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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 18.09.2007
Aktenzeichen: 12 Sa 1871/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 02. November 2006, Az. 3 Ca 10655/05 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer ordentlichen Verdachtskündigung und einen von der Beklagten hilfsweise gestellten Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte ist ein zum Konzern der A gehörendes Catering-Unternehmen, das Fluggesellschaften beliefert. Der am XX.XX.19XX geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 1.06.1993 bei der Beklagten als Flugzeugausrüster beschäftigt. Seit dem 1.04.2000 wurde er als Hubwagenfahrer eingesetzt. Er erhielt zuletzt eine monatliche Grundvergütung von 1984,96 Euro zuzüglich verschiedener Zulagen in monatlich wechselnder Höhe, im Durchschnitt insgesamt 2.849,28 Euro brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Manteltarifvertrag Nr. 14 für das Bodenpersonal (MTV) Anwendung.

Die Beklage beliefert von ihrem Betrieb B auf dem Frankfurter Flughafen die Flüge der A, von ihrem Betrieb C andere Fluggesellschaften, die ihre Kunden sind, sowie die täglich sieben Flüge der A nach Japan, Korea und Indien. Im Betrieb D befindet sich des Weiteren das Zolllager der Beklagten, in dem die für den zollfreien Bordverkauf vorgesehenen Waren, meist hochpreisige Uhren, Schreibgeräte, Parfums und Sonnenbrillen, gelagert werden. Die Trolleys für den Bordverkauf werden dort gepackt, mit einem Umhängeschloss und einem Sicherungsband versehen und verplombt. Einmal täglich, jeweils einen Tag vor dem Flug, findet ein Transport der Trolleys mit der Bordverkaufsware für die A-Flüge nach Japan, Korea und Indien vom Betrieb B in den Betrieb C statt. Für den Transport (Shuttle Service) werden Hubwagen verwendet, die 50 - 65 Trolleys fassen. In C werden die Trolleys über Nacht im sog. Zollkäfig gelagert. Dieser wird nur beim Antransport der Trolleys von einem autorisierten Mitarbeiter aufgeschlossen und nach der Einlagerung sofort wieder verschlossen. Der Schlüssel wird am Empfang des Betriebs C aufbewahrt. Während des Shuttle Service von einem Betrieb zum anderen sowie auf dem Beladeweg von C zum Flugzeug ist der Hubwagenfahrer jeweils allein und hat so eine Zugriffsmöglichkeit auf die Ware. Der Kläger war einer der mit diesen Transporten beschäftigten Hubwagenfahrer.

In den Jahren 2002 und 2003, insbesondere im Zeitraum von Oktober 2002 bis Januar 2003, kam es zu hohen Verlusten bei der Bordverkaufsware, besonders bei den sieben Flügen der A nach Japan, Korea und Indien. Der Kläger war im vorgenannten Zeitraum zur Abfertigung von sechs Flügen in diese Länder eingeteilt.

Durch einen Ermittlungsbericht des Werksschutzes der A, der der Personalleiterin der Beklagten am 5.12.2005 übergeben wurde, erfuhr die Beklagte, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen des Verdachts des Diebstahls von Bordverkaufsware eingeleitet hatte. Im Zuge der Ermittlungen war festgestellt worden, dass der Kläger über das Internet Auktionsportal "Ebay" unter dem anonymisierten Namen "E" insgesamt 43 Artikel, darunter überwiegend Uhren der Marken Nomos Tangente, Longines und Armani, Montblanc Stifte und Sonnenbrillen (Auflistung der Artikel Bl. 315 - 319 d. A.) versteigerte, die allesamt Teil des Warensortiments für den Bordverkauf bei der A waren und einen Verkaufswert von über 10.000,-- € hatten. Zunächst konnten fünf dieser Artikel, zwei Nomos Tangente Uhren, eine Longines Uhr, ein Montblanc Stift und eine Silhouette Sonnenbrille bei den Käufern/Ersteigerern sichergestellt werden. Anhand der Lieferscheine, in die die Hersteller die Individual- und Seriennummern eingetragen hatten, konnte festgestellt werden, dass diese konkreten Artikel an das Zolllager der Beklagten geliefert worden waren. Der Kläger hatte die Artikel nicht über den Personaleinkauf erworben. Am 7.12.2005 führte die Beklagte eine Anhörung des Klägers durch. Dabei gab der Kläger an, die von ihm über "Ebay" angebotenen Waren nicht bei der Beklagten gestohlen, sondern sie vor zwei bis Jahren samstags auf dem Flohmarkt in Frankfurt gekauft zu haben. Dort habe ihn ein fremder Mann angesprochen und gefragt, ob er Interesse am Erwerb von Uhren und Navigationsgeräten zu Gebrauchtpreisen habe.

