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Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 12 Sa 435/06
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
KSchG § 1 Abs. 2
KSchG § 9
KSchG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 19. Januar 2006, Az.: 4 Ca 132/04, teilweise abgeändert:

Hinsichtlich des Weiterbeschäftigungsantrags wird die Klage abgewiesen.

Das Arbeitsverhältnis wird zum 31. Oktober 2004 aufgelöst. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 19.452,00 EUR (in Worten: Neunzehntausendvierhundertzweiundfünfzig und 00/100 Euro) brutto zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 1/5 und der Beklagte zu 4/5 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung, einer noch vor Ablauf der Kündigungsfrist ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung sowie einen arbeitgeberseitigen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Der Beklagte, der mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt in angemieteten Räumen der A - Therme in B eine Praxis für physikalische Therapie und Physiotherapie. Die am .... geborene Klägerin ist dort zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 1.594,-- zuzüglich einer Wasserzulage in Höhe von € 102,26 seit dem 1.4.1995 als Masseurin und medizinische Bademeisterin beschäftigt.

Gestützt auf betriebsbedingte Gründe, konkret die voraussehbaren negativen Auswirkungen der zum 1.7.2004 wirksam gewordenen nächsten Stufe der Gesundheitsreform, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin erstmals am 25.3.2004 ordentlich zum 31.7.2004. Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 18.11.2004 hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt. Am 30.7.2004 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis abermals ordentlich aus betriebsbedingten Gründen, diesmal gestützt auf die eingetretenen negativen Auswirkungen der Gesundheitsreform.

Am 3.10.2004 besuchte die Klägerin mit einem befreundeten Ehepaar die A-Therme und führte ihren Freunden im Therapiebecken physiotherapeutische Übungen vor. Dabei benutze sie eine zu den Gerätschaften des Beklagten gehörende Poolnudel. Der Betreiber der E nahm dies zum Anlass, der Klägerin am 7.10.2004 ein Hausverbot mit sofortiger Wirkung auszusprechen. Der Beklagte sprach darauf am 20.10.2004 wegen des Vorfalls vom 3.10.2004 und des anschließend vom Betreiber der Therme verhängten Hausverbots eine außerordentliche Kündigung aus. In einem Gespräch mit dem Klägervertreter über das Hausverbot kurze Zeit nach Ausspruch der Kündigungen erklärte der Geschäftsführer des Thermalbades, dass das Hausverbot auf jeden Fall bestehen bleiben werde, davon werde keinen Millimeter abgewichen. Wenn die Klägerin daran etwas ändern wolle, müsse sie schon klagen.

Mit ihrer am 4.8.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage wehrt die Klägerin sich gegen die ordentliche Kündigung vom 30.7.2004, mit der am 26.10.2004 eingegangenen Klage gegen die fristlose Kündigung vom 20.10.2004.

Die Klägerin hat zu beiden Kündigungen die Ansicht vertreten, sie seien unwirksam. Zur fristlosen Kündigung hat die Klägerin behauptet, die Vorführung der therapeutischen Übungen sei ein einmaliger Vorgang rein privater, freundschaftlicher Natur ohne irgendwelchen gewerblichen Bezug gewesen. Die Poolnudel habe sich in einem zugänglichen offenen Raum befunden. Eine Anweisung, dass sie die Gerätschaften des Beklagten zu privaten Zwecken nicht benutzen durfte, habe nicht existiert. Zur ordentlichen Kündigung hat die Klägerin behauptet, der Arbeitsanfall im Bereich der Massagen und Bewegungsbäder sei nicht zurückgegangen. Für die ausgeschiedene Masseurin Frau C habe der Beklagte eine neue Mitarbeiterin, Frau D, eingestellt.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch ordentliche Kündigung vom 30.7.2004 noch durch außerordentliche Kündigung vom 20.10.2004 beendet worden ist;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 20.10.2004 und 31.10.2004 hinaus fortbesteht;

