen könne, wenn das bei der Einzugsstelle bestehende Beitragskonto einen Debetsaldo ausweise und der Arbeitgeber seinen Meldepflichten nicht entsprochen habe.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 08. März 2007 zugestellt worden. Die Berufung der Beklagten ist am 03. April 2007 und die Berufungsbegründung nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 08. Juni 2007 am selben Tag bei Gericht eingegangen. Nachdem die Beklagte Auskunft für den Zeitraum Januar 2006 bis Juni 2006 hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer erteilt hat, ist die Klägerin insoweit im Wege der Anschlussberufung von der Auskunfts- zur Beitragsklage übergegangen. Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 15. Juni 2007 zugestellt worden. Die begründete Anschlussberufung der Klägerin ist nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 15. August 2007 am 10. August 2007 bei Gericht eingegangen. Nachdem die Beklagte für den Zeitraum September 2005 bis Dezember 2005 hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer Auskunft erteilt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Ansicht, nicht auskunfts- und beitragspflichtig zu sein, da Bohrungen auch von angelernten Kräften und nicht nur von Brunnenbauern und Tiefbaufacharbeitern durchgeführt werden könnten. Sie behauptet zuletzt, 98% der von ihr verrichteten Betriebstätigkeit bestehe ausschließlich im Bereich der Erdwärmegewinnung. Sie tätige Bohrungen für das geologische Modell, die Erkundung der Hydrogeologie und der Geothermie. Die Bohrungen dienten dabei der Auswertung und Beurteilung der hydrogeologischen Daten und der Ermittlung der Temperaturverteilungen im tiefen Untergrund, sodass mit diesen Erkenntnissen seitens eines Gutachters die Voraussetzungen für die Ausführung einer geothermischen Anlage festgestellt werden könnten und die Planung einer entsprechenden geothermischen Anlage möglich sei. Diese Form der Erkundungsbohrungen für Gutachten mache 5% - 7% der Arbeitszeit aus. Schwerpunktmäßig führe die Beklagte die Bohrung für die Tiefensonde und deren Einbau aus, was sodann der Gewinnung der Erdwärme diene. Dabei erstelle die Beklagte weder die Heizungsanlage an sich, noch schließe sie die Anlage an. Das werde vielmehr von einem Fachmann des Heizungs- und Installationsgewerbes bzw. der weitere Anschluss durch einen Elektriker ausgeführt. Die Erschließung von Erdwärme sei - so die Ansicht der Beklagten - dem Bereich der Urproduktion zuzuordnen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 16.01.2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden, Az.: 8 Ca 307/06, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 20.572,69 zu zahlen;

2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, der Klägerin auf dem von ihr zur Verfügung gestellten Formular darüber Auskunft zu erteilen, wie viele Angestellte, die nach den Vorschriften des Sechsten Sozialgesetzbuches - gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten in den Monaten September 2005 bis Juni 2006 in dem Betrieb der Beklagtenseite beschäftigt wurden und welche Zusatzversorgungsbeiträge in den genannten Monaten angefallen sind;

3. für den Fall dass diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung erfüllt wird, an die Klägerin folgende Entschädigung zu zahlen: € 300,00.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist weiterhin der Ansicht, die Beklagte sei auskunfts- und beitragspflichtig. Soweit die Beklagte behaupte, dass auch angelernte Arbeitnehmer Bohrtätigkeiten verrichten könnten, sei das irrelevant, da auch das Bohren durch angelernte Arbeitnehmer von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 6 VTV erfasst werde. Bei den von der Beklagten behaupteten Tätigkeiten der Grundwassererschließung und der Herstellung von Heizungsgewinnungsanlagen mittels Erdwärmetiefensonden handele es sich um eine baugewerbliche Tätigkeiten. Die Klägerin bestreitet, dass die Beklagte arbeitszeitlich überwiegend Erdwärmeanlagen baut und behauptet, die Beklagte würde auch mit dem Heizungseinbau betraut werden, wofür sie Subunternehmer einsetze.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den Inhalt der Berufungsschriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden ist gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthaft. Die Beklagte hat sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519 ZPO. Auch die Anschlussberufung der Klägerin ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 524 ZPO.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Als Anspruchsgrundlage für die der Höhe nach zwischen den Parteien nicht streitige Beitragsklage kommen die §§ 18 Abs. 2, 22 Abs. 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 in der jeweils gültigen, für allgemeinverbindlich erklärten Fassung in Betracht. Danach hat der Arbeitgeber bis zum 15. des Folgemonats als Sozialkassenbeitrag einen bestimmten Prozentsatz aus der Summe der Bruttolöhne an die Klägerin abzuführen. Anspruchsgrundlage für das Auskunftsbegehren hinsichtlich der Angestellten ist § 21 VTV, wonach der Arbeitgeber der Kasse auf dem ihm zur Verfügung gestellten Formblatt monatlich, spätestens bis zum 15. des Folgemonats die näher bezeichneten Auskünfte zu erteilen hat. Anspruchsgrundlage für den Entschädigungsanspruch ist § 61 Abs. 2 ArbGG.