Mit Schreiben vom 16.12.2005 kündigte darauf die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos außerordentlich und mit Schreiben vom 21.12.2005 ordentlich zum 30.6.2006 wegen des Verdachts des Diebstahls von Bordverkaufswaren. Zuvor hörte sie am 12.12.2005 den Betriebrat sowohl zur fristlosen als auch zur ordentlichen Kündigung an (Bl. 24 - 43 d.A.). Der Kläger hat gegen die fristlose Kündigung am 21.12.2005 und gegen die ordentliche Kündigung am 7.1.2006 Kündigungsschutzklage eingereicht.

Während der Berufungsinstanz erhob die Staatsanwaltschaft Frankfurt unter dem 20.6.2007 gegen den Kläger Anklage wegen Diebstahls und Hehlerei von Bordverkaufswaren der Beklagten in 9 Fällen. Angeklagt wurden lediglich solche Vorgänge, bei denen die jeweiligen Artikel bei den Personen, die sie ersteigert hatten, sichergestellt und den Lagerbeständen der Beklagten zugeordnet werden konnten. Auf den Inhalt der Anklageschrift vom 20.6.2007 wird Bezug genommen (Bl. 310 - 326 d.A.). Nach Einsicht in die Ermittlungsakte am 7.08.2007 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger weitere fünf versteigerte Artikel bei den Erwerbern sichergestellt und ihren Lagerbeständen zugeordnet werden konnten. Es handelte sich dabei um vier Uren der Marken Longines, Nomos Tangente und MontBlanc und einen MontBlanc Stift. Zwischen Oktober und Dezember 2002 bot der Kläger insgesamt 15 Artikel, die die Beklagte im Sortiment führt, für 1,00 Euro Startpreis an. Darunter befand sich neben Uhren fünfmal auch Parfum der Marke Chanel. Für die Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28.08.2007 (Bl. 303, 306 d. A.) Bezug genommen. Mit Schreiben vom 9.08.2007 informierte die Beklagte den Kläger über die bei der Akteneinsicht gewonnenen neuen Erkenntnisse und forderte ihn zur Stellungnahme bis zum 15.08.2007 auf. Der Kläger reagierte darauf nicht. Mit weiterem Schreiben vom 21.08.2007 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu den neuen aus der Einsicht in die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte gewonnenen Erkenntnissen an (Bl. 324 d.A.).

Der Kläger hat behauptet, die über "Ebay" angebotenen Waren habe ihm ein fremder Mann mit dunklen Haaren und Bart für 2.000,-- Euro auf dem Flohmarkt in Frankfurt in zwei Plastiktüten angeboten. Bezahlt habe er mit Geld, das er vorher im Casino gewonnen hatte. Er habe den Inhalt der Plastiktüten nicht näher geprüft, aber erkennen können, dass es sich um Uhren handelte. Er habe die Beutel gekauft, weil er dachte, sie seien voll mit guten Angeboten und er werde das Geld aus dem Gewinn im Spielcasino sowieso ausgeben. Bei dem Vorgang sei ein Freund, der Zeuge F, dabei gewesen. Der Kläger behauptet weiter, dass vom Beladen der Trolleys bis zum Verladen in das Flugzeug eine Vielzahl von Mitarbeitern Zugang zu den Bordverkaufswaren habe und als mögliche Täter in Frage komme.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 16.12.2005 aufgelöst worden ist;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 21.1.22005 aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 30.6.2006 aufzulösen.

