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Beginn der Entscheidung

Gericht: Hessisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 07.12.2005
Aktenzeichen: 13/16 Ta 548/05
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO, RVG


Vorschriften:

ZPO § 121
ZPO § 122
BRAGO § 128
BRAGO § 122
RVG § 61
Die Pflicht zu kostensparender Tätigkeit gemäß § 91 ZPO verpflichtet den gemäß § 121 ZPO beigeordneten Rechtsanwalt, Folgekündigungen oder sonstige Folgeansprüche nach erhobener Kündigungsschutzklage klageerweiternd und nicht mit einer weiteren Klage geltend zu machen. (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer)
Tenor:

Die Beschwerde des Klägervertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 10. Oktober 2005 - 6 Ca 157/04 - wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

In dem vor dem Arbeitsgericht Kassel anhängigen Rechtsstreit 6 Ca 23/04 begehrte der Kläger mit der am 08. Januar 2004 erhobenen Klage die Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung des Beklagten zu 1) vom 23. Dezember 2004 sowie - klageerweiternd - am 13. Mai 2004 die Feststellung eines Betriebsübergangs. Der Rechtsstreit wurde am 03. August 2004 - mittlerweile rechtskräftig - zu Gunsten des Klägers bei einem Gegenstandswert von 18.505,32 € entschieden. Für jenes Verfahren war dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und der Klägervertreter beigeordnet worden. Auf Antrag vom 20. August 2004 waren dort 925,68 € zu Lasten der Staatskasse für den Kläger festgesetzt worden.

Mit der vorliegenden, am 05. April 2004 erhobenen Klage verlangte der Kläger weiter die Feststellung eines noch offenen Urlaubsanspruchs im Anschluss an die aus seiner Sicht unwirksame Kündigung vom 23. Dezember 2004 sowie die Zahlung von Lohn wegen ungerechtfertigte Freistellung und wegen Annahmeverzugs sowie Lohnausgleichszahlungen und die Zahlung von Beiträgen an die A. Auch hierfür wurde dem Kläger am 08. Februar 2005 antragsgemäß Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Der Rechtsstreit endete mit einem teilweise stattgebenden Urteil - inzwischen rechtskräftig - am 18. Januar 2005 bei einem Gegenstandswert von 5.480,59 €.

Am 21. Februar 2005 beantragte der Klägervertreter sodann Kostenfestsetzung gegenüber der Staatskasse nach der BRAGO wie folgt:

 Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1) 225,00 €
Verhandlungs-Erörterungsgebühr (31 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 4)225,00 €
Postgebühren - Pauschsatz- 20,00 €
Summe470,00 €
Erhobene Umsatzsteuer (§ 25 Abs. 2) hierzu 16 %75,20 €
Summe545,20 €
davon ab Vorschüsse und sonstige Zahlungen (ggf. soweit anzurechnen, §§ 129, 132 Abs. 2) 0,00 €
zu zahlender Betrag:545,20 €

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Ansicht vertreten, der oben zitierte Rechtsstreit 6 Ca 23/04 und der vorliegende müssten aus Gründen der Kostenersparnis gemeinsam abgerechnet werden, weil dem Kläger statt einer weiteren Klage die entsprechende Klageerweiterung in dem Ursprungsverfahren zumutbar gewesen wäre. Dem entsprechend setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle am 22. August 2005 die Kosten für den Klägervertreter aus den addierten Streitwerten unter Abzug der bereits in 6 Ca 23/04 bewilligten 925,68 Euro wie folgt fest:

 Prozessgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1)318,00 €
Verhandlungs-Erörterungsgebühr (31 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 4)318,00 €
Beweisgebühr aus 7.800.- Euro (§ 31 Abs. 1 Nr. 3)234,00 €
Postgebühren - Pauschsatz- 20,00 €
Summe890,00 €
Erhobene Umsatzsteuer (§ 25 Abs. 2) hierzu 16 %142,40 €
Summe1032,40 €
davon ab Zahlung925,68 €
zu zahlender Betrag:106,72 €

Wegen des sich so ergebenden Gesamtbetrags von 106,72 € legte der Klägervertreter am 31. August 2005 "Beschwerde" ein, der - als Erinnerung verstanden - weder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle noch das Arbeitsgericht abhalfen; letzteres durch Beschluss vom 10. Oktober 2005 (Bl. B 32 d. A.). Dieser Beschluss wurde dem Klägervertreter am 26. Oktober 2005 zugestellt. Der am 31. Oktober 2005 eingegangenen Beschwerde des Klägervertreters vom 28. Oktober 2005 hat das Arbeitsgericht am 01. November 2005 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und des beteiligten Bezirksrevisors wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Klägervertreters vom 28. Oktober 2005 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 10. Oktober 2005 ist gemäß den gem. § 61 RVG für das Beschwerdeverfahren schon anwendbaren §§ 56, 33 Abs. 3 - 8 RVG statthaft und nach form- und fristgerechter Einlegung (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) auch im Übrigen zulässig. Der Beschwerdewert von mehr als 200 € (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) ist überschritten.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§ 33 Abs. 4 Satz 1 RVG).