Voraussetzung für die Auskunfts- und Beitragspflicht ist, dass der Betrieb der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum unter den Geltungsbereich des VTV fiel. Gemäß § 1 Abs. 2 VTV fallen Betriebe des Baugewerbes unter den betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind das Betriebe, in denen überwiegend entweder die in § 1 Abs. 2 Abschnitt V VTV genannten Beispielstätigkeiten ausgeführt oder aber Leistungen im Sinn der Bestimmungen der Abschnitte I - IV erbracht werden (BAG 18. Januar 1984 - 4 AZR 140/83 - AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Ob die entsprechenden baulichen Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Tätigkeiten entfällt (BAG 19. Juli 2000 - 10 AZR 918/98 - AP Nr. 232 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass im Betrieb der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet wurden, obliegt der Klägerin (BAG 28. Juli 2004 - 10 AZR 580/03 - AP Nr. 268 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).

Die Klägerin hat schlüssig dargelegt, dass der Betrieb der Beklagten dem Geltungsbereich des VTV unterfiel. Sie hat nämlich dargelegt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum zu mehr als 50% der persönlichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer, die zusammengerechnet auch mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, Bohrarbeiten (Kernbohrungen) für Baugrund- und Bodenuntersuchungen zur Erstellung von Gutachten und Baugrundbohrungen durchgeführt wurden. Solche Bohrarbeiten werden von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 6 VTV erfasst, wo sie ausdrücklich aufgeführt sind.

Demgegenüber sind die Behauptungen der Beklagten unerheblich. Soweit die Beklagte zunächst davon ausgegangen ist, dass sie deshalb nicht vom Geltungsbereich des VTV erfasst werde, da ihre Bohrungen nicht im Zusammenhang mit der Errichtung eines Bauwerks stünden, ist ihr nicht zu folgen. Zutreffend an dieser Argumentation ist lediglich, dass bis zum Jahr 1980 bei der Prüfung des betrieblichen Geltungsbereichs des Tarifwerks von einer zweistufigen Prüfung auszugehen war. Speziell hinsichtlich der Bohrarbeiten galt in der früheren Fassung des VTV, dass Spezialbetriebe für Bohrarbeiten nicht vom Geltungsbereich erfasst wurden, wenn sie sich weder mit der Erstellung von Bauten noch mit der Erbringung sonstiger baulicher Leistungen befassten. Nach der Änderung des Tarifvertrages und insbesondere der Neuordnung des betrieblichen Geltungsbereichs im Jahr 1980 dagegen war diese konkrete Verbindung mit der Erbringung baulicher Leistungen nicht mehr Tatbestandsvoraussetzung (BAG 03.08.2005 - 10 AZR 561/04 - EzA § 4 TVG Bauindustrie Nr. 121). Damit sind unter Bohrarbeiten all jene Arbeiten zu verstehen, die herkömmlicherweise im Baugewerbe mittels Bohrgeräten ausgeführt werden, wozu die Entnahme von Bodenproben sowie Aufschlussbohrungen zum Zwecke der Entnahme von Bodenproben zur Untersuchung des Baugrundes durch einen geologischen Sachverständigen gehören. Der Tarifvertrag stellt auch nicht darauf ab, ob die Bohrungen durch einen Brunnenbauer oder Tiefbaufacharbeiter oder - wie bei der Beklagten - durch angelernte Arbeitnehmer verrichtet werden. Um Wiederholungen zu vermeiden wird insoweit auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Auch die Behauptung der Beklagten, dass sie seit Aufnahme der Betriebstätigkeit zu 98% der Arbeitszeit Tätigkeiten im Bereich der Erdwärmegewinnung ausführt, entsprechende Bohrungen vornimmt und - entgegen der Behauptung erster Instanz - die Tiefensonden einbaut, ohne die Heizungsanlage als solche zu erstellen, ist nicht erheblich. Es handelt sich bei dieser Tätigkeit nicht um Urproduktion, welche nicht zum Baugewerbe gerechnet wird.

Allerdings wäre der Geltungsbereich des VTV nicht eröffnet, wenn die Beklagte keinen Betrieb des Baugewerbes unterhalten würde. Zur Anwendbarkeit des VTV gehört u.a., dass die entsprechende Tätigkeit "gewerblich" geleistet wird. Die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit ist damit ein allgemeines Tatbestandsmerkmal des betrieblichen Geltungsbereichs, das unabhängig von den Detailregelungen in den Abschnitten I - V vorliegen muss (BAG 03.08.2005 - 10 AZR 561/04 - a. a. O.). Der Gewerbebegriff, den die Bautarifvertragsparteien in Bezug genommen haben, umfasst alle erlaubten selbstständigen Tätigkeiten, die auf nachhaltige Gewinnerzielung gerichtet sind und fortgesetzt ausgeübt werden, unter Ausschluss der Urproduktion wie der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei und der freien Berufe sowie des öffentlichen Dienstes. Die Urproduktion ist, allgemein gesprochen, die Gewinnung von rohen Naturerzeugnissen. Zur Urproduktion gehört deshalb auch das Bergwesen, auf welches gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 GewO dieses Gesetz nur insoweit Anwendung findet, als es ausdrückliche Bestimmungen enthält.