Die Beklagte hat behauptet, in den Jahren 2002 und 2003, insbesondere zwischen Oktober 2002 und Januar 2003, sei es zu hohen Warenverlusten beim Bordverkauf gekommen. 60 % der Verluste seien bei den sieben aus dem Betrieb C heraus versorgten täglichen Flügen nach Japan, Korea und Indien aufgetreten. Der Kläger sei im genannten Zeitraum zur Abfertigung von sechs Flügen zu diesen Zielorten eingeteilt gewesen. Bei diesen sechs Flügen sei ein Verlust von € 21.830,-- festgestellt worden. Aufgrund von Hinweisen in Crewberichten über kurz nach dem Start in Frankfurt festgestellte Fehlmengen und nicht richtig eingerastete und mit Klebstoff versehene Plomben sei sie auf den Frankfurter Flughafen als Tatort aufmerksam gemacht worden. Die Erklärung des Klägers, woher er die Waren erhalten habe wolle, hat die Beklagte als reine Schutzbehauptung angesehen. Ihren für den Fall der Unwirksamkeit auch der ordentlichen Kündigung gestellten Auflösungsantrag hat die Beklagte damit begründet, dass der Kläger sie in seinem Schriftsatz vom 15.5.2006 mit Ausführungen wie "die Vorwürfe der Beklagten stellten schlichte Unverschämtheiten dar" und die Beklagte habe im Gespräch mit dem Kläger am 7.12.2005 in strafbarer Weise "verbotene Verhörmethoden" angewandt, in unzumutbarer Weise beleidigt und verleumdet habe.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 162 - 166 d. A.)

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 28.09.2006 (Az.: 3 Ca 10655/05) der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine strafbare Handlung vorliege. Es fehle nämlich im Vortrag der Beklagten an einer konkreten Zuteilung der versteigerten Ware zu einzelnen Flügen und eine Zuordnung zur Tätigkeit des Klägers. Die Beklagte hätte nachvollziehbar vortragen müssen, welche konkreten Gegenstände auf welchem vom Kläger betreuten Flug abhanden gekommen sind. Aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Möglichkeiten des Verlusts von Waren durch die Zugriffsmöglichkeiten anderer Personen sei nicht ausgeschlossen, dass der Kläger auch auf andere Weise als durch eine strafbare Handlung in den Besitz der Waren gelangt sein könnte. Den hilfsweisen Auflösungsantrag der Beklagten hat das Arbeitsgericht als unbegründet angesehen. Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 167 - 168 d.A.)