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 22. August 2005 bestätigt.

Der Klägervertreter kann nicht verlangen, dass beide Verfahren getrennt abgerechnet aus der Staatskasse vergütet werden. Gemäß § 91 ZPO, dessen Grundsätze allgemein im Gebührenrecht gelten (vgl. dazu im Einzelnen LAG Baden Württemberg, JurBüro 1992, 401) sind die Parteien gehalten, die Kosten des Verfahrens angemessen niedrig zu halten. Dies gilt umso mehr wenn - wie hier - die Kosten für beigeordnete Rechtsanwälte aus öffentlichen Mitteln zu tragen sind. Gegen diese Pflicht hat der Klägervertreter verstoßen, als er statt die zunächst eingereichte und am 13. Mai 2004 erweiterten Klage wegen der Wirksamkeit der Kündigung vom 23. Dezember 2004 und des Betriebsübergangs um die Anträge zu Urlaub und Vergütung vom 5. April 2004 nochmals zu erweitern, die neue vorliegende Klage erhoben hat mit der Konsequenz, dass weitere Prozess- und Erörterungsgebühren und auch Auslagenpauschalen entstanden.

Soweit gelegentlich hiergegen eingewendet wird, Erweiterungen der Klage im Ausgangsverfahren seien nicht geboten, weil jeder Anspruch und jedes Recht gesondert mit einer Klage verfolgt werden können, ist das zwar rechtlich zutreffend. Unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit verursachter Kosten und im Hinblick darauf, dass jeder, der auf Kosten eines anderen (hier der Staatskasse und damit des Steuerzahlers) prozessiert, gehalten ist, zumutbare und Kosten sparende prozessualen Möglichkeiten wahrzunehmen, die er auch wahrnehmen würde, wenn es um eine eigene Angelegenheit gehen würde (diligentia quam in suis), muss dem jedoch entgegen gehalten werden, dass durch Klageerweiterung die gebührenrechtlichen Folgen vermieden werden können, die eine neue Klageerhebung statt der Klageerweiterung auslöst (LAG Baden- Württemberg, a.a.O. und BB 1989, 269; OLG Düsseldorf JurBüro 1982, 602 und Rpfleger 1992, 526; KG MDR 2000, 1277, jeweils m. w. N.). Die getrennte Geltendmachung von Ansprüchen in verschiedenen Prozessverfahren ist deshalb nur dann ohne Kostennachteile zulässig, wenn für dieses Verfahren ausnahmsweise vernünftige Gründe ersichtlich sind (ebenso OLG Zweibrücken Rpfleger 1993, 41; KG, a.a.O.; OLG Koblenz JurBüro 1990, 58; Kammerbeschlüsse vom 19. Februar 2002 - 13 Sa 32/02 -; vom 18. März 2002 - 13 Ta 45 - 47/02 -; vom 23. Oktober 2003 - 13 Ta 460/02 -; vom 17. Novem€ber 2003 - 13 Ta 417/03 -; vom 30. März 2004 - 13/3 Ta 19/04 -; vom 30. August 2004 - 13 Ta 385/04 -, vom 9. November 2004 -13 Ta 480/04 - und vom 26. September 2005 -13 Ta 327- 328/05- ).

Vernünftige Gründe zu getrennter Klageerhebung sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Der Klägervertreter hätte zwanglos die Begehren zu Urlaub und Zahlung durch Klageerweiterung in dem bereits anhängigen Rechtsstreit um die Kündigung und den Betriebsübergang geltend machen können. Die Begehren waren auch voneinander abhängig.

Der Klägervertreter muss sich also bezüglich seines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber der Staatskasse so behandeln lassen, als hätte er nicht zwei verschiedene Klagen erhoben, sondern die erste Klage um die zweite erweitert. Dies führt zu einer Gebührenberechnung, ausgehend von den zu€sammengerechneten Gegenstandswerten beider Rechtsstreite (23.985,91 Euro).

Die Gebührenfestsetzung, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle sodann - wie oben ausgeführt - vorgenommen hat, entspricht nach Grund und Höhe dem seinerzeit "materiell" anwendbaren Gebührenrecht der BRAGO einschließlich der Beweisgebühr aus dem verminderten Gegenstandswert von 7.800,00 €, der nicht gesondert gerügt worden ist. Insgesamt ergeben sich so 1.032,40 €, von den die in dem Verfahren 6 Ca 23/04 bereits bewilligten 925,68 € abzusetzen sind. Somit ergibt sich die festgesetzte Summe von 106,72 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Ende der Entscheidung

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