Erdwärme ist allerdings ein bergfreier Bodenschatz und unterfällt somit grundsätzlich den Regelungen des Bundesberggesetzes. In § 3 Abs. 3 Nr. 2. b) BBergG ist nämlich ausdrücklich geregelt, dass als bergfreie Bodenschätze auch die Erdwärme und die im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien (Erdwärme) gelten. Das bedeutet, dass sich das Eigentum an einem Grundstück nicht auf die Erdwärme erstreckt. Für die Aufsuchung der Erdwärme bedarf es grundsätzlich einer Genehmigung gemäß § 7 BBergG und für die Gewinnung einer Bewilligung gemäß § 8 BBergG.

Die Erdwärmegewinnung durch die Beklagte fällt nicht unter die Ausnahmebestimmung des § 4 Abs. 3 Satz 2 BBergG. Während § 2 Abs.1 Ziffer 1 BBergG u.a. bestimmt, dass das Gesetz für das Aufbereiten von bergfreien Bodenschätzen gilt und § 4 Abs. 3 Satz 1 BBergG definiert, was unter "Aufbereiten (Aufbereitung)" zu verstehen ist, nimmt Satz 2 die Weiterverarbeitung und die Neugewinnung ausdrücklich vom Begriff der Aufbereitung aus und regelt bezüglich der Erdwärme Folgendes:

...; die Nutzung von Erdwärme ist einer Weiterverarbeitung gleichzustellen.

Die Beklagte nutzt die Erdwärme allerdings nicht, sie erschließt und gewinnt sie lediglich.

Die von der Beklagten behauptete Tätigkeit ist jedoch gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG vom Geltungsbereich gemäß § 2 Abs. 1 BBergG ausgenommen. In § 4 Abs. 2 Nr. 1 BBergG ist zunächst geregelt, dass das Gewinnen von Bodenschätzen im Sinn von § 2 Abs. 1 Ziffer 1. BBergG das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusammenhängenden, vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten ist. Darunter fällt auch die Erdwärmegewinnung. Dann jedoch heißt es:

...; ausgenommen ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen

1. in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung...

Das Gewinnen von Erdwärme durch die Beklagte auf den jeweiligen Grundstücken im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung, d.h. die oberflächennahe Nutzung der Geothermie ist mithin aus dem Geltungsbereich des Bundesberggesetzes herausgenommen worden und stellt keine Gewinnung eines Bodenschatzes dar (so LAG Berlin-Brandenburg 16.11.2007 - 8 Sa 2058/06 - n.v./juris). Auf die allgemeine Definition der Urproduktion kann dann entgegen der gesetzlichen Regelung nicht mehr zurückgegriffen werden.

Die Berufung der Beklagten ist mithin zurückzuweisen.

Die Anschlussberufung der Klägerin ist begründet. Der teilweise Übergang der Klägerin von der Auskunfts- zur Zahlungsklage hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer ist prozessual unbedenklich. Es kann dahinstehen, ob diese Umstellung des Klagebegehrens als Klageänderung gem. § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO anzusehen ist. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass insoweit eine Klageänderung vorläge, wäre diese zulässig. Das ergibt sich einmal daraus, dass die Beklagte sich auf den geänderten Klageantrag widerspruchslos eingelassen hat, sodass ihre Einwilligung in die Klageänderung unwiderleglich vermutet wird, §§ 533 Ziffer 1, 525, 267 ZPO. Zum anderen wäre die Klageänderung auch deshalb zulässig, da das Gericht sie für sachdienlich hält und die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat. Durch den entsprechenden Tatsachenvortrag der Klägerin wird eine Entscheidung des Rechtsstreits nicht verzögert.

Der der Höhe nach unstreitige Beitragsanspruch hinsichtlich der gewerblichen Arbeitnehmer beruht, wie oben bereits dargelegt, auf §§ 18, 22 Abs. 1 VTV.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, da sie das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat und in der Anschlussberufung unterlegen ist. Soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend wegen der verlangten Auskunft bezüglich der gewerblichen Arbeitnehmer für den Zeitraum September 2005 bis Dezember 2005 für erledigt erklärt haben, trägt die Beklagte die Kosten gem. § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes wäre die Beklagte insoweit unterlegen gewesen, da sie auskunftspflichtig war.

Die Revision wird gem. § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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