Gegen das ihr am 25.10.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 2.11. 2006 Berufung eingelegt und sie, nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.01.2007, am 25.01.2007 begründet.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie behauptet, die Bordverkaufsverluste seien vor allem bei den auch vom Kläger in "Ebay" angebotenen Artikeln aufgetreten. Die Verluste würden durch sog. Rückchecks im Zolllager festgestellt, indem die Listen mit den Artikeln, die in die Bordverkaufstrolleys geladen wurden, mit den Verkaufslisten der Crews abgeglichen werden. Zur Sicherung der Trolleys behauptet die Beklagte, die Trolleys seien bei Einführung des Shuttlesystems für die Flüge nach Japan, Korea und Indien im Jahre 2000 zunächst mit einer Plastikplombe und einem Vorhängeschloss gesichert worden. Aufgrund der Zunahme von Warenverlusten sei zunächst vermutet worden, dass Nachschlüssel für die Vorhängeschlösser im Umlauf seien. Nachdem die zusätzliche Sicherung durch ein sog. Zeitungsband und die Ersetzung des Schlosses durch eine Drahtplombe zu keinem Rückgang der Verluste führte, sei schließlich im Februar 2003 eine Metallplombe mit Plastikkörper eingeführt worden. Danach seien die Schäden stark zurückgegangen. Die Tür und die Beladeklappe der Hubwagen werden erst aufgrund neuer Sicherheitsbestimmungen seit 2006 verplombt. Bei dem Gespräch am 7.12.2005 habe der Kläger auf Nachfragen erklärt, sich an den Namen des Freundes, der ihn auf dem Flohmarkt begleitet habe, nicht erinnern zu können. Auf die Frage, ob er es nicht seltsam gefunden habe, dass ihm ein Fremder Waren mit einem Verkaufswert von über 10.000,00 € für viel weniger Geld anbiete, statt sie selbst über "Ebay" zu versteigern, habe der Kläger geantwortet: sie sind Penner, sie brauchen Bargeld. Nach dem vorliegenden Sachverhalt bestehe der dringende Verdacht entweder des Diebstahls oder der Hehlerei. Auch stelle der Verkauf von Artikeln, die die Beklagte in ihrem Bordverkaufssortiment habe, eine verbotene Konkurrenztätigkeit dar. In allen drei Fällen liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28.9.2006 (Az. 3 Ca 10650/01), abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise: das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 30.6.2006 aufzulösen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Der Kläger behauptet, dass die neuerlichen Ausführungen der Beklagten zum Ablauf der Behandlung der Bordverkaufsware nur bestätigten, dass eine Vielzahl von Personen Zugriffsmöglichkeiten auf die Bordverkaufstrolleys gehabt habe. Er behauptet weiter, dass die Tür und Ladeklappen der Hubwagen vor der Abfahrt verplombt werden. Außerdem würden die Flugzeuge nach Japan, Korea und Indien mit jeweils drei Hubwagen beladen, wobei die Bordverkaufstrolleys nur mit einem Hubwagen tranportiert werden. Ob der Kläger einen dieser Hubwagen gefahren habe, sei nicht klar. Letztendlich bestreitet er, dass nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitern Zugriff auf die Schlüssel zum Zollkäfig in C gehabt habe sowie, dass die Bordverkaufstrolleys außerhalb des Zolllagers im Zollkäfig für eine Nacht zwischengelagert worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 28.09.2006 ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO).

In der Sache hat die Berufung Erfolg und führt zur Abweisung der Klage. Die von der Beklagten am 16.12.2005 ausgesprochene fristlose außerordentliche Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 und 2 BGB wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Zeitpunkt ihres Zugangs beendet. Für die Kündigung ist ein wichtiger Grund gegeben (§ 626 Abs. 1 BGB) und die Beklagte hat die Kündigung innerhalb der vierzehntägigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ausgesprochen. Aus diesem Grunde brauchte weder die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 21.12.2005 noch die Begründetheit des hilfsweise von der Beklagten gestellten Auflösungsantrags überprüft zu werden.

1. Die gegenüber dem Kläger am 16.12.2005 ausgesprochene außerordentliche Verdachtskündigung ist wirksam, da hierfür ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB gegeben ist.

Die Prüfung des wichtigen Grundes vollzieht sich in zwei voneinander zu trennenden Stufen. Zunächst muss ein bestimmter Sachverhalt festgestellt werden, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Dann ist wertend zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, weil dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann.

1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG Urteile v. 20.8.1997, 6.12.2001, 26.092002 und 6.11.2003 in EzA zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7 u. 10 sowie EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 1 und2) kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. § 626 Abs. 1 BGB läßt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, wenn diese Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis zu zerstören und wenn der Arbeitgeber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Dabei können den Verdacht stärkende oder entkräftende Tatsachen bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vorgetragen werden. Sie sind grundsätzlich zu berücksichtigen, sofern sie - wenn auch unerkannt - bereits vor Zugang der Kündigung vorlagen; denn Kündigungsgrund bei der Verdachtskündigung ist die verdachtsbedingte Beeinträchtigung der Vertrauenswürdigkeit des Arbeitnehmers, wobei sich der Verdacht aus objektiv bei Zugang der Kündigung vorliegenden (Indiz-)Tatsachen ergeben muss.

Vorliegend hat die Beklagte ihre Kündigung ausdrücklich mit dem Verdacht des Diebstahls oder der Hehlerei von hochpreisigen Waren, die sie im Bordverkauf der A anbietet, begründet. Allein in der Veräußerung von Waren aus ihrem Sortiment für den Bordverkauf über das Internetauktionsportal "Ebay" sieht sie zudem eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit des Klägers. Dieser Verdacht hat eine schwerwiegende Vertragsverletzung und strafbares Verhalten in Form des Diebstahls und der Hehlerei (§§ 242, 259 StGB) zum Gegenstand, er beruht auf objektiv nachprüfbaren Tatsachen, er ist dringend in dem Sinne, dass eine auf Indizien gestützte große Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Kläger die vorgeworfenen Pflichtwidrigkeiten begangen hat, und die Beklagte hat alle ihr zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen.