den Beklagten zu verurteilen, de Klägerin als Masseurin und medizinische Bademeisterin zu den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat zur fristlosen Kündigung die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Vorführung therapeutischer Übungen der Klägerin am 3.10.2004 um eine verbotene Wettbewerbstätigkeit gehandelt habe. Bewegungsbäder und Therapiebehandlungen würden in der E ausschließlich von Seiten des Kur- und Badehauses des Beklagten angeboten. Dritten sei die Durchführung von Heilbehandlungen strengstens untersagt. Vor diesem Hintergrund habe der Vermieter verständlicherweise von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und das Hausverbot gegenüber der Klägerin ausgesprochen. Auch die damit eingetretene Unmöglichkeit, ihre Arbeit für den Beklagten weiterführen zu können, rechtfertige die fristlose Kündigung. Zur ordentlichen Kündigung hat der Beklagte behauptet, aufgrund der negativen Auswirkungen der zum 1.7. 2004 in Kraft getretenen nächsten Stufe der Gesundheitsreform sei der Arbeitsanfall sowohl bei den Massagen als auch bei den Bewegungsbädern erheblich zurückgegangen. Die Rezepteingänge seien im Juli 2004 im Verhältnis zum Juli 2003 um 40 %, von 1.123 auf 670 Rezepte zurückgegangen. Der daraus resultierende Umsatzrückgang liege aufgrund des zurückgegangenen Rezeptwerts noch höher. Für den Zeitraum Januar - Juli 2004 sei ein Rückgang von 2.038 Bewegungsbädern und von 354 Massagen im Verhältnis zum gleichen Zeitraum des Vorjahres zu verzeichnen gewesen. Das habe ihn dazu gezwungen, eine Rezeptionskraft und zwei Masseurinnen, darunter auch Frau D, betriebsbedingt zu kündigen.

Das Arbeitsgericht hat mit Schlussurteil vom 19.1.2006 (Az.: 4 Ca 132/04) sowohl die Unwirksamkeit der außerordentlichen als auch der ordentlichen Kündigung festgestellt und den Beklagten zur Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt. Den allgemeinen Feststellungsantrag hat es abgewiesen. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 112 - 122 d.A.). Der Beklagte hat gegen das ihm am 13.2.2006 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 8.3. 2006 beim Hessischen Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.5.2006 am Montag, den 15.5.2006, begründet.

Der Beklagte ist weiterhin der Ansicht, dass die Vorführung oder Durchführung therapeutischer Maßnahmen unter Benutzung von Arbeitsmitteln des Beklagten im Therapiebecken der E, die dort ausschließlich der Praxis des Beklagten vorbehalten sei, zumindest als Versuch einer verbotenen Konkurrenztätigkeit und damit als Verstoß gegen die Loyalitätspflichten der Klägerin anzusehen sei. Zusammen mit dem darauf vom Vermieter ausgesprochenen Hausverbot, das eine weitere Beschäftigung der Klägerin unmöglich mache, stelle der Vorfall vom 3.10.2004 einen die fristlose Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund dar. Der Beklagte meint weiter, dass es angesichts der bereits zum 31.10.2004 ausgesprochenen ordentlichen Kündigung für ihn auch keine Veranlassung gegeben habe, beim Vermieter auf die Aufhebung des Hausverbots hinzuwirken. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung ist der Beklagte der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers für das Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses überspannt; denn sowohl der Rückgang an Massagen als auch der an Bewegungsbädern wirkten sich unmittelbar auf den Arbeitsanfall der Klägerin aus. Die vorgetragenen Zahlen machten daher hinreichend deutlich, dass der Beklagte wegen des Umsatz- und Arbeitsrückgangs zur Kosteneinsparung mit Kündigungen habe reagieren müssen. Der Beklagte wiederholt zunächst sein erstinstanzliches Vorbringen und behauptet ergänzend, aufgrund des rückläufigen Anfalls von Bewegungsbädern die Öffnungszeiten gezwungenermaßen verändert zu haben mit der Folge, dass das Angebot für Bewegungsbäder wöchentlich um 14 Stunden zurückgefahren wurde. Das allein habe zum Wegfall des Arbeitsplatzes der Klägerin, die überwiegend als medizinische Bademeisterin eingesetzt worden sei, geführt.

Zum Auflösungsantrag führt der Beklagte aus, dass der Vorfall vom 3.10.2004 und das darauf vom Vermieter gegenüber der Klägerin verhängte Hausverbot eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht mehr erwarten lassen. Das Verhalten der Klägerin habe auf Seiten des Beklagten einen nachhaltigen Vertrauensverlust bewirkt. Es sei ihm nicht mehr zumutbar, sie mit der Wahrnehmung seiner Geschäftsinteressen zu beauftragen. Dane-ben habe der Geschäftsführer der E auch nach dem Urteil des Arbeitsgerichts nochmals erklärt, er werde das Hausverbot nicht aufheben, so dass er die Klägerin auch tatsächlich gar nicht beschäftigen könne.

Der Beklagte beantragt,

das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 19.1.2006 - Az.: 4 Ca 132/04 - abzuändern und die Klage voll umfänglich abzuweisen;

hilfsweise,

das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 9 Abs. 1 S.2 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags sieht sie für die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung keinen wichtigen Grund als gegeben. Zur Benutzung der Gerätschaften des Beklagten zu ihren privaten Zwecken sah sie sich berechtigt, weil diese sich in einem nicht abgeschlossenen und für jeden Mitarbeiter zugänglichen Raum befunden haben. Sie behauptet, das Hausverbot sei auf eine Initiative des Beklagten zurückzuführen, der sich davon Vorteile in den arbeitsgerichtlichen Verfahren versprochen habe. Anders könne sie sich das Hausverbot nicht erklären. Hinsichtlich der ordentlichen Kündigung bestreitet sie weiterhin das gesamte Vorbringen des Beklagten zum Rückgang des Arbeitskräftebedarfs. Im Übrigen ist sie der Meinung, dass die Kündigungsgründe nicht gleichzeitig den Auflösungsantrag rechtfertigen könnten.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 13.5.2006 und die Berufungserwiderung vom 22.8. 2006 Bezug genommen (Bl. 144 - 150 und 162 -165 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b und c ArbGG statthaft und auch sonst zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache selbst ist die Berufung teilweise erfolgreich. Sie ist insoweit begründet, als das Arbeitsverhältnis auf den Hilfsantrag des Beklagten gemäß §§ 9, 10 KSchG unter Zahlung einer Abfindung zum 31.10.2004 aufzulösen war und die so eingetretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Weiterbeschäftigungsantrag der Klägerin hat unbegründet werden lassen. Die Berufung ist jedoch unbegründet, soweit das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, dass es der fristlosen Kündigung vom 20.10.2004 an einem wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB und der betriebsbedingten ordentlichen Kündigung vom 30.7.2004 an der sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG fehlt und sie daher das Arbeitsverhältnis nicht beendet haben.

I. Die fristlose außerordentliche Kündigung vom 20.10.2004 ist mangels eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die Prüfung des wichtigen Grundes vollzieht sich in zwei voneinander zu trennenden Schritten. Zunächst muss ein bestimmter Sachverhalt festgestellt werden, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Dann ist wertend zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, weil dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts z.B. Urteil vom 17.5.1984 EzA § 626 BGB Nr. 90). Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt zudem, dass bei jeder Kündigung, die auf ein steuerbares Verhalten gestützt wird, das Abmahnungserfordernis zu prüfen ist, solange die Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (BAG 4.6.1997 EzA zu § 626 BGB Nr. 168; 10.2.1999 EzA zu § 15 KSchG n.F. Nr. 47).