Die Beklagte stützt ihre Vorwürfe auf die nachfolgenden objektiven Tatsachen, wie sie auch in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Frankfurt ausgeführt sind: der Kläger hat im Zeitraum Oktober 2002 bis Februar 2003 über das Internet Auktionsportal "Ebay" insgesamt 43 Artikel angeboten. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Uhren und Kugelschreiber, aber auch Parfums. Er erzielte dabei einen Umsatz von 9.730.00 Euro. Sämtliche Artikel befinden sich im Sortiment für den Bordverkauf der A. Neun dieser Artikel konnten bei den Erwerbern sichergestellt werden. Anhand der Individual- und Seriennummern konnte im Abgleich mit den Lieferscheinen der Beklagten festgestellt werden, dass und wann diese Artikel an die Beklagte geliefert wurden. Des Weiteren war der Kläger im relevanten Zeitraum als Hubwagenfahrer im möglichen Tatbereich, entweder beim Shuttle Service zwischen B und C oder beim Transport von C zum Flugzeug, zur Arbeit eingesetzt. Die Hubwagenfahrer sind im Rahmen der Arbeitsorganisation die einzigen, die zeitweise, während ihrer Transportfahrten, den alleinigen Zugriff auf die Bordverkaufsware haben. Diese objektiven Tatsachen sind unstreitig. Der Kläger ist dem letzten Schriftsatz der Beklagten, mit dem sie auch die Anklageschrift vorgelegt hat, nicht mehr entgegengetreten. Außerdem hat sich der Kläger in unzulässiger Weise durchgehend darauf beschränkt, sämtliche Behauptungen der Beklagten lediglich mit Nichtwissen zu bestreiten. Das ist gemäß § 138 Abs.4 ZPO nur bei Gegenständen, die weder eigene Handlung der Partei noch Gegenstand eigener Wahrnehmung sind, zulässig. So hätte sich der Kläger z.B einen Eindruck vom Bordverkaufssortiment der Beklagten verschaffen können und, da zu seinem Arbeitsbereich gehörend, die Organisation und den Ablauf der Zwischenlagerung der Trolleys in der Nacht vor dem Flug aus seiner Sicht beschreiben können, statt nur zu bestreiten, dass die Trolleys im sog. Zollkäfig untergebracht werden und die Vergabe von Schlüsseln zu demselben nicht kontrolliert und auf wenige Personen begrenzt gewesen sei.