1) Ausgehend von diesen Grundsätzen scheitert die fristlose Kündigung bereits auf der ersten Prüfungsstufe. Der Beklagte wirft der Klägerin vor, am 3.10.2004 verbotene Konkurrenztätigkeit ausgeübt und damit ihre Loyalitätspflichten verletzt zu haben. Der Arbeitnehmer ist nach allgemeiner Ansicht zwar während der Dauer des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, sich jeglicher Konkurrenztätigkeit im Geschäftsfeld des Arbeitgebers zu enthalten. Verstöße dagegen können auch ohne Abmahnung zu einer außerordentlichen Kündigung führen (ErfK/ Müller-Glöge 7. Aufl. § 626 BGbRz. 125 - 127 mit Nachw. aus der Rechtsprechung des BAG). Hier fehlt es jedoch bereits an einer konkreten Handlung, die als Ausübung einer Konkurrenztätigkeit bezeichnet werden könnte. Der Beklagte selbst hat keinen konkreten Sachverhalt vorgetragen, sondern nur vage Angaben zum tatsächlichen Geschehen gemacht. Weder er noch der Betreiber der E scheinen irgendeinen Anlass gesehen zu haben, überhaupt aufzuklären, was genau die Klägerin in dem Therapiebecken veranstaltet hat. So ist weder klar, um wie viele Personen es sich handelte, noch, ob die Handlungen der Klägerin als "Heilbehandlung" oder nur als bloße Vorführung zu qualifizieren sind, ferner nicht, welche Übungen vor- oder durchgeführt wurden und über welchen Zeitraum sich der Vorgang erstreckte. Nach den Einlassungen der Klägerin, denen der Beklagte nicht weiter entgegengetreten ist, hat sie zwei Freunden aus Jena, die sie zum Feiertag besuchten, im Therapiebecken der E, das an Feiertagen dem allgemeinen Publikum zugänglich ist, therapeutische Übungen vorgeführt. Dazu hat sie ein Gerät des Beklagten, eine Poolnudel, benutzt. Eine solche einmalige Demonstration therapeutischer Übungen gegenüber Freunden, die weder eine Heilbehandlung darstellt noch entgeltlich geschieht, ist keine Konkurrenztätigkeit, weil ihr jeder Anschein von Gewerblichkeit fehlt. Eine fristlose Kündigung kann auf eine solche einmalige Handlung auf keinen Fall gestützt werden. Das gilt auch für die einmalige Benutzung der Poolnudel aus dem Gerätebestand des Beklagten. Ohne vorherige Abmahnung ist auch hier eine Kündigung nicht denkbar.

2) Genauso wenig ist das aufgrund des Vorfalls vom 3.10.2004 vom Betreiber der E am 7.10.2004 verhängte Hausverbot als wichtiger Grund geeignet.

a) Der wichtige Grund kann nicht im Verhalten der Klägerin, das zur Verhängung des Hausverbots geführt hat, gesehen werden. Dafür hätte die Klägerin die Verhängung des Hausverbots durch ihr Verhalten schuldhaft herbeigeführt haben müssen. Die Klägerin hat sich jedoch weder arbeitsvertragswidrig verhalten - siehe die obigen Ausführungen - noch hat sie gegen bestehende Betriebsregeln der E verstoßen und so die Verhängung des Hausverbots schuldhaft verursacht. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass das Therapiebecken an Sonn- und Feiertagen für den allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet sei. Der Beklagte hat demgegenüber nicht ausgeführt, welche Regularien und Vorgaben für die Benutzung des Beckens an Sonn- und Feiertagen seitens des Thermenbetreibers bestehen und ob die Klägerin gegen sie verstoßen hat. Nach dem von der Klägerin geschilderten Sachverhalt erscheint die Verhängung des Hausverbots als eine absolut unverhältnismäßige Reaktion der E.

b) Ein wichtiger Grund ist trotz der durch das Hausverbot zunächst einmal eingetretenen Unmöglichkeit, die Arbeit zu verrichten, auch nicht in der Person der Klägerin gegeben. Zwar ist eine personenbedingte Kündigung denkbar, wenn die betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind. Daran wäre hier zu denken, wenn es dem Beklagten aufgrund des Hausverbots nicht mehr möglich wäre, die Klägerin einzusetzen. Auch hier ist jedoch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, der gebietet, dass der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung zunächst versucht, seine Interessen durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen zu wahren. Die fristlose Kündigung muss die unausweichlich letzte mögliche Maßnahme für den Kündigenden sein, das in der bisherigen Form nicht mehr tragbare Arbeitsverhältnis fortzusetzen (BAG 30.5.1978 AP Nr. 70 zu § 626 BGB; 9.7.1998 EzA § 626 BGB Krankheit). Diese Situation war hier für den Beklagten bei Ausspruch der Kündigung noch nicht eingetreten. Es wäre ihm ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, bei dem Betreiber der E auf eine Aufhebung des Hausverbots, von dessen Berechtigung er nicht ausgehen konnte, hinzuwirken. Er hat einen solchen Versuch jedoch nie unternommen, er scheint, was seine vagen Schilderungen im Kündigungsschutzprozess belegen, nicht einmal versucht zu haben, den Sachverhalt, der dazu geführt hat, näher aufzuklären. Durch die bloße Hinnahme des ausgesprochenen Hausverbots erweist sich die darauf gestützte fristlose Kündigung als unverhältnismäßig.

II. Die betriebsbedingte ordentliche Kündigung vom 30.7.2004 ist ebenfalls unwirksam und konnte das Arbeitsverhältnis nicht beenden; denn sie ist nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

Dringende betriebliche Erfordernisse für eine betriebsbedingte Kündigung können sich aus innerbetrieblichen oder außerbetrieblichen Gründen ergeben. Bei außerbetrieblichen Gründen wie Umsatz- und Auftragsrückgang liegt ein betriebliches Erfordernis zur Kündigung vor, wenn der geltend gemachte Umstand einen Überhang an Arbeitskräften bewirkt, durch den unmittelbar oder mittelbar das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt. Der konkrete Arbeitsplatz braucht nicht verloren zu gehen. Der Arbeitgeber muss sich aufgrund der eingetretenen Umstände dazu entschließen, die Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze an die objektiv vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Damit bindet er sich selbst. Beruft sich der Arbeitgeber auf Auftrags-und Umsatzrückgang, muss er im Kündigungsschutzprozess die nach Ablauf der Kündigungsfrist zu erwartenden Aufträge nach ihrem Umfang vortragen und darlegen, mit welchen Arbeitsstunden zu rechnen ist und mit welcher Anzahl von Arbeitnehmern die angenommene Arbeitsmenge zu bewältigen ist. Die Entwicklung der Auftragszahlen als auch ihre Auswirkung auf den Arbeitsplatz müssen im Einzelnen vorgetragen werden (BAG 24.10.1979 2 AZR 940/77 AP Nr. 8 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; 24.8.1989 2 AZR 653/88 RzK I 5 c 32 II 1; 15.6.1989 2 AZR 600/88 AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; HaKo-Gallner § 1 KSchG Rz. 596, 676).