Nach diesen objektiven Tatsachen ist zwar nicht bestimmbar, welche konkreten Artikel der Kläger wann, d.h. bei welchem Arbeitseinsatz für welchen Flug entwendet hat. Sie sind jedoch im Zusammenwirken mit dem Umstand, dass der Kläger keine plausible und auch nur im Ansatz glaubhafte Erklärung dafür zu geben vermochte, wie er sonst, anders als durch Diebstahl oder Übergabe durch einen Dritten, der sie seinerseits gestohlen hatte, in den Besitz der Artikel aus dem Bordverkaufssortiment der Beklagten gekommen ist, geeignet, den dringenden Verdacht des Diebstahls bzw. der Hehlerei zu begründen. Der Kläger hat schon im Gespräch mit der Beklagten am 7.12.2005 angegeben, die Waren in zwei Plastikbeuteln von einem fremden Mann auf dem Flohmarkt in Frankfurt für € 2.000,-- gekauft zu haben. Das Geld zur Bezahlung der Ware habe er vorher im Spielcasino gewonnen. Die Unglaubhaftigkeit dieser Einlassung ergibt sich nicht allein daraus, dass es sich hier um die typische Schutzbehauptung in derartigen Fällen handelt (so LAG Köln 26.1.2007 - 9 Sa 1033/06 LAGE § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3), sondern auch aus den konkreten Umständen. Der Kläger hat zu seinem Casinobesuch auf Befragen in der mündlichen Verhandlung angegeben, er sei im Casino in Bad Homburg gewesen. Angaben dazu, an welchem Tag das war, vermochte er nicht zu machen. Die Kammer weiss, dass der Flohmarkt in Frankfurt um 14.00 Uhr offiziell schließt und dann abgeräumt wird. Die Kammer hat durch eine telefonische Auskunft zudem erfahren, dass die Spielbank in Bad Homburg um 14.30 Uhr, die in Wiesbaden um 14.15. Uhr öffnet. Der Kläger kann also unmöglich vor dem Besuch auf dem Flohmarkt am selben Tage vorher die Spielbank aufgesucht, dort das Geld gewonnen und es danach mit sich herumgetragen haben. Es scheint auch ausgeschlossen, dass der Kläger das Geld schon Tage vorher gewonnen und danach längere Zeit mit sich herumgetragen hat; denn es handelt sich für den Kläger um einen hohen Betrag, der mehr als einen Nettomonatslohn ausmacht. Er wäre bei der Lebenssituation des Klägers, die er im Prozess immer wieder betont hat, Alleinernährer von Frau und zwei Kindern zu sein, für den Lebensunterhalt verbraucht worden. Der Kläger hat sich auch nicht dahin eingelassen, dass er das Geld zu Hause eingesteckt habe und auf den Flohmarkt gegangen sei, um dort für "gute Geschäfte" 2.000,00 € auszugeben. Der Kläger hatte zu dem Vorhalt der Kammer hinsichtlich der Öffnungszeiten der Spielbanken schlicht keine Erklärung. Auch scheint es aufgrund der Lebenssituation und der knappen finanziellen Ressourcen des Klägers unglaubhaft, dass er aufgrund des Gefühls, es handle sich um ein gutes Geschäft, und des oberflächlichen Eindrucks, dass sich in den Tüten Uhren befanden, einem fremden Mann, den er zudem als "Penner" bezeichnete, ohne nähere Überprüfung des Inhalts der beiden Plastiktüten gutgläubig den hohen Betrag von 2.000,00 € ausgehändigt haben will. Seine Einlassung war insgesamt auch so zu verstehen, dass er das Geld gerade erst gewonnen und deshalb noch in der Tasche hatte. Diese Darstellung kann aber aufgrund der genanten Öffnungszeiten der Spielbank offensichtlich nicht richtig sein. Schließlich steht mit seiner Einlassung, die Plastiktüten hätten Uhren beinhaltet, nicht im Einklang, dass er unstreitig auch Parfum der Marke Chanel aus dem Bordverkaufssortiment der Beklagten über "Ebay" angeboten hat. Eine Erklärung, wie er in den Besitz dieser Artikel gekommen sei, vermochte der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Befragen der Kammer nicht zu geben. Sollte man immer noch zugunsten des Klägers davon ausgehen, er habe die Waren auf die von ihm behauptete Weise erhalten, muss zumindest angenommen werden, dass er sie nicht gutgläubig erworben hat, sondern wusste, dass sie gestohlen war und er sie zumindest nach dem Auspacken auch der Beklagten zuzuordnen vermochte. Dafür spricht, dass er davon ausgehen musste, das jemand, den er bei seiner Anhörung selbst als "Penner, der Bargeld braucht" bezeichnet hat, nicht Uhren zu einem Verkaufspreis von über 10.000,00 € auf legalem Wege erworben haben kann. Da der Kläger zumindest einen Teil der Artikel als "neu" über "Ebay" angeboten hat, war ihm auch klar, dass die Uhren dem fremden Mann, der Bargeld brauchte, also offenbar keines hatte, nicht geschenkt worden sein können.