Der Beklagte stützt das Vorliegen eines betrieblichen Erfordernisses vorrangig darauf, dass die Rezeptzahlen sowohl für Massagen als auch für Bewegungsbäder mit dem Inkrafttreten der nächsten Stufe der Gesundheitsreform zum 1.7. 2004 zurückgegangen seien. Damit beruft er sich auf den Rückgang von Aufträgen und dessen Auswirkungen auf den Arbeitsanfall für Masseure und medizinische Bademeister. Seine Ausführungen werden jedoch den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Auswirkungen des Auftragsrückgangs auf die Arbeitsplätze nicht gerecht. Aus seinen Ausführungen ist lediglich abzuleiten, dass die Anzahl der Aufträge in der ersten Jahreshälfte 2004 im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahre 2003 nicht unerheblich zurückgegangen ist. Es ist aber weder zu ersehen, wie er die Auftragslage für die Zukunft prognostiziert, wie er die Arbeitsbelastung für einen Masseur und medizinischen Bademeister quantifiziert und welche Anzahl von Arbeitnehmern er benötigt, um die prognostizierte Zahl von Aufträgen/Rezepten in Zukunft zu bewältigen. Aus dem Vortrag des Beklagten wird nicht einmal klar, wie viele Masseure/innen und medizinische Bademeister er überhaupt zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs noch beschäftigt. Er führt lediglich aus, dass er zeitnah mit der Klägerin die Arbeitsverhältnisse weiterer zwei Masseurinnen gekündigt hat. So ist es bei den lückenhaften Darlegungen des Beklagten durchaus denkbar, dass er mit der Kündigung dieser beiden Arbeitnehmerinnen die Zahl der Beschäftigten an die objektiv noch vorhandene Arbeitsmenge bereits hinreichend angepasst hat und es des Ausspruchs einer weiteren Kündigung nicht mehr bedurfte.

III. Der Auflösungsantrag des Beklagten gemäß §§ 9,10 KSchG war begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war zum 31.10.2004, dem Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist der sozial ungerechtfertigten betriebsbedingten Kündigung vom 30.7.2004, aufzulösen und der Beklagte zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 19.452,-- brutto zu verurteilen.

1. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG ist das Arbeitsverhältnis nach der gerichtlichen Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst ist, auf Antrag des Arbeitgebers dann aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lassen. Das war hier aufgrund des auch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch bestehenden gegen die Klägerin verhängten Hausverbots für die Räume der E der Fall.

Da das Kündigungsschutzgesetz seiner Konzeption nach ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz ist, sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Es ist allerdings keine Unzumutbarkeit i.S.eines wichtigen Grundes für eine fristlose Kündigung zu fordern oder überhaupt ein für die soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung ausreichender Grund. Beruft sich der Arbeitgeber allerdings auf dieselben Gründe, die er zur Kündigung herangezogen hat, auch für den Auflösungsantrag, muss er zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, weshalb der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigungen nicht zu rechtfertigen vermochte, jedenfalls so beschaffen sein soll, dass er eine weitere Zusammenarbeit nicht erwarten lässt. Gründe für die Auflösung müssen zudem nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Soweit der Arbeitgeber sich auf wirtschaftliche Schwierigkeiten beruft, müssen sie einen Bezug zur Person oder zum Verhalten des Arbeitnehmers haben (vgl. zu diesen Grundsätzen ErfK/Kiel 7. Aufl. § 9 KSchG mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

Das nach wie vor bestehende Hausverbot macht eine weitere den betrieblichen Zwecken dienliche Zusammenarbeit dem Beklagten unzumutbar. Es ist unstreitig, dass der Geschäftsführer der E gegenüber beiden Parteien auch nach Ausspruch der Kündigung noch erklärt hat, das nicht beabsichtigt sei, das Hausverbot aufzuheben. Der Beklagte hat eine das Hausverbot bestätigende eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers vom 15.5.2006 vorgelegt. Gegenüber dem Klägervertreter hat er geäußert, man werde keinen Millimeter weichen, wenn sie die Aufhebung erreichen wolle, müsse sie schon den Klageweg beschreiten. Keine der beiden Parteien hat seit Verhängung des Hausverbots im Oktober 2004 bislang entschiedene Schritte in Richtung einer Aufhebung des Hausverbots unternommen, während der Geschäftsführer der E sich weiterhin unversöhnlich gibt. Die Manifestierung dieses Zustands über mehr als zwei Jahre lässt erwarten, dass auf längere Sicht dem Beklagten eine Beschäftigung der Klägerin ohne erheblichen wirtschaftliche Belastungen für seinen nicht sehr großen Betrieb durch etwaige Gehaltszahlungen an die Klägerin nicht möglich sein wird. So wirkt sich der in der Person der Klägerin liegende Grund, der zwar weder zu einer wirksamen ordentlichen noch zu einer außerordentlichen Kündigung führen konnte, weiterhin unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis aus und führt im Falle einer weiteren Zusammenarbeit zu dem Beklagten nicht zumutbaren wirtschaftlichen Belastungen durch die fehlende Möglichkeit zur Beschäftigung der Klägerin.