Da sich die Schilderungen und Erklärungen des Klägers zum Erwerb der Waren als nicht stimmig, lückenhaft, vom Geschehensablauf her teilweise als unmöglich und damit insgesamt als reine Schutzbehauptung erweisen, brauchte dem Beweisangebot des Klägers für den Erwerb der beiden Plastiktüten auf dem Flohmarkt nicht nachgegangen zu werden. Zudem begegnet das Beweisangebot, Zeugnis des F, selbst weiteren Bedenken; denn der Kläger vermochte zunächst in der Befragung durch die Beklagte am 7.12.2005 den Namen des ihn begleitenden "Freundes" nicht zu nennen und gab auf Befragen lediglich an, er habe seinen Namen vergessen. Im Kündigungsschutzverfahren vermochte er plötzlich mit dem Namen aufzuwarten, ohne dafür jemals eine Erklärung zu liefern.

Die Beklagte hat auch alle ihr zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, indem sie nach dem Erhalt des Ermittlungsberichts vom Werksschutz der A am 5.12.2005 den Kläger am 7.12.2005 ausgiebig zu den Vorwürfen befragt hat. Es ist nicht erkennbar geworden, welche weiteren Anstrengungen sie hätte unternehmen können, nachdem der Werksschutz und die Staatsanwaltschaft bereits alle denkbaren Ermittlungen angestellt hatten.

Danach besteht gegen den Kläger der dringende Verdacht des Diebstahls oder der Hehlerei. Sollte der Kläger sich die Artikel nicht selbst angeeignet haben, worauf an sich alle Verdachtsmomente hindeuten, muss davon ausgegangen werden, dass dem Kläger spätestens beim Anbieten der Artikel in "Ebay" bewusst gewesen sein muss, dass es sich um Ware aus einem Diebstahl handelte und dass die Beklagte diese Waren in ihrem Bordverkaufssortiment führt.

1.2. Die abschließende Abwägung der beiderseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, dass hier das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an seiner Fortsetzung auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist überwiegt. Zwar ist zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass bei Ausspruch der Kündigung das Arbeitsverhältnis bereits seit 12,5 Jahren ohne negative Belastungen in der Vergangenheit bestanden hat und er Alleinverdiener einer vierköpfigen Familie ist. Diese Umstände müssen jedoch angesichts des durch den dringenden Verdacht des Diebstahls oder der Hehlerei unrettbar verloren gegangenen Vertrauens in die Redlichkeit des Klägers gegenüber dem Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zurücktreten. Der hier festgestellte Sachverhalt ist so gravierend und belastet den Kläger so stark, dass der Beklagten zum Schutz ihres Eigentums keine andere Möglichkeit bleibt als sich vom Kläger mit sofortiger Wirkung zu trennen.

2. Die Beklagte hat bei Ausspruch der fristlosen Kündigung die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

Der für die Einhaltung der Ausschlussfrist darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeber hat die Umstände, aus denen sich ergibt, wann und wo er von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen erfahren hat und wie es zur Aufdeckung des Kündigungsgrundes gekommen ist, im Einzelnen schildern, damit der Gekündigte in der Lage ist, die Ausführungen zum ausreichenden Wissensstand des Kündigungsberechtigten überprüfen und gegebenenfalls qualifiziert bestreiten zu können (BAG 1.02.2007 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 3). Der Vortrag der Beklagten genügt diesen Anforderungen. Die Beklagte hat ausgeführt, erstmals durch den ihrer Personalleiterin vom Werksschutz der A am 5.12. 2005 übergebenen Ermittlungsbericht über eine Verwicklung des Klägers in die Diebstähle von Bordverkaufsartikeln in den Jahren 2002 und 2003 erfahren zu haben. Die Ermittlungen seien vom Werksschutz der A und von der Staatsanwaltschaft ohne Beteiligung der Beklagten geführt worden. Nur zwei Tage später hat sie den Kläger ausführlich zu allen Vorwürfen angehört und danach innerhalb von 14 Tagen die fristlose Kündigung ausgesprochen. Damit sind Umstände und Zeitpunkt der Kenntniserlangung durch die Kündigungsberechtigte substantiiert dargelegt. Der Kläger ist diesen Ausführungen nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

3. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Zugang der fristlosen Kündigung am 16.12.2005 bedurfte es keiner Prüfung mehr, ob auch die ordentliche Kündigung vom 21.12.2005 das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2006 aufgelöst hat. Ebenso wenig bedurfte es einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht gemäß §§ 9, 10 KSchG.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 ZPO. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG waren nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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