2. Die angemessene Höhe der Abfindung hat die Kammer gemäß § 10 Abs. 1 KSchG bei einem Bruttojahresgehalt der Klägerin gesehen. Bei der Berech-nung ist allerdings ein Rechenfehler aufgetreten, der zur Ausurteilung des um € 900,-- brutto geringeren Betrages von € 19.452,-- geführt hat.

Bei der Berechnung wurde ein Bruttomonatsgehalt von € 1696,-- zugrunde gelegt, das neben dem Grundgehalt von € 1.594,-- die monatlich regelmäßig geleistete Wasserzulage von € 102,-- enthält; denn die Klägerin hat auch nach den Ausführungen des Beklagten regelmäßig Bewegungsbäder im Wasser durchgeführt. Davon ausgehend sind die Betriebszugehörigkeit von fast 10 Jahren, das Alter der Klägerin bei Ausspruch der Kündigung von 5x Jahren, ihre seit mehr als zwei Jahren seit Ausspruch der Kündigung bestehende und noch andauernde Arbeitslosigkeit und letztlich der die Abfindung weiter erhöhende Umstand berücksichtigt worden, dass die Schuld an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses weitaus überwiegend bei dem Beklagten zu suchen ist, auf keinen Fall jedoch bei der Klägerin. Bei dem Alter der Klägerin von über fünfzig Jahren ist regelmäßig ein volles Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Beschäftigung angemessen. Die Berechtigung für die Ansetzung eines vollen Monatsgehalts wird im konkreten Fall durch die fast aussichtslose Situation der Klägerin am Arbeitsmarkt, abzulesen aus ihrer über zweieinhalbjährigen Arbeitslosigkeit, bestätigt. Das führt rechnerisch zu einem Anspruch von 10 Monatsgehältern. Die Kammer sah durch den Umstand, dass die Klägerin keinerlei Verschulden am Verlust ihres Arbeitsplatzes trifft und der Beklagte es leicht in der Hand gehabt hätte, die Grundlage für eine weitere Beschäftigung der Klägerin durch frühzeitiges Einwirken auf den Geschäftsführer der E mit dem Ziel der Aufhebung des Hausverbots zu schaffen, dies aber unterlassen hat, Veranlassung, die Abfindung auf den Höchstbetrag nach § 10 Abs. 1 KSchG von einem Jahresgehalt anzuheben. Das Verhalten des Beklagten nach Ausspruch des Hausverbots und noch in der Berufungsinstanz lässt deutlich erkennen, dass der Beklagte von Anfang an kein Interesse an der Aufhebung des Hausverbots hatte und deshalb nach seinem Ausspruch nichts im Interesse der Klägerin unternommen hat. Ohne jemals einen detaillierten Sachverhalt und Vorwurf zu schildern, hat er vielmehr auch im Berufungsverfahren bis zuletzt die Entscheidung der Geschäftsführung der E, für die keine tragfähige Grundlage erkennbar ist, verteidigt.

IV. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist unbegründet.

Da das Arbeitsverhältnis aufgrund des Auflösungsantrags des Beklagten durch die Kammer beendet worden ist, fehlt es an den Voraussetzungen für den Weiterbeschäftigungsanspruch, der u.a. das Bestehen eines erfüllbaren Arbeitsverhältnisses verlangt.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Parteien gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 92 ZPO jeweils anteilig zu tragen.

Für die Zulassung der Revision war kein gesetzlicher Grund gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG ersichtlich.



Ende der Entscheidung

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